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Full text of "Samson Raphael Hirsch : Jubiläums-Number"

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Samson  Raphael  Hirsch- 

Jubiläums-Nummer. 


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Herausgegeben 


\on  iler 


m.  Redaktion  des  „Jsraelit"  ^ 

zum  25.  Siwan  5668. 


Frankfurt  a.  Aain 

Verlag   des   .Jsraelit"   G.  m.  b.  H. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

A  Aufsätze  und  Briefe. 

Samson  Raphael  Hirsch.    Ein  Lebensbild 5 

S.  R.  Hirsch's  erste  Rabbinerstelle.  Nach  den  Akten  des  Qroß- 
herzogl.  Ministeriums  dargestellt  von  Landrabbiner  Dr.  Mann- 
tieimer  in  Oldenburg 17 

Der     Parallelismus      der      Satzglieder.      Aus     einem     Briefe 

S.  R  Hirsch's  an  Moses  Mendelsohn  in  Hamburg 17 

Sei      stark    und     fest.    Aus     einem     Briefe    S.  R.  Hirsch's     an 

Simon  Mai  in  Hamburg 18 

Samson  Raphael  Hirsch  als  Oberlandesrabbiner  von  Mähren. 

Von  Rabbiner   Dr.  David  Feuchtwang  in  Wien 19 

S.  R.  Hirsch   und  die  österreichische  Revolution. 

Ein  Sendschreiben  aus  dem  Jahre  1848 26 

Religionsphilosophisches   in  S.  R.  Hirsch's  Kommentar  zum 

Pentateuch.  Von  Prof.  Dr.  Finl<  in  Frankfurt  a.  M.  ...  28 
Samson  Raphael  Hirsch  und  das  jüdische  Rußland  ....  32 
Ein  Wort   über  S.  R.  Hirsch's    wissenschaftliche   Methode. 

Von  Dr.  Samuel  A.  Hirsch  in  London 33 

Zur   Würdigung   der  schriftstellerischen    Eigenart   Samson 

Raphael  Hirsch's.  Von  Dr.  Herrn.  Deutsch  in  Fürth  ...  34 
Aus  dem    Briefwechsel   zwischen    S.  R.  Hirsch  und  Qerson 

Josaphat 35 

Jüdische  Jugend  vereine.    Ein  Brief  S.  R.  Hirsch's 36 

Wie  Israel  seine  Großen  ehrt.    Ein  Gutachten  S.  R.  Hirsch's  aus 

dem  Jahre  ISöT 36 

Samson    Raphael    Hirsch's    Ideen    zur    inneren  Politik   der 

deutschen  Judenheit.  Von  Dr.  Ed.  Biberfeld  in  Berlin  .  37 
Samson   Raphael    Hirsch   als  Erzieher.    Von  Dr.  J.  Wohlge- 

muth  in  Berlin 40 

Samson  Raphael  Hirsch  in  Ungarn.    Von  Rabbiner  Ph.  Fischer 

in  Devavänya,  Ungarn 45 

Samson   Raphael    Hirsch    in     Holland.      Von    Justus    Tal    in 

Amsterdam 47 


Seite 

47 
51 


Aphorismen  zur  Grundlegung  der  jüdischen  Ethik  im  Geiste 
Samson  Raphael  Hirsch's.  Von  Jacob  Rosenheim  in 
Frankfurt  a.  M 

Bibliographie  der  Werke  und  Aufsätze  S.  R.  Hirsch's.    Von 

Heinrich  Eise  mann  in  Frankfurt  a.  M 

B.  Gedichte  und  Feuilleton. 

An  Samson  Raphael  Hirsch.    Von  S.  H.,  Frankfurt  a.  M.     ...  3 

Sonett.    Von  F.  Bollag-Zürich 19 

Lichtstrahlen  aus  Samson  Raphael  Hirsch's  Schriften.    (Aus 

den  Psalmen.) , 20 

1    Vor   dreißig  Jahren.     Von  Gottfried   Goldschmidt-Halberstadt  22 

Schulerinnerungen.  Von  Moritz  A.  Loeb-Frankfurt  a.  M.      ...  24 

Die  letzte  Predigt.    Von  Hermann  Seh  wab- Halberstadt          .     .  50 

C.  Bilder. 

Vollbild  S.  R.  Hirsch 4 

Rabbi  Mendel  Frankfurter,  Großvater  Samson  Raphael  Hirsch's  .  6 

Raphael  und  Gella  Hirsch,  die  Eltern  Samson  Raphael  Hirsch's    .  7 

Chacham  Bernays      8 

Samson  Raphael  Hirsch,  als  Landrabbiner  zu  Emden 9 

Hirsch's  Wohnhaus  an  der  Schönen  Aussicht  in  Frankfurt  am  Main  12 
Verkleinerte    Probeseiten    aus    einer    Handschrift    Samson 

Raphael  Hirsch's.  (Gedruckt  im  Jeschurun,  Jahrgang  16,  Heft  3.)  14 

Moses  Mendelson 18 

Die  Altschul  in  Nicolsburg 21 

Die  ,, Brück"  mit  ,, Neuschul"  in  Nicolsburg •    .  22 

Nicolsburg:  Judengasse  mit  Rabbinerhaus 23 

Rabbonimplatz  auf  dem  Friedhof  in  Nicolsburg 24 

Konzept  einer  Eingabe  des  Oberlandesrabbiners  Samson  Raphael 
Hirsch   an  den  Oesterreichischen  Kultusminister  in  Betreff  seiner 

Amtsniederlegung 27 


Druck  voD  Rupert  Haumbach,  Kranktiirt  am  Main. 


j\n  Samson  T^aphael  j-drsch. 


y\\xj  steigt  der  ZTag,    der   deinen  T^uhm  verkündet, 
pas  €hrenreis  dir  um  die  Schläfe  windet: 
Geschlossen  hat  sich  dein  Jahrhunderlkranz. 
Und  hell  durch  Wolken  der  Vergangenheiten 
ßricht,  €dler.  sich  dein  ßild;  in  ^ukunjtsweiten 
Strahlt  mächtiger  sein  vielgegrüssler  Glanz. 

Sturmtrolzend  gleich  der  hundertjähr'gen  €iche, 
j^errschsl  du  ein  fürst  der  Geister  in  dem  l^eiche, 
pas  eigne  l^ra/t  dir  ragend  liess  erstehn. 
penn  l^eime,  deiner  l^rone  reich  entquollen, 
j^ast  du  gesenkt  in  brachgeleg'ne  Schollen, 
Und  Wipfel  sprossten,  die  dich  jetzt  umwehn. 

Was  kühn  dein  Geist  durchdacht  in  ernsten  Stunden, 

Was  für  die  jVlenschheit  liebend  du  empfunden: 

€in  hohes  £ied  von  deiner  üippe  klang. 

Von  Gott  begnadet,  den  du  stolz  verkündet, 

fjdiSl  pu  begeistert  t7erzen  ihm  entzündet 

}A\\  heil'gem  feuer,  das  dich  selbst  durchdrang. 

)\uf  edlen  fibh'a  hast,  Wächter,  du  gewaltet, 
frei  hast  du  Judas  pahne  dort  entfaltet, 
,,Gotl  uf\d  die  üehre!"  leuchtet  stolz  auf  ihr. 
Von  hoher  Warte  sahst  du's  ferne  blitzen, 
pem  feind  entgegen  tratest  du,  zu  schützen 
pen  Stamm,  der  sich  geschart  um  dein  panier. 

Wir  stehen  fest !    Jvlag  uns  deiri  )\rm  auch  fehlen, 
poch  schwebt  dein  Geist  gar  mächtig  um  die  Seelen, 
Und  deine  Zlaten  atmen  deine  l^rafl. 
purch  ZTaten  wollten  —  werden  wir  dir  danken, 
pas  sind  die  schönsten  üorbeern,    die  dir  ranken. 
fizW  dem,  der  selbst  ein  penkmal  sich  erschafft! 


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amsti  laphael  Hipseh  ^^  ^^t 


Ein  Lebensbild. 


Es  kennt  Gott  die  Tage  sittlich 
ganzer  Mensclien,  und  ihr  Erbe 
bleibt  für   die    Ewigkeit. 

(Ps.  37,  18.) 
,Ganze^  Menschen,  die  ausnahmslos  alle  ihre 
Beziehungen  Gott  unterordnen,  nur  von  einem  Ge- 
danken, dem  Gedanken  an  ihre  Pflicht  erfüllt  sind, 
wie  bescheiden  auch  ihr  Glück,  ja  wie  bekümmert 
oft  ihre  Lebenslage,  Gott  ist  jedem  ihrer  Tage  nahe, 
jeder  ihrer  Tage  steht  unter  seiner  besonderen  Ob- 
hut, und  keiner  ist  bedeutungslos ;  allein  ihre  eigent- 
liche Errungenschaft,  das,  was  sie  durch  ihre  ganze 
irdische  Wallfahrt  von  Gott  errungen,  das  läßt  sich 
nicht  nach  der  äußeren  Erscheinung  ihrer  irdischen 
Tage  ermessen,  das  reicht  über  die  kurze  Spanne 
ihres  irdischen  Hierseins  weit  hinüber,  das  gehört 
der  Ewigkeit  an,  das  geht  mit  ihnen  in  die  Ewigkeit 
und  von  ihnen  auf  ihre  Kinder  über.'" 

Hirsch's  Commentar  z.  St. 

Kit  diesen  Worten  liat,  unbevvui.it,  Samson  Rapliael  Hirscli 
^  sich  selbst  so  wahr  und  l\lar  g^ezeichnet.  dal!  einer 
Darstellung  dieses  ei^j^enartigen  Lebens  und  Wirkens  damit 
die  Grundlinien  ^ej^eben  sind,  deren  Spuren  sie  nur  zu  folgen 
braucht.  Sein  Leben  und  sein  Wirken!  So  harmonisch 
beide  sich  auch  in  dieser  j{rol.izü<{i^  an5.jeleji;ten  Persönlichkeit 
vereinigten,  so  j^ewiLi  sie  durch  ihr  bloües  Leben  wirkte  und 
nur  für  dieses  Wirken  lebte,  der  Bioji^raph  niul,i  das  Leben 
und  das  Wirken  getrennt  schildern,  um  den  unge\v(")linliclien 
Erfolg  dieser  wunderbaren  Verbindung  ins  rechte  Licht  zu 
setzen.  Hirsch  zählt  unter  die  bedeutenden  Männer,  die  schon 
bei  Lebzeiten  eine  groLie  Verehrung  und  eine  ebenso  erbitterte 
Gegnerschaft  erfahren  haben. 

Sein  Wirken  geluirte  der  grollen  Gesamtheit  und  vor 
dieser  vollzog  sicli  auch  sein  Leben.  Jeder  Markstein  darin 
bot  den  Verehrern  und  Gegnern  erwünschte  Veranlassung,  den 
Werdegang  des  Gefeierten  und  Bekämpften  zu  schildern,  so 
daü  wir  eigentlich  keinen  .Wangel  an  biographischem  Material 
zurWürdigung  Samson  Rapliael  Hirsch's  liaben.  Und  dennoch! 
Wie  erscheint  alles  das,  was  die  groLie  Welt  von  Samson 
Rapliael  Hirsch  weili,  so  gering,  so  ungenügend  und  mangelhaft 
demjenigen,  der  das  Glück  hatte,  dem  grolkn  Mann  menscii- 
üch  näher  zu  treten  und  einen  Blick  in  dieses  edle  Herz,  auf 
diesen  hellen  Geist  zu  werfen !  Die  Biographen  geben  ganz 
genau  Bescheid  über  den  Geburtstag,  über  Tag  und  Datum, 
an  dem  er  einen  Wirkungskreis  verlassen  und  einen  anderen 
betreten  hat.  Aber  die  einzelnen  Tage  selber,  wie  er  sie 
als  Mensch,  als  Gatte,  als  Vater,  als  Rabbiner,  als  Lehrer, 
als  Schriftsteller  verlebte,  und  was  sonst  die  Ausstrahlungen 
seinerungewöhnlichen  Vielseitigkeit  waren,  die  stille,  schlichte 
Grölk,  welche  alle  Stunden  und  A\inuteii  seines  irdischen 
Wesens  und  dasjenige  seiner  Umgebung  heiter  verklärte, 
das  hat  noch  keiner  geschildert  Gott  allein  kennt  die  Tage 
sittlich  ganzer  Menschen. 

Und  ebenso  das  Wirken.  Wol  liegt  ein  grolier  Teil 
dieser  Wirksamkeit  in  den  Institutionen,  die  er  geschaffen, 
in  den  Schriften,  die  er  hinterlassen  \ or  aller  Welt  da. 


Aber  die  ungezählten  Tausende,  auf  die  er  gewirkt,  die 
Art.  wie  sein  Blick,  sein  Wort,  seine  Lebenstat  dem  Leicht- 
sinn gesteuert,  das  Gute  gefördert,  das  Wahre  gefestigt, 
alles  das  vermag  keiner  zu  bewerten  und  abzuschätzen. 
Wie  viel  geknickte  Existenzen,  wie  viel  körperlich  und 
sittlich  Schwache,  hat  seine  Herzensgüte,  sein  unversieglicher 
Glaube  an  den  guten,  in  jedem  Menschen  schlummernden 
Kern,  wieder  aufgerichtet  und  mit  neuer  Lebenskraft  und 
mit  frischem  Lebensmut  ausgestattet,  den  die  so  neu  Be- 
lebten und  Aufgerichteten  wieder  auf  ihre  Umgebung,  auf 
Kinder  und  Kindeskinder  übertragen  haben.  Diese  ganze 
in  die  fernste  Zeitüchkeit  reichende  Wirksamkeit,  Errungen- 
schaften, die  für  die  Ewigkeit  bleiben,  die  ebenfalls  nur  Gott 
in  ihrer  vollen  Tragweite  kennt,  wer  vermöchte  sie  erschöp- 
fend zu  schildern? 

Auch  die  folgenden  Zeilen  vermögen  es  nicht.  Aber 
wenn  sie  bei  allem  Streben  und  Ringen  dem  Gedächtnis 
des  grolien  Mannes  gerecht  zu  werden  durch  das  Gepräge 
des  Ungenügenden,  Bruchstückartigen,  das  sie  in  jedem 
Zuge  tragen,  den  grolien  Abstand  zwischen  dem  zu  Schil- 
dernden und  der  Schilderung  zum  BewuLitsein  bringen,  so 
mag  auch  auf  diesem  Wege  das  Gedenken  des  Gerechten 
den  Lesern  zum  Segen  werden.  Den  Einsichtigen  unter 
ihnen  braucht  es  ja  nicht  erst  gesagt  zu  werden,  wie  schwer 
die  Einschätzung  der  Verdienste  groLier  Männer  ist,  die  der 
Hauch  der  l  Insterbliclikeit  umwittert,  weil  der  Schwerpunkt 
ihrer  Bedeutung  nicht  in  der  Gegenwart,  sondern  erst  in  der 
Zukunft  liegt.  In  der  Gegenwart  liaben  die  Gedanken,  Em- 
pfindungen und  Handlungen  Samson  Rapliael  Hirsch's  viel 
Gegnerschaft  gefunden.  Sie  standen  bei  seinen  Lebzeiten 
und  stehen  noch  heute  vielfach  im  Gegensatz  zu  den  herr- 
schenden, landläufigen.  Aber  die  zahlreiche,  bereits  durch 
alle  Teile  der  groLien  Jüdischen  Diaspora  verzweigte  Hirsch- 
Gemeinde  wäclist  von  Tag  zu  Tag.  Die  werbende,  zündende 
Kraft  der  in  seine  Schriften  niedergelegten  Gedanken  führt 
ihr  fort  und  fort  neue  Mitglieder  zu.  Diese  Schriften  sind 
bereits  in  mehrere  Sprachen  übersetzt.  Wer  sie  liest,  wer 
sich  gar  in  sie  vertieft,  ist  für  ihre  Anschauungen  über  Welt, 
Menschheit  und  Judentum  gewonnen.  Man  empfindet  den 
Hauch  der  Göttlichkeit,  den  sie  atmen.  Es  ist  die  Kraft  der 
r^rophetensprache,  die  aus  ihnen  spricht,  sie  sind  nicht  wie 
andere  Bücher,  sie  sind  mit  dem  Herzblut  des  Autors  ge- 
schrieben. Sie  wecken  nicht  nur  Gedanken  und  Gefühle, 
sie  besitzen  eine  unmittelbare  Wirkung  auf  den  Willen  der 
Menschen,  die  zum  Handeln  drängt,  nicht  nur  zum  Denken 
und  Empfinden.  Sie  werden  in  immer  steigendem  MaÜe  die 
Gegenwart  beeinflussen,  die  Zukunft  aber  wird  ihnen  ganz 
zufallen.  Diese  treibende,  zukunftgestaltende  Kraft  jener 
geistigen  Saatkeime  möchten  die  folgenden  Zeilen  durch  das 
Bild  des  Säemannes  fördern,  der  sie  in  den  Schoü  der  Zeiten 
mit  seiner  gottgesegneten  Hand  gestreut  hat. 


Saiiisoii  Rapliael  Hirsch  wurde  am  25.  Siwaii  im  Jalire 
55(i8  zu  Hambur,u'  geboren  und  ist  als  Rabbiner  der  Israe- 
litischen Relioions.uesellschatt  zu  Frankfurt  a.  M..  81  Jalire 
alt.  am  27.  Teweth  des  Jahres  504*)  .gestorben.  Welches 
wunderbare  Walten  der  göttlichen  Vorsehun.y;  knüpft  sich 
für  den  über  dieses  Jahrhundert  schweifeinlen  Blick  nur  an 
die  beiden  Städtenamen,  welche  es  beo'renzen.  Als  in  den 
ersten  Jahrzehnten  des  \ oritien  Jahrhunderts,  unter  dem  Hin- 
druck  der  iuni;'en  französischen  Rexolution  und  ihrer  politi- 
schen rmwälzun.u'en.  alles  .Alte.  Bestehende,  l  ieberkonniiene 
in  Frage  gestellt  und  in  Trünniier  geworfen  wurde,  damals 
glaubten  \iele  durch  die  neu  auf  sie  eingedrungene  europäische 
Kultur  Geblendete,  daß  ihr  altes  Judentum  dem  Zuge  der 
Zeit  folgen  und  zu  Gunsten  einer  xerwässerten  christlich- 
protestantischen Kirchenreligion  abdanken  müsse.  Viele  gingen 
offen  zur  herrschenden  Religion  durch  die  Taufe  über,  andere 
glaubten  Wunder  wie  klug  zu  handeln,  wenn  sie  statt  der 
Juden  das  Judentum  tauften  oder  ihm  doch  einen  christlichen 
Anstrich  gaben.  Sie  tauften  ihre  alten  Synagogen  in  moderne 
Tempel  um.  ersetzten  die  jüdische  Tefillo  durch  deutsche  Ge- 
bete, die  alte  Droscho  durch  gehaltlose  Predigten,  sie  führten 
christliche  Chöre.  Kirchenglocken  und  Kirclienorgeln  ein. 
\erdrängten  das  Feuerw ort  der  Thora  durch  wässerige  Kate- 
chismen, zerschnitten  das  Band,  das  sie  mit  der  Ver- 
gangenheit \erband  und  leugneten  die  Zukunft  Israels,  um 
als  echte  Weltkinder  ganz  der  Gegenwart,  der  Zeit,  dem 
Zeitgeist,  wie  man  beschönigend  meinte,  sich  hingeben  zu 
können.  Ihid  dieses  Attentat  nannte  man  nicht  Verrat.  Ab- 
fall. Treubruch  oder  Revolution,  sondern  Reform  des 
Juden  tu  ms. 

Ihren  Anfang  hat  diese  Rexolte  gegen  das  überlieferte, 
historische  Judentum  in  Berlin  und  Leipzig  genonnnen.  Sie 
konnte  sich  aber  dort  zunächst  nicht  lange  behaupten.  In  Ham- 
burg gelanges  den  Neuerern,  sich  zu  einem  dauernden  Verband 
zu  \ereinigen,  der  noch  heute  unter  dem  Namen  ,. Tempel- 
Verband"  besteht.  Ein  Schrei  der  Entrüstung  ging  durch  die 
ganze  europäische  Judenheit  als  das  Hamburger  Rabbinats- 
Kollegium  im  Jahre  1819  von  den  dortigen  Vorgängen  Mit- 
teilung machte  und  in  einer  besonderen  Schrift  das  Ver- 
dikt der  berühmtesten  rabbinischen  Autoritäten  über  dieses 
unerhörte  l  'nterfangen  veröffentlichte,  l  'nser  zeitgenössisches 
Geschlecht  kann  sich  nur  schwer  einen  rechten  Begriff  von 
der  Bekümmernis  und  der  Wehmut  machen,  mit  welchen 
damals  und  noch  lange  Jahrzehnte  nachher  dieser  xon  Ham- 
burg ausgehende  weitschichtige  Abfall  die  Geister  und  Ge- 
müter der  Treugebliebenen  Israels  erfüllte.  Sie  konnten  nicht 
wissen,  was  heute  xor  unserem  Blick  offen  daliegt,  dali  Gott 
die  Heilung  schon  \orbereitet  hatte,  bevor  die  Wunde  ge- 
schlagen war.  daii  schon  elf  Jalire  vorher,  derjenige  geboren 
war,  der  die  Reform  so  nachdrücklich  und  so  siegreich  be- 
kämpfte, dal!  sie  heute  sich  und  ihren  Namen  \erleugnet. 
Von  der  Reform  spricht  niemand  mehr  gerne,  und  als  Reform- 
Jude  nuichte  keiner  gelten.  Man  nennt  sich  liberal,  fort- 
geschritten, freisinnig  und  wie  all"  die  Feigenblätter  heilien, 
mit  welclien  die  Fahnenflucht  in  erfinderischer  Not  ihre 
BlölJen  zu  \ erdecken  sucht,  nur  nicht  Reform!  Das  ist  das 
unbestrittene  Verdienst  Samson  Rapliael  Hirsch's  und  der- 
jenigen, die  er  zu  Mitkämpfern  für  diesen  Gotteskampf  be- 
geistert hat.  Fr  hat  es  selber  oft  erzählt,  dali  es  tatsächlich 
der  .Abfall  xom  Judentum  in  seiner  Vaterstadt  war.  iler  ihn 
frühzeitig  auf  den  Lebensweg  drängte,  auf  dem  er  das  an- 
gegriffene Väterheiligtum  von  Sieg  zu  Sieg  führte.  Als  eir- 
und zwölfjähriger  Knabe  war  er  Zeuge  der  Zusammenkünfte 
im  elterlichen  Hause,  in  welchem  (lie  Treugebliebenen  die 
Tagesereignisse  besprachen  und  die  Schritte  berieten,  mit 
denen  dem  kecken  I  .ebermute  der  Neuerer  zu  begegnen 
sei.  Das  ratlose,  \erzw'eifelte  Weh,  das  aus  den  Worten 
und    den   blolJen    AVienen   dieser   wackeren  Männer   sprach. 


war  dem  Knaben  so  nahe  gegangen,  dali  er  sich  damals  ge- 
lobte, sein  Leben  dem  von  seinen  eigenen  Kindern  preis- 
gegebenen jüdischen  Heiligtum  zu  weihen. 

Aber  dieses  elterliche  Haus  war  auch  wie  wenig  andere 
dazu  geeignet,  einen  Mann  \on  der  geistigen  und  sittlichen 
GröLie  Samson  Rapliael  Hirschs  zu  erzeugen  und  zu  erziehen. 
Als  vor  19  Jahren  sein  irdisches  Teil  der  Frde  zurückgegeben 
wurde,  suchten  an  seiner  Bahre  unil  noch  Tage  und  Wochen 
lang  nachher  zahlreiche  Trauerredner  seine  xielseitigen  Vor- 
züge und  Tugenden  zu  schildern.  Bei  allen  diesen  Anlässen 
wurde  ein  grolies  Verdienst  übergangen  oder  von  wenigen 
kaum  gestreift:  das  grolie  Verdienst  seiner  Ahnen, 
das  ungewöhnliche  mnx  mn,  das  ihm  zur  Seite 
stand. 

Es  ist  begreiflich  und  \erzeililicli,  wenn  das  tränen- 
umflorte Auge,  geblendet  von  dieser  im  Glänze  eigener  Ver- 
dienste leuchtenden  Lichtgestalt  leicht  geneigt  ist.  angesichts 
der  unsterblichen  Verdienste  des  Enkels  die  der  Ahnen  zu 
unterschätzen.  Diese  Gefahr  liegt  bei  der  Schilderung  einer 
genialen,  originellen  Persönlichkeit  vom  Schlage  Samson 
Rapliael  Hirsch's  ganz  besonders  nahe.  Bei  seiner  Eigenart 
des  Denkens.  Redens.  Schreibens  und  Handelns  glaubt  jeder 
unwillkürlich  xor  einem  abgeschlossenen  Charakter  zu  stehen, 
der  alles  aus  sich  selbst  und  nichts  von  seiner  Umgebung 
hat.    Und  dennoch  wurzelt  Hirsch  mit  seiner  ganzen  mäcli- 


Rabbi  Mendel  Frankfurter, 

Samsuii    Rapliael    Hirscr.'s   Großvater. 

tigen  Persönlichkeit  in  der  Vergangenheit,  in  dem  Leben  und 
VVirken  seiner  groüen  Ahnen,  zu  welchen  er  Zeit  seines 
ganzen  Hierseins  als  zu  den  Idealgestalten  für  die  Lösung 
seiner  Lebensaufgabe  emporblickte.  Es  wäre  ihm.  besonders 
in  den  ersten  Jahren  seiner  Wirksamkeit.  \iel  Verkennung 
und  Verdächtigung  erspart  geblieben,  wenn  die  große -Welt, 
wenn  \'or  allem  seine  nächsten  Gesinnungsgenossen  da\on 
unterrichtet  gewesen  wären. 

Hirsch  w  ar.  nach  seinem  Lehrer,  dem  Chacham  Bernays. 
einer  der  ersten  Rabbiner,  die  gründliche  Kenntnis  der 
Thora  mit  ebenso  gründlicher  allgemeiner  Bildung  \'er- 
banden.  Sein  modernes  logisches  Denken,  sein  vielseitiges 
profanes  Wissen,  xor  allem  aber  seine  Meisterschaft  in  der 
Handhabung  der  deutschen  Sprache,  waren  es,  womit  er  vor 
mehr  als  sechzig  Jahren  die  Welt  überraschte.  Das  alles  trug 
dazu  bei.  dass  man  in  ihm  nicht  so  sehr  den  Rabbiner,  als 
den  deutschen,  den  modern  gebildeten  Rabbiner  an- 
staunte. Die  grosse  Mehrzahl  junger  Rabbiner,  die  sich 
damals  ebenf'ills  weltliche  Bildung  aneigneten,  \erloren  auf 
dem  \\  ege  zur  .Aneignung  dieser  Bildung  ihr  Judentum  und 
wurden  dessen  getälirlichsten  Feinde.  Dieser  Umstand  ver- 
schuldete es.  dal.i  man  mifitrauisch  gegen  die  modern  ge- 
bildeten Rabbiner  wurde,  und  daß  auch  Hirsch  unter  diesem 
.'Wil.itrauen  in  den  ersten  Jahren  seines  öffentlichen  .Auftretens 


viel  zu  leiden  hatte.  Ja.  wenn  modernes  Wissen  imd  die 
korrekte  Handliabtm.ü^  der  deutschen  Sprache  ein  solches 
Militrauen  rechtferti«^te,  so  hatte  Hirscli  durch  die  Univer- t 
salität  seiner  weltlichen  Bildung;  und  durch  die  Klassicität 
seines  Styls  viel  mehr  Anspruch  darauf  als  \iele  andere. 
Er  war  ein  jjroiier  Deutscher,  das  sah,  das  wulJte  die  jüdische 
Welt.  Was  sie  aber  nicht  wulite,  war,  dali  er  ein  noch  \'iel 
größerer  Jude  als  Deutscher,  ein  viel  tief.y;ründio:erer  Kenner  ! 
der  Tliora  als  der  modernen  Wissenschaften  war,  dal.i  er 
mit  jeder  Fiber  und  Faser,  in  dem  Judentuni,  in  dem  vor- 
bildlichen Leben  und  \\  irken  seiner  Eltern  und  Großeltern 
wurzelte,  und  dali  er  daraus  die  Kraft  zog  für  all  das  Qroüe 
und  Herrliche,  das  ihm  zu  schaffen  vergönnt  war.  Delihalb 
ist  zu  einer  richtigen  Würdigung  Samson  R.  HirsclTs  ein 
kurzer  Hinweis  auf  seine  .Abstannnimg  inierläl.ilich. 

Der  erste  Blick  darauf  zeigt,   dal.i   Hirschs  Familie   aus 
Frankfurt  a,  M.  stannnt,  und  dali  die  Thora   ihr   altes    Heim 


angeeignet  und  nahm,  mit  reichen  Kenntnissen  ausgestattet, 
eine  Lehrerstelle  in  Stuttgart  an.  Von  da  ging  er  nach 
Frankfurt  a.  M.  und  heiratete  dort  die  Tochter  Zippora  des 
Rabbi  Lob  Salomon  in  Altona.  Nach  seiner  Hochzeit  lieü 
er  sich  als  Lehrer  in  Berlin  nieder  und  gab  dort  das 
K"3r"in'7  n"::n  r-^in  '□  heraus,  kehrte  später  wieder  nach 
Hamburg  zurück  und  lebte  dort  \()n  seiner  Hände  Arbeit, 
ohne  jedoch  sein  emsiges  Thorastudiimi  und  den  Unterricht 
thorabeflissener  Schüler  aufzugeben.  Im  Jahre  5o39  wurde 
er  zum  Verwalter  und  Aufseher  der  Talmud  Thora-Schule 
in  Altona  erwählt 

Die  blühende  heutige  Talmud  Thora-Schule  in  Hamburg 
verdankt  ihm  ihre  Gründung.  Noch  bei  Lebzeiten  des 
Gründers  scliilderte  die  hebräische  Zeitschrift  f]DNr:n,  wie  ihm 
der  geistige  Notstand  der  armen  Kinder  zu  Herzen  ging, 
wie  er:"die  Reichen  in  Hamburg  dafür  interessierte  und  die 
Mittel    zur    Gründung    einer    iüdischen  Scluile    zusanuiien- 


Raphael  und 

die  Eltern  Samson 

wieder  aufgesucht  hat,    indem    Gottes  Vorsehung   es   fügte, 
dalJ    der    gröüte    Teil    seines    Lebens  und  V\  irkens  sich  an  i 
diese  Stadt  knüpft  und  dort   auch    den    zeitlichen    AbschluLi 
fand.  Der  Grolhater   S.  R.  Hirsch's   war   Rabbi    .Wendel 

Frankfurter,  dessen  gleichnamiger  Grol.Kater  im  Jahre 
IWO  von  Frankfurt  nach  Hamburg  übersiedelte.  Hirsch's 
Groüvater,  Rabbi  .Wendel  Frankfurter  igeb.  1742,  starb 
wie  sein  l:nkel  <S1  Jahre  alt,  !<S,l?)  war  ein  Schüler  seines 
Vaters  des  Dajan  R.  Schelomo  Frankfurter  imd  besuchte 
später  die  Jeschiba  des  Rabbi  Jonatan  l'ibeschütz  '  i.  Fr  hatte 
sich    bereits   aulJerjüdisches  Wissen    uinl    moderne    l-Jildung 

*)  Kine  interessante  Notiz  über  diesen  seinen  Lehrer  sowie  eine  Piille 
sonstiger  Daten  aus  dem  Leben  und  Wirken  U.  Mendel  l'ranl<furters  bringt 
das  i<ürzlich  erschienene  Werk  ^rio''  H't^  von  Klausral)biner  Duckesz  in 
Altona;  auch  die  hier  folgenden  Angaben  --ind  diesem  trefflichen  Werk  ent- 
nommen 


Oella  Hirsch 

k'aphael  Hirsch's. 

bettelte,  in  welcher  Tliora  und  allgemeines,  bürgerliches 
Wissen  Hand  in  Hand  ihre  ebenbürtige  Pflege  finden  sollten 
und  in  welcher  den  armen  Kindern  aui.ier  dieser  geistigen 
Nahrung  auch  noch  alle  kt'irperlichen  Bedürfnisse  bestritten 
w  tirden.  Wie  diese  Schöpfung  \on  allen  Seiten  gefeiert 
wurde,  wie  die  Gemeinde  .Altona  die  seltene  Thorakunde 
R.  .Wendel  Frankfurters  dadtirch  feierte,  dali  sie  ihn  zu  ihrem 
Roscli  P>es  diu  und  Alore  Zedek  im  Jahre  5.572  ernannte,  das 
sei  hier  nur  nebenbei  erwähnt,  lins  interessiert  hier  in 
erster  Reihe,  die  Beziehung  zwischen  Grol.ivater  und  F.nkel. 
Wenn  imter  den  Grol.ltaten  des  Letzteren,  sein  erfolgreiches 
Streben  für  eine  harmonische  Vereinigung  \(>n  Thora  und 
Derech-Frez  vielleicht  den  ersten  Platz  einnimmt,  so  sehen 
wir,  wie  ihm  auch  hierin  das  grol.i\äterliclie  Beispiel  \'or- 
geschwebt  hat. 


Acht  Jahre  Nor  seinem  Tod  hat  der  QrolJvater  seine 
letztviiliig^en  Bestinmum^en  für  seine  Kinder  niederjje- 
schrieben.  die  iieiite  nocii  xorhanden  sind  und  die  un^ewölm- 
liche  QottestLirclit  des  Testators  in  liellem  Glänze  zeijjen. 
Er  beschwört  darin  seine  Töcliter  nicht  mit  unxerliülltem 
Hauptliaar  zu  j^ehen  und  lejjt  ilinen  das  Kasclirns  ihres 
Hauses  als  Getienstand  besonderer  Fürsorj^e  nahe.  Seine 
Söhne  ermalmte  er,  keinen  ihrer  Ta,y,e  ohne  Beschätti'>un^y,' 
mit  der  Thora  dahin  j^^ehen  zu  lassen  und  wenn  es  auch 
nur  eine  halbe  Stunde  tät;:lich  wäre.  Bestimnnm5};en,  welche 
er  zwei  Jahre  \  or  seinem  Tode  noch  erj2:änzt  und  \  ertieft  hat. 
Wenn  wir  dieselben  Anliegen  bei  dem  Enkel  in  erweiterter 
QroOzüo^io^keit  w ieder  finden,  wie  er  den  Kampf  aufninmit 
geo;en  eine  Zeit,  die  dem  jüdischen  Weibe  die  Krone  häus- 
licher Züchtigkeit  \()m  Haupte  reil.it,  wie  in  das  Verhältnis 
zwischen  ihm  und  seinem  Schüler  Grätz  der  erste  MilJton 
konmit,  als  dieser  seine  jun^e  Frau  mit  unverhülltem  Haupt- 
haar dem  Lehrer  Norstellte  und  dafür  das  zurechtweisende 
Wort  des  .A\eisters  hinnehmen  muß,  mit  welcher  l  Imsicht 
und  praktischen  Einsicht  er  alle  seine  Kaschrusanstalten 
gründete  und  \erwaltete.  wie   er   durch    Wort    und    Schrift 


Chacham  Bernays. 

durch  Lehre  und  Beispiel  inmier  und  überall  auf  Talmud 
Thora  drängte,  so  erscheinen  der  groLien  Welt  diese  eigen- 
artigen Züge  als  Beweise  für  die  Eigenart  und  Originalität 
Samson  R.  Hirschs.  Aber  Gott  allein  weil.i,  wie  weit  in  dem 
Enkel  der  GrolJxater  weiter  lebte  und  wie  in  dem  Besitz 
eines  solchen  Enkels  der  GroLivater  den  hinnnlischen  Lohn 
für  seine  eigene  entsagungsvolle  Hingebung  an  Gott  und 
seine  Thora  erblicken  durfte,  die  er  selber  einmal  airi  Ende 
des  im  Jahre  5559  zu  Hamburg  erschienen  Dmat^  ynr  ied 
mit  den  Worten  andeutet:  nnb  '-  '':intr  non  \-h'Ci  mW?  "nj7i 

'^z^  ^^?h'f  rf<i  'n  hni  ^e;  y^j'^  nx  pmn. 

AuLier  dem  GroLivater  war  von  noch  mächtigerer  An- 
regung auf  den  zum  Jüngling  heranwachsenden  Knaben 
sein  Lehrer  Chacham  Bernays,  der  an  die  Spitze  der 
Hamburger  Gemeinde  als  deren  geistiger  Führer  im  Jahre 
1821  berufen  wurde,  also  gerade  in  dem  Jahre  in  dem  Hirsch 
Bar-Mizwa  wurde.  Er  war  der  erste  Rabbiner  Deutschlands, 
der  mit  seiner  ungewcihnlichen   geistigen  Begabung  ausge- 


dehnte Thorakunde  und  hohe  klassische  Bildung  verband. 
Diese  harmonische  Vereinigung  \'on  zwei  Gebieten,  die  bis 
dahin  als  unvereinbare  Gegensätze  galten,  finden  wir  auch 
bei  seinem  gröl.iten  Schüler,  bei  Samson  Raphael  Hirsch 
wieder,  der  sie  aber  in  seiner  genialen  Weise  noch  weiter 
ausbaute  imd  sie  durch  seine  Schriften  zum  Gemeingut  der 
jüdischen  öffentlichen  /Meinung  in  Deutschland  machte. 
Bernaxs  war  wie  sein  Schüler  ein  zündender,  hinreiüender 
Redner,  aber  er  hat  seine  fruchtbare  Tätigkeit  auf  das  ge- 
sprochene Wort  beschränkt:  Schriftliches  hat  er  nicht 
hinterlassen.  Er  war  außerdem  kein  Volksredner:  Seinem 
hohen  Gedankenflug  vermochten  nur  Kenner  zu  folgen,  von 
deren  Begeisterung  dann  allerdings  auch  die  große  Masse 
ergriffen  wurde,  während  Hirsch  ein  Volksredner  \on  Gottes 
Gnaden  war,  für  dessen  packende  Beredsamkeit  kein  Hörer 
zu  hoch  und  keiner  zu  tief  stand.  Wie  Chacham  Bernays 
seine  besondere  Fürsorge  der  Hamburger  Taliriud-Thora  zu- 
wandte und  die  ungebildeten  Lehrer  durch  thorakundige 
und  modern  gebildete  ersetzte,  wie  er  den  Kampf  gegen 
die  Irrlehren  der  Hamburger  Tempelgemeinde  aufnahm  und 
das  Verdikt  der  rabbinischen  Koryphäen  aus  dem  Jahre  1819 
im  Jahre  1842  aufs  neue  durch  eine  Verwarnung  bestätigte, 
als  in  diesem  Jahre  eine  neue  Auflage  des  Tempel-Gebet- 
buchs erschien,  diese  und  ähnliche  Züge  haben  ohne 
Zweifel  auf  die  grol.ie  pädagogische  Tätigkeit  Hirsch's,  auf 
seine  Art  und  Weise  als  Kämpfer  gegen  die  Reform,  an- 
regend und  Norbildlich  gewirkt.  Chacham  Berna>s  zählt 
auch  zu  den  wenigen  zeitgenössischen  Autoritäten,  die 
Hirsch  in  seinen  späteren  Schriften  zitiert.  In  einer  pole- 
mischen Schrift,  die  ihm  ein  literarischer  Gegner  durch 
die  Verleumdung  abnötigte,  als  sei  Hirsch's  Thora-Konmientar 
ein  Plagiat  an  seinem  Lehrer  Berna\s,  zeichnet  Hirsch  sein 
Verhältnis  zu  Berna\s  durch  folgende  Sätze: 

,.Uebrigens  steht  mein  Kommentar  auch  mit 
dem,  was  ich  aus  dem  belehrenden  und  geist- 
weckenden Umgang  mit  Bernays  zu  schöpfen  so 
glücklich  war,  in  keiner  näheren  Beziehung  als  der 
allgemeinen  Anregung  und  des  voranleuchtenden 
Strebens,  die  Hallen  der  mm  mit  dem  Durst  nach 
Erkenntnis  zu  betreten.  Was  ich  Weises  und  Törichtes 
auf  diesem  Wege  gefunden  und  in  meiner  Arbeit 
niederzulegen  gewagt,  habe  ich,  wo  ich  keinen  Ur- 
heber zitiere,  vor  Gott  und  Welt  allein  zu  vertreten.'- 

Den  spornenden,  anregenden  Einfluß,  den  das  Eltern- 
haus auf  ihn  ausübte  und  der  echt  jüdische  Geist,  der  darin 
waltete,  die  innige  kindliche  Verehrung,  mit  welcher  er  an 
seinen  Eltern  hing,  ..den  Wächtern  seiner  Kindheit,  den 
Führern  seiner  Jugend  und  den  Freunden  seines  Mannes- 
alters", wie  er  sie  am  Eingang  seines  ihnen  gewidmeten 
mm  nennt,  das  zeigen  wie  nichts  sonst  die  Briefe,  die  er 
als  Student  nach  Hause  schrieb.  Aus  ihnen  spricht  in 
wunderbar  ergreifender  Weise  die  frühe  Reife  des  Jünglings, 
sein  goldenes  Gemüt  und  seine  ungewöhnliche  Bescheiden- 
heit. Diese  Briefe,  die  noch  heute  erhalten  sind,  lieferten 
das  trefflichste  Material  für  eine  Schilderung  ihres  Schreibers. 
Unter  seinen  letztwilligen  Verfügungen  findet  sich  jedoch 
die  Bestinmiung,  daß  keiner  seiner  Familienbriefe  veröffent- 
licht werden  s(»ll.  Sie  beginnen  mit  dem  April  des  Jahres 
1828,  als  Hirsch  im  20.  Jahre  seine  Vaterstadt  verließ,  um  in 
Mannheim  die  Jeschiba  von  Rabbi  Jakob  Ettlinger  V'i't  zu 
besuchen.  Ein  Jahr  war  er  als  Lehrling  in  einem  Hamburger 
Geschäft  tätig,  doch  fand  er  in  dem  geschäftlichen  Beruf 
keine  Befriedigung.  Er  verließ  das  Geschäft  und  trat  in 
das  Gymnasium  ein,  während  er  gleichzeitig  den  Unterricht 
des  Chacham  in  Thnach  und  Talmud  genoß.  Er  selber 
schildert  in  seinen  „Neunzehn  Briefen'"  diesen  seinen  Ent- 
wicklungsgang mit  den  Worten: 


„Sie  wissen,  wie  bereits  in  früher  Jugend  diese  \ 
Gegenstände  meine  Seele  beschäftigt,  wie  \'on  er-  | 
leuchtet  religiösen  Eltern  erzogen,  früh  Thnachs  j 
Töne  zu  meinem  Qemüt  geredet,  und  aus  freier  ' 
Lust  mit  schon  gereifterem  Verstand  Thnach  selbst  \ 
micii  zur  Qmoro  geführt,  mich  l<ein  äußeres  Be-  1 
dürfnis  mich  den  Rabbinerstand  hat  wählen  lassen, 
sondern  innerer  Lebensplan^ 

Auf  seiner  Reise  nach  Mannheim  kam  der  20jährige 
Jüngling  zum  ersten  Male  nach  Frankfurt  a.  M.  und  hielt 
sich  dort  12  Tage  auf.  Dieser  Aufenthalt  war  bedeutungs- 
voll für  seinen  Lebensgang.  Durch  Vermittelung  von 
Gumprecht,  der  mit  seinem  Vater  in  Geschäftsverbindung 
stand,  lernte  er  den  Baron  Anselm  von  Rothschild  kennen 
und  wurde  \on  ihm  zu  Tisch  geladen.  Hirsch  hinterliei.i  als 
20jähriger  Jüngling  einen  so  tiefen  Eindruck,  daii,  als  der 
Baron  zwei  Jahre  später  von  der  Oldenburgischen  Regierung 
nach  einem  geeigneten  Landrabbiner  gefragt  wurde,  er 
Hirsch  für  diese  Stelle  empfahl.  Auch  die  Gegner  seiner 
jüdischen  Anschauung,  die  Herren  Dr.  Creiznach,  Hiller,  Dr. 
Weil  lernte  er  damals  kennen.  Er  brachte  einen  Abend  in 
der  ..Harmonie",  der  jüdischen  Freimaurerloge,  zu,  in  welcher 
die  größten  Verächter  des  Judentums  sich  damals  zusammen- 
fanden. Ihre  Gesellschaftsräume  befanden  sich  in  dem  Hause 
Ecke  der  SchützenstralJe  und  Schönen  Aussicht.  Daß  in 
demselben  Hause  heute  der  Verein  ,Mekor  Chajim"  seinen 
Sitz  hat,  veranschaulicht  \ielleicht  am  besten  den  Wandel 
der  Zeiten,  den  Gottes  wundermächtige  Vorsehung  durch  den 
jungen  Mann  angebahnt  hat,  von  dessen  Bedeutung  die  Herrn 
Dr.  Creiznach  und  Genossen  sicher  keine  Ahnung  hatten, 
als  sie  ihn  in  ihrer  Freimaurerloge  damals  kennen  lernten. 
-  Auch  R.  Wolf  Heidenheim  in  Rödelheim  und  R.  Moscheh 
Tobia  in  Hanau  suchte  Hirsch  damals  auf;  letzterer  hat  dem 
für  jede  schlichte  Größe  empfänglichen  Jüngling  besonders 
imponiert. 

In  Mannheim  besuchte  Hirsch  die  Jeschiba  des  späteren 
Oberrabbiners  Jakob  Ettlinger,  doch  verblieb  er  daselbst 
nur  ein  Jahr,  um  im  Jahre  182<'  die  Universität  Bonn  zu  be- 
ziehen. Die  Hochachtung,  mit  welcher  noch  viele  Jahre 
später  der  Lehrer  über  das  gründliche  Wissen  des  Schülers 
urteilte,  ist  aus  einer  Antwort  ersichtlich,  die  Ettlinger  auf 
eine  Anfrage  an  Hirsch  richtete  und  die  in  den  Tri"  ^23  n"itr 
No.  86  abgedruckt  ist. 

Er  nennt  ihn  den  Meister,  der  den  Lehrer  durch  Vor- 
legung seiner  Frage  prüft,  und  glaubt  sich  kurz  fassen  zu 
dürfen,  da  er  aus  der  Fragestellung  die  Gründlichkeit  und 
Sachkunde  ersehe,  mit  welcher  der  Fragesteller  die  ver- 
schiedenen Seiten  der  Frage  behandelt.  nN^r  h'^nü'^  io  ;*?  pna 

ni<-]}u  no   '"'0   r"rycb   v"'"i'~"'^  m^p^   K2n  ;r  b]!  ik'k  v::  Vy 

Die  Frage  ist  eine  so  schwierige,  daß  Rabbiner  Ettlinger 
am  Schluß  empfiehlt,  Hirsch  möge  sie  noch  einem  dritten 
Gelehrten  vorlegen,  damit  die  Entscheidung  durch  ein  drei- 
gliedriges Bes-din  erfolge:  nr  ^icn*'?  pcsn  j73i:  irx::  dion 
i:ci;  nn«  mio  nyn  my  '"3  n"rvt:  fi^LiÄ"  dx  D'y;  hdi  :n£D  na 
'i  W  ;n  n'2D  poen  x:i'ti'. 

Wie  in  Mannheim  verblieb  Hirsch  auch  an  der  Univer- 
sität Bonn  nur  ein  Jahr,  von  182')  bis  1830.  Sein  ungewöhn- 
licher Wissensdurst,  sein  heller  Geist  und  scharfer  Verstand 
verbunden  mit  einem  eisernen  Fleiß  bewältigten  in  einem 
Jahr,  was  andere  in  einem  Triennium  nicht  erreichen.  Obwohl 
erst  21  Jahre  alt,  bildete  Hirsch  den  Mittelpunkt,  um  den 
sich  die  dortigen  jüdischen  Studenten  gruppierten.  Hoch- 
interessante Angaben  über  den  Einfluß  Hirschs  auf  seine 
Kollegen  in  Bonn,  finden  sich  in  den  nachgelassenen 
Schriften  Abraham  Geigers,  herausgegeben  von   dessen 


Sohn  Ludwig  Geiger  unter  dem  Titel:  Abraham  Geigers 
Leben  in  Briefen,  Berlin  1878,  Gerschel. 

Als  Hirsch  im  Jahre  1830  als  22jähriger  Jüngling  die 
Universität  verließ  um  das  Landrabbinat  Oldenburg  zu 
übernehmen,  war  er  bereits  ein  gereifter,  fertiger  Mann.  Er 
gehörte  zu  denjenigen,  ,.die  schon  in  ihrer  Jugend  an  Geist 
und  Körper  männlich  herangebildet  sind",  wie  seine  eigenen 
Worte  im  Kommentar  zu  Ps.  144.  12  lauten.  Es  waren 
trübe  Zustände  religiöser  Verwahrlosung,  die  er  damals  in 
seinem  neu  angetretenen  Wirkungskreis  vorfand.  Aber  wie 
der  Magnet  an  Kraft  gewinnt,  je  schwerer  die  Gewichte 
sind,  die  sich  an  ihn  hängen,  so  wuchs  seine  Tatkraft  und 
Schaffensfreude  mit  den  Schwierigkeiten,  die  sich  ihm  ent- 
gegenstellten. 

Eine  wertvolle  Hilfe  wurde  dem  Gotteskämpfer  für  die 
Bewältigung  aller  sich  ihm  entgegenstellenden  Schwierig- 
keiten durch  die  Lebensgefährtin,   mit   der   er   sich   in   den 


Samson  Raphael  Hirsch  als  l.andrabbiner  zu  Emden. 

ersten  Jahren  seines  Aufenthaltes  in  Oldenburg  verband. 
Dieses  Gattenleben  zu  schildern  erforderte  eine  Darstellung 
für  sich.  Was  Johanna  Hirsch  ihrem  Gatten  war,  hat  er  in 
den  wenigen  Worten  ausgesprochen,  mit  welchen  ihr  An- 
denken nach  ihrem  Heimgang  an  der  Spitze  des  2.  Teils 
seines  Thillim-Kommentars  feierte.    Sie  lauten: 

Dem  Andenken  seiner  am    ,^.  Ijar  5612    nach    SOjähriger    Che 

in  ihrem  77.  Lebensjahr  verstorbenen  Frau  .Johanna   geborene  .lüde! 

y'T,  der  treuen  Freundin  seines  l,ebens,  der  treuen  Genossin  seines 

Strebens,  der  treuen  Stütze  und  Beraterin  seines  Hauses  und  Wirkens, 

der    treuen    Krzieherin,    Bildnerin    und    l'reundin    ihrer    Kinder   und 

Enkel,  mit  der  Reinheit  und  Cüte  ihres  Herzens,  mit  der  Helle  ihres 

Geistes,  mit  dem  Adel  ihrer  Gesinnungen,  mit    ihrer    opferfreudigen 

Selbstlosigkeit,     mit    ihrer    seltenen    Frziehungsweisheit,    mit    ihrer 

unermüdlichen  Schaffensfreude,  mit  der  sittlichen  Hoheit  ihres  ganzen 

Wesens,  mit  der  gottesfürchtigen    Zuversicht   ihres   ganzen    Lebens 

in  liebender  Verehrung 

Der  Verfasser. 

Diese  lapidaren  Worte  genügen  um  die  Bedeutsamkeit 
zu  würdigen,  die  Hirsch  selber  der  Mitwirkun.u-  seiner 
Lebensgenossin   für  sein    Schaffen    und   Wirken   zuerkennt. 


Er  hat  das  was  ihm  „seine  Johanna"  war,  in  seiner  ganzen 
Innigkeit  und  Anschaulichkeit  in  den  Worten  ausgesprochen, 
mit  welchen  er  vor  26  Jahren  an  der  Bahre  der  Hinge- 
schiedenen ihr  Lebensbild  mit  solcher  Frische  zeichnete, 
daß  es  noch  heute  im  Gedächtnis  aller  derjenigen,  die  dieses 
Leben  vor  sich  zu  sehen  und  seine  Schilderung  zu  hören  das 
Glück  hatten,  ungetrübt  fortlebt. 

Ein  Beispiel  mag  die  intensive,  rastlose  Tätigkeit  illustrieren, 
mit  welcher  der  Oldenburgische  Landrabbiner  die  Kenntnis  der 
Thora  in  seinem  Kreis  zu  verbreiten  suchte.  Er  übersetzte  die 
Mischna  und  verschickte  die  Uebersetzung  bogenweise  an  die 
Lehrer  seiner  Bezirksgemeinden,  zu  einer  Zeit,  in  der  es  noch 
keine  Hektographen  und  sonstigen  Vervielfältigungsapparate 
gab,  er  besorgte  selber  die  Abschrift  seiner  Uebersetzung  in  der 
erforderlichen  Anzahl  Exemplare,  damit  Lehrern  und  Schülern 
auf  diesem  Wege  die  mündlich  überlieferte  Thora  zugänglich 
würde!  Dabei  schrieb  er  seinen  Choreb.  d.  h.  erwar  schon 
geschrieben  als  im  Jahre  1836  die  „Neunzehn  Briefe 
über  Judentum  von  Ben  Usiel"  erschienen.  Der 
„Choreb",  sein  klassisches,  grundlegendes  Meisterwerk  ist 
merkwürdigerweise  auch  sein  Erstlingswerk.  Der  Verleger 
hatte  aber  Bedenken,  die  beträchtlichen  Herstellungskosten 
des  umfangreichen  Werkes  zu  riskieren  und  riet  dem  Ver- 
fasser, zunächst  mit  einer  kleineren  Schrift  \'or  die  Oeffent- 
lichkeit  zu  treten.  Darauf  schrieb  Hirsch  seine  „Neunzehn 
Briefe",  deren  ungewöhnlicher  Erfolg  den  Verleger  ermutigte, 
zwei  Jahre  später  den  Choreb  folgen  zu  lassen. 

Der  Eindruck  den  diese  Schriften,  „dieses  hohe  Lied 
des  überwundenen  Zweifels"  auf  die  jüdischen  Geister  und 
Gemüter  damals  übten,  war  überwältigend  und  geradezu 
beispiellos.  Sie  sind  in  den  70  Jahren,  die  seit  ihrem  ersten 
Erscheinen  verflossen  sind,  Gemeingut  aller  gebildeten 
jüdischen  Kreise  geworden  und  werden  es  von  Tag  zu 
Tag  immer  mehr,  sodaß  eine  Charakterisierung  dieser 
Schriften  in  einer  Darstellung  unterbleiben  kann,  die 
wie  bereits  bemerkt,  weniger  diese  geistige  Saat  als  ihren 
Säemann  schildern  möchte.  —  Es  seien  daher  nur  noch  zwei 
literarische  Veröffentlichungen  Hirschs  erwähnt,  die  in  die  Zeit 
seines  Aufenthalts  in  Oldenburg  fallen  :  Die  1839  erschienenen 
„Ersten  Mitteilungen  ausNaphtalis  Briefwechsel" 
und  „Jüdische  Anmerkungen  zu  d  en  Bemerkungen 
eines  Protestanten  über  die  Konfession  der  22 
Bremischen  Pastoren"  aus  dem  Jahre  1841. 

Beide  Schriften  sind  wahre  Kabinetsstücke  musterhafter, 
klassischer  Polemik,  deren  Schärfe,  Schlagfertigkeit  und 
Treffsicherheit  nicht  einmal  von  Lessings  „Anti-Götze"  über- 
troffen wird.  Die  erste  Schrift  rechnet  mit  den  jüdischen 
Neuerern  ab,  zeigt  die  Unhaltbarkeit  und  Unmöglichkeit 
ihrer  neuen  Religion,  die  sie  fälschlicher  Weise  noch  als 
Judentum  bezeichnen  und  giebt  zum  Schlusße  praktische  An- 
leitung zur  Wiederbelebung  und  Erweckung  jüdischen  Lebens 
und  Wirkens.  Die  andere  Schrift  richtet  sich  gegen  ein 
Pamphlet,  in  dem  ein  christlicher  Anonymus  die  Kundgebung 
einer  bremischen  Pastorenversammlung  benützte,  um  gegen 
die  Bibel  in  geringschätziger,  herabwürdigender  Weise  sich 
zu  äußern.  Der  Anonymus  war  der  bekannte  Litterarhisto- 
riker  Adolf  Stahr,  damals  Direktor  des  Gymnasium  ^  zu  Olden- 
burg. Hirsch's  Ehrenrettung  der  Bibel  wurde  besonders  von 
der  gebildeten  christlichen  Bevölkerung  mit  wahrem  Jubel 
begrüLit,  und  noch  in  späteren  Jahren  pflegte  Hirsch  zu  er- 
zählen, daß  ihm  keine  seiner  Schriften  so  viele  persönliche 
Befriedigung  und  Anerkennung  eingebracht  habe  als  diese. 
Sie  ist  auch  anonym  erschienen,  aber  sofort  als  der  Verfasser 
bekannt  wurde,  schickte  der  Großherzog  von  Oldenburg 
seinen  Adjutanten  zu  Hirsch,  um  ihn  zu  dieser  Abwehr  zu 
beglückwünschen  und  ihm  für  die  Ehrenrettung  der  Juden 
und  Christen  gleich  heiligen  Bibel  zu  danken.  Es  war  an 
einem  Freitag,  als  Hirsch's  Autorschaft  dieser  Schrift  in  Ol- 


denburg bekannt  wurde.  Die  christlichen  Gratulanten  fanden 
sich  in  solcher  Masse  ein  und  dehnten  ihren  Besuch  so 
lange  aus,  daß  die  wackere  Rabbinerin,  die  treue  Genossin 
seiner  Kämpfe  und  Triumphe,  wie  sie  noch  als  Greisin 
lächelnd  erzählte,  alle  Mittel  anwenden  mußte,  diesen  Besuchs- 
sturm zurückzudämmen,  um  noch  rechtzeitig  ihre  Schabbos- 
Lichter  anzünden  zu  können. 

Bei  dieser  allseitigen  Anerkennung  braucht  es  nicht  erst 
gesagt  zu  werden,  wie  es  Juden  und  Christen  schmerzlich 
bedauerten,  als  er  nach  elfjähriger  amtlicher  Wirksamkeit 
am  18.  Mai  1841  einstimmig  zum  Landrabbiner  der 
hannoverschen  Landrosteibezirke  Aurich  und 
Osnabrück  gewählt  wurde  und  infolgedessen  Oldenburg 
verließ,  um  nach  Emden  überzusiedeln. 

Dieser  neue  Wirkungskreis  bot  dem  Schaffensdrang 
Hirsch's  ein  grösseres  Gebiet,  aber  keine  dieser  gesteigerten 
Wirksamkeit  entspechend  bessere  materielle  Stellung.  Die 
Gemeinde  Emden  war  arm  Diese  Armut  die  anderen 
die  Tätigkeit  gelähmt  hätte,  hat  die  seinige  erhöht 
und  in  andere  Bahnen  gelenkt.  Er  gründete  dort  aus  be- 
scheidenen, kleinen  Anfängen  eine  Vorschußkasse,  wol 
die  erste  in  Deutschland,  zu  der  er  persönlich  das  erste 
Kapital  durch  freiwillige  Beiträge  sammelte.  Die  Kasse  sollte 
den  wirtschaftlich  Schwachen  zinsfreie  Vorschüsse  gewähren, 
von  welchen  allwöchentlich  an  jedem  Thaler  ein  Groschen 
zurückzuzahlen  war.  Sein  selbstloser  Rechtlichkeitssinn  ging 
auf  seine  Gemeinde  über;  keiner  hat  das  Vertrauen  miß- 
braucht, das  er  in  jeden  setzte.  Die  Kasse  hatte  damals 
keine  Verluste  zu  verzeichnen,  weil  die  ehrbaren  Armen  ihren 
Stolz  darin  suchten,  das  Vertrauen  zu  rechtfertigen,  das  ihr 
Rabbiner  in  sie  setzte.  Während  sonst  die  hausbackene 
Krämerregel  lautet,  man  müsse  die  Menschen  nicht  nehmen 
wie  sie  sein  sollen,  sondern  wie  sie  sind,  nahm  seine  auf 
reicher  Lebenserfahrung  und  tiefer  Menschenkenntnis  be- 
ruhende Erziehungsweisheit,  die  Menschen  wie  sie  sein  sollen 
und  nicht  wie  sie  sind,  und  er  hat  diese  scheinbar  paradoxe 
Maxime  in  glänzender  Weise  in  seinen  pädagogischen  Schriften 
begründet. 

Aus  seiner  schriftstellerischen  Tätigkeit  fallen  in  die  Zeit 
seines  Emdener  Aufenthalts  die  „Zweiten  Mitteilungen 
aus  einem  Briefwechsel  über  die  jüdische  Lite- 
ratur" (1844),  welche  sich  besonders  gegen  Holdheim  und 
einige  andere  Stürmer  wendet,  deren  ratlose  Schülerhaftig- 
keit  sie  mit  ätzender  Schärfe  schonunglos  bloßlegte. 

Sonst  waren  die  fünf  Jahre  seines  Aufenthalts  in  Emden 
wol  die  für  seine  literarische  Tätigkeit  am  wenigsten  er- 
giebigen. Seine  Feder  ruhte  auch  da  nicht,  aber  sie  war  in 
den  Dienst  seiner  staatlichen  Stellung  gezwungen,  die  un- 
gemein viele  kleinliche  Schreibereien,  Berichte,  amtliche  Pro- 
tokolle und  hundert  andere  Sächelchen  verlangte,  die  der 
große  Mann  alle  selbst  erledigen  mußte  und  seine  teuere 
Zeit  derart  in  Anspruch  nahm,  daß  seine  eigentlich  gemein- 
nützige Wirksamkeit  notwendig  darunter  leiden  mußte.  Trotz 
der  innigen  Hingebung,  mit  der  er  an  seinem  Wirkungs- 
kreis und  trotz  der  liebenden  Verehrung,  mit  der  jeder  ein- 
zelne dieses  Kreises  an  seinem  väterlichen  Führer  hing,  folgte 
er  einem  Rufe,  der  ihn  am  30.  Dezember  1840  nach  Nikols- 
burg,  dem  Sitz  des  berühmten  mährischen  Landrabbinats 
berief. 

Am  3(»-  Juni  1847  wurde  Hirsch  als  Landrabbiner  von 
Mähren  und  Schlesien  installiert.  Die  Hoffnungen,  mit  welchen 
er  erwartet,  der  Jubel,  mit  dem  er  empfangen  wurde,  flössen 
aus  der  sicheren  Erwartung,  daß  es  ihm  gelingen  werde,  die 
Mißstände  zu  beseitigen,  unter  welchen  die  mährische  Juden- 
heit  litt.  Die  Bekenner  des  überlieferten  Judentums  und  die 
Verfechter  der  Reform  erblickten  in  Hirsch  den  Mann,  den 
beide  Richtungen  für  sich  zu  reklamieren  oder  doch  mit  der 
Zeit  gewinnen  zu  können  hofften.     Die  Heißsporne  der  sich 


10 


scharf  befehdenden  Richtungen  hatten  sich  auf  beiden  Seiten 
g:etäuscht.  indem  er  die  berechtigten  Forderungen  der  Zeit, 
die  mit  den  Pflichten  des  Judentums  nicht  kollidierten,  zu 
den  seinigen  machte,  stieü  sich  die  übertriebene  und  kurz- 
sichtige Aengstlichkeit  auf  der  rechten  Seite  an  seinen  Maß- 
nahmen, und  indem  er  kein  Titelchen  des  überlieferten  Juden- 
tums, '*ie  es  in  Talmud  und  Schulchan-Aruch  niedergelegt 
ist,  preisgab,  fühlten  sich  die  Eiferer  auf  der  linken  Seite 
durch  sein  Vorgehen  verletzt.  Auf  die  Kunst,  es  allen  recht 
zu  machen,  hatte  er  sich  nie  verlegt,  sie  war  ihm  in  der  Seele 
zuwider.  Und  doch  gab  es  ein  Gebiet,  auf  dem  alle  ihm 
die  Führerschaft  \ertrauensvoll  zuerkannten,  das  war  in  dem 
Kampf  um  die  Erringung  der  politischen  Rechte  der  öster- 
reichischen Judenheit.  Vielleicht  in  keinem  europäischen 
Staat  waren  diese  Rechte  der  Juden  so  verkümmert  als  gerade 
in  dem  Wirkungskreis  von  Hirsch.  Als  daher  in  den  Jahren 
1848  und  49  der  Sturm  der  neu  erwachten  Freiheit  und 
Gleichheit  auch  dort  an  den  alten  Fesseln  und  Vorurteilen 
rüttelte,  organisierte  Hirsch  die  Judenheit  der  österreichischen 
Länder,  um  auch  ihre  Menschenrechte  geltend  zu  machen. 
Er  wurde  ihr  Wortführer  und  als  solcher  in  den  zu  Kremsier 
tagenden  mährischen  Landtag  gewählt.  Die  fieberhafte  Tätig- 
keit, die  er  dabei  entwickelte,  die  Organisation,  die  er  schuf, 
die  Proteste,  die  er  erhob,  die  Rundschreibtn,  die  er  erlieO, 
seine  zündende  Begeisterung  und  flammende  Sprache  haben 
so  Wunderbares  geschaffen,  dal.)  eine  Würdigung  seiner 
Wirksamkeit  in  Mähren  eine  gesonderte  Darstellung  bean- 
sprucht, die  diese  Festschrift  ja  auch  an  anderer  Stelle  bringen 
wird.  Von  den  geschichtlichen  Wundern,  die  damals  zu  er- 
leben ihm  selber  vergönnt  waren,  findet  sich  zehn  Jahre 
später  in  seinem  Jeschurun  eines  mitgeteilt,  das  auch  der 
grössten  Verblendung  das  Bekenntnis  \'om  Eingreifen  Gottes 
in  die  Geschichtsgänge  abringt.  Oahrg.  V.  Villa-Franca  und 
Kremsier  S.  606  ff.) 

Dabei  lag  der  Schwerpunkt  seiner  rastlosen  Wirksam-  i 
keit  nicht  in  dieser  seiner  Tätigkeit  für  die  Judenheit.  sondern  j 
in  der  Weckung,   Erhaltung,   Förderung   und   Organisierung 
des  Judentums    innerhalb    seiner    Landrabbinats.     Er    stand 
einer   aus   aller  Herren   Länder   frequentierten  Jeschiba   vor,  ' 
schaffte  Ordnung  in  den  S\nagogen.  gründete  Schulen,   or-  1 
ganisierte   die   Wohltätigkeitspflege,    lauter    Aufgaben,    von 
welchen  jede  einzelne  den  ganzen  .Mann  und  seine  Tatkraft  i 
erforderte.    Ein  einzelner  Mann   war  dieser  l'^iesenaufgabe,  ' 
wie  er  sie  sich  selber  gestellt,  auf  die  Dauer  nicht  gewachsen. 
Dal.)  Hirsch  nach   \ier  Jahren  Mckolsburg   \erliel.'i,  erscheint 
nach  alledem  vceniger  auffallend,  als  dal.i  er  die  Bürde  dieser 
Würde  so  lang  und  so  mannhaft  getragen  hat,  (jhne  ihr  zu 
erliegen.    Er  hätte  sein  teuere,  noch  für  Höheres  zu  erhaltende 
und  zu  entfaltende  Kraft  auf  die  Dauer  hier  doch   zersplittern 
müssen.  So  folgte  er  denn  im  Jahre  1851  einem  Rufe 
als  geistiger    Führer     der    Religionsgesellschaft  j 
inFrankfurtaM. 

Man  hat  in  der  bloüsn  Annahme  dieses  Rufes  mit  Recht 
den  ganzen  Geistesadel,  das  Pflichtbewul.itsein  und  die  ideale 
Auffassung  seines   Lebensberufes  xerkörpert  erblickt.     Dal,i 
Hirsch  eine  geachtete,  materiell  gesicherte  staatliche  Stellung 
mit  einem  Wirkungskreis  zu  \  ertauschen  sich  entschloLi,  der 
mit   so  kleinen,  unscheinbaren  Anfängen    erst   eben    in    die  ' 
Wirklichkeit  getreten  war.  das  zeigt  die  Weite  seiner  Auf-  i 
fassung.  seine  Hingebung  an   das  Ziel   seines   Lebens,   wie  . 
kaum  eine  andere  Handlung.     Dieses  hohe    Verdienst  wird 
nicht  geschmälert,  sondern  noch  gesteigert,  wenn  man  hinzu- 
fügt, dal,i  das,  was  der  grollen  Welt  als  ein  seltener  Akt  hin-  ! 
gebungsvoller  Selbstverleugnung  erscheint,  für  ihn  selber  nur 
eine    selbstverständliche  Konsequenz  seiner  ganzen,  eigen-  j 
artigen   Denk-   und    Handlungsweise   war.     Er   hatte   etwas 
i:ip  mco,  einen  Zug  der  (iöttlichkeit,   die  in  ihm  lebte  und  j 
glühte,  für  die  er  kämpfte  und  siegte,  jener  Göttlichkeit,  die  I 


ihre  Schöpfungen  am  liebsten  und  vollendetsten  ]'nq  z"  ohne 
alle  Voraussetzung,  ohne  vorher  vorhandenen  Anhaltspunkt 
ins  Dasein  ruft.  Wenn  es  statthaft  wäre,  das  Gebilde  mit 
dem  Bildner,  Menschliches  mit  Göttlichem  zu  vergleichen, 
so  gäbe  es  für  diese  Eigenart  keine  bessere  Illustration  als 
die  Worte  seines  Pentateuch- Kommentars  zu  Anfang  der 
Thora.  welche  die  Weltschöpfung  aus  dem  Nichts  durch  die 
Notwendigkeit  begründet:  „War  dem  Weltbildner  der  Stoff 
gegeben,  so  konnte  er  aus  dem  gegebenen  Stoffe  nicht  die 
absolut  gute,  sondern  nur  die  relativ  beste  Welt  gestalten." 
Hirsch  konnte  in  Frankfurt  seine  ganze  geniale  GröLJe  ent- 
falten, weil  sie  an  nichts  Bestehendes  anknüpfte,  und  also 
keine  \orhandenen  Mängel  der  Anlage  und  Organisation 
mit  in  den  Kauf  zu  nehmen  brauchte,  weil  er  eine  Institution 
schaffen  konnte,  ganz  nach  dem  Ideal,  wie  es  seinem  erleuch- 
teten Geiste  und  seiner  reichen  Erfahrung  vorschwebte.  Das 
konnte  er  in  seinen  bisherigen  Stellungen  nicht.  Dort  mußte 
er  oft  Veraltetes,  Schadhaftes  erst  beseitigen  und  auf  ihren 
Trümmern  seinen  Neubau  aufführen.  Er  mag  es  oft  erfahren 
haben,  besonders  in  seiner  Nikolsburger  Stellung,  wo  er  eine 
bis  in  alle  Einzelheiten  geregelte  Organisation  vorfand,  wie 
schwer  es  ist,  alte,  liebgewordene  Mißstände  zu  beseitigen, 
welche  Kraft  und  Zeit  sie  erfordert  und  wie  ungenügend 
diese  Beseitigung  trotz  des  besten  Willens  gelingt!  Die 
kränkende  Mißachtung,  die  sein  Vorgehen  nach  dieser  Seite 
selbst  bei  gesinnungsgenössischen  Rabbinern  fand,  weil  sie 
seinem  hohen  Geistesflug  nicht  zu  folgen  vermochten,  mag 
auch  nicht  ohne  Einfluß  für  seinen  Entschluß  gewesen  sein, 
Nikolsburg  zu  verlassen  und  dem  Rufe  zu  folgen.  Es  findet 
sich  eine  .Andeutung  dafür  in  den  n"z  ''c  a"n  cn  ^tot«  r\"w 
deren  berühmter  Verfasser  R.  Maier  Eisenstadt  in  Bezug  auf 
Hirsch  schreibt:  h'\pr\  nurs  ;"SrStc  nricn  '32-1  ni'pcc  ":edi 
i<b  IN  Nin  nc^f  cn  'nyr  nSi  V^n  nx  any  t  yotr:. 

Daß  dies  nur  vereinzelte  Ausnahmen  waren,  daß  wirk- 
liche rabbinische,  durch  Gottesfurcht  und  Thorakunde  hervor- 
ragende Autoritäten  seiner  dortigen  Umgebung  ihm  ihre 
rückhaltlose  Anerkennung  und  Hochachtung  entgegen 
brachten,  braucht  nicht  erst  gesagt  zn  werden,  Nur  ein 
einziger  Beleg  dafür  mag  hier  folgen.  R.  Jehuda  Aßöd 
(st.  1866  als  Oberrabbiner  von  D.  Szerdahely),  als  Talmudist 
und  Kabbaiist  gleich  hervorragend  und  berühmt,  bringt  in 
seinen  nSy"  mn"  'im  in  r'"L:  Vt:  "c  y'nN  einige  von  Hirsch 
in  einer  .Aguna- Angelegenheit  aufgenommene  Protokolle 
(Aßöd  amtierte  damals  nicht  weit  von  Hirsch  in  Szenicz) 
und  antwortet  dem  Gaou  R.  David  Deutsch  V^^"r  in  B. 
Gyärmäth  auf  das  Ersuchen,  Hirsch  in  Nikolsburg  um 
weiteres  in  der  Sache  anzugehen,  daß  er  das  nicht  könne, 
obwohl  er  bei  Hirsch  sehr  angesehen  sei,  weil  er 
zur  Zeit  mit  seiner  Abreise  in  Anspruch  genommen  sei  und 
noch   aus   anderen   Gründen  vry3  ':n  mii-nr  f]N  ir£N  \s  nr 

Wie  hoch  muß  Hirsch  im  Ansehen  bei  den  wahrhaft 
Großen  Israels  seiner  Zeit  gestanden  sein,  wenn  ein  Rabbi 
Jehuda  Aß(')d  die  Geltung  konstatiert,  die  er  in  Hirschs 
Augen  genießt! 

Hirschs  Wirksamkeit  in  Frankfurt,  für  Frankfurt  und 
damit  für  die  Bekenner  des  gesetzestreuen  Judentums  auf 
weitem  Erdenrund,  wo  nur  jüdische  Seelen  atmen,  wo  nur 
jüdische  Herzen  schlagen,  ist  zunächst  in  seiner  Gemeinde 
„Israelitische  Religionsgesellschaft"  und  ihren  zahlreichen, 
mustergiltigen  Institutionen,  in  allem  was  diese  Gemeinde  an 
mip,  an  pn-'"  und  v^n  --n  ihr  eigen  nennt,  in  so  imponierender 
Weise  verwirklicht,  daß  es  nur  eines  Hinweises  darauf  be- 
darf, um  einer  Schilderung  dessen,  was  vor  aller  Augen  offen 
daliegt,  enthoben  zu  sein.  Was  aber  dem  zeitgenössischen 
Bewußtsein  vielfach  entschwunden  ist.  die  trostlosen  Zu- 
stände, die  der  Gründung  der  Israelitischen  Religionsgesell- 
schaft vorangingen ,  sie   werden  am  besten   durch  die  von 


-    II    - 


Emanuel  Schwarzschild  in  seiner  Schrift  „Ein  offenes  Wort" 
(Frankfurt  a.  M.  1877i  berichtete  Tatsache  illustriert,  daß  unter 
den  geborenen  Frankfurtern  der  junge  Schwarzschild  der 
einzige  von  allen  seinen  Altersgenossen  war,  der  noch 
ybtr)  legte. 

Auch  in  sozialer  Beziehung,  berichtet  derselbe  Autor, 
war  die  Stellung  der  Qesetzestreuen  in  der  Ciemeinde  eine 
sehr  ungünstige  ge\xorden.  Man  hielt  jeden,  der  noch 
religiös  lebte,  für  an  alten  Vorurteilen,  an  ererbtem  Aber- 
glauben hängend.  Aelteren  Personen  konnte  man  dies 
noch  „xerzeihen".  Die  Jüngeren  aber,  die  ihre  orthodoxe 
Richtung  verrieten,  hielt  man  entweder  für  beschränkt  oder 
für  unaufrichtig.  „Man  muß  das  mitdurchlebt  haben,  um  den 
ganzen  Stachel  des  höhnischen  Blickes  zu  fühlen,  der  einem 
jeden  Bekenntnisse,  daß  man  sich  nicht  über  die  religions- 
gesetzlichen Vorschriften  hinwegsetze,  folgte.  Eine  solche 
Erklärung  genügte,  um  als  Paria,  noch  mehr,  als  einer,  der 
sich  selbst  herabgewürdigt,  betrachtet  zu  werden." 


Hirsch's  Wohnhaus  an  der  Schönen  Aussicht 
in  Frankfurt  a.  Main. 

Da  trat  die  Bewegung  des  Jahres  1848  ein,  die  mit 
eiserner  Faust  alle  Fesseln  zerschlug  und  auch  an  die  Pforte 
der  allein  herrschenden  Gemeindeautokratie  pochte.  Dem 
Vorstand  wurde  es  etwas  ängstlich  zu  Mute.  Er  fühlte,  daß  seine 
Herrschaft  gewaltig  gegen  die  zur  Anerkennung  gelangten 
Prinzipien  der  Gewissensfreiheit  und  der  Toleranz  verstoße. 
Er  berief  daher  eine  sogenannte  Konstituante,  eine  Kom- 
mission von  18  Personen,  worunter  fünf  Strenggläubige,  zur 
Ausarbeitung  eines  neuen  Gemeindestatuts.  In  diesem  Aus- 
schusse entschied  aber  die  Majorität.  Die  Strenggläubigen 
waren  die  Minorität,  es  gelang  ihnen  daher  nur  sehr  geringe 
Konzessionen  zu  erlangen  wie  z.  B.  Einsicht  —  nicht  Auf- 
sicht —  in  die  Schechita,  Ueberlassung  der  kleinen  Synagoge 
für  den  alten  „Ritus"  u.  a.  m.  So  ungenügend  diese  Konzessionen 
waren,  so  fanden  sie  doch  nicht  die  Zustimmung  der  Ge- 
meinde. Inzwischen  hatten  sich  die  Wogen  der  Bewegung 
etwas  beruhigt,  der  Vorstand  ließ  es  daher  beim  Alten. 


Aber  die  Orthodoxie  war  aus  ihrer  Lethargie 
erwacht.  Elf  Personen*)  hatten  sich  zu  einer  Eingabe  an 
den  Senat  vereinigt,  in  welcher  auf  die  reformistische 
Richtung  der  Gemeinde  und  die  Unzulänglichkeit,  ja  Un- 
brauchbarkeit  der  Gemeindeinstitutionen  hingewiesen, 
die  Absicht  ausgesprochen  wurde,  die  erforderlichen  Institu- 
tionen selbständig  herzustellen  und  zu  dem  Ende  die 
Berechtigung  erbeten  ward,  einen  Rabbiner  zu  berufen. 
Der  Senat,  der  bis  dahin  den  Gemeindevorstand  mit  seiner 
vollen  Machtbefugnis  unterstützt  hatte,  war  denn  doch  zu 
der  Ueberzeugung  gelangt,  daß  etwas  faul  im  Staate  Däne- 
mark sei,  und  bewilligte  das  Gesuch  unter  der  Bedingung, 
daß  die  neue  Vereinigung  nur  eine  Religionsgesellschaft, 
keine  Gemeinde  bilde  und  in  den  Verpflichtungen  gegen- 
über Gemeinde  dadurch  nichts  geändert  werde. 

Nun  fand  die  Wahl  und  Berufung  des  Rabbiners  statt: 
die  Religionsgesellschaft  war  gegründet.  Den  elf 
Gründern  hatten  sich  bis  1850  noch  etwa  60  angeschlossen. 
Bis  zum  August  1851.  als  Hirsch  die  Stelle  antrat,  waren  es 
bereits  zirka  lOO.  Aber  von  irgend  welchen  Institutionen 
einer  Gemeinde  war  nicht  einmal  eine  Spur  vorhanden. 
Einige  Zimmer  mußten  gemietet  und  zu  einem  proviso- 
rischen Betsaal  hergerichtet  werden.  Von  hier  weckte 
Hirsch's  zündendes  Wort  neues  Leben  in  den  Geistern  und 
Gemütern  seiner  Hörer,  hier  erstand  die  von  ihren  eigenen 
Kindern  totgesagte  alte  Frankfurter  Kehillo  zu  neuem  Leben. 

Es  galt  nun  zuerst,  eine  Synagoge  zu  bauen,  um  in  ihr 
einen  Mittelpunkt  zu  besitzen,  der  die  .Mitglieder  der 
Religions  -  Gesellschaft  einen  sollte.  Durch  die  Opfer- 
freudigkeit der  Mitglieder  und  besonders  durch  die  Frei- 
giebigkeit  des  Rotlischild'sclien  Hauses  das  sich  mit 
70(XK)  Gulden  bei  dem  Bau  beteiligte,  war  das  noch  am 
leichtesten.  Viel  schwieriger  war  die  Gründung  der  Schule 
und  es  waren  dabei  so  viele  Schwierigkeiten  und  Hinder- 
nisse nach  allen  Seiten  hin  zu  überwinden,  daß  ein  anderer 
wie  Samson  Raphael  Hirsch  sie  niemals  bewältigt  hätte. 

Schon  bei  Einweihung  der  Synagoge  hatte  es  Hirsch 
ausgesprochen,  daß  sie  nur  das  Sanmielhaus  sei,  welches 
seine  Besucher  äußerlich  verbinde,  aber  die  Schule  müsse 
der  Boden  werden,  der  die  Gesellschaft  halte  und  trage 
und  ihre  Zukunft  garantiere.  Hirsch  verstand  es  wie  kein 
Zweiter,  eine  Wahrheit,  einen  Gedanken  \'on  dem  er  durch- 
drungen war,  so  oft,  so  lange  und  so  von  allen  Seiten  ein- 
dringlich und  begeisternd  seinen  Hörern  in  die  Seele  zu 
reden,  bis  auch  sie  ihn  sich  angeeignet  hatten.  Auf  diese 
Weise  hat  er  seine  Gemeinde  tatsächlich  für  alles  Wahre 
und  Herrliche  erzogen  und  gewonnen,  wie  es  in  seinem 
hellen  Geiste  und  in  seinem  edlen  Herzen  lebte.  Aber  den 
Schwierigkeiten,  auf  welche  die  Gründung  einer  Schule 
stieß,  wie  sie  ihm  als  Ideal  vorschwebte,  in  welcher  Tliora- 
kenntnis  und  allgemeine  Bildung  mit  derselben  Hingebung 
gepflegt  werden  sollte,  einem  solchen  Unternehmen  gegen- 
über schien  selbst  sein  machtvoller  Mut  und  seine  an- 
spornende Tat  zu  schwach.  Die  Geldmittel  für  diese  Schule 
waren  noch  leicliter  zu  beschaffen  als  die  Kinder.  Er 
sannnelte  die  Beiträge,  die  probeweise  —  wie  auch  die  für  die 
[■^eligionsgesellschaft  -  nur  für  fünf  Jahre  bewilligt  werden 
sollten,  indem  er  selber  von  Haus  zu  Haus  ging.  Aber 
auch  die  ersten  Kinder  für  seine  Schule  nuißte  er  geradezu 
erbetteln.  Die  wirklich  Tronnnen,  welche  die  verheerenden 
Folgen  der  modernen  Bildung  nur  allzugut  aus  ihrer 
nächsten  Umgebung  kannten,  fürchteten  für  das  Judentum 
ihrer  Kinder,  wenn  sie  diese  Schule  besuchten.  Diejenigen 
aber,  die  selber  schon  zu  den  Gebildeten  zählten,  fürchteten, 
daß  die  Schule  ihre  Kinder  zu  jüdischen  ..Fanatikern"  heran- 

*)  Ihre  Namen  sind:  Ph.  Abr.  Cohn,  Moses  Lob  Mainz,  Selig 
Schwarzschild,  Seligmann  Schwarzschild,  M.  M.  Rapp,  Lazar 
Posen,  Salomon  Posen,  David  Schwabacher,  Adolph  Dann, 
Michel  Lob  Mainz,  Leopold  Rapp. 


12 


bilden  werde.  ninig,"e  von  denen,  welche  sich  dem  Banne 
der  Hirsch'sclien  Anregung  nicht  entziehen  konnten,  suchten 
unter  ihren  Kindern  die  am  wenigsten  Begabten  aus;  mit 
ihnen  glaubten  sie  das  Unternehmen  riskieren  zu  dürfen. 
.Mit  solchem  Schülermaterial  nuilite  die  Schule  eröffnet,  und 
die  schwere  Verantwortung  für  ihr  Gelingen  übernommen 
werden ! 

Am  I.  April  1853  ward  die  Schule  eröffnet.  Nun  zeigte 
sich  erst,  mit  welchen  Augen  die  Reformgemeinde  und  ihre 
leitenden  Elemente  auf  diese  junge  eigenartige  Schöpfung 
blickten.  Der  Direktor  des  Philantropins  erlieli  ein  anon\  nies 
Pamphlet  gegen  die  Schule  und  ihren  Schöpfer  im  Frank- 
furter Journal,  das  sich  aber  nicht  auf  die  Schule  beschränkte, 
sondern  das  überlieferte  Judentum  und  seine  fundamentalen 
Satzungen  dem  öffentlichen  Gespött  preisgab.  Dieser  ohn- 
mächtige Wutausbruch  hat  das  grolle  Verdienst  eine  Ent- 
gegnung liirsch's  veranlal.it  zu  haben,  die  unter  dem  Titel: 
-Das  rabbinische  Judentum  und  die  soziale 
Bildung"  in  Nr.  83  des  ..Frankfurter  Intelligenzblattes"  am 
8.  .April  erschien.  —  Diese  Entgegnung  erregte  ungeheures 
.Aufsehen  und  stellte  die  Jännnerlichkeit  des  Pamphletisten 
und  seines  .Wachwerkes  so  schonungslos  an  den  Pranger. 
dal.i  alle  mit  Fingern  auf  ihn  deuteten  und  dieser  aus  der 
Not  eine  Tugend  machen  und  sich  zu  einer  Entgegnung 
mit  seinem  vollen  Namen  be(|uemen  inulite.  Der  zweite 
Schmäliartikel  erschien  am  lö.  April  im  ..Frankfurter  Intelli- 
genzblatt" unter  dem  Titel :  ..Das  pharisäische  Judentum  und 
das  soziale  Leben".  Darauf  folgte  drei  Tage  später  in  dem- 
selben Blatt  am  22.  .April  \-on  Rabbiner  Hirsch  eine  .Ab- 
fertigung, die  dem  Direktor  des  Philantropins.  Herrn  Dr.  Hell, 
jede  Freude  an  dieser  literarischen  Polemik  benommen  zu 
haben  scheint:  er  hat  sich  nach  diesem  Schlage  nicht  mehr 
zu  rehabilitieren  \ersucht.  Die  Eingegnung  ist  betitelt: 
-Das  r  a  b  b  i  n  i  s  c  ii  e  Judentum  und  d  e  r  H  e  r  r  Dr.  H  e  1! '" 
und  zählt  unter  die  Perlen  der  polemischen  Literatur  aller 
Zeiten.  So  xollständig  der  frixole  Angriff  auch  zurückge- 
sciilagen  wurde,  so  siegreich  auch  die  Orthodoxie  und  ihr 
Vertreter  aus  diesem  Kampfe  lietNorgingen,  der  damalige 
Frankfurter  Gemeinderabbiner  glaubte  durch  eine  Broschüre 
der  lahm  gelegten  Neologie  die  \erlorenen  Lorbeern  wieder 
zurückerobern  zu  können.  Er  Nerciffentlichte  im  Jahre  18.S4 
eine  Broschüre  mit  maliloLien  .Angriffen  und  .Ausfällen  gegen 
die  .Witglieder  der  Religioiis- Gesellschaft,  in  welcher  er  die 
Religion  im  Bunde  mit  dem  Fortschritt  als  Dexise 
der  Neologie  bezeichnet.  Darauf  folgte  Hirsch's  Entgegiumg; 

I)ie  [■Religion  im  Bunde  mit  dem  Fortschritte, 
von  einem  Schwarzen,  die  zu  tlem  Trefflichsten  gelu'irt, 
das  seiner  Feder  entstannnt.  Sie  ist  im  dritten  Bande  der 
Gesanmielten  Schriften  \()n  S.  R.  Hirsch  abgedruckt. 

iJurcli  das  bisherige  sollten  die  Kämpfe  \eranscliaulicht 
werden,  welche  sich  an  jeden  Schritt  knüpften,  den  das 
junge  Gemeinwesen  zu  seiner  Konsolidierung  xorwärts  tat. 
Wie  hier  so  trat  auch  auf  allen  anderen  Gebieten  die  Eigen- 
tümlichkeit zu  Tage:  Gerade  was  die  Gegner  zur  Discre- 
ditierung  und  Untergrabung  der  Reiigions- Gesellschaft  in 
Szene  setzten,  gerade  das  trug  am  meisten  zu  ihrer  Förde- 
rung und  Erstarkung  bei.  Man  hat  heute  keine  Vorstellung 
mehr  da\on,  welche  Schwierigkeiten  einer  zuverlässigen 
Scheclhta  und  der  Errichtung  aller  Kaschrus-.Anstalten  bereitet 
wurden,  und  wie  diese  Hennnnisse  alle  nicht  nur  überwunden, 
sondern  in  ihr  volles  Gegenteil  umgewandelt  w  urden.  .Aber  noch 
weniger  hat  die  groDe  Welt  eine  Ahnung  daxon,  mit  welcher 
Weisheit,  mit  welcher  Herzensgüte,  mit  welchem  Ciottxer- 
trauen,  mit  welcher  Hingebung  seiner  ganzen  Persönlichkeit, 
mit  welcher  rastlosen  Tätigkeit  und  nie  ermüdender  Pflicht- 
treue, mit  welchem  nie  zu  brechenden  Lebens- und  Schaffens- 
mut  und  nie  zu  trübender  Heiterkeit  Hirsch  alle  Kämi)fe 
aufnahm  unil  sie  zu  Siegen  gestaltete.     Die  Entfaltung  tlieser 


seiner  Religionsgesellschaft  ist  die  beste  Folie  für  eine  Be- 
schreibung seines  Lebens  und  Wirkens.  Denn  er  hat  sein 
Leben  für  sie  eingesetzt.  An  jedem  Stein  ihres  .Aufbaues, 
an  jedem  Schritt  ihrer  Entwickelung  hängt  ein  Stück  seines 
Lebens,  ein  Teil  seines  Geistes,  ein  Tropfen  seines  Herzbluts. 

Wer  ihn  in  seiner  öffentlichen  Wirksamkeit  in  Frank- 
furt sah  als  Rabbiner,  als  Redner,  als  Lehrer,  als  Organisator, 
Berater  und  Führer  des  ganzen  Gemeinwesens,  der  konnte 
leicht  glauben,  dal,i  darin  seine  ganze  Tätigkeit  aufgehe.  In 
Wirklichkeit  aber  gehörte  er  nicht  seiner  Gemeinde,  sondern 
der  ganzen  Welt,  die  sich  brieflich  und  persönlich  bei  ihm 
einfand,  um  seinen  Rat  für  alle  Fälle  des  wechselreichen 
Lebens  einzuholen.  Die  Selbstlosigkeit,  mit  welcher  er 
diesen  Rat  erteilte,  die  tiefe  Weisheit,  die  reiche  Lebens- 
erfahrung aus  welcher  er  floü,  die  Leichtigkeit,  mit  welcher 
er  die  schwierigsten  Lagen  überblickte,  verliehen  diesem  Rat 
oft  die  Bedeutung  eines  prophetischen  Blickes  in  die  Zukunft 
und  bestätigten  die  Wahrheit.  dal.i  ein  Weiser  mehr  als  ein 
Propiiet  ist. 

Ein  junger  Rabbiner,  in  dessen  Amtsbezirk  die  Schul- 
kinder genötigt  wurden,  den  Sabbat  durch  Schreiben  zu  ent- 
weihen, fragte  ihn  um  seinen  Rat,  w  ie  diesem  l  lebelstande 
abzuhelfen  sei,  da  alle  Behörden  sich  ablehnend  \erhalten 
und  das  Gros  der  Bevölkerung  selbst  mit  der  herrschenden 
[Religion  auf  gespanntem  Fuüe  stehe,  man  also  für  Berück- 
sichtigung jüdisch-religiöser  Ansichten  gewil.i  keine  .Aus- 
sicht habe. 

..Ich  weil.)  nur  einen  Weg"  lautete  sein  Rat  „aber  der 
wird  sicher  zum  Ziele  führen.  Sie  müssen  dafür  sorgen,  dal,i 
entweder  Sie  oder  Ihre  Frau,  oder  beide  ins  Gefängnis  konnnen, 
wegen  Ihrer  .Auflehnung  gegen  die  Verkünnnerung  der  Re- 
ligionsfreiheit. Sobald  Sie  das  erreicht  haben,  müssen  Sie  es 
sich  angelegen  sein  lassen,  dali  die  Zeitungen  xon  dieser 
Verhaftung  Notiz  nehmen  und  es  alle  Welt  erfährt,  wie  es 
in  Ihrem  Kreis,  der  sich  als  Hort  der  Freiheit  geriert,  mit  der 
Gewissens-  und  Religionsfreiheit  bestellt  ist,  dali  man  Jeman- 
den einsperrt,  weil  er  seiner  Religion  treu  bleiben  nu'ichte. 
Das  wird  helfen,  auf  anderem  Wege  ist  nichts  zu 
machen." 

Der  Rabbiner  wollte  diesen  Rat  befolgen,  es  gelang  ihm 
jedoch  nicht.  .Aber  ein  Schüler  wurde  wegen  seiner  fortgesetzten 
Weigerung,  am  Sabbat  zu  schreiben,  eingesperrt,  und  die  .Auf- 
regung, die  dieses  Vorkonnnnis  zur  Folge  hatte,  brach  in  der 
Tat  den  Widerstand  der  Schulpotentaten 

In  ihrem  leuchtendsten  Glänze  aber  zeigte  sich  seine 
Weisheit,  wenn  sie  sich  auf  ihrem  eigensten  Gebiete,  im 
Bereiche  der  Thora  bewegte.  Wol  spricht  diese  Weisheit 
aus  jeder  Zeile  seiner  zahlreichen  Schriften,  aber  wie  er  sein 
innnenses  Wissen  beherrschte,  wie  er  die  Früchte  seiner  er- 
staunlichen Belesenheit  immer  zur  Hand  hatte,  und  in  der 
Tat  zu  den  groLlen,  echten  D^iiw  alten  Schlags  zählte,  das 
imiL!  man  im  persönlichen  Verkehr  selber  erlebt  haben,  um 
es  glaublich  zu  finden. 

In  seiner  Gegenwart  war  einmal  von  einer  Bemängelung 
die  Rede,  welche  die  Schächtgegner  darin  fanden,  dal.!  beim 
Schächten  der  Kopf  mir  teilweise  und  nicht  vollständig  vom 
Körper  getrennt  wird,  weil  mit  der  vollständigen  Trennung 
des  Kopfes  das  Leben  doch  sofort  auflu'iren  müsse.  Ein  an- 
wesender .Arzt  bestritt  dies  und  behauptete,  pliNsiologische 
Untersuchungen  hätten  ergeben,  dali  der  Kopf  bei  Hingerich- 
teten auch  nach  der  J'reniumg  \om  Rumpfe  noch  lebe  und 
auf  Zuruf  noch  eine  gewisse  Zeit  reagiere.  Diese  Behaup- 
tung wurde  \'on  einem  Anwesenden  bezweifelt,  l  Im  seine 
Ansicht  befragt,  holte  Hirsch  seine  H-'i2-i  und  schlug,  ohne  zu 
suchen,  Seite  45  b  in  n'ciD  'co  auf,  wo  er  zeigte,  dali  das 
Leben  des  Kopfes  auch  nach  der  Trennung  \om  Rumpfe 
tlort  tieutlich  ausgesprochen  ist. 


An  dieser  Sclila.ufertiskeit,  die  ihr  reiches  Wissen  jeden 
Augenblick  unoesucln  zur  Hand  hat.  erkennt  man  die  Gesin- 
nung, mit  der  er  tt)rsclite  und  lernte,  lernte,  um  das  Ge- 
lernte zu  ermllen  und  in  Taten  umzusetzen.  Das  hörte  man 
aus  jedem  \\  orte,  das  er  sprach  und  das  giebt  auch  seinen 
liinterlassenen  Schriften  ihren  eigenen  Reiz.  Man  glaubt  ihn 
noch  zu  hören,  wenn  man  ihn  liest,  man  glaubt  ihn  selber 
zu  sehen,  wenn  man  sich  in  die  iierrlichen  Gedanken  und 
Empfindungen  seiner  Schriften  \ertieft.  die  in  seiner  Persön- 
liclikeit.  die  in  seinem  Leben  und  Wirken  verkörpert  und 
\ erwirkliciit  erschienen.  Kr  hatte  die  reichen  Sciiätze  seines 
hohen  Geistes  und  seines  tiefen  Gemüts  nicht  nur  im  Kopfe 
und  im  Herzen,  er  trug  sie  in  der  Hand,  sein  ganzes  Leben 
ging  so  ausschließlich  in  das  eine  Verlangen  auf.  sein  Wissen 
und  Wollen  in  Taten  umzusetzen,  daii  man  ihn  an  seiner 
Bahre  mit  den  Worten  feierte:  n"3  mo'^m  ]i<:b  N3tr  'o  ■'■nirN. 


die  durch  den  Druck  xeröffentlichten  Schriften.  Welchen 
Geist,  welche  Zeit,  welche  Arbeitskraft  aber  die  zahlreichen 
Berichte  und  Eingaben  an  Behörden  und  seine  ausgebreitete, 
das  ganze  Erdenrund  umspannende  Korrespondenz  erforderte, 
das  entzieht  sich  heute  unserer  vollen  Schätzung. 

Ein  Jahr  nach  Gründung  seiner  Schule,  also  zu  einer 
Zeit,  die  mehr  als  sonst  den  ganzen  Mann  verlangte,  im  Jahre 
1854,  begann  er  die  Herausgabe  der  Monatsschrift  „J  e  s  c  h  u  r  u  n" 
von  der  16  Jahrgänge  bis  zum  Jahre  1870  erschienen  sind. 
In  ihnen  hat  er  seine  tiefe  Kenntnis  des  Judentums  und  der 
Zeit  in  seiner  anziehenden,  geistsprühenden  und  gemüt\-ollen 
Form  und  Sprache  bekundet,  hier  hat  er  das  Judentum  durch 
die  Schilderung  der  gehobenen  Momente  seines  Pflichtlebens 
in  einer  nirgends  sonst  erreichten  Weise  \erherrlicht,  hier 
hat  er  das  Richtschwert  über  die  Reformen  der  französischen 
Grand    Rabbins,    über    die    Geschichtsfälschungen    \on 


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Verkleinerte  Probeseiten  aus  einer  Handschrift  Samson  Raphael  Hirschs 
(Gedruckt  im  Jeschurun,  Jahrgang  16  Heft  3.) 


Hierin  liegt  ein  Schlüssel  zur  Würdigung  der  Eigenart 
und  des  ungewöhnlichen  Erfolgs  der  schriftstellerischen  und 
sonstigen  Tätigkeit  Samson  Raphael  Hirsch's.  Wenn  man  diese 
Schriften  auch  nur  äuLierlich  liinsichtlich  ihrer  OH'intität  be- 
traclitet.  ringen  sie  dem  j-ieobachter  die  staunende  Erage  ab: 
Wo  nahm  der  .Autor  mitten  in  seinem  unablässigen  annlichen 
Schaffen  und  Wirken  die  Zeit  und  Mul.ie  her,  diese  Bücher 
auch  nur  zu  schreiben?  lind  man  muLi  ihn  bei  seiner 
Arbeit  gesehen,  nuii.l  einen  Pilick  in  seine  .^'\anuskripte  ge- 
worfen haben,  um  diese  Erage  noch  zu  verschärfen.  Das 
floll  wie  aus  einem  Gull  und  sprudelte  wie  ein  Springquell 
mit  derselben  sicheren  Lebhaftigkeit,  mit  der  ihm  das  ge- 
sprociiene  Wort  über  die  Lippen  ging.  Man  findet  in  seinen 
Handschriften  keine  Korrektur,  kein  durchstrichenes  Wort, 
alles  quoll  fertig  aus  dem  Kopfe  und  dem  Herzen,  als  ab- 
gerundetes, fornuollendetes  Ganzes.    Dabei  besitzen  wir  lun 


Grätz.  über  dieTraditionsleugnung  Frankeis  geschwungen 
und  alles  mit  einer  Treffsicherheit  und  einer  Vornehmheit  der 
Sprache  und  Gesinnung,  die  selbst  den  überwundenen  Gegnern 
imponierte. 

Noch  in  die  Zeit,  in  welcher  der  Jeschurun  erschien, 
fiel  die  Herausgabe  des  ersten  und  zweiten  Bandes  seiner 
IJebersetzung  und  Erklärung  desPentateuchi  18(>7 
und  186*^),  welchen  dann  die  anderen  Bände  in  den  Jahren 
1873,  187(),  1878  folgten.  In  diese  Zeit  fällt  auch  seine  rege 
litterarisclie  und  sonstige  Tätigkeit  für  das  preußische  .Aus- 
trittsgesetz (1876).  das  den  Juden  in  Preußen  das  Recht 
brachte,  wegen  religiöser  Bedenken  aus  einer  jüdischen  Ge- 
meinde auszutreten,  ohne  deshalb  aus  dem  Judentum  aus- 
scheiden zu  müssen.  Dieses  Gesetz  ist  lediglich  der  lnitiati\  e 
Hirsch's  entsprungen,  er  hat  \iele  Reisen  dafür  nach  Berlin 
unternonnnen,  um  die  Minister  und  einflußreichen  Parlamen- 


-     14 


tarier  dafür  zu  (gewinnen,  bis  der  Erfol.^j:  ihm  winkte,  imjalire 
1882  erschien  die  „Ijebersetzun^  und  Erklärun.y;  der 
Psalmen"  und  1884  die  klassische  Schrift  „lieber  die 
Beziehungen  des  Talmuds  zum  Judentum",  deren 
Bedeutsamkeit  und  Wirksamkeit  an  anderer  Stelle  dieser 
Festschrift  einstellend  behandelt  wird.  Hirsch  hatte  auch 
noch  die  Befriedigung  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens 
eine  zweite  Ausgabe  der  ..Neunzehn  Briefe"  und  des  „Choreb" 
zu  veranstalten,  doch  erlebte  er  das  Erscheinen  der  letzteren 
nicht  mehr. 

Diese  Schriften  sind  die  ^(eistijj^e  Hinterlassenschaft,  die 
der  jjrolk  Verfasser  seiner  \erwaisten  Zeit  zurück^jelassen 
hat.  Er  erscheint  durch  sie  als  einer  der  ß:rol.ien  führenden 
Geister,  welche  die  Vorsehung  dem  Judentum  wiederholt  an 
dem  Wendepunkt  groLier  Zeiten  erstellen  lieli.  Es  hat  nicht 
an  Stimmen  gefehlt,  welche  Hirscii's  literarische  Wirksamkeit 
dadurcii  zu  diskreditieren  suchten,  dal.l  man  sie  „unwissen- 
schaftlich" nannte.  Für  diese  Anschauung  ist  die  Leugnung 
der  Göttlichkeit  der  Thora  die  erste  Vorbedingung  für  die 
Zulassung  zur  Zunft  der  „W  issenschaftlichen".  Sie  sprechen 
einer  Forschung,  die  sich  auf  dem  Boden  der  l  -eberzeugung 
\-on  D'crn  'r2  .-mr  erhebt,  den  Charakter  der  Wissenschaft 
ab.  weil  sie  nicht  \-oraussetzungslos  ist.  Sie  \ergessen  aber 
dabei,  dali  ihre  Leugnung  der  Thora,  mit  der  sie  an  deren 
Schriften  herantreten,  ihre  eigene  Wissenschaft  zu  einer 
nicht  weniger  \oraussetzungsreichen  macht,  dali  durch  diese 
Leugnung  die  Probleme  des  Qoitesworts  und  der  Erhaltung 
Israels,  seines  Trägers,  trotz  aller  Negation  und  Willkür. 
trotz  aller  Thesen  und  Hxpothesen.  nicht  nur  nicht  erklärt, 
sondern  durch  dieses  ganze  l  'nterfangen  nur  noch  dunkler 
und  rätselhafter  werden.  Wie  hoch  auch  der  Cothurn  sein 
mag,  auf  dem  diese  angebliclie  Wissenschaft  der  Leugnung 
einher  stolziert  und  mit  überlegenem  Lächeln  auf  Hirsch's 
Forschungen  herabsieht,  die  Zukunft  gehört  iler  wahren 
Wissenschaft,  der  wissenschaftlichen  Wahrheit,  wie  sie  aus 
Hirsch's  Schriften  zu  uns  spricht,  hie  Wahrheit  ist  ihr 
eigener  Zeuge,  sie  wird  ihren  Weg  allein  gehen,  heshalb 
darf  diese  Darstellung  noii  einer  Skizzieruiig  und  Würdigung 
der  Hirscirschen  Fnrschungsresultate  absehen,  sowie  \on 
einer  Charakteristik  seiner  Schriften.  Sie  gilt  in  erster  Reihe 
seiner  Persönlichkeit,  und  sie  wird  auch  hier  die  Fülle  des 
Edlen  und  Wahren  nicht  einigermallen  erscJK'ipfeiid  darzu- 
stellen \ erm()gen.  So  groll  sein  Wissen,  seine  Weisheit  und 
Schöpfungskraft  auch  war.  seine  Bescheidenheit  war  noch 
gröller.  .Als  fast  ein  halbes  Jahrhundert  nach  dem  ersten 
Erscheinen  der  ..Neunzelm  Beriefe"  ilie  .Auflage  längst  \  er- 
griffen war.  und  das  Pjedürfnis  nach  einer  neuen  .Ausgabe 
\-on  allen  Seiten  lebhaft  empfunden  wurde,  wurde  der  \  er- 
fasser  xon  befreundeter  Seite  einmal  auf  dieses  liedürfnis 
aufmerksam  gemacht  und  daran  die  Frage  geknüpft,  warum 
eigentlich  eine  zweite  Auflage  so  lange  auf  sich  warten 
lasse?  In  seiner  wahrhatt  kindlichen  Bescheidenheit  meinte 
der  Verfasser,  dali  es  sehr  fraglich  sei,  ob  die  Kosten  der 
Herstellung  durch  die  Nachfrage  gedeckt  würden.  ,Aut  das 
ungläubige  Lächeln  des  Fragers,  sagte  Hirsch:  ,, Glauben  Sie 
wirklich,  dali  man  eine  neue  Auflage  ohne  pekuniäres  Risiko 
wagen  könne?"  und  meinte  dann,  als  die  Frage  unbedingt 
bejaht  wurde:  „Nun,  dann  will  ich's  Ihnen  übertragen,  Sie 
dürfen  die  zweite  Auflage  besorgen  und  allen  Vorteil  daraus 
ziehen,  wenn  Sie  die  Herstellungskosten  wagen  wollen," 

Fm  diese  Naixität  des  erfahrenen,  weltklugen  .\\annes 
zu  begreifen,  nuil.1  daran  erinnert  werden,  dali  er  niemals  einen 
pekuniären  Vorteil  bei  seiner  gesamten  schriftstellerischen 
Tätigkeit  gesucht  und  gefunden  hat.   ..\'on  dem  Ertrag  meiner 


Schriften    könnte 


ich    mir 


kein    Paar  Handschuhe    kaufen" 


sagte  er  oft  scherzend,  aber  es  entsprach  vollkommen  der 
Wirklichkeit.  Er  schrieb  nur  um  der  heiligen  Sache  willen, 
in  deren  Dienst  seine  Feder  stand,    luul  er  war  reichlich  zu- 


frieden, wenn  er  dabei  auf  seine  Auslagen  kam.  In  dieser 
vollendeten  Selbstlosigkeit  liegt  auch  eine  der  Ursachen 
seiner  grolien  Erfolge.  Je  geringer  der  materielle  Vorteil  war, 
desto  reicher  war  der  ideelle. 

Ein  anderes  Moment,  das  den  tiefen  Eindruck  und  die 
auiiergewöhnliche  Verbreitung  seiner  Schriften  erklärt,  liegt 
in  dem  bereits  angedeuteten  Umstand,  daü  seine  Schriften 
ein  Abbild  seines  Lebens  und  sein  Leben  eine  Verkörperung 
der  in  seinen  Schriften  niedergelegten  Wahrheiten  war. 
Wenn  man  \on  tien  geradezu  phänomenalen  Entdeckungen 
auf  dem  Gebiete  der  Sprachforschung  und  der  biblischen 
E.xegese,  wenn  man  von  seiner  grandiosen  Total  auf  fassung 
des  Judentums  und  dem  von  ihm  zum  erstenmale  wissen- 
schaftlich nachgewiesenen  inneren  Zusammenhang  seiner 
einzelnen  Bestimmungen  absieht,  vielmehr  die  Aufmerksamkeit 
denjenigen  Seiten  zuwendet,  die  ihrer  Natur  nach  unmittel- 
bar ins  Leben  eingreifen  und  es  ausgestaltend  beeinflussen, 
so  sind  es  hauptsächlich  folgende  drei  .Womente,  welchen 
seine  Lebensarbeit  galt,  in  welchen  er  als  Pfadfinder  für 
neue  Bahnen  seiner  Zeit  voranging: 

I.  Die  Verbindung  \'on  Thora  und  allgemeiner 
Bildung  als  sich  gegenseitig  fördernde  und  in  einheitlicher 
Durchdringung  zu  pflegende  Gebiete,  wie  er  sie  in  seinen 
Unter  ri  c  htsanstalten  \erwiikliclite  ; 

II.  Die  Rettung  der  selbständigen  organischen  Entfaltung 
des  überlieferten  Judentums  als  Träger  jüdischer  Gemein- 
schaft, durch  i\tn  Austritt  aus  den  der  Reform  huldigenden 
Gemeinden  und  die  Konstituirung  der  Ausgetretenen  zu 
einem  eigenen  Gemeinwesen,  wie  es  seine  Religionsgesell- 
schaft darstellte,  und 

III.  Die  Vereinigiuig  sämtlicher,  überall  \erteilt  lebender 
orthodo.xeii  Juden  zu  einer  einheitlichen  Organisation,  wie 
er  sie  in  der  1880  xon  ihm  gegründeten  ..Freien  Ver- 
einigung für  d  i  e  1  n  t  e  r  e  s  s  e  n  des  o  r  t  li  o  d  o  \  e  n  J  u  d  e  n- 
t  u  m  s"  angebahnt  hat. 

Durch  diese  mächtig  in  den  L'iuf  der  religi()S-politischen 
Entwicklung  eingreifenden  Leistungen  iubt  Hirsch's  Name  auf 
aller  Lippen  auch  bei  denjenigen,  die  dem  hohen  Geistesflug 
seiner  wissenschaftlichen  Forschungen  nicht  zu  folgen  \er- 
mochten.  Seine  nach  tausenden  zählenden  Schüler  und 
Schülerinnen  trugen  den  Namen  ihres  Lehrers  und  die  Ver- 
ehrung für  ihn  in  alle  Richtungen  der  Windrose.  Seine  Schule 
hat  Schule  gemacht  und  wurde  in  \erschiedenen  Gemeinden 
nach  seinem  Beispielnachgebildet.  Ebenso  ist  seine  Religions- 
gesellschaft die  A\ustergemeinde  geworden,  nach  welcher  sich 
die  im  Laufe  der  Zeit  erstandenen  selbständigen  gesetzestreuen 
Gemeinden  konstituierten,  l  'nd  auch  die  \ereinzelten  Bekennet 
des  überlieferten  Judentums,  die  zu  minderzählig  waren,  um  ein 
Gemeinwesen  zu  bilden,  wie  diejenigen,  bei  welchen  ein 
F^edürfnis  dazu  nicht  xorlag,  \ereinigte  seine  ..Freie  Ver- 
einigung" zu  einem  geschlossenen,  einheitlichen  Ganzen. 
Das  waren  alles  tief  in  die  bestehenden  Verhältnisse  ein- 
greifende Malinahmen.  die  der  grollen  Masse  Hirsch  als 
einen  kühnen  Neuerer  und  einen  originellen  Sch(')pfer  xon  bis 
dahin  ungeahnten  Neubildungen  erscheinen  Hell,  l  'nd  dennoch 
war  Hirsch  gerade  in  diesen  Punkten  in  Wirklichkeit  nicht 
originell  und  wollte  am  wenigsten  selber  dafür  gelten.  Er 
war  im  Gegenteil  angelegentlich  darauf  bedacht,  es  fort  und 
fort  zu  betonen,  dali  er  in  Wirklichkeit  nichts  Neues  ge- 
schaffen, sondern  nur  an  Altes,  längst  Bestehendes  seine 
SclH')pfimgen  angelehnt  habe.  Seine  Verbrüderung  von  Thora 
und  allgemeiner  Bildung  führte  er  imablässig  auf  das  Wort 
der  grollen  Weisen  zurück :  "in  -ti  oy  .-nin  moS""  ,-is\ 
Ebensowenig  war  er  der  erste,  der  den  Gedanken  eines 
.Austritts  aus  der  Gemeinde  wegen  religi(")ser  Bedenken  aus- 
gesprochen hat.  Die  Priorität  dieses  Gedankens  gehört  dem 
'2i  ^rr,  der  ihn  in  seiner  'c"b  'c  n"m'  ausgesprochen  und 
eingehend  motixiert  hat.    Von  dieser  Entscheidung  hatte  Hirsch 


-     15 


keine  Kenntnis,  er  liat  sie  erst  nacii  dem  Aiistrittsj^esetz  er- 
taiiren  und  war  überoiücklicli  darüber .  dai.i  eine  solche 
Autorität  ihm  damit  zu\()r.uekt)nHnen  war.  (Hirsch  konnte 
sich  in  wahrhaft  kindlicher  Weise  freuen,  wenn  er  nacli- 
träoiich  erfuhr,  daü  einer  seiner  Gedanken  schon  xon  einem 
unserer  orolien  .Altxordern  ausii-esprochen  war.  In  seinen 
Psalmen-Kommtar  erklärt  er.  dal.l  der  I'salm  44  an  die  Zeit 
der  .\\arannen  in  Spanien  erinnere.  Als  man  ihn  später 
darauf  aufmerksam  machte,  dali  der  Psalm-Kommentar  von 
R.  .Woscheh  Alschich  dieselbe  Bemerkun^j  enthalte,  konnte 
er  nicht  ü^enujj  Worte  des  Dankes  für  diese  Mitteilunji  finden. 
So  spricht  und  handelt  keiner,  der  das  Streben  hat  partout 
als  orio'inell  /u  gelten.)  L)al.i  \or  bereits  ca.  'X)  Jahren 
R.  .\\oscheh  Sofer  (D"S  nairn  ,^  pbn  ifio  er»-)  den  Austritt 
aus  einer  Reform«emeinde  als  reli^ionsgeset/lich  jjebotene 
Pflicin  erklärt  hat.  erwähnt  Hirsch  selber  in  einer  seiner  den 
.Austritt  aus  der  Gemeinde  behandelnden  Sciiriften.  Bekannt 
ist.  dall  Hirsch's  früherer  Juja:endfreund  und  späterer  religiöser 
.Antipode  Abraham  Geijjer  in  seinen  gesanunelten  Briefen 
sich  schon  im  Jahr  1837  für  die  Trennunjj  aus,ü:esproclien  hat 
und  zwar  in  einem  von  Wiesbaden  datierten  Brief  an  Frens- 
dorff  \()m  21.  Noxember  1837  und  auch  in  Briefen  an  Stern 
aus  den  Jahren  183*)  und  1843.  Bei  ihm  handelte  es  sich 
allerdin;a,'S  um  Trennunjj  der  Reformer  xon  den  Talmudjuden. 
Es  ist  hochinteressant,  diese  Briefe  nachzulesen.  Der  Ton 
in  dem  darin  dem  Schisma  das  Wort  geredet  wird,  und 
der  tiefe  sittliche  Ernst  mit  dem  Hirsch  für  den  Austritt 
aus  der  Gemeinde  eintritt,  zeigen  die  ganze  Kluft,  die  zwischen 
dem  Denken   und  Fühlen   dieser   beiden  Männer  gähnte. 

Dali  die  »Freie  Vereinigung"  an  die  alten  mi^n  und  ihre 
Bedeutsamkeit  anknüpft,  die  ihnen  alle  Zeit  für  die  Erhaltung 
und  Erstarkung  des  Judentums  bei  den  jüdischen  Zerstreuten 
innewohnte,  hat  Hirsch  in  der  ersteiiAufforderung  zur  Gründung 
der  Vereinigung  so  entschieden  und  eingehend  ausgesprochen. 
daü  es  dafür  keines  weiteren  Hinweises  bedarf. 

Hier  liegt  daher  die  Originalität  nicht  in  den  Ideen, 
sondern  an  ilirer  .Ausführung  und  an  der  ganzen  Art  und 
Weise  ihrer  Ausführung.  Wie  er  es  xerstanden  hat.  seine 
Gedanken  in  Taten  umzusetzen,  darin  steht  er  in  der  Tat 
unübertroffen  da.  Seine  Tatkraft,  seine  Ausdauer,  seine 
restlose  Tätigkeit  für  die  Verwirklichung  seiner  Ideale, 
dieser  Einsatz  seiner  ganzen  Persönlichkeit  hat  Wunder 
geschaffen.  .Aber  das  gröüte  Wunder  war  doch  er  selber. 
Was  dem  sinnlichen  Auge  als  schärfster  Gegensatz  er- 
scheint, das  hat  seine  abgeklärte  PerscHilichheit  zur  vollen- 
deten Harmonie  versöhnt.  Er  war  ein  scharfer  Vertreter  des 
strengen  Rechts,  und  wo  er  es  \  erletzt  glaubte,  trat  er  dafür 
ein  und  hat  es  selbst  gegen  die  nächsten  Gesinnungsgenossen 
verteidigt,  wenn  er  es  für  notwendig  hielt.  Er  stellte 
immer  und  überall  ncN  höher  als  aiSr,  und  dabei  war  er  so 
friedlich  und  gut.  hatte  ein  so  kindlich  weiches  Herz  in  der 
Männerbrust  schlagen,  die  sich  allen  Kämpfen  aussetzte,  dal.i 
man  es  selber  erfahren  haben  inuLi,  um  daran  zu  glauben. 
Sein  Kampf,  den  er  ein  ganzes  Leben  lang  für  den  ncN 
kämpfte,  galt  nur  der  Erringung  des  mSr.  Ein  hervorragen- 
der Rabbiner  hatte  einmal  in  einer  (öffentlichen  jüdisclienAn- 
geiegenheit  ein  \  ertrauliches  Schreiben  an  seine  Amtsgenossen 
gerichtet  und  sie  darin  zu  MaLlnahmen  aufgefordert,  die  Hirsch 
für  höchst  bedenklich  und  schädlich  hielt.  Er  hatte  dem  von 
ihm  hocluerehrten  Rabbiner  seine  Bedenken  in  sehr  entschie- 
dener Weise  brieflich  nahe  gelegt  und  in  der  Tat  bewirkt, 
daLl  jenes  Rundschreiben  zurückgezogen  wurde.  l:s  hat  da- 
mals nicht  an  Stinnnen  gefehlt,  die  Hirsch's  Vorgehen  in 
dieser  Sache  nicht  billigten  und  es  zu  agressiv  fanden.  Aber 
keiner  \dn  allen  diesen  wußte,  dal.!  Hirsch,  als  er  jenes  Rund- 
sciireiben  erhalten  und  gelesen  hatte,  sich  niedersetzte  und 
bitter  darüber  w  einte,  daü  ein  so  bedeutender  Mann  in 
einem  solchem  Irrtum   befangen    sein    konnte.    .Aber   als   er 


seine  Tränen  getrocknet  hatte,  schrieb  er  seine  Entgegnung, 
er  schrieb  sie  mit  solcher  Innigkeit,  durchglüht  xon  dem 
Weh,  das  ihm  im  Busen  wühlte,  daü  sie  sofort  den  er- 
wünschten Erfolg  hatte.  Auch  wo  er  für  Trennung  und  Aus- 
tritte aus  der  Gemeinde  plaidierte.  leitete  ihn  die  Rücksicht 
auf  den  Genieindefrieden,  den  er  nur  nicht  in  dem 
staatlichen  Hcirigkeitszwang  erblickte,  der  die  disparatesten 
Gegensätze  gewaltsam  zusammenpferchte,  sondern  in  der 
freien  Entfaltung  jeder  religiösen  Richtung,  mochte  sie  orthodox 
oder  neolog  sein.  Die  Großen,  die  \'or  ihm  denselben  Ge- 
danken ausgesprochen  hatten,  beschränkten  sich  auf  diese 
Aussprache,  ihn  aber  iiat  er  zui  Tat  gedrängt,  er  hat  ihn 
verwirklicht:  darin  liegt  seine  großzügige  Eigenart. 

Kurz  vor  seinem  Tode  wurde  im  Hinblick  auf  die  erst 
kürzlich  gegründeten  Kolonien  im  heiligen  Lande  die  Frage 
angeregt,  ob  sie  verpflichtet  seien,  im  Schmittajahr.  das  da- 
mals zum  erstenmal  seit  ihrem  Bestände  an  sie  herantrat, 
den  Boden  brach  liegen  zu  lassen,  oder  ob  sie  bereciitigt  seien, 
durch  einen  zeitweiligen  Verkauf,  dieses  schwere  Opfer,  das  für 
sie  eine  Existenzfrage  war,  zu  umgehen.  Groüe  rabbinisciie 
.Autoritäten  sprachen  sich  in  erleichterndem  Sinne  aus.  Hirsch 
trat  mit  aller  Entschiedeniieit  für  die  strikte  Erfüllung  der 
Schmittagesetze  auch  unter  diesen  schwierigen  Verhältnissen 
ein.  Aber  nachdem  er  seinen  iicn  ausgesprochen  hatte, 
trat  er  sofort  mit  einem  Aufruf  an  die  Oeffentlichkeit,  in  dem 
er  zu  Sammlungen  für  die  Kolonisten  aufforderte,  die  durch 
diese  gewissenhafte  Erfüllung  des  Gottesgesetzes  ihre  ganze 
Existenz  erschwert  sahen.  Dieser  Aufruf  war  die  letzte 
schriftliche  Kundgebung,  mit  der  er  vor  die  Oeffentliciikeit  trat. 

Die  Beschwerden  des  Alters  machten  sich  bei  iinn  in 
recht  empfindlicher  Weise  fühlbar.  ...Meine  Gesundheit  ist 
geschwächt,  meine  Kräfte  reichen  nicht  aus.  ich  iiabe  an 
dieser  Schrift  nur  mit  Anstrengung  und  wiederholten  Er- 
holungspausen schreiben  können.  Ich  muß  daher  mit  dem 
bischen  Kraft,  das  Gott  mir  noch  \erleihen  möge,  haus- 
halten und  sie  für  das  Nötige  ersparen,"  schreibt  er  in  einer 
1877  erschienenen  polemischen  Schrift,  also  12  Jahre  \(»r  seinem 
Tode.  Dieser  Schrift  selbst  merkt  man  von  der  .Anstrengung, 
mit  der  sie  geschrieben,  nichts  an.  Seine  unbeugsame  Willens- 
stärke und  seine  eiserne  Selbstbeherrschung  ließ  ihn  alle 
großen  und  kleinen  Unbilden  des  Lebens  mit  einem  Herois- 
mus ertragen,  der  selbst  seine  nächste  l  imgebung  über  sein 
Leiden  täuschen  konnte.  Eine  seiner  trefflichsten  .Arbeiten, 
seine  ..Vorläufige  .Abrechnung"  mit  Frankel  hat  er 
unter  heftigen  körperlichen  Schmerzen,  während  einer  öffent- 
lichen Prüfung  seiner  l  'nterrichts-Anstalt  geschrieben,  die  er 
sobald  er  abkönnnlich  war,  xerließ,  um  in  einem  Neben- 
zimmer seine  .Arbeit  tortzusetzen.  In  den  letzten  Jahren 
seines  Lebens  hat  er  an  großer  Schwerhörigkeit  gelitten, 
die  er  wunderbarer  Weise  wenige  Tage  \()r  seinem  Tode 
so  vollständig  xerlor.  daü  er  das  leiseste  Wort  \erstehen 
konnte.  Sein  Auge  dagegen  war  nie  getrübt,  es  strahlte,  so 
lange  es  offen  stand,  die  ganze  Glut  seiner  Alenschenliebe 
und  Geistestiefe  in  so  ungewöimlicher  Weise  aus,  daß  er 
auch  ganz  fremde  Menschen  anzog.  Sein  letzter  .Augenauf- 
schlag galt  einem  aus  weiter  Ferne  an  das  Sterbebett  des 
Vaters  herbeigeeilten  Kinde,  dann  schlössen  sich  die  treuen 
Augen,  diese  wahren  n-ii;n  'ry.  fürinnner:  es  war  am  27.Tewet 
,S648,  am  31.  Dezember  1888. 

Auch  dieses  Datum  seines  Todestages  ist.  wie  jeder 
Zug  seines  Lebens,  ungemein  charakteristisch.  Schon  Jahre 
xorher  hatte  er  unter  anderen  letztwilligen  Verfügungen  be- 
stinnnt.  daß.  da  er  sein  Gehalt  pränumerando  bezog,  der 
ihm  etwa  zu  \iel  bezahlte  Betrag  vom  Todestage  an  ge- 
rechnet, wieder  zurückgegeben  werden  solle.  Da  er  jedoch 
am  letzten  Tage  des  Quartals  und  Kalenderjahres  \ersclned, 
so  hat  seine  Todesstiuide  dieser  Forderung  seiner  strengen 
Rechtlichkeit  gleichsam  Rechnung  getragen. 


Er  hat  das  Zeitliche  wirklich  o'ese^i'iiet.  und  ist  als  der 
Zaddik  daliinti'e^jano'en.  <^imz  wie  er  ihn  selber  schildert. 

„Der  pns,  der  seine  Pflicht,  und  nur  seine  Pflicht 
kennt,  dei   seiner  Pflicht  und  nur  seiner  Pflicht  lebt, 
der   nur  daran  denkt,   Gott  und  seiner  Welt,   wie  ja 
sein   Ciiarakter   lautet.    ..gerecht"    zu  werden,   iimen 
alles  das  zu  leisten,   was  in  seinen  Kräften  steht,   je 
bescheidener  seine  Glücksstellung   ist,  je  weniger  er 
an  Gütern  und  Freuden  aus  der  Welt  empfangen  und 
empfängt,   umsomeiir   bleibt   ihm  die  Welt  schuldig 
und  als  anspruchsreichster  Weltgläubiger  scheidet  er 
einst  aus  der  Welt."     (Conini.  zu  Ps.  37,21.1 
Indem  seine  Schüler  und  Verehrer  die  Wiederkehr  des 
Tages  feiern,  an  dem  dieser  groLSe  Weltgläubiger  \ or  hundert 
Jahren  der  Erde  geschenkt  wurde,  möchten  sie  auf  die  Schuld 
hinweisen,  zu  deren  Abtragung  er  seine  Hinterbliebenen  ver- 
pflichtet hat,     Sie   kann   nur  durch  ein   Leben  und  Wirken 
im  Geiste  ihres  hohen  Vorbildes  abgetragen  werden.  Deshalb 
hat   diese  Darstellung   die   mannigfachen   kleinen  Züge   aus 
dem    groLien   Lebensbild    des  Heimgegangenen    zusanunen- 
gestellt:    An  ihnen  mögen  diejenigen,   die  in  der  Brust  den 
Funken  glinnnen  fühlen,  den  sein  Feuergeist  in  sie  gesenkt,  sich 
wie  der  Eplieu  an  der  stännnigen  Eiche  zur  gleichen  Höhe,  zur 
Höhe,  jüdischer  Pfliciiterfüllung    emporzuranken    \ersuchen. 


"S^ 


w^ 


S.   R.    Hirsch's   erste    Rabbinerstelle. 

Nach    den   Akten   des   QroHherzogl.    Alinisteriums   dargestellt 

von  Landrabbiner  Dr.  Mannheimer  in  Oldenburg. 

Als  im  Frühjahr  1S30  der  damalige  Oldenburgische  Landrabbiner  Dr. 
Nathan  Adler  eine  Berufung  als  Landrabbiner  nach  Hannover  erhalten  hatte, 
wurde  er  vor  seinem  Weggange  von  der  aroßherzoglichen  Regierung  be- 
auftragt, ihr  Vorschläge  zur  Besetzung  der  vakanten  Stelle  zu  machen.  Am 
24.  März  18,%  richtete  Adler  folgendes  Schreiben  an  die  Regierung: 

,Um  einer  hohen  Aufgabe,  vom  6.  d.  Mts.,  die  Wiederbesetzung 
der  hiesigen  Landrabbinerstelle  betreffend,  a  if  eine  dem  wichtigen 
Zwecke  entsprechende  \\  eise  Oenüge  zu  leisten,  hat  der  Land- 
rabbiner solche  zum  (jegenstande  seiner  sorgfältigen  Prüfung  ge- 
macht. Als  deren  Resultat  hat  er  zu  berichten  die  F:hre,  dali  ihm 
unter  allen  den  Kandidaten,  welche  sich  um  diese  Stelle  beworben 
haben,  der  am  geeignetsten  zu  sein  scheint,  welcher  ihm  von  dem 
Herrn  Qumprecht,  Vorsteher  der  israelitischen  Gemeinde  zu  Frank- 
furt a.  M.  in  Vorschia'.;  gebracht  und  auf  das  Ausgezeichnetste  em- 
pfohlen wurde.  Derselbe  nennt  sich  Samson  Raphael  Hirsch, 
ist  aus  Hamburg  gebürtig,  2,3  Jahre  alt  und  Kardidat  der  Philologie. 
Er  hat  in  seiner  Vaterstadt  einen  wissenschaftlichen  Unterricht  em- 
pfangen, eine  jüdische  theologische  Anstalt  zu  Mannheim  1 '/a  Jahre 
lang  besucht  und  befindet  sich  gegenwärtig  auf  der  Universität  zu 
B  inn,  worüber  aus  den  Zeugnissen  (Anlagen  sub.  1  bis  5i  das 
Nähere  erhellt. 

Der  Landrabbiner  hat  über  diesen  jungen  Mann  von  vielen 
Seiten  Erkundigungen  eingezogen  Diesen  zufolge  so'l  derselbe 
guten  moralischen  Charakters  sein,  ausgezeichnete  Sprachkenntnisse 
besitzen,  und  überhaupt  den  Forderungen,  welche  man  an  den 
jüJischen  (ieistlichen  zu  machen  berechtigt  ist,  bestens  genügen 
können.  Als  kleine  Probe  seiner  homiletischen  Fähigke  ten  wird 
diesem  Berichte  eine  \on  ihm  selbst  gehaltene  und  geschriebene 
Rede  gehorsamst  angefügt. 

Der  Landrabbiner  beehrt  sich  das  Weitere  in  hoher  Entscheidung 
Qrotiherzojl.  Regierung  mit  der  ergebensten  Bitte  anheimzustellen, 
dieselbe  wolle  ihm  die  Resolution  mitteilen  lassen. 

Groliherzogl.  Oldenburg.  Landrabbiner. 

Dr.    Adler.- 

Die  Oldenburgische  Regierung  wandte  sich  nun  um  Auskunft  an  ihren 
Bevollmächtigten  in  Hamburg,  an  den  Konsul  Schmidt.  Dieser  schrijb  am 
27.  Juni  folgende  Antwort: 

.Auf  das  Reskript  der  Groliherzogl.  Regierung  vom  14.  d.  Mts. 
hat  Unterzeichneter  die  Ehre  zu  erwidern,  dali  alle  von  verschiedenen 
Personen  eingezogenen  Erkund  gungen  für  den  fraglichen  Samson 
Raphael  Mirsch  günstig  lauten.  Derselbe  ist  aus  einer  rechtlichen 
Familie,  die  streng  dem  alten  System  anhängt.  Doch  gibt  man 
ihm  einstimmig  hinsichtlich  seiner  Moralität.  seines  Charakter-, 
seine  Fleilies  und  seiner  Kenntnisse  das  beste  Zeugnis,  und  erwartet, 
da  er  in  Bonn  zu  dem  Studium  zugelassen  worden,  dali  e-  die  dort 
herrschenden  gelind.-n  Ansichten  mit  den  orthodoxen,  worin  er  hier 
erzogen,  zu  vereinigen  wissen  wird,  und  Juden  von  beiden  Systemen 
legen  eine  warme  wohlwollende  Teilnahme  für  den  jungen  Mann 
an  den  Tag.  Schmidt." 


Hierauf  schrieb  die  Regierung  arn  28.  Juni  an  Dr.  Adler: 

,Ueber  den  von  Landrabbiner  Dr.    Adler    zu    seinem    Nachfolger 
vorgeschlagenen  Samson  Raphael  Hirsch  aus  Hamburg  hat   die  Re- 
gierung so  günstige  Nachrichten  eingezogen,  daß  sie  wünschen  muD, 
ihn  persönlich  kennen  zu  lernen,  um  über  seine  ferneren  Qualifikationen 
die  nötige  Ueberzeugung  zu  erlangen.  Würde  derselbe  daher  hierher- 
kommen und  sich  der  verordnungsmäßigen  Prüfung  unterziehen,  auch 
in  derselben  genügende  Proben  seiner  Kenntnisse  an  den  Tag  legen, 
so  würde  die  Regierung  ihn  bei  Sr.  Königl.  Hoheit  zum  l^andrabbiner 
in  Vorschlag  zu  bringen  kein  Bedenken  tragen.     Der  Landrabbiner 
Dr.  Adler  wird  daher   ermächtigt,    die   Ueberkunft   des  S.  R.  Hirsch 
baldigst  zu  bewerkstelligen  u.  s.  w." 
Die  Prüfung   Hirsch's   fand    am    28.  Juli  18,30    vormittags    10    Uhr    im 
Sitzungszimmer  der  Regierung  in  Gegenwart  des   Kammerherrn  Regierungsrat 
von    Lützow,    des  Generalsuperintendenten  Dr.  Hollmann    sowie    des    Land- 
rabbiners   Dr.   Adler  statt.     Als    Prüfungskommissare    richteten    sowohl    Dr. 
Hollmann  wie  Dr.  Adler  viele  Fragen  aus  allgemeiner  und  jüdischer  Religions- 
lehre und  Religionsphilosophie  an  Hirsch  und   dieselben   Fragen    hätten  eben- 
sogut einem  evangelischen   oder    katholischen   Kandidaten    vorgelegt   werden 
können.    Spezifisch  jüdische  Fragen  waren  sehr  wenige  darunter.  Das  Protokoll 
mit  allen   f^ragen  liegt  noch  im  Ministerium  zu  Oldenburg.    Von  einer  Probe- 
predigt war  natürlich  k-ine  Rede. 

Am  3.  August  schickte  der  Qroßherzog    an   seine    Regierung    folgende 
Urkunde: 

, Unserer  Regierung  wird  auf  iliren  Bericht  vom  30.  v.  Mts.  wegen 
Anstellung  eines  Landrabbiners  hierdurch  eröffnet,  daß  an  Stelle  des 
abgehenden  Landrabbiners  Dr.  Adler  der  in  Vorschlag  gebrachte 
Samson  Raphael  Hirsch  aus  Hamburg  zu  diesem  Posten  zu  berufen 
sein  wird.  Die  Regierung  hat  deshalb  das  Erforderliche  zu  besorgen 
und  zu  verfügen. 

Auf  dem  Schlosse  zu  Oldenburg,  den  3.  August  1830. 

August. 
Die    Vereidigung    des  neuangestellten  Landrabbiners  fand  am  21.  Sep- 
tember vormittags  11  Uhr  statt.    Das  Gehalt  betrug  500  Thaler  und  100  Thaler 
Wohnungszuschuß. 

Ueber  Hirsch's  Wirksamkeit  in  Oldenburg  ist   an   anderer  Stelle  dieser 
Festschrift  berichtet. 


Der  Parallelismus  der  Satzglieder. 

Aus  einem  Briefe  S.  R.  Hirsch's  an  Moses  Mendelsohn  in  Hamburg.*) 

Oldenburg,  den  22.  Jun_v  1836. 

Mein  lieber  Onkel  1 

Ihr  ungezogener  Neffe  wagt  es,  sich  trotz  seiner  Ungezogenheit  be\ 
Ihnen  einzustellen,  um  —  sich  Prügel  zu  holen;  die  hat  er  den  Schein 
allerdings  zu  verdienen;  gleichwohl  nur  den  Schein.  Doch  will  er  sich 
lieber  die  Prügel  gefallen  lassen,  als  diesen  Brief  mit  Auseinandersetzungen 
ausfüllen,  wie  so  seine  Schuld  nur  Schein  sei.  Mit  lebhaftem  Dank  habe  ich 
lieber  Onkel.  Alles  gelesen,  was  Sie  mir  sowohl  in  Betreff  der  von  mir  er- 
schienenen Broschüre,  als  der  noch  vielleicht  zu  erscheinenden  Versuche 
m:tzu!eilen  so  gütig  waren.  Ersteres  weil  Sie  die  mich  ehrende  Ueber- 
zeugung aussprechen,  daß  mir  gegründeter  Tadel  lieber  sei,  als  alle  Lob- 
hudelev,  letzteres  weil  es  Ihre  Theilnahme  an  mein  Vorhaben;  und  Beides, 
weil  aus  allem  wie  Belehrung,  so  nicht  minder  die  Beweise  Ihrer  geneigten 
Freundschaft  mir  geworden.  Aber  lieber  Onkel,  darf  ich  es  Ihnen  gestehen, 
daß  ich  Ihnen  auf  2  Minuten  —  denn  in  der  dritten  hatte  ich  es  schon  mit 
ihrer  Freundschaft  entschuldigt  und  miü'"  nbpbpi2  "DriN  ^  a'so  auf  2  Mi- 
nuten recht  herzlich  böse  war?  Um's  Himmels  Willen,  lieber  Onkel,  wie 
konnten  Se  solch  übertriebenes,  mit  Bewußtsein,  übertriebenes,  in 
jeder  Zeile  unwahres  Zeug  von  Lobhvmnen  auf  den  B.  U. **)  in  die  Nach- 
richten rücken I  Wären  Sie  mein,  nein  B.  U's  ä  gster  Feind,  so  hatten 
Sie  i:i  nicht  größere  Satvre  schreiben  können  1  Glauben  Sie,  lieber  Onkel, 
Uebertreibungen,  und  nun  gar  solche  Uebertreibungen,  und  nun  gar  Lobes- 
übertreibungen, und  nun  gar  in  einer  Sache,  die  keineswegs  nur  Freunde  hat, 
schaden  ungemein,  und  hindern  fast  alles  für  die  Zukunft. 

Uebertriebeuer  Tadel,  je  übertriebener  je  besser;  denn  dann  bricht  die 
Uebertreibung  den  Tadel  selbst.  Uebertriebenes  Lob  —  ist  ebenso  in  sich 
selbst  gebrochen  und  läßt  nur  gerechten  Tadel  über.  Das  wissen  Sie  zehn- 
mal besser,  als  ich  es  zu  sagen  vermöchte  und  nicht  deshalb  komme  ich  auf 
dies  längstvergangene  zurück,  somlern  nur,  um  daran  für  die  Zukunft  die 
herzliche  Bitte  zu  knüpfen,  wenn  ich  je  wieder  mich  in  Dr.  Faust's  Zauber- 
schwärze ans  Publikum  wagen  sollte,  Ihre  Liebe  zu  mir  aus  Liebe  zu  mir 
vor  derley  Uebertreibung  zu  schützen.    - 

Ebenso  entschuldigen  Sie  mich  gewiß  gerne,  wenn  ich  von  Ihrem 
gütigen  Anerbieten,  die  etwa  noch  zu  erscheinenden  Versuche  mit  einer 
poetischen  Zugabe  zu  zieren,  für  diesesmal  niclit  Gebrauch  machen  kann? 
Meine  Versuche  sind  so  plan  nnd  mild  und  ruhig  prosaisch  wie  es  dem 
ernsten  Gegenstand  derselben  —  Pflichten  —  nur  ziemt,  daß  eine  poetische  Zu- 
gabe Manchem  vielleicht  nur  zeigen  würde,  was  sie  seiner  Ansich  nacii  --ein 
sollten  und  nun  einmal  nicht  sind.  Zudem  haben  mir  nie  solche  poetische 
Kunststücke  von  Freunden  des  Verfassers  zugesagt,  sie  kommen  mir 
immer  vor,  wie  Guckkastenmann  mit  seinem:  ,H'er  werden  Sie  sehen, 
meine  Herren"  und  das  -  'j  np  üb  ■  "IV  'O  ~  ^^^  i^  bei  uns  kein  Ende 
genommen  und  so  vor  allen  das:    Mop^;  ny,    als    ob   mit   jeder  Schrift  ein 


■■I  .Mdscs  M(>ii(lcl.-i(iliii,  ein  Sohn  vim  nir.scli,-.  (ii'ol.'ivMtiT.s,  Menaeliciii  Mciiill 
l'rankfiirtor  war  ein  vielseititrer  Scliriftstcllci-  uiul  helirili^cher  Oicliter.  er  iilier- 
.setztc  in  si'iner  ,Tuf<enil  ('.impes  Kntdrckiiiifr  ,\iniTik.%^  ins  lleliräischc  iiml  vcr- 
falitc  die  Werke   r—r;   [EVK'  niirl    bzr   •:t 

'**)  Hen   l'siel,  unter  diesem  N'aiiieii  er.soliienrii  di"  ,,NeuMZeliu   üriefe". 


neues  Licht  aufgehen  müßte  und  die  Welt  zuvor  in  Nacht  begraben  gewesen 
sein  mußte.  In  Ihrer  poetischen  Begeisterung  könnten  Sie  mich  auch  mit 
meinem  Namensvetter  zusammenstellen  —  und  ich  armer  Simson  habe  nur 
gerade  soviel  Kraft,  um  mit  meinem  eigenen  Eselskinnbacken  höchstens  mir 
selbst  einen  Streich  zu  geben.  Von  dem,  der  einen  Löwen  bändigt,  von  dem 
der  ein  ganzes  Tlior  mit  eigener  Kraft  aus  den  Angeln  hebt,  von  dem  der  einen 
Götzentempel  zusammen  stürz',  von  dem,  der  (das)  muthwiliig  genug  sein 
Licht  an  listige  Fuchsschvveife  bände,  nicht  einmal  von  dem,  der  so  geschickt 
in  Räthseln  zu  sprechen  ventiag  —  findet  sich  in  meinen  Versuchen  keine 
Spur;  wenn  gleich  noch  mancher  Löwe  seines  Bändigers,  manch  falsch 
stehendes  Thor  seines  Versezers,  mancher  Qötzentempel  noch  seines  Zer- 
störers harret,  ich  bin  plan  und  mild  und  ruhig  —  keine  Spur  vom  B,  U. 
im  armen  lockenberaubten  Kalkmühltretenden  prosaischen  Simson  der 
Versuche. 


Leber  meine  Art -]'':n-Stellen  aufzufassen?  Sie  haben  wahrlich  Recht, 
daß  ich  dort  keine  U.'bersetzung  zur  Exegese  geben  wollte  und  konnte,  und 
wo  man,  wie  in  Briefen,  nicht  noch  eine  Erklärung  der  Lebersetzung  bei- 
fügen kann,  da  muß  man  ein  ^'Örtchen  oft  in  die  Lebersetzung  mit  zur 
Erklärung  aufnehmen,  das  eigentlich  aU  tin''^  unter  die  Uebersetzung  gehörte. 
Verzeihen  Sie  mir  gleichwohl  einige  antikritische  Bemerkungen  zu  Ihren 
kritischen.  Der  göttliche  Parallelismus  I  Befürchtete  ich  nicht  eine  zweiie 
noch  stärkere  Erschütterung,  so  würde  ich  nicht  anstehen  zu  sagen,  daß  ich 
an  dessen  Qjttlichkeit,  wie  Sie  ihn  vergöttern,  nicht  glaube.  Wohl  giebt  es 
Fälle,  wo  der  zweite  Satztheil  dem  ersten  ähnelt,  aber  in  den  meisten 
Fällen,  vielleicht  in  den  allermeisten  wird  der  zweite  Theil  eine  besondere 
Seite  des  ersten  Gedankens  noch  tiefer  in  das  Gemüth  des  Hörenden  prägen, 
gewöhnlicher  noch  eine  Seite  hervorheben  sollen.    Lnd  so  ist's  in  der  Regel 


Moses  Mendelson. 

immer  Gedankenforlschritt,  selbst  wo  im  Affekt  nur  dieselben  Worte 
wiederholt  scheinen,  ist  dies  nicht  müßig,  selbst  in  Ihren  Beispielen,  -jnv 
'"J1  C^CV  spricht  zuerst  den  Gedanken,  den  erhebenden  aus,  daß  über- 
haupt noch  Völker  außer  Israel  einst  Gott  hjldigen  werden  und  erhebt  dann 
diesen  Gedanken  zu  dem  erhabensten,  daß  zu  diesem  Ziele  alle  Völker 
einst  gelangen.  Ebenso  .  .  .  'i21  rmr;  INI^:.  ruft  erst  in  der  Seele  das 
Bild  von  Strömen  in  Bewegung  hervor  und  fügt  dann  das  vollendete  Bild 
des  Laut  Werdens  dieser  gährenden  Masse  hinzu  So  ist  es  überall 
Gedanken  f  0  r  ts  c  h  ri  1 1,  nicht  Wiederkauen  des  schon  Gesagten,  was  gar 
nicht  der  Natur  unseres  Gedanken-  und  Gefühlvermögens  gemäß  ist.  Nie 
wendet  sich  unsere  Seele  dem  schon  gedachten  und  gesagten  wieder  zu,  es 
sei  denn,  es  tiefer  zu  prägen,  zu  vervollständigen,  entweder  an  innerer  Kraft 
oder  Begriifsumfang  -  und  wäre  es  auch  nur  den  Gedanken  nochmals  fest- 
zui  alten  ehe  zu  neuen  geschritten  wird  und  um  ihn  ganz  durchzudenken  — 
aber  selbst  Rarallelismen  zugegeben  sehe  ich  in  meinen  Verstößen  keine 
Sünden  gegen  ihn.  Stehet  da  nicht  c"'bN  "i^^  und  ]'j;i  -ti^^  parallel?  -  -in^n 
^bn''  Y^T  scheint  mir  gerade  deshalb  umgekehrt  das  Wiederaufhiühen  aus 
Welken  bezeichnen  zu  müssen,  weil  dies  gerade  "im  vorhergehendem  picc 
ebenso  ausgesprochen  worden.  n^r,i  i^iirD  -\p2J  Y'^  ro^  -  onmT  und  darauf 
auch  das  ganze  Kap.  hinai-beitet.  —  v'jic  und  ^}j'\]  ist  gerade  parallel,  denn 
ich  beziehe  Beides  auf  Gott.  —  A'\ich  dünkt  C"^D  i:iN  ^~:  p  sind  hinreichend 
und  deutlich  in  Kap.  geschieden,  jedem  wird  etwas  Lige  es  ihm  angemessenes 
gesagt.  —  -p  warum  nicht  einfach  Ort  d.  h.  Stelle  wo  man  hingehört, 
~b-irm^  —  ]"n''^>'n^yi  ni:in{<n  sehen  Sie  V'^^i  und  \}'ii  daselbst.— 
^^ba  warum  nicht  wie  -|ij;n  'p'^r'-'  zumal  bei  r^^n.  das  ja  Vernichtung  be- 
deutet, die  letzte  flüchtigste  Spur  der  Vernichtung  ist  auch  wahrlich  ver- 
fliegender Rauch;  überhaupt  Auflösung  in  luftige  Theile.  —  13  DMyb  Ver- 
gleichen Sie  doch  T'i  bapTr  ^b  r:^;  -  }b  \-|jy:.  bcv  mich  dünkt  dessen 
Qrundbedeu:ung  ist  Mühe,  sich  abmühen,  daraus  ging  erst  die  Bedeutung 
über  auf  ein  Streben,  sich  die  Welt  ohne  Gott  zu  erbauen  =  Sünde  usw 
Ich  schwöre  gar  nicht  darauf,  daß  meine  Erklärung  die  richtige  se,  vielleicht 
haben  hie  Recht,  ;ch  meine  nur  daß  es  noch  so  positiv  nicht  sei,  daß  ich 
unrecht  habe.  Alle  Ihre  und  andrer  Freunde  Bemerkungen  und  Ratschläge 
in  Betreif  meiner  Versuche  habe  ich  mit  innigem  Dank  angenommen,  er- 
wogen, geprüft  und  mir  zu  Nutzen  gemacht,  und  wenn  nunmehr,  wie  sehr 
wahrscheinlich,  sie  dem  Druck   übergeben  werden  sollten,    s(j    darf    ich    mir 


wenigstens  nicht  vorwerfen,  leichtsinnig  darin  verfahren  zu  sein.  Gebe  der 
Himmel  Segen  dem,  was  dem  \\  ahren  und  Guten  zum  Segen  gereichen 
vermag,  und  mögen  wie  Spreu  die  Winde  verwehen,  was  Irrthum  und 
Schwäche  geboren.  Und  gebe  uns  der  Himmel  bald  Männer,  die  mit  hellerem 
Geiste,  mit  kräftigerem  Wort,  mit  größerem  Kenntnißscbatz  Israels  Lehre 
erleuchtend  lehren  —  daß  arme  lehrbedürftige  Jünger  wie  ich  nur  zu  lernen 
brauchen,  nicht  zu  lehren,  zu  trinken,  nicht  zu  tränken  aus  dem  Born  unseres 
Heiles  —  wahrlich  in  diesem  Gebete  sollten  wir  uns  alle  demüthig,  in- 
brünstig einen.    Ich  sage  mein  ernstestes  Amen  darauf. 

Leben  Sie  wohl,  lieber  Onkel,  Gott  erhalte  Sie  mit  den  1.  Ihrigen,  so 
wohl  als  es  vom  Herzen  wünscht 


Ihr  Freund  und  Neffe 


S  amson. 


Sei  stark  und  fest. 

Aus  einem  Briefe  S.  R.  Hirsch's  an  Simon  Mai  in  Hamburg. 

Oldenburg,  d.  15.  Dez.  1839. 
Mein  lieber  Simon! 


Wann  aber,  mein  Lieber,  werde  ich  nicht  nur  Dir,  und  Du  nicht  nur 
mir,  wir  Einzelne  nicht  nur  Einzelnen,  wann  werden  wir  Alle  einmal  uns 
Allen  zu  einem  Glücke  Glück  wünschen  können,  das  jener  großen  heiligen 
Sache  gekommen  wäre,  für  die  unser  aller  Herzen  schlagen?  „Unser  Aller 
Herzen  schlagen?-  Sagt  ich  so?  Das  wäre  ja  aber  schon  ein  solches  Glück, 
zu  dem  wir  uns  dann  nur  Glück  zu  wünschen  hätten,  ja  eben  das  scheint  mir 
das  erste  und  einzigste  Glück  zu  seyn,  das  wir  uns  wünschen  müssen,  um 
uns  dann  zu  ihm  zu  beglückwünschen.  Bis  dahin  aber  ist  es  gewiß  schon 
ein  Glück,  daß  es,  wenn  auch  nur  Einzelne,  einzelne  Gemüther  doch  ziert,  die 
so  fühlen,  wie  ii.ein  Simon,  und  die  über  das  Streben  der  Einzelbeglückung 
nicht  das  Herz  dem  Gesammtgefühle  schließen,  und  di;  gerne  ihr  anscheinend, 
altersmüdes  Volk  an  die  junge  Brust  drücken  möchten.  —  Der  Schmerz,  den 
Du  fühlst  und  Deine  wenigen  Gesinnungsgenossen  fühlen,  ist  das  Heerolds- 
dunkel  vor  dem  tagenden  Morgen,  ist  der  Schwalbenfittigschlag  vor  dem 
knospenden  Lenz,  Dein  eigener  Schmerz,  mein  Simon,  ist  sein  eigener  Balsam. 
Daß  nach  dreitausend  Jahren,  nach  dreitausend  solchen  Jahren,  noch  eine 
Jünglingsbrust  mit  Schmerz  sich  bey  dem  Gedanken  füllt,  das  Judenthum 
könnte  schwinden,  das  selber  bürgt  für  !-eine  Ewigkeit,  biiigt  für  seinen  ewigen 
Jugendgeist,  der  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  über  Israels  Zerstreute  schwebt, 
und  dem  es  noch  nie  ganz  an  Trägern  gefehlt  und  der  sich  stets  neue  weckt 
—  und  wecken  wird,  trotz  seires  Verkannlseyens  in  der  Gegenwart.  Wahrlich, 
und  sähe  es  noch  hundertfältig  trüber  aus  in  der  Gegenwart,  als  es  wirklich 
ist,  dessen  Brust  sieht  keine  Nacht  und  füllte  sich  mit  Hoffnungsreichem 
Morgenroth,  der  einginge  in  dieses  Judentum  und  sähe,  wie  dort,  nach 
schon  fast  ,V/j  tausendjährigem  Triebe,  noch  so  unendliche  Fülle  von  noch 
nicht,  noch  kaum  aufgekeimten  Geistessaaten  berge,  die  alle  noch  erst  des 
Lebens  warten,  warten  auf  einen  Frühlingsmorgen,  um  zu  keimen  und  zu 
knospen,  und  zu  blühen  und  Früchte  zu  tragen  wie  noch  sonst  nie.  Auf  diesen 
Geist  blicke  hin,  mein  Simon,  und  Du  wirst  keine  Sorge  kennen  um  Israels 
Zukunft. 

Wohl  ist  es  trübe  in  unseren  Kreisen,  und  euch,  die  Ihr,  nicht  nur  wie 
wir,  die  Opfer  zu  lehren  habt,  sondern  zu  bringen,  und  selber  Opferthier  und 
Priester  zugleich  zu  seyn,  und,  wenn  gleich  reiches  Aequivalent  in  eurem 
Innern  Bewußtseyn  tragt,  doch  auch  in  demselben  Außenleben,  wo  die  Opfer 
gebracht  werden,  mindestens  auch  einen  Nachhall  von  diesem  im  Innern 
lebenden  Aequivalent  suchet  —  und  nicht  findet,  ihr  sehet  euch  um  nach  den 
Genossen  eueres  Opferlebens  —  und  findet  deren  so  wenige,  ihr  suchet  dessen 
Ausdruck  im  Tempelwort  —  und  findet  es  nicl:t  würdig  -  wer  dürfte  eurer 
Klage  zürnen!  Und  doch,  nicht  auf  dem  Judenthum  lastet  die  Klage,  sondern 
auf  den  Juden,  die  einerseits  die  Weihe  des  Lebenpriesterlebens  in  ihrer 
Schwachheit  abgeworfen,  die  anderseits  —  schlafen!  Denn  was  soll  das  Juden- 
thum seinen  schwachen  Söhnen  gegenüber?  Es  kann  nur  auf  stärkere  Enkel 
warten.  Sind  seine  Anforderungen  göttlich  sanktioniert  —  welche  Hand  dürfte 
sie  und  könnte  sie  modificieren,  sind  sie  es  nicht,  so  bedürfen  sie  ja  dessen 
nicht  und  verdienten  das  Wort  nicht.  Und  was  bliebe  über  vom  Judentume, 
wenn  Du  es  für  diese  appretiren  wolltest? 

Aber  unser  Gottesdienst,  unser  Gottesdienst  -  ja  wohl,  mein  Theuerer, 
sind  hier  Deine  Klagen  gerecht,  und  ach,  um  so  gerechter,  da  eine  Abhilfe 
so  leicht  so  gar  leicht  wäre.  Aber  wiederum  —  so  scheint  es  mir  w  enigstens 
von  jeher  und  auch  jetzt  noch  —  nicht,  durchaus  nicht  um  jener  Schwachen 
willen,  denn  mir  dünkt,  nicht  einer  dieser  Schwachen  würde  auch  nur  um 
einen  Fiberwerth  mehr  Jude  seyn,  wenn  unser  Gottesdienst  würdiger  gehalten 
würde.  Wenn  Du  Dir  einmal  die  Lebensgefährtin  bräutlich  zugesellen  wirst 
und  Dir  dann  die  Braut  nur  in  Galla  lieb,  aber  in  Negligee  und  im  Staube  der 
Häuslichkeit  nicht  hold  und  theuer  erschiene,  wenn  Deine  Liebe  von  dem 
Stoff  ihres  Kleides  bedingt  wäre  —  dann  wehe  um  die  Geiingfügigkeit  Deiner 
Liebe.  Aber  wer  schon  sonst  seine  Braut  liebt,  wird  ihr  auch  schönen  Schmuck 
wünschen,  und  je  mehr  er  sie  liebt,  desto  schöneren,  und  nicht  um  seinet-, 
sondern  um  ihretwillen  ganz  allein.    Und  so  auch  hier,  mein  Lieber,    wer  das 


18    - 


Judenthum  nicht  auch  in  staubigem  Gewände  liebet,  wirds  auch  im  Zierkleide 
nicht  litben.  Nicht  daher  um  seiner  Schwachen  willen,  sondern  um  Euch 
Starken  willen,  die  ihr  es  liebt,  oder  vitlmehr,  und  so  meine  ich  es  eigentlich, 
»eder  um  der  einen,  noch  der  andern  willen,  um  keiner  willen,  sondern  um 
des  Judtnthums  selbst  willen,  sollte  jeder,  der  es  liebt,  jederzeit  wünschen, 
dati  Alles  in  ihm,  also  auch  der  Gottesdienst,  so  würdig  als  möglich  sey, 
und  nicht  nur  wünschen,  sondern  nach  Kräften  in  seinem  kleinen  oder  größeren 
Kreise  beitragen,  daß  es  werde.  Und  gerade  auf  diesem  Gebiete  des  Gottes- 
dienstes ist  es  eine  gar  nicht  schwere  Aufgabe,  bey  nur  einigermaßen  richtigem 
Takt  und  selbst  mit  den  geringsten  Hülfsmitteln  mehr  Leben  und  Würde  zu 
schaffen.  Ich  weiß  dies  ;us  eigener  Erfahrung,  der  ich  hier  seit  mehreren 
Monaten,  selbst  mit  dem  Minimum  von  Mitteln,  die  hier  zu  Gebote  stehen, 
den  Versuch  gemacht. 

Aber  wir  kranken  an  Einem,  und  das  ist  nicht,  die  Schwäche  des 
Schwachen,  die  hat  das  Judenthum  bereits  in  früheren  Perioden  überwunden, 
sondern  das  ist  die  strafwürdige,  feige,  gleichgültige  Schlafsucht  der  Andern. 
Was  wollen  wir  von  Männern  erwarten,  die  sichs  von  einem  Rabbiner,  sage 
von  einem  Rabbiner,  ins  Gesicht  drucken  lassen,  der  ganze  Talmud  sei 
Spitzbüberei  und  Unsittlichkeit  —  ohne  auch  nur  eine  Miene,  eine  Miene  von 
einer  Miene  zu  verziehen.  Sie  schlafen  —  und  Du  verlangst  Wirksamkeit 
von  ihnen.  Warte  bis  sie  wach  sind.  Bis  dahin  muß  jeder  nur  in  seinem 
Kreise  und  mit  seiner  Kraft  gerüstet  stehn  und  darf  nicht  auf  Genossen  warten. 
Ach,  Du  klagst  über  euer  Alleinstehen  im  Leben.  Siehe  mich,  der  ich  noch 
isolierter,  der  ich  im  ganz  buchstäblichsten  Sinne  allein  stehe  im  Worte. 
Aber  darum  sey  doch  heiter  und  umsichtig.  Jeder  stehe  auf  sener  Stelle, 
wohin  ihn  Gott  gestellt,  und  thue  da,  mit  Postentreue,  was  er  vermag,  seine 
Genossen  seyen  viel  oder  wenig.  Das  Eigentliche  wird  doch  nicht  von 
Menscherhand  geschehen,  sondern  von  Gott,  der  die  Sonne  aufgehen  lassen 
wird,  früher,  später,  der  wir  mit  taggewordenen  Herzen  und  mit  wachge- 
wordenen Augen,  selbst  in  Mond-  und  Sternen-Ieerer  Nacht  rüstig  und  he  ter 
entgegengeharrt  und  harren.    '«nüIC  JlDi  nr'i'r- 

So  denke  ich.  Lieber,  im  allgemeinen  über  die  von  Dir  in  Deinem 
jüngsten  lieben  Briefe  angeregten  Gegenstände.  Ich  wollte  auch  noch  auf 
das  Einzelne  eingehen,  muß  aber  noch  mit  andern  guten  Freunden  plaudern 
(über  o'<i-"£;br:ib:  bemerke  ich  nur  roch  in  Parenthese.  Sind  [)eine  Freunde 
nicht  ciT'i';  wie  Du  sagst,  und  auch  nach  dem  ganzen  Wurf  der  Zeiten  '73 
n33B'D  cyn.  r.un  so  berührt  sie  ja  das  Gebet  nicht.) 

Adieu,  mein  lieber  Simon,  ich  k  isse  Dich    mit   Freundeskuß,  Gott  sey 

in  Dir  und  mit  Dir  auf  allen  Deinen  Wegen  und  halte  Dich   heiter   und   stark 

und  gesegnet 

Adieu,  Erfreue  recht  oft.         Deinen 

Sams  o  r. 


Sc 


^onnefi 

an  Sainson  Raphacl  Hirsdi   ~  ^;7. 
Als  mir  in  Xiciitigkrit  cntgci^cntrut 
Was  einst  Idol  gewesen  meinem  Streben 
Dein  Vi'crt:  „des  Wissens  Blüte  sei  das  Leben  .  .  ." 
Bewies  aliein  sid:  da  als  Weisheitssaut. 

Wie  midi,  weiist  Du  Dein  ganzes   Volk  zur  Tat, 
An  Deinem  Geist  wird  es  sidi  neu  erheben; 
Für  Inda  kann's  nur  eine  Losung  geben: 
Die  Jhora  hodi  —  sie  leuchte  unsrem  Pfad ! 

Xoih  sind  sie  Deinem  edlen  Sinnen  fern 
Und  jagen  nur  nadi   Tand,  die  grojien  Seharen, 
[)odi  Idi  vertrau',  wie  Du,  auf  Ihren  Kern. 
Der  Weg,  den  Idi  gegangen,  bringt  audi  sie 
Zuri'hk  zur  Lehre,  der  allcw'gen  wahren    - 
Und  dann  trägt  Urudit  und  Segen  Dein  Genie. 

U.  Bollug. 

Samson  Raphael  Hirsch 
als  Oberlandesrabbiner  von  Mähren. 

Von  Rabbiner  Dr.  David  FeuctitwanR  in  Wien. 

Am  sechsten  Juni  des  Jahres  1842  starb  der  hochherühnite 
Landesrabbiner  von  Mahren  und  Oberrabbiner  in  Nikolsbur«^ 
Rabbi  Nachum  Trebitseh,  der  Verfasser  des  u^-«:'-^-  □■':'t'  in  Prag 
auf  der  Reise  nach  Karlsbad.  Er  war  kaum  sechzig  Jalire  alt 
geworden.  Der  vielumworbene  Rabbinatsitz,  dessen  üeschichte 
bis    in    das    dreizehnte    Jahrhundert    zuriickreicht   und    der   durch 


Namen  geziert  ist,  die  den  Ruhm  der  Träger  v\eit  hinaus  in 
alle  Kreise  der  jüdischen  Welt  künden,  blieb  durch  fünf  Jahre 
verwaist.  Es  war  eine  Zeit  der  Umwälzungen  und  der  Krisen. 
Das  „große  Jahr"  bereitete  sich  \or.  Auch  innerhalb  der 
Ohettomauern,  der  friedlichen  Judengemeinden  Mährens,  regte  es 
sich.  Mancher  grelle  Lichtstrahl  fiel  in  das  romantische  Halb- 
dunkel der  guten,  alten  Judenhäuser.  In  der  Residenzstadt  des 
österreichischen  Kaiserstaates  war  die  alte  Ueberlieferung  durch 
Mannheimers  zwar  gemäßigteres,  aber  immerhin  zerstörendes 
Reformwerk  längst  durchbrochen,  ohne  daß  ernster  Wider- 
spruch sich  erhoben  hätte.  „Aufgeklärte  Absoliitisten"  wenn 
man  so  sagen  darf,  gab  es  schon  dazumal  in  Wien  nicht.  Die 
Konservativen  waren  von  den  Neologen  durch  eine  so  tiefe 
Kluft  geschieden,  daß  sich  die  einen  um  die  anderen  nicht 
kümmerten.  Zwei  Welten  ohne  verbindenden  Gedanken.  Mo- 
derngebildete und  dennoch  Traditionstreue  gab  es  so  gut  wie 
gar  nicht.  Der  Anschluß  der  alten  Ghettozeit  an  die  damalige 
Moderne  durch  versöhnende  und  ausgleichende,  gründliche  Er- 
ziehung;: war  in  ganz  Oesterreich  versäumt  und  verträumt  wor- 
den. Und  ist  es  bis  heute  geblieben.  In  dieser  kritischen  Zeit 
war  der  Name  Samson  Raphael  Hirsch's  bereits  wohlbekannt 
und  auch  bis  zu  den  Führern  der  Gemeinde  Nikolsburg  ge- 
drungen. Sein  „Choreb"  hatte  ihn  nächst  den  „Neunzehn 
Briefen'"  berühmt  gemacht  und  als  den  Sendboten  einer  neuen 
Aera  für  Israel  ahnen  lassen.  Mähren  (und  Schlesien),  seit  un- 
denklichen Zeiten  eine  Heimstätte  großer  und  vom  Ruhme 
großer  Taimudisten  und  Rabbiner  umstrahlter  Judengemeinden, 
sehnte  sich  scheinbar  nach  einem  modernen,  aber  streng- 
gläubigen geistlichen  Führer,  der  die  unveräußerlichen  Güter 
ältester  Tradition  mit  den  Werten  der  deutschen  Kultur  zu  ver- 
einigen   verstände. 

Die  Wahl  konnte  damals  geradezu  auf  keinen  anderen  fallen, 
denn  als  auf  Hirsch.  —  Die  höchsten  Erwartungen  knüpften 
sieh  an  seinen  Amtsantritt.  Die  Tagesblätter  begrüßten  die 
Wahl  als  die  glücklichste.  ,,Wir  werden  ihn  mit  offenen  Ar- 
men empfangen  („Orient"  vom  30.  Dezember  1846).  Noch  nie 
ward  ein  Rabbiner  mit  so  freudiger  Hoffnung  erwartet."  ,,Der 
rechte  Mann  ist  erkoren"  sagt  ein  anderes  Blatt;  liberzeugt 
von  seiner  imgeheuchelten  Frr)mmigkeit  wolk'ri  wir  ihn  g:.Tne 
als  Oberhaupt  anerkennen.  Das  ganze  Land  sieht  ihm  mit  Liebe 
entgegen."  Aus  Ostfriesland,  aus  Emden,  seinem  bisherigen 
Wnkimgskreise,  kamen  herzbewegende  Klagen  über  sein  Schei- 
den aus  dem  Kreise,  der  ihn  unendlich  verehrte.  In  Poesie  und 
1-rosa  wurde  der  achtunddreißigjährige  Rabbi  veriierrlieht.  .\iti 
Sabbat,  dem  29.  Jjjar  5()()7  (15.  Mai  1847)  hielt  Hirsch  seine 
Abschiedsrede  in  Emden  „Morgen  ist  Neumond;  morgen  ist 
hier  mein  Platz  leer."  I^rediger  und  Hörer  waren  tief  gerührt 
und    bewegt.    — 

„tin  hräiitlich  festlich  geschmückter  Tag  war  der  23.  Juni  1SI7  für 
die  lsr;ieliti^che  (ieiiieintle  Nikolsburg",  erzählt  der  von  dem  Vorstands- 
mitglied Hermann  Bing  verfaßte  timpfangsgruß,  „an  welchem  ihr  Religions- 
Oberh.aipt  Sr,  Lhrwürden  Herr  Samson  Raphael  Hirsch  als  ObcrL.indes- 
Rabbiner  von  Mähren  und  Schlesien  seinen  feierlichen  Einzug  in  Nikols- 
burg hielt."  Schon  einige  Tage  früher  waren  zwei  Vorsteher,  Herr 
Hirsch  K  o  I  i  s  c  h  (der  Begründer  des  ersten  österreichischen  Israe- 
litischen Jauhslummen-Instituts  in  Nikolsburg)  und  Herr  Josef  Franke 
mit  dem  Rabbinatssubstituten  Herrn  Hirsch  Teltscher  dem  L.an- 
dcirabbiner  bis  Prag  entgegengeeilt.  Am  22.  Juni  trat  dieser  mit  seiner 
Familie  die  Reise  in  das  Land  seines  hohen  Berufes  an.  ,,Auf  allen 
Stationen  waren  von  den  betreffenden  Israelitischen  Ciemeinden  die  Vor- 
steher sow  i)hl,  als  auch  die  Rabbiner  herbeigeeilt,  um  den  verehrten 
Ciast  feierlichst  zu  bewillkommen."  „.Wanehe  (iemeinden,  darunter  vor- 
züglich die  Prereuer  und  L  u  n  d  e  n  b  u  r  g  e  r  ,  machten  es  sich  ziu' 
angenthmeri  Pflicht,  durch  besondere  .Aufwartungen  ihre  Ehrenbezeugung 
an  den  lag  zu  legen."  In  Prereu  übernachtete  der  Landesrabbiner  mit 
seiner    Familie. 

Die  Israelitische  Jugend,  die  ledigen  und  verheirateten  Männer,  alle 
in  festlicher  Kleidung  und  brennende  Fackeln  in  den  Händen  tragend, 
machten  von  dem  StationspL'itze  bis  zu  dem  für  Se.  Ehrwürden  zui;i 
Nachtquartier  bestinuiiten  und  bereit  gehaltenen  Wohngcb.äude  zwei  inu 
posanle  Spaliere.  Durch  diese  fuhr  der  geehrte  (iast  in  einem  sehr 
eleganten  Wagen  in  Begleitung  des  Prereuer  (iemeindevorstandes,  des 
Lokal-Rabbiners  und  aller  anwesenden  fremden  Honoratioren  unter  dem 
lauten    Jubelgrulie:   irtt/^T  r\~''\^V  1  '"li'  "^ü  i;"3"1  iri'O  U'JHX  TT  ! 

Am  frühen  Morgen  des  23.  Juni  wurde  die  Reise  bis  Lundenhurg 
fortgesetzt  „allvvo  der  hohe  Angekommene  von  dem  Nikolshiuger  (ie- 
meindevorstande  (an  dessen  Spitze  der  hochverdiente  Herr  F  r  ,1  n  z  Ko- 
ri  tschon  er  stand,  der  eigentlich  auf  Hirsch  hingewiesen  und  seine 
Berufung  erwirkt  hatte),  den  Rabbinats-Aduiinistratoren  imd  mehreren 
(iemeindemitgliedern  ehrfurchtsvoll  empfangen  wurtle."  Der  Lunderdiurger 
R.ibbiner  Mühlrad  begrüßte  den  Angekommenen  mit  den  Worten: 
'^Ti  ii"~3  "l'^y  '"  lind  hielt  eine  kurze  Ansprache  an  ihn,  welche  \()n  Se. 
Ehrwürden  mit  dankerfülltem  Herzen  geist-  und  sinnreich  erwidert  wurde. 
Um  12  Uhr  .Mittags  langte  der  Landesrabbiner  mit  dem  großen  Fhreii- 
geleite  in  Nikolsburg  an."  Hier  harrten  alle  Mitglieder  der  (lenu'lnde, 
(iroli  und  Klein,  Jung  imd  Alt,  Männer  und  Frauen  in  festlichem 
Schmucke  des  Kommenden.  Die  erlesensten  ,, Familiensöhne"  mit  herr- 
lich geschmückten  Fahnen  flankierten  die  beiden  Seiten  der  ..(iroßeii 
(lasse"      bis    zum     Wohnhause    des     Landesrabbiners.      Unter    dem     juhel- 


_    1<; 


grulie:  "\v{T'b  incrri'i  p'Ti'iS'  C^P?^"  "1"^-  f"'!""  dieser  im  Rabbinatsornate 
in  seine  Wohnung.  Nach  einstündiger  Rast  wurde  in  der  „A  1 1  s  c  h  u  I" 
das  Abendgebet  verrichtet.  Diese  war  von  dem  jüdischen  akademischen 
.Maler  L.  S  o  ni  ni  e  r  aus  Wien  restauriert.  Begleitet  von  den  vornehm- 
sten .Witgliedern  der  Gemeinde,  imter  Fahnenflattcrn  und  .Vlusikklängeu, 
zog  der  Rabbiner  in  die  Svnagoge  ein.  .Am  .\bend  wurden  die  Straßen 
illimiiniert  und  Fackelzug  init  "Serenade  währten  bis  gegen  Mitternacht. 
Sabbat  am  2(i.  Jiuii  predigte  Hirsch  zum  erstenmale  (p^D*  i'ber  den 
Text:  ~''rt<  'l'"  r~'r  Alles  war  hingerissen  und  begeistert.  Die 
eigentliche  hochfeierliche  Installation  jedoch  fand  am  30.  Juni  statt. 
Die  ganze  judenstadt  war  festlich  geschmückt,  Straßen  und  Häuser 
herrlich  dekoriert.  Der  Tempel  besonders  prangte  in  Blumenp.'-acht. 
Die  jüdische  Schuljugend  hatte  von  der  Rabbinerwohnung  bis  zimi  Temr 
pel  '.-Xulstelhuig  geiiommen.  Als  Repräsentanten  der  Regierung  waren 
der  Kreiskomniissar  und  Kreissekretär  angekommen.  Gäste  aus  der 
Nähe  und  Ferne  waren"  eingetroffen.  Unter  einem  prachtvollen  Balda- 
chin, durch  eine  Doppelreihe  geschmückter  Fahnenträger  schritt  der  ehr- 
würdige Landesrabbiner  begleitet  von  den  Wahlrabbinern  und  Gemeinde- 
vorständen in  den  wahrhaft  herrlichen  Tempel,  woselbst  die  dichtge- 
drängte, festliche  .Menge  in  freudiger  Erregimg  harrte.  .M  a  n  n  h  e  i  m  e  r 
war  "  zur  Installationsrede  berufen  "  worden  ;  S  u  1  z  e  r  mit  seinem  Tem- 
pelchore    erschienen.     Die    Predigt    Mannheimers    knüpfte    an    den     Text; 

xr  "i^'N"  cr.^:-'  Ni'  lÄ'N  r.-y-  -j?  ^-n  tx'd  ^d'?  mni^r.  '^p^'^a  'n  npc 

""  □n':D''  Sie  war  von  tiefster  Wirkung.  Darauf  erfolgte  auf  dem  \  I  m  e- 
mor  — einem  herrlichen  Bauwerk,  das  damals  von  vier  prächtigen  Säulen 
umgeben  war  und  heute  nur  mehr  als  kümmerlicher,  stylwidriger  Rest 
sein  Dasein  fristet,  da  er  aus  der  natürlichen  Mitte  nach  vorwärts  ge- 
rückt wurde  -  durch  die  Regierungsbeamten  und  zwei  Wahlrabbiner 
die    Installation    luid    Beeidigung. 

Dann  hieU  Hirsch  die  Antrittsrede,  anknüpfend  an  den  Text:  'n  -p 
"iTNCn  C'Z'^  —  "'"'■;"  —  r)er  Eindruck  war,  wie  die  Chronik  meldet, 
ein  unbeschreiblicher.  Selbst  der  glänzende  Mannheimer  war  hin- 
gerissen und  übertroffen.  —  Nach  der  Predigt  wurde  das  I  n  s  t  a  1  1  a  - 
tionsdekret  durch  den  Kreiskominissär  überreicht.  Dann  trug  Sulzer 
noch  einige  Psalmen  vor  und  mit  der  Volks-Hymne  schloß  die  weihe- 
volle Feier.  Ein  festliches  I^iner  vereinte  Himderte  von  Gästen.  .Alle 
.Armen  der  Cjemeinde  erhielten  an  diesem  Tage  Fleisch  und  Brot  imd 
den    Bedarf  einer  Woche. 

Mai!  kann  sich  denken,  mit  welchen  großen  Hoffnunj^en 
im  Herzen  und  mit  welchen  Plänen  im  Geiste  Hirsch  den  Boden 
Mährens  und  die  geweihte  Stätte  der  Gemeinde  Nikolsburg  be- 
treten hatte.  Hier  war  ja  klassisch-jüdischer  Boden.  Hier  hatten 
seit  mehr  als  fünf  Jahrhunderten  Größen  Israels,  Leuchten  des 
Exils  als  Rabbiner  gewirkt,  Hunderte  von  Jüngern  um  sich  ge- 
scliart,  noch  leuchtete  die  Lichtspur  jener  Talmudgrößen,  wenn 
auch  ii;  geschwächtem  Glänze.  In  der  geweihten  Erde  des 
Nikolsburger  „Hauses  der  Ewigkeit"  ruhen  die  sterblichen 
Reste  eines  Obadjah  Eilenburg,  Petachjats  aus  Worms,  Menachem 
Mendl  Krochmal,  Mordechai  Benets.  Durch  diese  winkeligen 
Straßen  der  Judenstadt  schritt  einst  der  Fuß  Liwa  ben  Bezalcls, 
Da\id  Oppenheimers,  Samson  Wertheimers.  —  Sabbatai  Kohen 
hat  hier  Tage  verbracht  und  Samuel  Keidenower  Wociien. 
Moses  Isserles  stattete  hier  Besuche  ab;  Rabbi  Schmuel  Schmclke 
Horwitz  hat  hier  die  berühmtesten  Schüler  des  „Baal-Schcm" 
und  des  Rabbi  Baer  Mizritsch  empfangen  und  mit  seiner  Weis- 
heit und  tiefen  Kenntnis  der  Kabbalah  Hunderte  nach  Nikols- 
burg  wallfahrender   Chassidim    begeistert. 

Welch'  eine  glänzende,  große  Vergangenheit.  —  Aber  auch 
die    Epigonen   waren   noch   immer  würdige   Nachfahren.    In   den 


bedeutenderen  Gemeinden  Mährens  saßen  damals,  als  Hirsch 
Oberlandesrabbiner  wurde,  treffliche  Gelehrte  der  alten  Schule, 
gewiegte  Talmudisten,  von  denen  manche  durch  die  schnei- 
dende Schärfe  ihres  Geistes  und  die  beißende  Lauge  ihres 
Witzes  berühmt  und  gefürchtet  waren,  viele  durch  souveräne 
Beherrschung  der  Talmud-  und  Midrasch-Literatur  berühmte 
Namen  hatten.  In  Nikolsburg  selbst  waren  zahlreiche  bekannte 
Gelehrte,  in  erster  Reihe  die  Rabbinatsassessoren  Rabbi  Samuel 
Zilz,  Hirsch  Teltscher,  Josef  Knöpfmacher  und  Moses  Lob  Kohn. 
Mit  der  ganzen  Macht  seijier  beherrschenden  l^ersönlich- 
keit  faßte  Hirsch  sein  Amt  als  Landesrabbiner  auf  und  griff 
mit  fester  Hand  in  die  von  strammer  (J)rdnung  und  Organisation 
weit  entfernten  Verhältnisse  der  JudL'ngemeinden  Mährens  ein. 
Er  wollte  Landesrabbiner  sein,  nicht  scheinen 
und  heißen.  Nicht  aus  Herrschergelüste  und  Sucht  nach 
Autorität,  sondern  lediglich  aus  heißer  Begeisterimg  für  das 
historische,  überlieferte  Judentum  und  dessen  heilige  Lehren. 
Er  fühlte  vorahnend  deutlich,  daß  unerschütterliche  Grundlagen 
gelegt,  feste,  dauernde,  treue  Stützen  gestellt  werden  mußten. 
Er  strebte  mit  heißem  Bemühen  ein  gemeinsames  Handeln  mit 
den  bedeutendsten  Rabbinern  des  Landes  an,  eine  Durchdringung 
des  ganzen,  öffentlichen  jüdischen  Lebens  mit  Thorageist  und 
Thoraleben.  Und  dies  im  ästhetischen  Gewände  moderner 
Bildung.  Organisation  war  sein  Streben.  Und  dafür  fand 
er  in  dem  Kreise  der  Mährisch-Schlesischen  Rabbiner  weder 
Verständnis  iloch  guten  Willen.  Zunächst  richtete  Hirsch  natür- 
lich sein  Augenmerk  auf  die  Stammgemeinde  Nikolsburg.  LJeber- 
all  wollte  er  eingreifen.  Mit  wenig  Erfolg.  Bis  zum  heutigen 
Tage  aber  erzählen  hochbetagte  Greise  von  seinem  edlen,  wahr- 
haft gottbegeisterten  Streben.  Unvergeßlich  zumal  sind  seine 
glänzenden  Predigten,  die  er  an  jedem  Sabbate  hielt;  ein  un- 
ermüdlicher Lehrer,  Erzieher  und  Ermahner.  Dr.  Armin 
Schnitzer,  der  Oberrabbiner  \ on  Komorn,  sagt  \on  diesen 
Kanzelreden,  die  von  den  Besuchern  der  12  Synagogen  der 
Gemeinde  stets  gehört  wurden  und  deren  er  manche  gehört 
hat:  „Wer  den  Mann  mit  seinem  durchgeistigten  Gesichte,  mit 
seinen  großen  flammenden  Augen  auf  der  Kanzel  sah,  wer  ihn 
hörte,  wie  sein  mächtiges  Wort  bald  dem  dröhnenden  Donner 
glich,  bala  wie  ein  wuchtiger  Hammer  der  Felsen  zerschmettert, 
bald  sanft  melodisch  schmelzend  klang,  wie  Harfenklang  aus 
Himmelssphären;  .  .  .  wer  da  sah,  wie  seine  Gestalt  stolz  sich 
hob,  wenn  er  von  der  Geschichte  Israels,  seinen  Propheten  und 
Cichtern,  Kämpfen  und  Siegen  sprach;  wie  sein  .Antlitz  sich 
verklärte  wenn  er  mit  gläubiger  Scheu  den  endlichen  Sieg  des 
Rechtes  unci  des  einen  reinen  Ciottesglaubens  auf  Erden  ver- 
kündete; der  mußte  sich  sagen:  Wahrlich  ein  Zauber  ruht  auf 
den  Lippen  dieses  Rednerfürsten;  der  mußte  anerkennen,  daß 
er  ein  Gottbegnadeter  sei  .  .  .  der  von  sich  sagen  konnte:  „Der 
Geist  Gottes  ruht  auf  mir,  weil  Gott  mich  weihte,  Heil  zu 
künden."  Bald  kamen  zahlreiche  Schüler  nach  Nikolsburg,  die 
zum  Teil  allerdings  dort  nicht  die  erwartete,  gewohnte  Lehr- 
methode fanden  und  vielleicht  enttäuscht  waren.  Gar  manche 
Jünger  aber  holten  aus  Hirsch's  Lehrhaus  die  Grundsteine  spä- 
teren großen  Wissens  und  die  Prinzipien  ihres  jüdischen  Lebens. 


Lichtstrahlen 
aus  Samson  Raphael  Hirschs  Schriften. 

(Aus  den  Psalmen.) 

I. 
Sehr  oft  üben  Spötter   noch    aus  Gewohnheit    oder   Feigheit   die  Vor- 
schriften des  Gesetzes,  machen  sich  aber  über  ihre  eigene  Lebensweise  lustig 
und  untergraben  mit  ihren  Reden  die  Achtung   des  Sittlichen  und  Heiligen  in 
der  fJrust  ihrer  Nebenmenschen. 

2. 
Im  Lebens\erkehr  auch  mit  theoretischen  Feinden  und  Verächtern 
der  sittlichen  (je-etzlichkeit  zusammenzukommen,  kann  kein  Mensch  ver- 
meiden und  der  pilichtgetreue  am  wenigsten.  Nur  in  der  Gesellschaft  lassen 
sich  die  Pflichten  der  Lebensauigabe  lösen.  Den  sozialen  Kreis  seiner 
Mitwelt  kann  keiner  sich  wählen.  Allein  über  seine  Mußestunden  kann  Jeder 
nach  frtier  Wahl  verfügen.  In  den  Mußestunden  gehört  jeder  sich  selber 
und  seinen  Gesinnungsgenossen  an. 

3. 
Gott  läßt  lange  die  Menschen  sich  in  Ausführung  ihrer  f^läne  und  in 
tirprobung  ihrer  von  ihnen  überschäizten  Einsichten  und  Kräfte  \  ersuchen. 
Seine  \\  eltordnung  ist  für  cen  endlichen  Sieg  des  Sittlichen  im  Menschen- 
kreise berechnet,  fir  kann  die  Menschen  gehen  lasen.  Die  letzte  Summe 
ihrer  Erfahrungen  bereitet  die  endlicle  Erkenntnis  vor,  daß  Unsittlichkeit  und 
Unrecht  nicht  der  Weg  zum  Qesamtheil  ist. 

4. 

Nicht  das  zitternde  Sichgebrochenfühlen  ist  die  Stimmung,  in  welcher 
der  Gottesdienst  unserer  Lebenswirksamkeit  gelöst  werden  soll,  gelöst 
werden  kann.  Nur  in  der  heiteren  Freudigkeit  blüht  der  ganze  Mensch  auf 
und  werden  alle  Kräfte  frei,  deren  der  Mensch  zur  Lösung  seiner  Aufgabe 
bedarf. 


5. 
Fortschritt   zum  Heil    gibt    es  für  alle,   für  Menschen    und  Völker  nur, 
wenn  sie  ihre  Zuversicht  allein  in  Gott    und    nicht    in  Bestrebungen    setzen, 
für  welche  sie  nicht    auf  Gottes  Billigung,    somit    nicht  auf  Gottes  Beistand 
rechnen  können. 

6. 
Wen  Gott  zu  einem  neuen  Tag  erwachen  läßt,  dem  sichert  Gott  damit 
seinen  Beistand,    zu    immer  noch  wiederzugewinnender  Lebens-Reinheit  und 
Lebensheiterkeit. 

7. 
Ohne  Erhebung  zu  Gott,  ohne  mit  unserem  ganzen  irdischen  Tun  und 
Lassen  die  Nähe  Gottes,  die  Erfüllung  seines  Willens,  die  Gewinnung  seines 
Wohlgefallens  und  seines  Beistandes  anzustreben,    ist  unser  ganzes  Tun  und 
Lassen  wertlos  und  alle  unsere  Hoffnung  eitel. 

8. 
Gott  hat  noch  immer    den   durch    besondere    Führung    und    Fürsorge 
gekennzeichnet,    der  sich    ihm    ganz    hingegeben,    An  dem  Lebensgang  und 
Geschick  eines  solchen  ist  es  immer  erkennbar  gewes-.n,    daß  die  gänzliche 
Hingebung  an  Gott  und  das  Vertrauen  auf  ihn  kein  leerer  Wahn  ist. 

9. 
Scheingrößen,  wie  stolz  und  herrlich    sie   sich  auch    darstellen  mögen, 
vor  Gottes  Augen  haben  sie  keinen  Bestand.    Mögen  Menschen   gelungenen 
Gewaltstreichen  zujubeln  und  sich  mit  ihnen  befreunden.  Gottes  Haß  ist  ihnen 
überall,  in  hohen  und  niederen  Schichten  gewiß. 

10. 
Betrug  ist  Gott  wie  Totschlag  verhaßt. 

11. 

Die  \  erachtung   der    sittlichen    Pilichien    ist    ebenso     Torheit  wie  die 
Verachtung  der  Wei-heit. 


20 


Mancher    in    der    Zukunft    bedeutende   Lehrer   in    Israel    hat  zu 
Hirsch's    Füßen    in    Nii<oisburg-  gesessen. 

Schon  das  erste  Rundschreiben,  das  Hirsch  in  der  Form 
eines  Hirtenbriefes  an  die  Rabbiner  der  Gemeinden  sandte,  er- 
regte deren  Unwillen.  Sie  konnten  gar  nicht  begreifen,  daß  der 
Landesrabbiner  Ratschläge  geben  könnte  oder  dürfte,  die  sich 
auf  die  rituellen  Institutionen,  Unterricht,  Gottesdienst,  Gemeinde- 
lebeii,  Krankenpflege,  Wohltätigkeit,  Armenwesen  bezogen.  Eine 
Synagogenordnung,  die  alles  bis  an  das  Kleinste  regein  sollte, 
wirkte  „wie  ein  Geßlerhut."  Die  Einrichtung  der  Trauungen  i  n 
der  Synagoge  und  nicht  auf  offener  Straße,  die  Trauungsreden, 
wurden  scharf  bekrittelt.  Völlig  unfaßber  erschien  es,  daß  ein 
Landesrabbiner  sich  gar  um  die  äußere  Erscheinung  der  Rabbiner 


Die  Altschul  in  Nicolsburg. 

bekümmerte.  „Blau-Tuch  ist  jetzt  modern"  meinte  Jer  sonst 
so  weltkluge,  diplomatische  Rabbi  Abraham  Placzek  in  Boskowitz, 
den  Hirsch  selbst  nach  seinem  Abgange  zum  Nachfolger  vor- 
schlug Und  wenn  der  Landesrabbiner  gar  am  Sabbat  im  Frack 
und  weißei  Binde  erschien,  dann  konnten  das  die  Herren  nicht 
verstehen,  zumal  sechzehn  Jahre  vorher  Rabbi  Mordechai  Benet 
in  langem  Seidenkaftan  und  hoher  Pelzmütze  durch  die  Gasse 
gewandelt  war,  wo  alles  dem  verehrten  Manne  scheu  .luswich. 
Wenn  im  Lehrhause  Psalmen  methodisch  übersetzt  und  erklärt 
wurden,  Lexikon  und  Konkordanz  als  Rüstzeug  benutzt  wurden, 
dann  seufzte  einer  der  Dajjanim :  „Vor  Zeiten  hat  man  Gemore 
gelernt    und    Thillim    gesagt,    jetzt   sagt    man    (iemore    und    lernt 


Thillmi.''  Solche  Worte  sind  typisch  und  so  unbedeutend  sie 
scheinen,  für  die  Schwierigkeit  von  Hirschs  Stellung  bezeichnend. 
Wie  unrichtig  Hirsch  beurteilt  wirde,  beweist  die  Erscheinung, 
daß  die  Alt-Talmudisten  in  ihm  einen  Reformator,  die  Neuerer 
vom  Schlage  Fasseis  einen  „finsteren  Orthodoxen"  erblickten. 
Sein  reines,  großes,  wahres  Streben  wurde  nicht  erkannt,  weil 
es  nicht  begriffen  wurde.  Trotzdem  aber  fand  der  rastlose  Mann 
Gelegenheit,  die  Großzügigkeit  seiner  jüdischen  Lebensauffassung 
und  die  Kraftentfaltung  seines  starken  Geistes  fühlen  zu  lassen. 
Die  politischen  Ereignisse  drängten  immer  deutlicher  mächtigen, 
folgenschweren  Begebenheiten  zu.  In  den  Grundtiefen  der 
Ghettomauern  bebte  es,  gleichwie  in  den  Gründen  der  beengen- 
den Stadtmauern.  Hirsch  ruhte  und  rastete  nicht,  die  Zeichen 
der  Zeit  erkennend,  die  Emanzipation  der  Juden  in 
Wort  und  Schrift  mit  flammender,  hinreißender,  gewal- 
tiger Rede  zu  fordern.  Sogar  an  die  „Christlichen  Brü- 
der'' richtete  er  liebevolle,  ernste,  von  tiefer  Gottesfurcht 
diktierte  Worte  der  Ermahnung  im  Interesse  seiner  Glau- 
bensbrüder. Sie  blieben  keineswegs  unbeachtet.  Sein 
Ausehen  war  doch  in  kurzer  Zeit  ein  großes  geworden. 
Die  Persönlichkeit  erzwang  Respekt  und  Ehrfurcht. 
Darüber  war  kein  Zweifel,  daß  hier  ein  harmonisch 
überemstimmendes  Denken  und  Handeln,  getragen  und 
geleitet  von  tiefster  altjüdischer  Religiosität,  sich  offen- 
barte. Die  Kunde  beginnender  Völkerverbrüderung  drang 
in  die  Judengasse.  Die  Februarrevolution  von  1848 
mit  ihieni  gewaltigen  Wogen  flutete  nach  Oesterreich 
hinein. 
,  Am.  20.  März  richtete  Hirsch  ,,Ein  Wort  zur  Zeit  an 

unsere  christlichen  Brüder  im  gemeinsamen  Vatcrlande" 
in  welchem  er  sagt:  ,,Es  tagt  an  Oesterreichs  Himmel, 
Schatten  himdertjähriger  Nacht  beginnen  zu  fliehen,  und 
ein  Tag  verkündendes  Morgenrot  zieht  herauf.  Eine  neue 
Zeit  ist  eingetreten.  —  Schon  haben  deutsche  Fürsten 
ihre  (ierechtigkeit  besiegelt,  indem  sie  gleiches  Recht 
auch  den  jüdischen  Kindern  ihres  Reiches  zugesprochen. 
Werden  Oesterreichs  edle  Söhne  die  letzten  sein  ?  .  .  . 
Und  wird  dieser  Bitte,  \on  Oesterreichs  edlen  Söhnen 
vor  des  edelsten  Fürsten  Thron  gebracht,  die  Erhörung 
fehlen?  O  nein,  nein!  Darimi  an  Euch  ihr  christlichen 
Brüder  im  gemeinsamen  Vaterlande,  an  Euch  richten 
Eure  jüdischen  Brüder  das  Wort!  Lasset  uns  nicht  allein 
hintreten  zum  Throne  des  gemeinsamen  Vaters;  mit  uns, 
f  ü  r  u  n  s  sprechet  das  Wort !  Zeiget,  d  a  ß  das  R  c  c  h  t 
in  Eurer  Brust  eine  Wahr  li  e  i  t  geworden,  zei- 
get daß  Ihr  die  Schmach  der  Jahrhunderte  til- 
gen wollt,  nicht  nur  die  Schmach,  die  1  h  r  g  e  - 
litten,  nein,  auch  die  Seh  mach  —  verzeihet  -  die 
Ihr  geübt!  —  — "  Am  14.  März  war  Kaiser  Ferdinand  ge- 
zwungen worden,  die  Konstitution  zu  verleihen,  Preßfreiheit  zu 
verkünden,  die  Volksrechte  zu  besiegeln.  Die  Freiheitsglocken 
klangen  durch  ganz  Europa.  Hirsch  stand  .in  der  Spitze  der 
die    Juden-Emanzipation   fordernden    Bewegung   in   Mähren. 

Es  ist  in  diesem  Jubeljahre  des  ehrw  ürdigen,  von  der  ganzen 


12. 

Gewil)  muß  der  Mensch  zur  Erkenntnis  des  Rechten  selbst  das  meiste 

tun.    Um  aus  dem  in  der  Thora  uns  geöffneten  Born  der  göttlichen  Wahrheit 

für  jeden  vorliegenden  Fall,    für   jeden    zu    tuenden    Schritt    das    flechte  zu 

schöpfen,  bedarf  es  des  Aufgebots  der  ganzen  eigenen  geistigen  Anstrengung. 

13. 

Israel  isf  der  Bote  der  Firlösung  an  die  Menschheit,  der  Verkünder  und 
der  geschichtliche  Beweis  zugleich,  dali  es  eine  Wiedurerhtbung  aus  aller 
Qesunkenheit,  eine  Erlösung  aus  allem  leiblichen,  geistigen,  sittlichen  und 
menschengesellschaftlichen  Uebel,  eine  Auferstehung  aus  aller  leiblichen  und 
sittlichen  Erstorbenheit  gebe,  und  daß  Qott  es  ist.  der  die  Bande  des  Todes 
und  der  Schuld  löst  una  mit  seinem  Weckruf  und  seiner  Allmachtsgnade 
in  jedem  Augenblick  bereit  ist,  ein  neues  Leben  und  eine  neue  Zukunft  zu 
gewähren.  \ 

14.  : 

Das  Sterben  eines  Menschen  ist  nur  eine  Folge  der  von  Qott  einmal 
gegebenen  Naturordnung,  offenbart  somit  zunächst  nur  diese  Naturor,  nung, 
deren  Macht  kein  Mensch  sich  enizieht.  Aber  das  Leben,  vor  allern  die 
Wiederbelebung,  die  Neuverjüngung  eines  bereits  verlorenen  Daseins,  sie  ist 
der  Qott  offenbarende  Fingerzeig,  sie  zeigt  Qott.  wie  Er  über  den  von  Ihm 
geordneten  Naturgewalten  steht  und  ewig  bereit  ist,  dem  Menschen  für  sein 
künftig  treues  Schaffen,  für  seinen  künftig  pflichttreuen  Gottesdienst  auf 
Erden  neue  Kraft  und  neues  Leben  zu  spenden. 

15. 

Dem  heidnischen  Gedanken  zeigt  sich  die  höchste  Gottesmacht  in  dem 
Darniederwerfen  der  höchsten  Menschenmacht  und  Größe,  in  der  zu  fürch- 
tenden, tötenden  Gewalt,  welcher  alles  Lebendige  erliegt.  Denn  seine 
Götter  sind  ia  eben  nichts  als  die  Gewalten  der  von  Gott  geordneten  Natur. 
Die  jüdische' Wahrheit  aber  spricht:  So  wahr  ich  lebe,  spricht  Gott,  ich  finde 


meinen  Willen  nicht  an  dem  Streben   des  Bösen,    sondern    an  der  Rückkehr 
des  Bösen  von  seinem  Wandel,  auf  daß  er  neues  Leben  gewinne. 

16. 

Was  von  dem  Menschen  im  Grabe  liegt,  zollt  nicht  mehr  den  Lebens- 
dienst, in  welchem  der  Mensch  auf  Erden  die  sittlich  freie  Qotteshuldigung 
nach  göttlichem  Willen  betätigen  soll.  Was  von  dem  Menschen  im  Grabe 
liegt,  folgt  eben  den  Einflüssen  der  Naturgewalten,  denen  er  verfallen  ist. 
Der  lebende  Mensch  hat  durch  die  siitlichfreie  Lösung  seiner  ihm  von  Gott 
angewiesenen  Lebensaufgabe  Gott  zu  huldigen.  Nicht  das  vorzeitige  Sterben, 
das  ausdauernde  Gott  huldigende  Leben  ist  sein  Wille. 

17. 
Qott  stellt  unser  sittliches  Wollen  und  unser  sinnliches  Begehren  durch 
Leiden  auf  die  Probe;    Versuchungen,    die   ja  selbst    nur    unsere  Läuterung, 
unsere  sittliche  Kraft  und  Standhaftigkeit   erliöhen,    somit  was  sie  an  äulieren 
Annehmlichkeiten  versagen,  reichlich  durch  inneren  Gewinnst  aufwiegen. 

18. 
Nicht  erst  an  jenem  großen  einstigen  Gerichtstag,  an  welchem  alles 
Böse  vor  dem  hervortretenden  göttlichen  LJnwillen  in  Vernichtung  sinkt  auch 
jetzt,  in  jeder  Zeit  läßt  Gott  den  schlechten,  pilichtvergessenden  Menschen 
seinen  Unwillen  lühlen.  Es  kommt  dem  Schlechten  jeden  Tag  fühlbar  zum 
Bewußtseir\  daß  Gott  ihm  zürnt,  daß  er  nicht  auf  dem  rechten  Weg  ist,  und 
wäre  es  auch  nur  durch  die  innere  Unruhe,  die  Stimme  des  Gewissens,  diese 
Gottesstimme  im  Menscheniunern,  die  ihn  quält. 

19. 
Bei  der  Verbreitung  oder  Nichtverbreitung  der  Gotteskenntnis  handelt 
es  sich  nicht  um  die  Qott  nach  Gebühr  zu  zollende  oder  zu  versagende 
Huldigung;  es  handelt  sich  vielmehr  um  das  gesamte  soziale  Wohl  und  Weh 
der  /rtenschen,  das  in  allererster  Linie  durch  den  lebendig  wirksamtn  Einfluß 
bedingt  ist,  den  der  Gottesgedanke  auf  die  Gesinnung  und  das  Verhalten  der 
Menschen  gegeneinander  übt. 


21 


Weit  ocprieseneii  und  geliebten  Kaisers  von  Oesteireich,  Franz 
Josef  1.,  in  dem  OO  Jahre  seit  seiner  Thronbesteigung  vollendet 
sein  werden,  von  hoher  Bedeutung  und  lebendigstem  Interesse, 
dieser  großen  Zeiten  zu  gedenken,  die  seinem  Regierungsantritt 
voi angingen  und  im  ersten  seiner  Regierungsjahre  ihre  Fort- 
sei/ung  fanden,  um  erst  im  Laufe  der  Jahre  die  reifen  Früchte 
zu    zeitigen. 

Lcr  erste,  große  weltgeschichtliche  Erfolg  der  Freiheitsbe- 
wctiung  war  die  Einberufung  des  ersten  konstitutionellen  Reichs- 
tage-   nacl.    Kremsier.     Am    22.    November    wurde    er    im    i'alais 


1S48  forderte  er  die  (iemeinden  auf,  Ruhe  und  Besonnenheit 
zu  bewahren,  treu  bei  der  väterlichen  Religion  und  ihren  Heilig- 
tümern auszuharren.  Kurz  vor  der  Abstimmung  über  Jen  ent- 
scheidenden §  16,  der  die  Emanzipation  der  Juden  verheißen 
sollte,  versammelte  er  im  Hause  des  gel.'hrten  und  reichen  Krem- 
sierer  Vorstehers  Raphael  Kohn  die  gewählten  Vertreter  der 
Provinzen  Oesterreichs,  um  über  die  Mittel  zu  beraten,  durch 
die  das  erwünschte,  heißersehnte  Ziel  erreicht  werden  könnte. 
Dem  Reichsrate  legte  er  eine  Denkschritt  vor,  die  jedem  Mit- 
gliede  übergeben  wurde  und  der  als  Motto  die  Worte  beilagen . 


Die  ,, Brück"  mit  ,, Neuschul"  in  Nicolsburg. 


des  Erzbischofs  Maximilian  Joseph  eröffnet.  Drei  Rabbiner 
waren  als  Abgeordnete  zugegen:  Isaak  Noa  Mannheimer,  Baer 
Meiseis  und  der  Oberlandesrabbiner  von  Mähren 
und  Schlesien,  Samson  Raphael  Hirsch.  Er  war 
hochgeachtet  und  geschätzt,  wo  immer  er  auftrat.  An  einem 
Sabbate  predigte  er  in  der  Synagoge  anknüpfend  an  Micha  5,  13 
über  Moses  als  Vertreter  des  Gesetzes,  Aron  als  den  des 
Gottesdienstes  und  Mirjam  als  Repräsentantin  der  Wohltätig- 
keit. Auch  hier  zündeten  seine  Worte  und  erregten  die  Bewun- 
derung der  Hörer.    In  einem  Aufrufe  vom  2.  Mai  und  8.  Oktober 


„Weise  dieses  Blatt  nicht  zurück,  es  wird  vom  jüdischen  Bruder- 
herzen Dir  gereicht!"  In  der  Denkschrift  ward  das  ganze 
schwere  Unrecht  in  markigen,  großen  Zügen  dargestellt,  das 
den    Juden    Oesterreichs    bisher   zugefügt   worden    war. 

Die  Mitglieder  des  Reichsrates  hatten  aber  bekanntlich 
keine  Gelegenheit  mehr,  die  Denkschrift  zu  behandeln.  Am  6. 
März  1849  um  Q  Uhr  abends  wurde  im  Reichsrate  über  das 
Verhältnis  des  Staates  zu  den  Religionsgesebschaft.'n  verhandelt. 
Wenige  Stunden  später  kam  Minister  Stadion  aus  Olmütz  mit 
dem   Befehle,  den   Reichsrat  „dessen  Mitglieder,  aus  den  Wirren 


2U. 
Feindschaft  und  Selbst  aclie,  Kampf  Alier  gegen  Alle,  das  ist,  von  aller 
Phrase  entkleidet,  unerbittlich  das  Grundprinzip,  dem  jede  Gesellschaft  ver- 
fallen muß,  aus  deren  Geda  kenkreise  es  gelingen  würde,  den  Namen  Gott 
zu  streichen.  Für  den  Verlust  vermag  Menschenklugheit  keinen  trsatz  zu 
finden. 


Vor  dreißig  Jahren. 

Von  Gottfried  Qoldschmidt  in  Halberstadt. 

Vor  dreiüig  Jahren  war  ich  ein  zehnjähriges  Individuum,  das  man  damals 
(und  mit  Recht)  einen  ,.Lausbub^  nannte,  d.  h.  so  sagt  man  in  Frankfurt,  im 
Norden  des  Reiches  nennt  man's  einen  Strick.  Deren  gabs  zu  meiner  Zeit 
in  Frankfurt  einige  .  . .  zigtausend;  doch  sechs  davon  und  ich  bildeten  einen 
geschlossenen  Kreis.  Die  Hauptgebiete  unserer  Tätigkeit  waren  aulier  dem 
Schulhof  der  Röderwald  und  der  Bach  Metzgerbruch,  der  sich  in  den  Main 
ergiell'.  da^  Wirthsche  Schwimmbad  und  die  Qoetheruh,  der  Feldberg  irTi 
Taunus,  die  RechneigrabenstraBe,  in  der  die  Schlachten  zwischen  den 
l-'hilantropin-Schülern  und  uns  Religionsgesellschaftern  aus  der  Sclüitzenstraße 
Nr.  14  tobten,  und  so  oft  als  möglich  die  GroLischul';  natürlich  die  in  der 
Schützenstraüe.  eine  andere  kannten  wir  von  innen  nicht 

In  Grotlschul    gabs    drei  Männer,    ohne    die    wir    sie  uns  nicht  hätten 

vorstellen    können:    den    Herr    M ,  den  Herr  Fr und    den 

Herr  Rabbiner.  Diese  drei  und  der  Raum,  da-s  zusammen  war  uns  Groflschul. 
Dali  zum  Gottesdienst  nQch  weitere  sieben  Herren  erforderlich  waren, 
erschien  un.  nicht  wesenhaft;  allenfalls  hätten  wir  es  begriffen,  daß  wir 
sieben  Buben  dazu  geholten.    Doch  alles  andere  w.ir  überflüssig  und  störend. 

Den  Herrn  M fürchteten    wir.    Er  jagte    uns  hundertzwanzig 

Mal  aus  detii  kleinen   dunklen  Rückzimmerchen,    in   dem  die  Barette  für  die 


Vorbetenaen  lagen  und  das  Hawdolohzeug,  die  Almemordecken  und  andere 
Gegenstände  unsres  heißen  Interesses;  er  jagte  uns  vom  Duchan  hinunter, 
wenn  wir  in  den  Freistunden  da  oben  Ein-  und  Ausheben  spielten  oder  mit 
unseren  Röcken  auf  den  Köpfen  ^duchenten";  er  jagte  uns  aus  der  Kanzel, 
wenn  wir  predigten,  vom  Almeinor,  wenn  wir  lei"nten,  aus  Frauenschul, 
wenn  wir  den  Inhalt  aufgestöberter  Riechfläschchen  in  den  Männerraum 
hinunterspritzten.  Und  kamen  wir  zum  hunderteinzwanzigsten  Male,  in  der 
friedlichen  Absicht,  gleich  fing  er  schon  wieder  an  uns  zu  vertreiben,  sodaß 
wir  immer  schneller  zu  einer  andern  Tür  hinein^^chlüpfen  mußten.  Bei 
alledem  halfen  wir  ihm  doch  so  gern  bei  seinen  Vorbereitungen.  Einer  von 
uns,  zum  Beispiel,  brauchte  nur  zu  erfahren,  wer  abends  Jahrzeit  und  vorza- 
beten  habe,  so  wußte  er  sofort  die  Kopfweite  des  Baretts,  das  aijf  den 
betiefienden  Synagogenplatz  zu  legen  war.  Beim  Umkleiden  der  Sforim, 
beim  Aufwickelii  der  \VimpeIn  prügelten  wir  uns  um  den  Vorrang.  Um  Samstags 
nach  Schul  das  Haftora-Sefer  zu  stellen,  zu  wickeln  und  zu  kleiden,  hatten 
wir  einen  Haftora-Stell-Verein  gegründet,  den  Turnus  für  die  einzelnen  Ehren- 
fu  ktionen  durch  Statut  fe^tgeleut  i^nd  uns  verpflichtet,  in  Streitfällen  (unter 
Aus  chluß  des  Faustkanipies  und  der  ordentlichen  Gerichte)  den  Herrn 
Synagogenvorsteher  M.  Fr.  als  Schiedsrichter  anzuerkennen.  Das  ging  alles 
glatt  und  gut.  Wenn  aber  am  Erew  Jomkipur  die  schönen  Programme 
verteilt  wurden,  dann  wurd;n  wir  schroff  zurückgewiesen:  und  unserem  ver- 
einten Angriff  gegenüber  barg  der  Herr  M das  kostbare  Gut  ängstlich 

in  den  Falten  seines  Talars  und  schützte  es  wider  uns  durch  Ellenbogenpüffe 
und  mit  dem  ungestümen  Ruf:  , Kriegst  keins!"  Schließlich  kriegten  wir 
dennoch  allmählich  je  sechs  Stück  und  manches  Jahr  noch  mehr,  aber  mit 
welchem  Aufgebot  von  Energie  und  Ausdauer!  —  Wir  wußten  ja  damals 
nicht  die  wunderbare  Pflichttreue  zu  schätzen,  die  den  w-ackeren  schichten 
Mann  n"i'  tiis  ins  hohe  Greisenalter  zu  der  eifrigen  Hut  des  Heiligtums 
beseelte. 

Der  zweite  der    großen    drei  Männer    in    der  QroBschul,    und   für  uns 

fraglos  der  Größte  in  der  Schützenstraße,    war  Herr  Fr t2"''{<S    ^^'e^n 

wir  ihn  kopierten,  gcschahs  aus  dem  heiligen  Ehrgeiz,  ihm  ähnlich  zu  werden. 
Er  war  unser  Heros,   und  beneidet   wurde  der  Kamerad,    der  ihm  ,gut  nach- 


-    22 


der  Revolution  hervorgegangen,  ohne  Rücksicht  auf  die  Festigung 
und  Stärkung  der  Majestät  des  Thrones  eine  Stelhing  einnahmen, 
die  mit  der  dem  Kaiserhchen  Hofe  gebürenden  Treue  wenig 
vereinbar  sei"  für  aufgelöst  zu  erklären.  Wie  ein  Donnerschlag 
an  sonnenklarem  Tage  wirkte  diese  Kunde.  Aber  das  sehnsuchts- 
volle Hoffen  der  vaterlandstreuen  Juden  in  Oesterreich  wurde 
nicht  enttäuscht.  Was  der  Reichsrat  nicht  gewähren  konnte,  ge- 
währte der  Monarch.  Die  volle  Glaubensfreiheit,  den  Genuß 
bürgerlicher  und  politischer  Rechte,  die  Gleichheit  vor  dem  Ge- 
setze, Zutritt  zu  den  öffentlichen  Aemtern  und  zum  Staatsdienste. 
Der    2      Dezember   des    Jahres    1848   war   ein    Jubeltag    für 


Nicolsburg : 
Judengasse   mit  Rabbinerhaus. 

(iesamt-Oesterreich  geworden,  der  Tag  des  Regierungsantrittes 
des  Kaisers  Franz  Josef  !.  An  der  Spitze  einer  Deputation 
der  mährischen  Gemeinden  erschien  Hirsch  am  28.  März  1849 
in  Olmütz,  um  den  Kaiser  feierlichst  zu  begrüßen.  Er  tat  es 
in  herrlichen,  männlichen  Worten.  Er  sagte:  „Als  die  gütige 
Vorsehung  Eurer  Majistät  das  Szepter  über  Oesterreichs  Völker 
verliehen,  boten  Allerhöchst  dieselben  sogleich  beim  Antritte 
ihrer  glorreichen  Regierung  die  Verheißung  gleicher  Rechte  inid 
gleicher  Pflichten  als  Heil  und  Segen  verkündenden  (iruß  allen 
Ihren   Völkern.  .  .  .   Mit  welch'  freudigen  Gefühlen   müssen  aber 


machen"  konnte.  Fehlten  uns  auch  seine  blinkenden  Schuhe,  sein  ^chön 
frisierter  Scheitel  und  seine  fürstliche  Gestalt,  so  niiniten  wir  ihn  wenigstens 
vom  Talliswuri  bis  zur  Verbeugung  bei  baui  chiloh,  vom  Wechseitritt  am 
SImchas 'l'auroh  bis  zu  den  drei  Po'-itionen  beim  Kaur'im-Fallen,  vom  königlichen 
Heben  des  Kidusch-Be  chers  bis  zum  Luldw-Zittern  und  Chanucka-l.icht- 
benschen ;  und  ebenso  in  Wort  und  Ton  von  der  eleganten  VVochentags- 
Sch'maune  eßre  bis  zur  bebenden  Awaudoh,  vom  Asloh  Qeresch  (auf  ■uj'n 
IDIpD  mDN)  am  Nachmittag  des  Taanis  Fsther  bis  zum  graziösen  Alazzomehl- 
Angebot  an  den  Schwath-Freitag-Abenden,  von  der  h'icho-Elegie  bis  zum 
Jahrkadisch.  Unbevvuüt  empfanden  wirs,  daL!  di  jeder  Zoll  ein  König  und 
jeder  Laut  ein  Genuß  für  sich  war,  und  beim  Salamaiiderfang  am  Metzger- 
bruch und  beim  Schwimmen  im  Main,  auf  dem  Feldberg  und  im  Schulhof 
übten  wir  Chasonus,  lernten  wir  oren. 

Und  der  dritte  der  drei,  der  Herr  R  a  b  b  i  n  er,  war  unser  I"  r  e  u  n  d,  mit  ihm 
verkehrten  wir  so  vertraut  und  kameradschaftlich,  dali  in  späteren  Jahren, 
als  wir  seine  überwältigende  ürölie  spürten,  mir  mein  damaliges  Verhältnis 
za  ihm  als  ein  Frevel  erschien.  Damals  aber  zog  er  vor  uns  Rangen  tief 
den  Hut,  wenn  wir  auf  der  Straße  schon  von  weitem  die  Mützen  abrissen; 
er  drückte  uns  kräftig  die  Hand  nach  dem  B  nsclien  am  Freitag-Abend;  er 
belachte  laut  und  herzlich  unsere  kt-cken  Bemerkungen,  wenn  wir  uns  zum 
Minjan  In  sein  Zimmer  mit  hineindrängien ;  er  unterhielt  sich  mit  uns  in 
unserer  Sprache,  interessierte  sich  für  jeden  Schrnii',  den  uns  ein  Philantropin- 
schüler  versetzt  hafte,  bestätigte  uns,  daß  un^ere   eingetauschten  Briefmarken 

echt  waren  und  nicht  gefälscht,  beklagte  mit  uns,  dali   der  Herr  M zu 

streng  sei,  prüfte  genau  unsere  Fußbälle,  Kampiriemen,  Salamander  und  nie 
unsere  Schulkenntnisse  —  kurz,  er  war  halt  unser  Freund  und  dabei  doch 
sonst  ein  sehr  angeseliener  Mann.  Dafür  bracliten  wir  ihm  auch  Blumen  mit 
^om  Röderberg  und  besuchten  ihn  mei^t,  wenn  wir  vom  Schwimmen  an 
seinem  Hause  in  der  Schönen  Aussicht  vorbei  kamen.  W  ir  wollten  wohl 
gern  länger  verweilen,  weil  es  (jeiiiütlich  bei  i  m  war;  ;.ber  ich  weiß  nicht, 
wie  es  Kam.  nach  einer  Minute  waren  wir  stets  wieder  draullen. 

Waren  wir  in  Oroßschul  iederzeit  heimisch,  so  fühlten  wir  uns  ganz 
besonders  zu  Hause,  wenn  wir  bei  der  Predigt  auf  dem  großen   Platz  standen 


die  jüdischen  Söhne  des  Vaterlandes  dieses  heilverkündende 
Won  vernehmen.  War  dieses  Wort  ihnen  doch  Bürge  für  die 
endliche  Erfüllung  ihrer  Hoffnungen,  für  die  endliche  Sühne 
träncnreichei  Vergangenheit,  für  das  endliche  Aufhören  ihrer 
jahrhundertlangen  Leiden."  —  —  —  „Geruhen  E.  M.  den  Aus- 
druck des  von  allen  jüdischen  Herzen  geteilten  Dankes  aus  dem 
Munde  der  Vertreter  der  jüdischen    Mährer  huldreichst  entgegen 

zu    nehmen Möge   die   gütige   Vorsehung  das   begonnene 

Werk  der  Wiedergeburt  des  Vaterlandes  recht  bald  snit  dem 
Segen  des  Heils  und  des  Friedens  krönen  und  E.  M.  in  ei  n  e  r 
langen  gesegneten  Regierung  das  süßeste  und  loh- 
nendste Bewußtsein  genießen  lassen,  der  Beglücker  Ihrer  Völ- 
ker,   der    Vater   des   Vaterlandes   zu   sein!" 

Wie  tief  ergreifen  uns  heute  diese  Worte,  wo  sich  die 
Völker  Oesterreichs  zusammenfinden,  um  den  unendlich  gelieb- 
ten, greisen  Kaiser  im  sechzigsten  Jahre  seiner  ruhmreichen  Re- 
gierung zu  feiern  und  deutsche  Fürsten  unter  Führung  des 
deutschen  Kaisers  ihre  Huldigung  in  einer  noch  nicht  dagewese- 
nen   Form    dargebracht   haben. 

Der  junge  Kaiser  dankte  tief  bewegt  und  gab  die  gütigsten 
Zusicherungen  für  alle  Zukunft.  Mit  der  ganzen  Macht  seines 
Einflusses  und  der  unwiderstehlichen  Ueberzeugungskraft  seines 
Wortes  hatte  Hirsch  in  dem  bewegten  Jahre  zu  Zurückhaltung 
und  Mäßigung  autgefordert.  Kaisertreue  und  Regienuigstreue 
geboten 

In  keinem  Augenblicke  ließ  er  seine  große  .Aufgabe  aus 
dem  Auge.  Mit  prophetischem  Blicke  erkannte  er  die  Gefahren 
der  jungen  Freiheit  und  in  wahrhaft  ergreifenden  Worten  wendet 
er  sich  an  seine  ihm  treuen  Brüder.  Der  große  Organisator  ist 
in  jedem  Schritte,  jeder  Zeile  zu  erkennen.  Der  glühende,  be- 
geisterte Jude  offenbart  sich  in  jedem  Worte,  jeder  Fat.  Vor 
Allem  lag  ihm  die  Erhaltung  der  Religion  und  ihrer  Heiligtümer 
am  Herzen,  für  die  er  zitterte,  bangte  und  bebte.  Wie  er  die 
Judei'  zu  tiefster  Vaterlandsliebe  aufrief  und  weckte,  ihnen 
Respekt  vor  den  Obrigkeiten  eindringlich  einprägte,  unbedingte 
Bürgertreue  mit  ehernen  Worten  predigte;  ebenso  ernst  und 
groß  ist  seine  Sorge  um  die  von  ihm  so  ängstlich  gehüteten 
Güter   des   altüberlieferten   Judentums. 

„Die  Aufgabe  ist  groß,  ist  um  so  grölk'r,  je  hemmender  und  zerrüttender 
unsere  bisherigen  Zustände  in  unser  ganzes  Einzel-,  Familien-,  tiemeinde- 
und  Biirgerleber;  eingegriffen.  Aber  je  größer  diese  Aufgabe  ist,  umso 
mehr  wollen  wir  sie  mit  dem  ganzen  Aufgebot  unserer  Kräfte,  mit 
aller  L'nisieht,  mit  aller  Einsieht,  mit  aller  Aufopferung,  mit  allem  ent- 
schiedenen heiligen  Willen,  vor  allem  mit  allem  ernsten  brüderlichen 
Zus:iiiimeii\\irken  erfassen,  und  (jott  wird  auch  die  Lösung  dieser  Auf- 
gabe mit  dem  Segen  des  (lelingens  segnen.  Neue  Bahnen  des  Erwerbs- 
lebens, der  gemeinniitzigen  Tätigkeit  sind  uns  eröffnet,  alte  Bahnen  eines 
von  der  Not  uns  aufgedrungenen  Erwerbes  sind  zu  verlassen,  sind  we- 
nigstens auf  die  Jugend  nicht  zu  vererben.  Anstalten  wollen  geschaffen 
werden,  in  denen  unsere  Jugend  zum  Ackerbau,  zur  Arbeit,  zum  Handr 
werk,  zu  jeder  nützliehen,  von  uns  bis  jetzt  nicht  gepflegten  Tätigkeit 
heraiij.iebildet,  Anstalten,  durch  welche  unsere  Brüder  zur  segenreichen 
Betretung  der  neu  eröffneten  Erwerbsbahnen  angeleitet  und  unterstützt, 
Anstalten  wodurch  ein  besonnener  und  vernünftiger  Gebrauch  der  uns 
gewordenen  Freiheit  im  Erwerbsleben  angebahnt  werden  könne.  Eine 
L'mgcslaltung  unseres  Gemeindelebens  ist  unabweislich  geworden;  die 
Mauern  des  Judenghettos  siiul  gefallen,  ein  neues  Gemeindegesctz  wird 
das    üenieindewesen    im    Allgemeinen    regeln    und    in    jeder    bürgerlichen 


zwischen  der  Kanzel  und  den  vordersten  Sitzreihen;  dieser  Platz  erschien 
uns  damals  von  unendlicher    Ausdehnung,    und    da  wir  aus  Furcht    vor  dem 

Herrn  M immer   nur   schrittweise    vordringen    konnten,    so  dauerte  es 

gewöhnlich  die  ganze  Predigtstunde,  bis  wir  von  einem  Ende  der  Länge  nach 

zum    anderen    gelangten.    t:igentlich    wollte    der  Herr    M daß  wir 

während  der  Predigt  still  standen,  und  manche  handgreifliche  Mahnung  wies 
uns  leise  zurecht,  wenn  wir  zu  lebhaft  vorgingen.    Iminerhin    war  angesichts 

unseres  Freundes  auf  der  Kanzel   unsere  Furcht    vor    dem    Herrn    M 

während  der  Predigt  erheblich  geringer  als  sonst,  und  da  wir  sieben  den 
Platz  mit  vielleicht  zwanzig  oder  dreißig  anderen  Rangen  teilen  mußten,  so 
waren  Reibereien  schwer  zu  umgehen;  meist  war  es  darum  ein  bißchen 
unruhig  in  unseren  Reihen,  besonders  wenn  auf  der  vordersten  Bank 
Barmizwo -Jungen  saßen,  in  deren  unmittelbarer  Nähe  jeder  von  uns  sein 
wollte,  um  zu  sehen,  ob  sie  pünktlich  aufstehen,  wenn  am  Schluß  der 
Predigt  der  Herr  Rabbiner  das  Wort  an  sie  richtete:  außerdem  hatten  wir 
die  liarinizwo-Jun^en  überhaupt  gern,  weil  diese  das  Leben  in  üroßschul 
noch  sensationeller  machten  als  es  utis  ohnehin  schon  war.  Als  wir  einmal 
heftig  miteinander  rangen,  und  der  Herr  M nach  erfolglosen  Rippen- 
stößen uns  vom  lieben  Tummelplatz  weg  in  die  hinteren  Regionen  jagen 
wollte,  da  sahen  wir  mit  unseren  eigenen  entzückten  Augen,  daß  der  tJerr 
Rabbiner  von  der  Kanzel  herunter  mitten  im  Reden  ihn  mit  einer  bittenden 
Handbewe  ung  bedeutete,  er  solle  uns  doch  da  lassen.  Hei,  hai  uns  das 
gefreut  I  l  nd  in  unserer  Genugtuung  über  den  Sieg  und  die  Hilfe  unseres 
Freundes  blieben  wir  sogar  beinahe  ganz  ruhig  stehen  bis  zum  letzten  Wort. 

Der  Herr  M hat  sich  das  aber  gemerkt,  und  als  bei  einer  der  nächsten 

Predigten  , Stücker  fünf  Harmizwo-Jungen"  dasalien,  ließ  er  uns  raufen  und 
stand  unbeweglich  unter  uns,    als  sähe  er   nichts.    Schon    fingen    die    Leute 

hinter  uns  an  zu  zischen,  was  uns   aber   einerlei    war    und    Herrn     M 

auch.  Da  half  sich  der  Herr  k'abbiner  selber;  er  hatte  gerade  die  Worte 
gebraucht:    .ein  Heiligtum''  und    wiederholte    mit    scharfem    Blick    auf    uns 

herunter  und  mit  erhobener  Stimme,  die  tinswie  Donner  vorkam: im 

Heiligtum,  i;i  dem  auch  der  kleine  Jude  wissen  soll,  vor  Wem  er  steht!. 
Verdonnert    und     verdutzt    schauen    wir    auf,    da  winkt   er  uns  leise  zu  und 


23 


Beziehung  des  Oenieindelebens  wird  der  Jude  in  dem  allgemeihen  üe- 
meiiideverband  aufgehen ;  unsere  besonderen  rehjfiöscn  Angelegenhei- 
ten, die  Pflege  unserer  Gottesdienst-,  L'nterrichts-,  Wohhatigkeitsanstalten, 
Stiftungen,  Fonds,  die  Sorge  für  die  Stelhing  und  Wirksamkeit  unserer 
Rabbiner  und  Lehrer,  werden  fortan  jedoeh  noch  immer  unser  besonderes 
rehgiöses  Gemeindeleben  bilden;  hier  Gott,  dort  das  Vaterland,  wer- 
den die  Pulse  dieses  zweifachen  Gemeindclebens  sein,  beide  gleich 
stark,  beide  gleich  belebt,  beide  einem  Herzen  entsprungen,  einem 
Herzen  zuführend,  in  ungestörter  Harmonie,  für  Gott  und  Vaterland 
unser  ganzes  Leben  einigend.  Dieses  neue  Leben  fordert  neue  Regel, 
neue  Ordnung,  und  diese  müssen  mit  weiser  Ueberlegung  geschaffen 
werden.  Eine  neue  Blüte  unseres  geistig  religiösen  Lebens  ist  anzu- 
streben. Die  Hindernisse  sind  gefallen,  die  die  Gründung  und  den  .Auf- 
schwung    unserer    Schulen,     dieser    Pflanzstätten    unseres    geistigen    Seins, 


alle  Rabbiner,  Vorstände  und  Lehrer  der  Gemeinden  zu  einer 
großen  Versammlung,  die  der  Landesrabbiner  nach  Nikolsburg 
berief,  um  seine  weitausschauenden  Ideen  durchzuberaten,  Pläne 
zu  entwerfen  und  alle  zu  großer  Tat  zu  entflammen.  Vor  allem 
wollte  Hirsch  eine  Synagogen  Verfassung  für  alle  Ge- 
meinden schaffen.  Am  13.  April  184Q  erschienen  alle  Delegierten, 
um  eine  „Verfassung  der  Bekenner  jüdischen  Glaubens  in  Mäh- 
ren" fertigzustellen.  Die  Ausarbeitungen  wurden  einem  Komitee 
übergeben  und  im  November  wurde  eine  zweite  Versammlung 
nach  Nikolsburg  berufen.  Die  Beteiligung  war  eine  große  und 
allgemeine.    Man  stand  unter  dem   Eindrucke  einer  großen,  noch 


fiabbonimplatz  auf  dem  Friedhof  zu  Nicolsburg. 


hemmten;  es  fehlen  uns  Anstalten  zur  Bildiuig  unserer  Lehrer;  es 
fehlen  uns  Anstalten  zur  Bildung  unserer  Rabbiner;  es  fehlen  uns  \\is- 
senschaflliche  Anstalten  zur  Pflege  unserer  Religionswissenschaft  im 
Allgemeinen  und  im  Einzelnen.  Die  Schulen  für  die  Jugend  in  den 
einzelnen  Gemeinden  bedürfen  sehr  teils  ganz  neuer  Ordmmg,  teils 
frischer  geistiger   Umbildung   und    Pflege.    -     Einheit    tut   vor   Allem    Not!" 

Diese  ebenso  weisen  als  herzbewegenden  Worte  richtete 
Hirsch  von  Nikolsburg  aus  am  13.  März  1849  an  alle  Gemeinden 
Mährens.  Die  bewunderswerle  Großzügigkeit  der  Pläne, 
die  ihrer  Zeit  um  \-  i  e  1  e  Jahrzehnte  \-  o  r  a  u  s  e  i  1 1  e  n, 
die  Begeisterung  für  die  ideale  Sache  erregten  das  Staunen  aller. 
Diese   Worte   bildeten    das    Begleitschreiben    einer    Einladung   an 


nicht  dagewesenen  Kundgebung.  In  feierlicher  Versammlung 
kündigte  der  begeisterte  Predig:'r  der  Gemeinde  sein  Vorhaben 
an.  Aber  —  der  große  Moment  fand  ein  kleines 
Geschlecht.  Es  war  nin-  eine  Wirkung  des  .Augenblicks, 
nie  Zukunft  lehrte,  daß  die  Juden  Mährens  sich 
nicht  reif  genug  erwiesen,  die  großartigen  Pläne 
H  i  r  s  c  h  s  zu  begreifen  noch  zu  \  e  r  w  i  r  k  I  i  c  h  e  n. 
Kein  Widerhall  der  mächtigen  Stimme  des  Führers  ward  in 
A'\ährci]  oder  Oesterreich  vernommen.  Auch  die  Regierung  ver- 
hielt sicli  passi\.  Der  Verfassungs-Entwurf  wurde  wohl  der 
Regierung   unterbreitet,   aber  von   ihr  nicht  erledigt.    Ebenso   er- 


spricht weiter,  als  sei  nichts  vorgefallen.  Zu  Hause  gabs  für  mich  Prügel 
und  für  meine  Eltern  ~"\^-i  einen  verstörten  pi'i''.  aber  auch  ohne  das  hätte 
ich  von  selbst  mich  nie  wieder  bei  der  Predigt  an  einer  Hauerei  beteiligt. 
Umso  herzlicher  jedoch  bewahrten  wir  dem  Herrn  Rabbiner  unsere  Freund- 
schaft, bis  sie  allmäniich  in  Ehrfurcht  sich  wandelte  in  dcrn  Malle,  in  dem 
aus  dem  Gassenjungen  sein  Schüler  wurde,  auf  dessen  Herzenstafeln  er,  der 
Gewaltige,  und  sein  lierrlicher  Sohn,  -3-11-  2:i"i:i,  tiefer  und  tiefer  die 
Mahnung  grub:  ^C1y  rriN  \ti  "'iE'"  V~'- 


Schulerinnerungen. 


M. 


Ursache:  Die  Eisbahn  auf 
das  alle  (.)uartanerherzen  in 
Monaten    bisher    vergeblich 


Von  Moritz  A.  Loeb,  Frankfurt  a 
I.  Quarta. 

I  1  der  '.ijarta  herrscht  große  Aufregung, 
dem  h'fjderspies  ist  eröffnet,    ein  Ereignis,    auf 
diesem    unverantwortlich    milden    Winter    seit 
warteten. 

,Lnd  heute  ist  erst  Dienstag ;  bis  zum  Sonntag,  wo  wir  zum  erstenmal 
einen  freien  Nachmittag  haben,  kann  schon  wieder  Tauwetter  sein,"  meint 
unser  Primus. 

„Ja  warum  hast  Du  denn  Herrn  Dr.  Hoiimann  *y  das  nicht  gesagt,  daii 
wir  den  ganzen  Winter  noch  nicht  zum  Schlittschuhlaufen  gekommen  sind?" 
bemerkt  vorwurfsvoll  ein  anderer. 


H  fc  III  i  ji  a  r .-  in  H  <:  r  i  i  n. 


I]ltll|-(:l-       in      <1'T     l-iUiU'Ul,      jr.t/.l        Iii:lil., 


K  ;(  1»  b  i  II  V  1-  - 


.,Sei  doch  nicht  so  dumm!  Natürlich  habe  ich  ihm  das  gesagt,  aber 
er  meinte,  das  ginge  ihn  nichts  an !" 

J'iefbetrübt  hören  wir  alle  diese  Kunde,  lacht  doch  der  helle  Sonnen- 
schein gar  so  verführerisch  zum  Eenster  herein  und  zaubert  uns  das  Bild 
der  Eisbahn  mit  allen  ihren  Reizen  vor  Augen. 

,,Wiiit  Ihr  was."  ruft  da  ein  Dritter,  ,,wir  gehen  zum  Direktor  und 
bitten  ihn  um  einen  freien  Nachmittag!" 

,, Jawohl,  jawohl,  wir  gehen  zum  Direktor!''  schallt  es  von  allen  Seiten. 

Als  die  stürmische  Begeisterung,  die  dieser  treffliche  Vorschlag  her- 
vorgerufen, sich  gelegt  hat,  erhebt  sich  natürlich  die  Frage,  wer  der  Bote 
sein  soll.  Neue  Verlegenheit,  unser  Primus  lehnt  entschieden  ab:  seinem 
Beispiele  folgen  eine  ganze  Reihe  anderer.  Es  wird  mein  Name  genannt. 
Ich  will  ebenfalls  ablehnen,  aber  da  eihebt  sich  allseitiger  Widerspruch,  die 
vox  populi  entscheidet  einstimmig,  daß  ich  zu  senden  sei.  Da  die  Pause 
gleich  zu  Ende  sein  muß,  schieben  mich  20  Hände  sanft  zum  KlassenzimTer 
hinaus  und  bald  stehe  ich  vor  der  Türe  des  Direktorzimmers.  Ich  lausche, 
kein  Ton  läßt  sich  hören.  Es  dämmert  die  Hoffnung  in  mir  auf,  daß  der 
Direktor  vielleicht  abwesend  und  so  meine  Mission  schnell  zu  Ende  sein 
könne.  Ich  fasse  mir  also  ein  Htri  und  klopfe  kräftig  an  und  —  ein  ebenso 
kräftiges  „Herein!"  ertönt  als  Antwort!  Jetzt  ist  der  Rubikon  überschritten: 
es  gibt  kein  Zurück  mehr!  Befangen  bleibe  ich  an  der  Türe  stehen.  Die 
kleine  gebeugte  Gestalt  des  großen  Mannes  an  dem  niederen  Schreibtische 
richtet  sich  empor,  die  glänzenden  Augen  wenden  sich  za  mir  und  mit  ge- 
winnendem Lächeln  ertönt  es: 

,,Nun,  Loeb,  was  bringst  Du  uns  Gutes?" 


24 


ging  es  der  von  Hirsch  entworfenen  Synagogenordnung,  seinem 
Plane  und  Vorschlage  zur  Gründung  eines  jüdischen  Gym- 
nasiums und  eines  Rabbinerseminars.  Wenn  man  die 
Aufrufe  und  Hirtenbriefe  Hirschs  liest,  dann  gedenkt  man  mit 
tiefster  Wehmut  jener  großen  Zeit  und  mit  Beschämung  der 
Erscheinung,  daß  der  gewaltige  Organisator  völlig  unverstanden 
blieb.  Noch  tiefer  aber  wird  der  Schmerz  bei  dem  Gedanken,  daß 
Hirschs  stattsmännische  Pläne  heute  nicht  nur  ebensowenig  erfüllt 
sind  wie  damals,  sondern  daß  es  vielleicht  der  letzte  historische 
Moment  war,  indem  sie  in  dieser  Form  überhaupt  noch  in  jüdi- 
schem. Geiste  hätten  verwirklicht  werden  können.  Kein  Wunder 
fürwahr,  daß  der  große  Mann  sich  in  der  kieindenkenden  Umge- 
bung unglück'ich  fühlte.  Nichts,  rein  nichts  von  all'  sei- 
nen großen  Gedanken  v\- arder  Erfüllung  zugeführt 
worden.  Im  Gegenteil.  Ungerechte  Kritik,  nörgelnde  Stichelei 
verbitterten  dem  selbstlosen,  edlen  Manne  das  Leben.  Derstolze 
Titel  „Oberlandesrabbiner  von  Mähren  und  Schle- 
sien'' erwies  sich  als  ein  wesenloser  Schein.  Als 
er  bei  der  Regierung  anfragte,  worin  sein  dem  hohen  Titel  ent- 
sprechender Beruf  bestehe,  erhielt  er  die  Antwort:  „Im  fleißigen 
Beten,  Predigen,  Bewachen  der  Schule  und  der  Gemeinde." 
Mit  dem  bescheidenen  Wirkungskreise  in  Nikolsburg  selbst  konnte 
sich  Hirsch  nicht  begnügen.  In  der  Stammgemeinde  selbst  war 
er  verehrt   und  geschätzt;   aber  auch   hier  wenig  verstanden. 

Vier  Jahre  waren  seit  seinem  glänzenden  Amtsantritte  ver- 
strichen. Am  4.  Mai  1851  dankte  er  ab  und  gab  seinem  Ent- 
schluss  dem  Komitee  für  die  mährisch-jüdischen  Religionsange- 
legenheiten  kund.  Die  Nachricht  wirkte  niederschmetternd.  Ver- 
geblich wurde  eine  Versammlung  nach  Brunn  berufen,  die  sich 
an  den  Landesrahbiner  in  einer  Vertrauenskundgebiing  mit  der 
Bitte  wandte,  seinen  Entschluss  zu  ändern.  Das  Landesrabbinat 
sollte  nach  Brunn  verlegt,  mit  HoheitsrechtLMi  ausgestattet  und 
vom  Landesmassefonds  mit  1500  fl.  dotiert  werden.  Vergeblich 
wurden  jetzt  die  schönsten  Verheißungen  gegeben,  vergeblich 
kamen  Deputationen  aus  allen  Gemeinden  des  Landes.  Hirsch 
war  nicht  der  Mann,  der  nach  seinen  Erfahrungen  sich  durch 
Wortv    zur    Aenderung   seines    Entschlusses    bringen    ließ. 

In  Nikolsburg  herrschte  die  tiefste  Erregung.  Man 
fühlte  jetzt,  was  man  an  Hirsch  besaß  und  verlor.  Nur  das 
Bewußtsein  wirkte  beruhigend,  daß  Hirsch  das  Scheitern 
seiner  Pläne  als  Grund  der  Abdankung  vorführte,  die  er 
als  Zweck  und  Aufgabe  des  Landesrabbiners  betrachtete.  Die 
Gemeinde  Nikolsburg  hatte  ihm  und  seiner  Familie  Liebe  und 
Ehrfurcht  entgegengebracht;  wie  er  es  vollauf  verdiente.  Von 
seinen  zahlreichen  Freunden  wurde  nichts  unversucht  gelassen, 
um  ihn  zurückzuhalten.  Eine  gutverhiirgte  Nachricht  meldet,  daß 
der  Vorsteher  Hirsch  Kolisch  für  jedes  der  fünf  Kinder  Hirsch's 
zehntausend  (iuldeii  anlegen  wollte,  um  für  die  Zukunft  zu 
soigen  Er  war  rastlos,  unermüdlich.  Auch  seine  edle  Gattin 
stellte  sich  in  den  Dienst  der  (iffentlichen  Wohltätigkeit  als 
Ober\orsteherin  des  Frauenvereins.  —  Innere  Befrieiligting  aber 
konnte  er  in  dem  bescheidenen  Kreise  nicht  finden.  Frank- 
furt lockte  ihn,  wohin  ihn  die  Stimmen  einiger  weniger  edler 
Männer  beriefen,  die  nicht  geziihh,  aber  gewogen  werden  wollten. 


Er  fühlte,  sah  im  Geiste,  daß  dort,  wo  es  galt,  mit  starker  Hand 
Großes  aus  dem  Nichts  zu  zaubern,  eine  und  seine  Zukunft 
liege.  Am  31.  Juli  1851  verabschiedete  er  sich  in  einem  Rund- 
schreiben von  den  Gemeinden,  Vorständen  und  Rabbinern,  das 
den  Stempel  seiner  ganzen  Persönlichkeit  trägt.  Eine  große 
Episode  seines  Lebens,  aber  nur  eine  Episode  war  ab- 
geschlossen. Mähren  im.  Besonderen  und  Oesterreich  dürfen 
es  bis  zur  Stunde  tief  beklagen,  daß  Hirsch  nicht  der 
Ihrige  geworden  war.  Keiner  nach  ihm  hatte  die  Fähigkeit, 
das  Judentum  Oesterreichs  gleich  ihm  zu  einigen  und  zu  orga- 
nisieren; keiner  wie  er  die  Absicht,  die  alte  Tradition  mit  den 
Kulturaufgaben  der  Gegenwart  harmonisch  zu  vereinen.  Das 
wahrhaft  lebensfähige,  alte,  religiösvertiefte  Judentum  war  in 
dem  Momente  dem  Untergange  geweiht,  als  eine  tragfeste 
Brücke  aus  der  vormärzlichen  Zeit  in  die  Aufklärung  der  Frei- 
heitsperiode von  den  Juden  Oesterreichs  nicht  geschlagen  wurde. 
Der  sichere  Anschluß  wurde  versäumt,  der  Bruch  erfolgte.  Hirsch 
wollte  diese  Brücke  in  kühnem,  weitgeschwungenem  Bogen  bauen. 
Ex  ungue  leonem.  Aus  seinen  Entwürfen  kann  man  ermessen, 
was  er  in  Oesterreich  und  Mähren  hätte  erwirken  können. 
Selbst  ein  Mannheimer  kann  nicht  neben  Hirsch  bestehen,  was 
kühne  Konzeption,  organisatorisches  Talent  und  insbesondere 
Vereinigung  traditionell-treuer,  felsenfester  jüdischer  Ueber- 
zeugung  mit  durch  und  durch  moderner  Kultur  anlangt.  Die 
jüdische  Intelligenz,  die  höchste  Bildung,  die  materiell  Kraft- 
vollsten in  den  heiligen  Dienst  der  Religion  zu  stellen  vermochte 
Hirsch  in  unglaublicher  Weise.  Dafür  ist  Frankfurt  ein  Beweis. 
Was  die  Folgen  dort  sind,  wo  dies  nicht  gelungen  war,  dafür 
sind  Mähren  und  Oesterreich  Beweise  und  Beispiele,  wo  hohe 
Bildung,  gesellschaftliche  Geltung,  Reichtum  und  Ehren  gleich- 
bedeutend sind  mit  Religionslosigkeit,  wenn  nicht  gar  Religions- 
verachtung   und    Taufe. 

Mit  dem  Erlasse  der  Mährischen  Statthalterei  vom  23.  Juli 
1S5I  wurde  der  Konkurs  für  die  pro\  isorisclie  Besetzung  des 
Obeilandesrabbinates  bis  zum  15.  September  ausgeschrieben.  In 
der  Sitzung  des  Gemeindevorstandes  in  Nikolsburg  am  24. 
August  1S51  unter  Vorsitz  des  Bürgermeisters  Dr.  Bachrach 
wurde  zu  Protokoll  gegeben:  „Nachdem  diese  kurze  Zeit  kaum 
hinreicht,  für  eine  würdige  Besetzung  dieser  Stelle  Sorge  zu 
tragen,  ein  Provisorium  aber  für  die  spätere  definitive  Besetzung 
einen  hemmenden,  nachteiligen  Einfluß  üben  könnte,  wird  be- 
sehU.'Ssen,  an  das  Komitee  das  Ersuchen  zu  stellen,  dasselbe 
wolle  dahin  wirken,  daß  dieses  Proxisorium  durch  ein  Kollegium 
veiw.iltet  werde  und  nicht  einem  Einzelnen  überlassen  bleibe. 
lii(.  durch  das  Ausscheiden  des  Herrn  Landesrabbiners  erledigte 
Lükaliabbinerstelle  wird  xorläu'ig  f ro\isorisch  dem  Herrn  Hirsch 
Teltscher   überlassen." 

h'nscli  Teltscher  hatte  Samson  Raphael  Hirsch  seinerzeit 
im  Namen  des  Rabbinats-Kollegiums  begrüßt.  Vorüber  war  die 
bedeutendste  Periode  des  Mährischen  Landesrabbinates.  End- 
giltig  vorüber.  Mit  der  politischen  Reaktion  legten  sich  auch 
auf  Mähreiii    Judengemeinden   die  alten,  tiefen  Schatten. 


Da    ist  der  Bann    getrocheti.      In   fliegender   Hast   berichte   ich   von  j 
diesem  iammetvollen  Winter,    der  uns   noch    nicht   ein    einzisesnial   zu   den  ,' 
Freuden  des  Eislaufs  kommen  lieli.    .letzt  sei  die  Eisbahn  eröifnet,   aber  w(r 
könne  wissen,    ob  sie  bis  zum    nächsten  Sonntag,    dem    ersten    schulfreien 
Nachmittag  halten  werde.    Im    Namen    der   ganzen   Klasse   bitte    ich    daher, 
uns  einen  Nachmittag  für  den  Eislaut  frei  zu  geben. 

Mit  keinem  Worte  hat  der  Direktor  meinen  Redeflulj  unterbrochen;  i 
als  ich  geendet  habe,  schwebt  noch  das  gleiche,  gewinnende  Lächein  um 
seine  Lippen:  , Weißt  Du,  mein  Sohn,  ich  vermute,  daß  nicht  nur  die  yaaria, 
daß  auch  die  anderen  Klassen  gern  an  dem  Eislauf  teilnehmen  werden.  Da  ' 
moti  ich  doch  erst  mit  euren  Lehrern  Rücksprache  nehmen.  Aber  icli  denke 
es  wird  sich  machen  lassen  I  ..Damit  bin  ich  entlassen.  Hoffnungsfroh  kehre 
ich  in  die  Klasse  zurück,  wo  der  Unterricht  inzwischen  schon  begonnen  hat. 
Doch,  wenn  ich  auch  über  den  Erfolg  meiner  Mission  nichts  berichten  durfte, 
meine  Mienen  sagten  genug.  Die  Hoffnung,  die  ich  hegte,  trog  nicht:  der 
nächste  Nachmittag  wurde  uns  freigegeben. 

Der  schnelle  Erfolg  meines  Bittganges  ermutigte  zu  baldiger  Nach- 
ahmung. Wie  oft  bin  ich  dann  noch  den  gleichen  Weg  von  unserem  Klassen- 
zimmer zum  Direktor  gepilgerl;  handelte  ts  sich  einmal  um  eine  botanische 
Exkursion,  so  mußte  ein  anJerrral  irg' nd  eine  nur  vorübergehende  Sehens- 
würdigkeit den  V'orwand  fü'-  ti''en  schulfreien  Nachmittag  abgeben.  Daß  der 
große  Mann  die  wahren  Motive  unseres  brennerden  Interesses  für  Bo!anik 
und  für  all  die  anderen  scl.oncn  Dinge  durchschaute,  ist  selbstverständlich; 
daß  «r  es  aber  nie  auch  nur  mit  einer  Andeutung  versuchte,  uns  das  fühlen 
zu  lassen,  läßt  einen  Schlutl  darauf  zu,  wie  entwickelt  sein  Zartgefühl  gewesen 
sein  nuß.  I 


Ebenso  kann  der  Umstand,  das  alle  diese  zahlreichen  Bitten  stets 
schlanke  Gewährung  fanden,  als  Zeugnis  dafür  dienen,  daß  S.  R.  Hirsch  sich 
bei  all  dem  tiefen  Ernste  der  ihn  beseelte,  ein  feines  Verständnis  für  die 
kindliche  Rsyche  und  eine  herzliche  Liebe  für  seine  Schüler  bewahrt 
haben  mul.i. 

IL  Unter-Sekunda. 

Das  Ziel  so  manchen  sehnsüchtigen  \\  unsches  war  erreicht.  Diese 
Sehnsucht,  sie  galt  nicht  rur  dem  Umstände,  daß  man  hier  mit  .Sie"  ange- 
redet wurde,  nein,  uns  lockte  noch  ein  Höheres:  Unter-  und  Obtr-Sekunda 
durften,  mit  der  Prima  vereinigt,  dem  Unteriicht  anwohnen,  den  Samson 
Raphael  Hirsch  persönlich  eiteilte  und  der  dem  .Geiste  der  jüdischen  Gesetzes- 
lehre" galt. 

Wenn  wir  mit  unseren  12  und  13  Jahren  auch  noch  ke'n  volles  Ver- 
ständnis haben  konnten  für  die  Bedeu'.un^  des  Mannes,  den  das  gesetzestreue 
Judentum  Deutschlands  als  seinen  k'egenerator  feiert,  so  war  aus  dem.  was 
wir  von  unsren  Eltern  hörten,  von  dem,  was  wir  aus  seinen  Predigten  und 
Schulreden  in  uns  aufnehmen  konnten,  doch  eine  Ahnung  aufgedämmert,  daß 
uns  hier  nicht  nur  ein  mit  immensem  Wissen  begabter  Lehrer,  ein  gefeierter 
Schulmann,  sondern  eine  ristorisclie  Persönlichkeit  gegeiiübertreten 
sollte.  So  konnten  wir  es  denn  kaum  erwarten  bis  der  Stundenplan  die  erste 
Stunde  bei  S.  R.    Hirsch    aufwies.      Aber   endlich    kam    sie    doch. 

Pünktlich  mit  dem  Glockenschlage  taucht  die  uns  so  w  ohlveitraute 
Gestalt  im  Rahmen  der  Ihiire  auf.  Wir  schnellen  alle  ehifurchlsvoll  in  die 
Höhe,  doch  eine  leichte  Handbewegung  lälit  uns  wieder  Platz  nehmen. 

Mehr  als  drei  Dezennien  sind  seitdem  vergangen  und  doch  steht  jene 
erste   Stunde    bei    Samson  Raphael  Hirsch    noch    in    allen  Einzelheiten    mit 


S.  R.  Hirsch  und  die  österreichische 
Revolution. 

Ein  Sendschreiben  aus  dem  Jahre  1848. 
An  d  i  e  Eh  rsamen    Israelitischen   Gemeinden    in   der  Provinz 

Mä  h  ren. 
Geliebte  Brüder! 

Nur  in  Zurückhaltung  und  Ruhe  kann  Euch  geholfen  werden! 

Mit  keinen  treffenderen,  als  diesen  Prophetenworten  kann  ich  die 
Bitte,  die  ernste  dringende  Bitte,  eröffnen,  die  diese  meine  wohlgemeinten 
Zeilen  an  Euch,  meine  geliebten  Brüder,  um  Euer,  um  unser  Aller  Heil  in 
dieser  freudig  ernst  bewegten  Zeit  zu  richten  wünschen. 

Die  wichtigen  Ereignisse,  die  Gott  der  Herr  in  den  jüngsten  Wochen 
im  theuern  Vaterlande  herbeigeführt,  sind  Euch  gewiß  nicht  fremd  geblieben. 
Ihr  habet  vernommen,  mit  welcher  Vaterhuld  unser  erhabener  Kaiser  den 
allgemeinen  Wünschen  seiner  Lnterthanen  hat  Erhörung  zu  Theil  werden 
lassen,  und  welche  unschätzbare  Güter  seine  Gnade  den  Bitten  seiner 
Völker  gewährt. 

Ihr  habet  gewiß  bei  solcher  Kunde  anbetend  zu  Gott  dem  Herrn  auf- 
geblickt, der  die  Gänge  der  Zeiten  leitet  und  in  dessen  Vaterhänden  die 
Herzen  der  Fürsten  ruhen.  Ihr  habet  gewiß  in  Eurem  Herzen  unserem 
gnädigen  Kaiser  frohen  Dank  gezollt  und  die  Freude  und  der  Jubel,  der  alle 
Gemüther  erfüllt,  sie  sind  gewiß  nicht  minder  mächtig  in  Eurem  Herzen 
laut  geworden. 

Und  wohl  wollen  wir  uns  freuen,  meine  Brüder,  wollen  uns  freuen  mit 
den  Brüdern,  wollen  uns  freuen,  wenn  dem  theuern  Vaterlande  im  Ganzen 
des  Segens  reichste  Früchte,  des  Heiles  vollste  Fülle  aus  den  mit  Hoffnungs- 
jubel  begrüßten  Fürstengaben  erblühen  werden ;  wollen  uns  deß  freuen,  wie 
unser  Qotteswort  uns  lehrt,  und  würden  daraus  auch  für  uns  nicht  besondere 
Früchte  reifen,  n")':*^:;  p^^  n'TT'  ~C1^B'3  "'D  denn  im  Heile  des  Ganzen  sollen 
auch  wir  das  eigene  finden. 

Gewiß  aber  auch  —  und  dieses  ist  die  nächste  Veranlassung  dieser 
wohlgemeinten  Zeilen  —  gewiß  aber  auch  habet  Ihr,  geliebte  Brüder  —  und 
wer  nicht  mit  Euch!  —  gewiß  habet  Ihr  bei  dem  Dank  und  Hoffnungsjubel 
der  Gesamtbevölkerung,  auch  unserer  jahrelangen  heißen  Wünsche,  auch 
uns  e  r  er  jahrelang  endlicher  Erfüllung  harrender  Hoffnungen  gedacht,  und 
in  den  heilverkündenden  Ereignissen  auch  die  Bürgschaft  der  nun  baldigen 
eigenen  Erhörung  begrüßt. 

Und  Euere  Hoffnungen  werden  gewiß  nicht  zu  Schanden  werden.  Unser 
vielgeliebter  Kaiser  wird  gewiß  nicht  so  viele  Tauseide  seiner  treuen,  mit 
gleicher  Liebe,  mit  gleicher  Hingebung  an  ihm  hangenden  Unterthanen  aus 
dem  allgemeinen  Dankesjubel  ausschließen  wollen,  nachdem  er  so  viele 
Millionen  mit  seiner  Vaterhuld  beglückt !  Er  wird  gewiß  nicht  so  vielen 
Tausenden  sein  gnädig  Ohr  verschließen  wollen,  nachdem  er  so  vieler 
Millionen  Bitten  erhört;  wird  unser  Loos  nicht  ferner  Schmerz  und  Trauer 
sein  lassen  wollen,  nachdem  er  Allen   die  Freude  und  den  Jubel  gespendet. 

Und  gewiß,  Euere  christlichen  Brüder  selbst  werden  mit  Euch  vereint 
Euere  Bitten  vor  den  erhabenen  Thron  Eures  gemeinsamen  Landesvaters 
bringen;  werden  ihr  Gefühl  für  Recht,  und  ihre  erleuchtete  Menschenliebe 
gerne  dadurch  bethätigen,  daß  sie  die  gleichberechtigten  Brüder  im  gemein- 
samen Vaterlande,  ifi  Euch  erkennen  wollen,  gerne  das  Heil  mit  Euch  theilen 
wollen,  das  der  Eine  Vater  im  Himmel  lür  Alle  spendet;  sie  werden  der 
eigenen  Freude  nicht  froh  sein  können,  so  sie  einen  Menschenbruder  noch 
im  Jammer  wissen. 

Sehet,  das  hoffe  ich  mit  Euch  zu  Gott,  hoffe  ich  von  dem  gerechten 
gnädigen  Herzen  unseres  erhabenen  Kaisers,   hoffe  ich  von  dem  Rechts-  und 


Liebessinn  unserer  Landesbrüder  und  was  nur  zur  Erreicnung  dieses  Zieles 
geschehen  kann,  geschehen  muß,  es  wird  sicherlich  von  Allen  geschehen,  die 
durch  Stellung  und  Einsicht  zu  solchem  Werk  berufen  sind;  es  wird  nichts 
versäumt  werden ;  mit  Kraft  und  Eifer,  aber  auch  mit  Besonnenheit  und  Ernst 
werden  sie  ihre  Pflicht  erfüllen,  und  auch  was  meine  geringen  Kräfte  ver- 
mögen, werde  ich  diesem  heiligen  Ziele  weihen. 

Aber  nur  ])})mr)  nnjl  n^lt:'^.  aber  nur  durch  Bescheidenheit  und  Ruhe 
kann  uns  geholfen  werden!  Nur  die  durch  Stellung  und  Einsicht  Berufenen 
wollet  Ihr  Euer  Wort,  da  wo  es  Noth  thut,  und  Früchte  tragen  kann,  führen 
lassen;  und  sie  werden  es  thun  mit  aller  Kraft,  die  die  Wahrheit,  und  aller 
Entschiedenheit,  die  das  Recht  und  mit  aller  Begeisterung,  die  das  Ziel  ver- 
leihet. Aber  auch  nur  sie  lasset  Euere  Sache  führen,  und  erwartet  den  Aus- 
gang mit  Zurückhaltung  und  Geduld.  In  Gottes  Händen  liegt  unser  Geschick, 
harren  wir,  wie  es  Juden  ziemt,  ruhig  seiner  Entscheidung. 

Das  haben  sich  gewiß  die  Besonnenen  unter  Euch  —  und  das  sind 
gewiß  die  Mehrzahl  —  das  haben  sich  die  Besonnenen  unter  Euch  gewiß 
schon  selbst  gesagt,  und  die  bedürfen  meines  Wortes  nicht.  Aber  es  könnte 
auch  sein,  daß  Unbedachtsamere,  Unbesonnenere,  Unbeständigere,  daß  vor  Allem 
die  leicht  die  Besonnenheit  verlierende  Jugend,  durch  die  allgemeine  Auf- 
regung hingerissen,  sich  zu  Worten  und  Handlungen  verleiten  ließen,  die  an 
sich  zu  tadeln  und  in  ihren  Folgen  höchst  verderblich  wären  Sie  könnten 
durch  vorwitzige,  unverständige  Ae  ßerungen,  durch  unbescheidenes,  vorlautes 
Benehmen,  den  Unwillen  ihrer  Landesbrüder  reizen;  sie  könnten  durch  Ver- 
anlassung von  Ordnungswidrigkeiten  und  Ungebühr  das  Mißfallen  der  hohen 
Behörden  auf  sich  ziehen  -  und  Ihr  wisset  ja,  wie  von  jeher  die  Tadels- 
würdigkeit des  einen  Juden  so  leicht  auf  alle  übertragen  '  worden  und  das 
Mißfallen,  das  einer  verdiente,  alle  büßen  mußten. 

Sehet,  da  könnten  Vorwitz,  Unbesonnenheit,  Unverstand  alles  ver- 
derben, und  dem  anzustrebenden  Werke  unübersteigliche  Hindernisse  in  den 
Weg  legen. 

Darum  beschwöre  ich  Euch,  geliebte  Brüder,  beschwöre  Euch  bei  Eurem 
und  unser  Aller  Heil,  wachet  über  Euch  und  Eure  Angehörigen!  Nur  ein  be- 
scheidenes Entgegenkommen  wird  das  Wohlwollen  Eurer  Landesbrüder  Euch 
gewinnen;  nur  bescheidene  Aeußerungen  über  Eure  jetzigen  und  künftigen 
Verhältnisse  im  Vaterlande  werden  Euere  Verständigkeit  bekunden;  nur  be- 
scheidene Ehrerbietung  und  unverbrüchlicher,  unverkürzter  Gehorsam  gegen 
alle  Eure  Vorgesetzten  und  Obrigkeiten  Euer  F^rlichtgefühl  und  Euern  Ord- 
nungMnn  bezeugen  und  nur  auf  solche  Weise  wollet  der  Zukunft  getrost 
entgegen  harren. 

Hoffen  wir  zu  Gott,  daß  Seine  Boten,  die  Erkenntniß  der  Wahrheit 
und  des  Rechtes  und  der  L-ebe  in  der  Brust  der  Menschen,  auch  unserem 
Heile  die  Bahn  ebnen  werden.  Nur  sie  sind  Waffen,  die  dem  Juden  ziemen. 
Nur  Gott  ist  sein  Panier! 

So  es  Sein  Wille  ist,  wird  Er  das  Herz  der  Fürsten  und  Völker  lenken, 
und  unsere  Vorstellungen  und  Bitten  mit  Erhörungen  gekrönt  werden  lassen. 
Und  hat  Se  n  heiliger  Wille  es  anders  beschlossen,  so  wollen  wir  auch  dann 
geduldig  ausharren,  bis  Seine  Waltung  auch  uns  zu  Freude  und  Jubel  ruft. 

Nur  lasset  uns  nicht  durch  eigenen  Unverstand  unsere  Zukunft  ver- 
scherzen! pvB'in  nn:i  -2)^2  durch  zurückhaltende  Bescheidenheit  und 
Ruhe  allein  kann  uns  geholfen  werden. 


Nikolsburg,  2,3.  März  1848. 


Der  Oberlandes-Rabbiner 
Hirsch. 


plastischer  Deutlichkeit  vor  meinem  geistigen  Auge.  Stuhl  und  Katheder  ver- 
schmähend, stand  Hirsch,  die  Hände  auf  dem  Rücken  gekreuzt,  vor  uns; 
seine  leuchtenden  Augen  schienen  auf  jeden  von  uns  gerichtet;  seine  Stimme, 
voll  sonoren  Wohllautes,  tönte  klar  und  vernehmlich  durch  den  großen  Raum,  der 
die  drei  Klassen  aufnahm :  "n:ipn  ^E'-in'?  Z2h  xin  iiB'x^  c^t'~~  rs"i  nr'^  nn  2'-;nn./ 
„Diese  Mondeserneuung  sei  euch  Anfang  von  Neumonden;  er  sei  euch  der 
erste  unter  den  Monaten  des  Jahres." 

Mit  diesem  Verse  wurde  die  Stunde  eingeleitet.  Um  uns  in  das  Ver- 
ständnis dieses  und  der  folgenden  Verse  einzuführen,  entrollte  Hirsch  uns  zu- 
nächst ein  grandioses  Bild  des  geistigen  Tiefstandes,  den  Israel  in  Aegypten  — 
dank  4fX)iähriger  Knechtschaft  —  eingenommen  hatte.  Was  wir  damals  nicht 
wissen  konnten,  inzwischen  haben  wir  es  erfahren,  daß  dies  Gemälde  kein 
Phantasieprodukt  war,  sondern  eine  geniale  Zusammenfassung  alles  dessen, 
was  im  jüdischen  Schrirtium  die  Tradition  uns  aus  dem  Leben  des  jüdischen 
Volkes  in  Aegypten  aufbewahrt  hat. 

Auf  der  to  gewonnenen  Grundlage  weiterbauend,  suchte  Hirsch  uns  die 
überragende  Bedeutung  des  Auszuge,  aus  Aegypten  für  die  historische  und 
geistige  Entwicklung  des  Judentums  klar  zu  legen.  Die  Bestimmungen  für  die 
Festsetzung  des  Neumondes  durch  die  Gesamtrepräsentanz  des  jüdischen 
Volkes  gaben  ihm  Gelegenheit,  uns  zu  zeigen,  wie  die  jüdischen  Festtage 
keine  Verherrlichung  alljährlich  wiederkehrender  Naturvorgänge  seien,  die  an 
irgend  welche  Erscheinungen  des  Sternenhimmels  sklavisch  gebunden  sind, 
sondern,  wie  schon  in  der  Art  der  Festsetzung  von  Neumond  und  Festtag  das 
freie  Verhältnis  zwischen  Gott  und  dem  Volke  Israel  zum  Ausdruck  komme. 

Die  Bedeutung  des  Cho  m  ez  verböte  s  für  Pesach  führte  zunächst 
zu  einer  ausgiebigen  Erörterung  der  Begriffe  l'reiheit  und  Knechtschaft.    Noch 


tönt  bei  der  Erinnerung  in  meinen  Ohren  jene  feurige  Dithyrambe  auf  die 
Freiheit,  die  wir  damals  zu  hören  bekamen  und  die  uns  heute  verständlicher 
ist  als  damals,  weil  wir  wissen,  daß  Hirsch  das  Sturmjabr  1848  als  praktischer 
Politiker  miterlebte.  In  wie  lichtvoller  Weise  wußte  er  uns  klarzumachen, 
daß  ein  Merkmal  vor  allem  zwischen  Herrn  und  K  nach t  unterscheide: 
die  freie  Verfügung  über  die  Zeit;  wie  der  gleiche  Unterschied  zwischen 
Chomez  und  Mazzoh  walte,  um  uns  fiir  alle  Zeiten  einzuprägen,  daß  Israel 
aus  der  ägyptischen  Knechtschaft  nur  erlöst  worden  sei,  um  ganz  in  den 
Dienst  seines  Schöpfers  zu  treten. 

In  dem  ganzen  Winter,  in  dem  wir  das  Glück  des  persönlichen  Unter- 
richtes durch  den  großen  Meister  genossen,  sind  wir  über  dieses  zwölfte 
Kapitel  des  zweiten  Buches  nicht  hinausgekommen;  aber  es  handelte  sich  ja 
hier  auch  nicht  um  eine  bloße  Texterklärung.  Der  Text  war  nur  die  Basis. 
auf  der  Hirsch  vor  unseren  Augen  das  Gebäude  des  Judentums  erstehen  ließ, 
uns  dabei  Ein-  und  Ausblicke  nach  allen  Seiten  eröffnend. 

Wohl  war  das  Ganze  kein  Unterricht  wie  er  sonst  diesen  Altersklassen 
erteilt  wird;  aber  ich  darf  uns  das  Zeugnis  ausstellen,  daß  wir  alles  tatui. 
um  diesen  Unterschied  auszugleichen.  Die  gespannteste  Aufmerksamkeit 
herrschte  \on  Beginn  bis  zum  Schlüsse  der  Stunde;  eine  Störung  dureh 
irgend  eine  disziplinwidrige  Handlung  wäre  gänzlich  undenkbar  gewesen. 

Dazu  kam  die  krystallne  Klarheit  des  Vortrages,  wie  sie  diesem  Meister 
der  Rede  bei  seiner  souveränen  Beherrschung  des  Stoffes  eigen  war. 

So  war  es  ein  wirklicher  Schmerz  für  uns,  als  Altersbeschwerden  und 
Krankheit  Samson  Raphael  Hirsch  zwangen,  seinen  Unterricht  an  der  Schule 
einzustellen.  Wir  verloren  ihn  als  Lehrer,  aber  wir  haben  ihn  seitdein 
wiedergefunden  als  —  Lehrer  für  ganz  Israel. 


-    26    - 


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Religionsphilosophisches  in  S.  R.  Hirsch's 
Kommentar  zum  Pentateuch. 

Von   Prof.    Dr.    Elias    Fink    in    Frankfurt   a.    M. 

Die  folo-enden  Zeilen  setzen  sich  zum  Ziele,  aus  dem 
Hauptwerke  des  jj;enialen  A\annes,  dessen  hundertster  Geburts- 
tag in  diesen  Blättern  «eieiert  wird,  die  Grundlinien  seiner 
Weltanschauung-  in  oedränjjter  Kürze  zusanuiien  zu  stellen. 
Für  den  modernen  Juden,  der  auf  dem  Boden  des  altüber- 
lieferten Glaubens  seiner  Väter  steht,  kann  es  nicht  ohne  Reiz 
sein  zu  sehen,  wie  ein  ebenso  jjelehrter,  wie  fein  ^^ebildeter 
Jüni^er  des  talmudischen  Judentums,  der  doch  Samson  Raphael 
Hirsch  unbestritten  (gewesen  ist,  die  \ielfach  umstrittene  Har- 
monie zwischen  Glauben  und  Wissen  herzustellen  verstanden 
hat.  Eine  liebevolle  Vertiefung  in  das  Studium  desrmn-Konnnen- 
tars  von  S.  R.  Hirsch  zeigt  aber  nicht  nur  dies,  sondern  sie 
wirkt  an  sich  auch  fruchtbringend  und  wird  den  Leser  selbst 
zu  dem  angedeuteten  Ausgleich  führen,  in  dem  er  im  Strudel 
der  \ on  anderswo  auf  ihn  eindringenden  mannigfachen  Lebens- 
anschauungen den  rocher  de  bronze  finden  wird,  der  ihm 
nimmer  wankende  Stütze  gewährt  und  ihn  mit  dem  stolzen 
Bewulksein  erfüllt,  selbst  den  neuesten  materialistischen  Be- 
hauptungen gegenüber  sieghaft  bleiben  zu  können.  Es  wäre 
niclit  zu  schwer,  an  der  Hand  dieses  coin-Kommentars  ein 
vollständiges  Svstem  der  jüdischen  Religionsphilosophie  zu 
entwickeln,  das  uns  eine  in  sich  geschlossene  Erkenntnis- 
theorie ebenso  gut  böte,  wie  eine  lückenlose  Kosmogonie 
und  eine  wohlbegründete  Ethik.  Leider  legt  der  hier  zuge- 
messene Raum  uns  grol.ie  Beschränkung  auf.  in  deren  Folge 
wir  auch  auf  jede  Kritik  \erzichten  müssen.  Unsere  Dar- 
stellung möchte  daher  nur  mehr  als  einfache  Sannulung  von 
Lesefrüchten  in  der  bezeichneten  Richtung  gelten. 

.An  die  Spitze  unserer  Erörterung  stellen  wir  die  grund- 
legende Lehre  von  dem  göttlichen  Ursprung  der  n^m  und 
ihrem  ewig  unabänderlichen  Charakter,  denn  dieses  Prinzip 
bestimnn  zugleich  die  Grenzen  alles  jüdischen  Philosophierens, 
das  niemals  die  l'ebereinstinmumg  mit  der  mm  einbülJen 
darf.  Für  die  Göttlichkeit  der  min  werden  zahlreiche  Beweis- 
gründe angeführt,  von  denen  wir  wenigstens  die  wichtigsten 
her\orheben  möchten.  Obenan  steht  hier  die  Tatsache,  dal.! 
wir  Juden  trotz  unserer  politischen  Ohnmacht,  nur  mit  der 
nrr  in  der  Hand,  einen  so  beispiellosen  Gang  durch  die 
Zeiten  haben  vollbringen  können,  L»er  heftige  Widerstand, 
den  .Moses"  Zeitgenossen  dem  Gesetz  entgegenstellten,  ist 
ein  ebenso  untrüglicher  Beweis  für  die  Wahrhaftigkeit  und 
Göttlichkeit  der  heiligen  Schrift  wie  die  Verwirklichung  des 
angekündigten  Zerstreuungsschicksals.  In  welch  fundamen- 
talem Gegensatze  das  Volk  ursprünglich  zu  dem  Gesetze 
stand,  beweist  doch  zur  Genüge  der  eine  Umstand,  daü  es 
nach  bloü  vierzigtägiger  Abwesenheit  nro's  sich  das  goldene 
Kalb  schuf:  wie  hätte  da  aus  seiner  eigenen  Mitte  als  zeit- 
genössisches Produkt  ein  Gesetz  hervorgehen  sollen,  in  dem 
das  Heidentum  so  tiefe  Verabscheuung  erfährt?  Und  von 
den  .Aeg>ptern  konnte  .Moses  auch  nichts  entlehnt  haben, 
denn  dann  hätte  er  doch  gewil.!  die  Priesterkaste  in  ihren 
Einkünften  nicht  abhängig  gemacht  von  dem  guten  Willen 
des  Einzelnen,  sondern  ihr  Grund  und  Boden,  sowie  festes 
Einkommen  gewährt.  Er  hätte  ferner  die  Beschädigung  von 
Tempelgütern,  für  die  die  min  nicht  einmal  Ersatz  vorschreibt, 
gewilj  mit  den  höchsten  Strafen  belegt  und  wohl  auch  die 
Lehre  von  der  Seelenwanderung  und  Erhaltung  des  Indivi- 
duums durch  Einbalsamieren  herübergenonmien,  während 
docii  nach  jüdischer  .Anschauung  gerade  umgekehrt  die  Seele 
xerharrt  und  der  Körper  wandert,  indem  er  zum  Staube 
zurückkehrt. 

Dal.i  aber  nrc  aus  sich  selbst  heraus  unmöglich  dem 
Volke  Gesetze  gegeben  haben  kann,  erkennt  man  aus  seinem 


Kraftmangel  und  seiner  beispiellosen  Bescheidenheit,  wie 
denn  auch  die  erste  staatliche  Einrichtung  des  jüdischen 
Volkes  und  ntt'o's  Bitte  um  den  Beistand  seines  Schwieger- 
vaters beweisen,  dalJ  er  eben  doch  nicht  wie  andere  Gesetz- 
geber bloß  ein  schlauer  Führer  war,  der  eine  aus  den  Bedürf- 
nissen seiner  Zeit  hervorgegangene  Gesetzgebung  ins  Werk 
setzte.  Seine  Verzweiflung  an  sich  selbst  und  der  anfängliche 
Zweifel  des  Volkes  an  seiner  Sendung,  die  Tatsache,  daü  es 
später  einen  solchen  Zug  durch  die  Wüste  unter  seiner 
Führung  mitgemacht  hat,  ja  für  die  niin  freudig  in  den  Tod 
gegangen  ist,  dies  alles  kann  nur  aus  der  Erkenntnis  ge- 
schehen sein,  daß  die  n^'tr^  unmittelbares  Gotteswerk  ist. 
Institutionen  wie  die  des  n::*L:'  oder  des  S^v-Jahres  wären  als 
auf  menschlicher  Anordnung  beruhend  geradezu  Verbrechen, 
wie  es  unsere  Weisen  mit  den  Worten  ausdrücken: 
nn^D  r"n  n^a-tr  'i.  Moses  wäre  überhaupt  s.  v.  v.  ein  großer  Tor 
gewesen,  wenn  er  ein  Gesetz  gegeben,  von  dem  er  sich  selbst 
bewußt  war,  daß  es  auch  nach  Jahrhunderten  noch  nicht  ins 
Volk  gedrungen  sein  werde,  und  als  dessen  Garanten  Hinmiel 
und  Erde  angerufen  hätte.  Als  dn'-i::,  als  Gottesschöpfung 
mitten  in  der  A'\enschengeschichte  aufgestellt,  verliert  die 
Sendung  Moses'  alles  Widersinnige.  Sie  ist  als  solche  einzig 
in  ihrer  Art  und  kann  mit  nichts  \erglichen  werden,  was 
sonst  unter  den  Völkern  als  Religion  oder  Gesetz  entstanden 
ist.  -Aber  auch  über  jede  Art  von  Prophetie  ist  sie  hoch  er- 
haben, wie  wir  dies  noch  weiter  unten  sehen  werden. 

Diese  unsere  göttliche  min  hat  nun  aber  keineswegs 
den  Zweck  im  Auge,  uns  eine  A\etaph\sik  zu  geben,  um 
uns  Gott  erkennen  zu  lehren,  \ielmelir  will  sie  uns  bloß  in 
der  irdischen  Welt  orientieren  und  uns  zeigen,  wie  wir  diese  und 
uns  aus  Gott  verstehen  können.  Daher  lehrt  sie  die  E'nsterb- 
lichkeit  der  Seele  so  wenig  wie  das  Dasein  Gottes  mit  aus- 
drücklichen Worten.  Wohl  aber  zeigt  sie  uns  -  -  und  das 
ist  zugleich  die  Basis  der  ganzen  Gesetzgebung  am  Sinai  - 
Gott  als  den  Lenker  unserer  Geschicke  und  den  Leiter  un- 
serer Handlungen.  In  freier  Unterordnung  unter  das  Qottes- 
gesetz  sollen  die  A'lenschen  den  Charakter  ihrer  höheren 
Gattung  verwirklichen,  denn  der  große  Zweck,  den  Gott  mit 
der  Schöpfung  hat  erreichen  wollen,  wird  nur  erzielt,  wenn 
jeder  das  Gesetz  erfüllt,  das  Gott  ihm  gegeben  hat. 

Dieses  Ziel  der  Schöpfung  ist  auch  ein  wesentlicher 
Punkt  in  der  Aufstellung  des  jüdischen  Gottesbegriffes.  Er 
wird  nämlich  nicht  erschöpft  durch  das  .Attribut  des  Er- 
schaffens  der  Welt  und  des  in  ihr  nach  unabänderlichen  Ge- 
setzen verlaufenden  Geschehens,  sondern  Hauptmoment  dieses 
Begriffes  ist  das  ^'n.x,  worin  die  freie  Herrschaft  über  die  Ge- 
staltung der  Zukunft  zum  Ausdruck  gelangt.  Zu  ihrer  Ver- 
wirklichung hat  Gott  das  persönliche,  absolute,  freie  Wesen, 
den  willensfreien  Menschen  als  AVuarbeiter  geschaffen.  Dem 
jüdischen  Gottesbegriffe  gemäß  ist  Gott  freier  Herr  über  sein 
Werk,  das  ihm  also  niemals  über  den  Kopf  wachsen  kann. 
Denkmal  der  Schöpfung  ist  daher  nicht  sowohl  diese  selbst, 
als  vielmehr  ihr  .Aufhören  am  r:r.  Er  ist  demnach  ein 
Grundpfeiler  unserer  religiösen  .Anschauung  und  seine  strenge 
Feier  eines  unserer  wichtigsten  S\  nibole.  Dieser  bedarf  Gott, 
um  den  Menschen  das  \on  ihm  geforderte  Menschliclie  zu 
vergegenwärtigen,  nicht  aber  um  ihm  etwas  Göttliches  zu 
demonstrieren,  denn  Gott  anschauen  sollen  wir  ausschließlich 
in  seinen  Werken,  nicht  in  einem  Bilde.  Zum  Bewußtsein 
der  Gottesgegenwart  sollen  wir  lediglich  durch  den  Segen 
des  irdischen  Daseins  gelangen,  durcli  die  ganze  Gestaltung 
des  inneren  und  äußeren  Lebens,  wie  es  angedeutet  ist  in  den 
Worten :  -"nri^i  •^'ba  n"i::n  "s:"*  nx  i'rTN  ^rN  oipon  ^22 .  Des 
Menschen  Sorge  soll  daher  nicht  die  Gestaltung  seines  Ge- 
schickes sein,  sondern  nur  die  seiner  Taten.  Gott  zu  be- 
greifen ist  dem  AAenschen  weder  als  .Aufgabe  gestellt  noch 
überhaupt  möglich.  Die  äußerste  Grenze,  die  in  dieser  Hin- 
sicht  ein   Mensch    hat   erreichen   dürfen,   und    auch   nur  ein 


28 


Moses,  wird  gekennzeichnet  durch  das  "^y  "Die;  b:  i'2j?x  ^:n 
TJE  (mcc  Cap.  33,  12-23).  Hiermit  wurde  ilini  die  An- 
schauung der  Einlieit  Gottes  in  der  Mannigialtijjkeit  seines 
W'altens  zuteil,  wie  sich  die  einlieitliclie  Ciiite  Gottes  in  der 
.Wanniji^taltigkeit  xon  D't:n-i  und  -y:-  offenbart,  und  damit 
ein  Einblick  in  das  Indixiduelle  der  ji;öttlichen  Eiilirun,ü:.  von 
wo  aus  die  Ersciieinung  des  iS  y-n  ■p'n-i  und  des  ^b  ::iDi  y^-i 
kein  Rätsel  mehr  ist.  das  es  nur  für  den  bleibt,  dem  die  tiefe 
Einsiciit  in  die  Indixidualität  des  Mensclien  abgeht.  Der  ein- 
zig riclitige  Standpunkt  für  die  Beurteilung  alles  Mensch- 
lichen ist  eben  der  'pn  Dipc,  d.  h.  aus  der  Lott  nahen  Höhe 
alles  .Wensciiliche  zu  würdigen  und  zu  versteuen,  nicht  um- 
gekehrt. \om  niederen  Standpunkte  des  Menschen  die  An- 
schauung Gottes  und  des  Göttlichen  zu  gewinnen.  Gott  ist 
das  einzige  absolut  Gegebene,  weder  plastisch  noch  speku- 
lativ hat  die  Menschheit  sich  ihren  Gott  erst  zu  schaffen. 
Der  Mensch  soll  nicht  \-on  sich  aus  seinen  Gott,  sondern  von 
Gott  aus  sich  begreifen,  in  Gottes  ewigem  Sein  wurzelt 
unser  zeitliches  Dasein,  aus  seinem  persönlichen  freien  Willen 
und  seiner  freien  schöpferischen  Macht  stannnt  unsere  Erei- 
heit.  unsere  l^ersönlichkeit.  unser  sittlich-freies  Wollen  und 
Tun.  Er  erblickt  in  unserem  gesegneten  Gedeihen  und  in  der 
Blüte  unserer  sittlichen  Vollendung  die  \  erwirklichung  seines 
Willens  und  für  dieses  Ziel  unseres  Daseins  regelt  er  unser 
Tun  und  lenkt  er  unser  Geschick.  ..Ewiger"  kann  den  Gottes- 
begriff nicht  zum  \<*lien  .Ausdruck  bringen,  denn  '~  bedeutet 
Seinsspender,  der  auch  bei  \erscherzter  Vergangenheit  jeden 
.Augenblick  bereit  ist.  aus  der  Eülle  seiner  allmächtigen  I-Jarm- 
herzigkeit  neues  Dasein  zu  \erieilien.  In  die  Entwicklung, 
die  er  als  c--~>s  auf  Gesetz  und  Ordnung  gestellt  hat.  greift 
er  ein  unil  leitet  sie  seinem  Ziele  der  A\enschenerziehung 
gemäli.  Zwei  Eaktoren  gestalten  demnach  die  Entwickeking 
der  Welt:  die  in  der  ursprünglichen  Schr»pfung  gegebene 
gesetzmällige  phxsische  Ordiunig  und  die  mit  Rücksicht  auf 
das  sittliche  Verhalten  des  .Wenschen  dieser  Entw  icklung  ge- 
gebene göttliche  Leitung.  Die  ph\sisclie  Weltordninig  läl.lt 
sich  allerdings  der  l^etrachtung  \on  Himmel  und  Erde  ab- 
lauschen, die  sittliche  Weltordnung  aber.  d.  h.  Gottes  Walten 
in  der  Geschichte  lehrt  erst  die  Offenbarung  des  Namens  '-. 

[)ie  Identität  Gottes  in  der  Natur  inid  in  der  Geschichte 
zieht  sich  ilurch  die  ganze  Gottesielire  hindurch.  Gott,  der 
das  Gesetz  gegeben  hat.  gibt  auch  die  dessen  Erfüilimg  be- 
dingende Nahrung,  und  imigekehrt.  V.r.  der  die  Nahrung  zum 
Leben  spendet,  hat  auch  das  Gesetz  gegeben,  das  die  Ver- 
wendung dieses  i,ebens  bestimmt.  Dieser  jedem  Dualisnuis 
in  unserem  Gottesbegriffe  so  streng  ablioUlc  A\onismus  wird 
keineswegs  gesK'irt  durch  den  Plural  in  den  .Attributen  inui 
Prädikaten,  die  sicli  auf  Gott  beziehen,  wie  in  "^i:  l:::^  "r 
cp'i'N-  r'iN  oder  in  :z:'r--'p  ^"p'^N  "'^  ^r.sv  deiui  er  entstammt 
der  Pluralität  im  ( iottesbegriffe  nichtiüdischer  Kreise,  auf  die 
alle  jene  Stellen  hinblicken.  tun  datlurch  zti  betonen,  dal.! 
unser  Gott  in  seiner  .Alieinheit  und  Allmacht  wirklich  das 
ist,  was  die  pol\  llieistische  Weltanschaiumg  \on  ihren  \ielen 
Göttern  träumt,  l 'nseren  Gottesbegriff  aber  \erLlanken  wir 
der  uns  zuteil  gewordenen  Offenbartmg. 

Wenn  diese  uns  heine  als  ein  {«Jätsel.  ja  als  ein  Winider 
erscheim,  so  ist  dies  blol.l  die  Eolge  der  Verschiebimg  des  ■ 
Verhältnisses,  das  ursprünglich  zwischen  Gott  und  .Wensch- 
heit  bestanden  hat.  Das  so  zu  sagen  Natingemäiie  war  der 
innige  Verkehr  Gottes  mit  den  A\ensclien.  der  jetzt  inis  als 
Ausnahmezustanel  erscheint,  wie  es  die  Weisen  mit  dem 
Worte  ausdrücken  nz-rrr-.-i  nyzz'  -^p"!;.  Eolge  und  Ziel 
unserer  n-.-ri  soll  eben  die  W  iederlierstelliuig  des  alten  Ver- 
hältnisses sein  und  die  Sendung  der  Propheten  hat  so  wenig 
l  lebernatürliches  an  sich  wie  jener  .Augenblick,  wo  am  Sinai 
das  ganze  Volk  zu  gehobenen  i^ropheten  geworden.  Solche 
vorübergehende  .Momente  der  i^ückkehr  zum  msprüngliclien 
natürlichen  Zustande  hatte  eben  die  Kraft   der   rn^r    bewirkt. 


Nicht  in  besonderer  Ekstase  und  Verzückung  ist  die  Gottes- 
nälie  zu  suchen,  sondern  mitten  in  unserem  irdischen  Leben, 
sofern  es  sich  auf  seiner  sittlichen  Höhe  hält  (cnp  -jaro  n\-i). 
Das  Wie  eines  solchen  Verkehrs,  wie  also  Gott  zu  Menschen 
gesprochen  hat,   bleibt  uns   freilich    ein    ewiges  Rätsel,    wie 
denn  Sprache  überhaupt  uns  eigentlich  rätselhaft  bleibt.  Keines- 
falls ist  aber  Offenbarung  etwa  blolies  Erzeugnis  der  mensch- 
lichen Phantasie,  denn  Gott  spricht  nicht  in  dem  Propheten, 
sondern  er  tritt  aus  seiner  l  insichtbarkeit  heraus  und  spricht 
zu  ihm.    In  die  Alodalität  einer  prophetischen  Offenbarung 
können  wir  allerdings  nicht  eindringen,  aber  sie  gehört  jeden- 
falls  nicht  in    die    Kategorie    der  Schwärmerei,   wird    auch 
nicht  durch    die  Vorstufe   des   m-ni:r-  d.  i.  räumlicher   und 
geistiger  Vereinsamung  gewonnen,   sondern   das  frisch   pul- 
sierende,  gottgeweihte    Leben   erlangt  die  Gottesnälie.    wie 
es  auch  die  Weisen  ausdrücken,  wenn  sie(3()b  12h)  sagen: 
pi-'c  ~")nc  n'ii  m^^y  "iro  nSi  mV^ry  "ino  x':»  rmr  n;"rr-  ;\s> 
~'~'2  _vS-S.s-  nr'Vi:::   n::'-i3ni   -n-j*   -inc   n'^it  tni  mSp  -inc  nSi 
nv.it:  Sr  ,-ircr  d.  h.   nicht   Schlaffheit   oder  Trübsinn,    nicht 
Ausgelassenheit.    Leichtsinn    oder   Tändelei,    sondern    -^:ic- 
Ereude  bringt  den  Gottesgeist  auf  den  Mensclien.    Auch  auf 
der   niederen    Stufe   der  Prophetie,  die  durch  i::  -irnvs-  — ■•,')n2 
gekeimzeichnet  wird,  ist   der   Traum    nur   ein    Medium    der 
.Mitteilung  an  den  .Mensclien,   denn    "ly   n^s   r.^ir  -yzz--  ;'n 
v;yi  n:r-  i-ry  -\^2:  Gott  wählt  zu  seinem  Organ   nur  einen 
starken,  reichen,  weisen  unti  besciieidenen  Menschen,  damit 
nicht  krankhafte  Halluzination  für  Gottesgesiclit  ausgegeben 
werde.    Nur  ein  unabhängiger,   für  sich  selbst  nichts  erstre- 
bender Mensch  vermag  die  Dinge   in  jener  reinen  Objekti- 
vität zu  verstellen,  die  der  Botschaft  Gottes  entspricht,  nur 
ein  zur  \ollendung  gereifter  Geist  \erstelit  das  Wort  Gottes 
zu  fassen  und  wiederzugeben.     Dies  liegt  aber  weit  ab  \  on 
allem    Visionären.    I^raktische    Klarheit   ist   der   Zustand,   in 
dem  z.  B.  .Abraham  n"2:  wird,  was  gar   nicht  Upo-zy-  ,,V(,r- 
liersager"  bedeutet,  auch  nichts  mit  Vision   und   Dichten  zu 
tun  hat,   sondern   es    bedeutet   wesentlich  Gottes  Organ    zu 
dem.  aber  nicht  aus  dem  Gott  spriclit.  um  sein  Wort  weiter 
zu  tragen.    So  zeigt  auch  das  ganze  Verhalten  rrc's,  nament- 
lich seine  Verzweiflung  an  sich  selbst,   dal.l  tlie  rmr   durch 
ihn.  aber  nicht  aus  ihm  ist.    Er  behält  seine  xolle  Selbstän- 
digkeit   und    seine    ungeschmälerte  Willensfreiheit,    weshalb 
ja  auch  unsere  Weisen  sagen  --ryr  p-l:'.:^  nrrr  --n-  nS  nr^i^iy"! 
womit  sie  zum  .Ausdrucke  bringen,  daii  das  Menschliche  im 
Menschen  bei  einem  solchen  Vorgange  nie  xöllig  geschwun- 
den und  zum  willenlosen  Werkzeug  iles  Göttlichen  gewor- 
den ist.     KiMinen  wir  auch  nichts  Positixes  über  die  .Art  und 
Weise  des  n^:::-  oder  np.-  r-n-Zustandes  aussagen,  so  wissen 
wir  doch  jedenfalls,  was   er   nicht   ist.     Die  Vorstellung,   dail 
Gott  nur  in  dem  Propheten,  nicht  aber  zu    ihm  spricht,   ist 
ebenso  unjüilisch  wie  die,  dal.l  durch   ein  Gotteswunder  den 
Einfältigen    plötzlich   Prophetengabe    \erlielien    wertle,    denn 
_.,-_  ,p.,.  ^;,  _,,,  L,,  ^L,,.    i^jij.   j^i^    iiiaclit   Gott   zum   Ge- 
fälle g(")ttliclier  Weisheit,   der    bereits  die  natürliche  mensch- 
liche Weisheit  aus  sich  entwickelt  hat.    Der  Geist  der  Pro- 
phetie kommt  auf   den  A\ensclien,    ruht    auf    ihm,    ist    also 
etwas,    das  \on  aiil.len    kommend    den    Propheten    über   das 
Ni\eaii    des  Normalmenschiichen    liinaushebt.     Der   "i-i    hin- 
gegen ist  blol.l   eine  Vermelirung  des   geistigen    Innern,    und 
was  infolge  solcher  Erregung  geschieht,   geht   nicht   hinaus 
über  das  normale   Mail   menschlicher   E'ähigheit.   bleibt   \iel- 
iiielir    .Menschentat    und    Mensclienwort,    nur   getragen    und 
gehoben  xon  besonderer  geistiger  P)egabuiig. 

Dieses  führt  uns  zur  I-Jetraclitung  des  Wesens  des 
A\ensclien,  seiner  Seele  und  seiner  E'ähigheit  des  Erkennens. 
Vor  allem  ist  die  Doppelseite  \on  Körper  und  Geist  zu  be- 
tonen. Was  Gott  \()n  der  Erde  zum  A'lenschen  bildete,  ist 
irden  und  xerfälll,  das  eigenllicli  Lebendige  im  Menschen 
entnahm  er  aber  nicht  der  Erde,  das  ist  vielmehr  Hauch  xon 


29 


Gott,  und  hierin  lie,u"t  die  jjanze  QröLie  des  Mensclien,  seine 
Freiiieit.  seine  l  nsterbliclikeit.  Beim  Tiere  liaftet  die  leben- 
dijje  lndi\idualität  an  dem  irdischen  Stoffe,  der  nicht  anders 
der  Erde  entstammt,  als  die  Tierseele.  Beim  A'\enschen  da- 
j^e.fjen  ist  nicht  nur  der  Geist,  sondern  auch  die  Lebenskraft 
etwas  höheres  als  beim  Tier,  in  dem  Geist  haftet  seine 
Seele,  scheidet  der  Geist,  so  wird  das  Lebendi^^e  nicht  mit- 
ein.tiesarot.  denn  es  haftet  an  dem  unsterblichen  Geist.  Was 
das  Tier  tötet,  tötet  nicht  immer  auch  den  Menschen,  denn  i 
seine  Gesundheit  ist  nicht  vom  Leibe  allein  abhän^ijj.  rr^  ümn 
ht'2  i;  will  saji'en.  es  g\b{  im  Menschen  etwas,  was  sich 
aller  Berechnung'  entzieht,  er  kann  aucii  durch  den  Geist 
lebendifj  bleiben,  denn  der  Geist  träjjt  ebenfalls  das  Leben. 
Von  den  zwei  im  Menschen  vereinigten  Elementen,  jo  ■'Sy  t 
nc-ixn  und  Dinner:,  «gehört  jenes  dem  Gebiete  der  Unfreiheit  ; 
und  des  physischen  Zwanges  an.  während  dieses  ihn  über 
alle  zwingende  Notwendigkeit  hinwegliebt.  ihn  frei  macht 
und  auch  den  Leib  in  den  Bereich  der  Freiheit  emporträgt. 
Wie  nämlich  Gott  frei  über  seine  Welt  gebietet,  so  hat  er 
auch  dem  Menschen  einen  Funken  seines  freien  Willens  ein- 
gehaucht und  ihm  die  Freiheit  über  seine  kleine  Welt,  über 
seinen  Leib  und  dessen  Kräfte  \erliehen.  Bei  allen  seinen 
A\ängeln  hat  der  Mensch  doch  die  Fähigkeit,  in  höchster 
sittlicher  Vollkonnnenheit  den  ihm  vom  Schöpfer  xorgesteckten 
Ideale  zu  entsprechen,  wobei  die  Möglichkeit  des  Fehlens 
mit  zur  sittlichen  Vollendung  gehört,  da  sie  die  Grund- 
bedingung aller  sittliciien  Freiheit  ist.  Dieser  Gedanke  ist 
die  Grundlage  aller  jüdischen  l  leberzeugung,  die  auch  durch 
das  weite  Gebiet  der  vielxerzweigten  nNOiD-Gesetze  ihren 
Ausdruck  findet.  Es  würde  zu  weit  führen,  so  verlockend 
es  auch  ist,  dieses  hier  durch  eine  Analyse  der  betreffenden 
Vorschriften  im  einzelnen  nachzuweisen,  wir  müssen  uns  auf 
die  Bemerkung  beschränken,  dal.i  die  nxoiD-Gesetze  das 
Bewußtsein  xon  dem  persönlich  freien  Gotte  und  dem  sittlich 
freien  .Menschen  ungetrübt  zu  erhalten  bestinmit  sind,  in 
gleicher  Richtung  sollen  auch  die  Bestinmiungen  über  die 
pmcN  nbrxc  wirken,  die  als  t:'S2  '{ipr:?  die  freie  Energie  zu 
sittlich  freier  Selbstbestinmumg  in  uns  lähmen  könnten.  Der 
Mensch  soll  mitten  in  einer  Welt  gebundener  Kräfte  und 
A\ächte  kraft  der  ihm  \erliehenen  Freiheit  über  sie  alle 
emporragen  und  sie  beiierrschen.  In  jedem  ]2ip  und  'it\ 
in  jeder  Selbstxerurteilung  soll  die  Erkenntnis  an  den  Tag 
gelegt  werden,  dali  wir  anders  hätten  handeln  sollen  und 
können,  also  die  Anerkennung  der  sittlichen  Freiheit.  Auch 
die  normaler  Weise  eintretenden  nwciD  sollen  das  Bewul.it- 
sein  wecken,  dali  trotz  der  plixsiologischen  Gebundenheit 
die  sittliche  Freiheit  uns  von  Gott  gewährleistet  ist.  Aber 
persönliche  Freiheit  ohne  Gesetz  ist  nichtig,  sie  schlägt  zuletzt 
in  unheilvolle  Willkür  um.  Es  gehört  schon  die  ganze 
Mannesarbeit  an  sich  selbst  dazu,  um  die  Fesseln  der  Be- 
gierden und  Leidenschaften  zu  brechen,  die  den  Menschen 
zum  Skla\en  der  Sinnlichkeit  machen.  Erst  wenn  der  Mensch 
in  seinem  sittlichen  Wollen  keinen  Kampf  mehr  zu  bestehen 
hat,  dann  hat  er  die  Stufe  der  Heiligkeit  erklommen,  den 
höchsten  Grad  sittlicher  Freiheit,  der  im  eigentlichsten  Sinne 
allerdings  nur  Gott  eignet. 

Wie  wir  xon  ihm.  der  durch  keine  Sinne  wahrnehmbar 
ist.  die  unmittelbare  Gewiliheit  in  uns  tragen,  so  sind  wir 
uns  auch  der  indi\iduellen  Realität  der  Seele  ohne  sinnliche 
Wahrnehmung  unmittelbar  gewllj.  Sie  ist  die  innere  Ursache 
cier  Bewegung,  sie  macht  als  wb:.  Wille,  den  Menschen  zur 
Rersönlichkeit  Vom  Stoffe  durchaus  getrennt,  ist  sie  das 
jedem  Lebendigen  innewohnende  I  infal.ibare,  das  Bleibende 
im  Wechsel  des  Stoffes  und  nicht  etwa,  wie  der  Materialis- 
mus behauptet,  ein  blol.ies  Accidens  des  Stoffes,  denn  dann 
müLite  ia  mit  dem  Stoffwechsel  die  Identität  des  Individuums 
und  der  Persönlichkeit  schwinden.  Das  Pjeharren  der  Ein- 
drücke beweist  vielmehr  das  Vorhandensein  eines  Bleibenden. 


das  die  Eindrücke  festhält,    worin  sich    eben  die  Kontinuität 
des  Individuums  vollzieht. 

Sinnlicher  Repräsentant  der  Seele  ist  das  Blut,  durch 
das  die  Seele  den  Leib  beherrscht,  und  deshalb  tritt  es  im 
Opfer  als  S\inbol  der  Menschenseele  auf,  wie  es  von  ihm 
|N-ip"i  17,1!)  heil.it  ^sr"'  Z'nz  Nin  Din  T  „denn  das  Blut  be- 
deutet: mit  der  Seele  erwirkt  man  Sühne".  Der  Satz  (ona-i 
12,  23)  t:'£2n  Nin  onn  t  will  auch  nur  sagen:  Das  Blut  ist 
die  körperliche  Vergegenwärtigung  der  Seele.  Das  Blut  ist 
aber  nicht  die  Seele  selbst,  denn  getrennt  vom  Blute  lebt 
die  Seele  im  Körper.  Beim  Tiere  steht  das  Blut  mit  der 
Seele  in  organischer  Verbindung,  beim  Menschen  aber  ist  es 
der  Seele  Untertan,  die  mittels  seiner  als  empfindende,  er- 
kennende oder  wollende  Seele  Nerven  und  Muskeln  regiert. 
Um  diese  Herrschaft  nach  dem  göttlichen  Willen  zu  üben, 
mul.)  die  Seele  ihrerseits  sich  dem  göttlichen  Gesetze  unter- 
ordnen, wodurch  das  menschliche  Leben  sich  im  Dienste 
Gottes  vollzieht,  so  dal.i  es  nur  der  Wille  Gottes  ist,  den 
der  Wille  des  Menschen  in  sittlich  freier  Energie  \erw irkliclit. 

Aber  auch  unsere  Erkenntnis  der  Dinge  wurzelt  in 
Gott.  Das  wahre  Wesen  der  Dinge  können  wir  mit  den 
uns  zugemessenen  Seelenkräften  nie  vollständig  erfassen. 
Das,  was  wir  ein  Objekt  nennen,  ist  nur  die  Erscheinung 
des  Gegenstandes  vom  Standpunkte  des  Subjektes,  auf  das 
eine  Wirkung  von  jenem  ausgegangen  ist,  nicht  aber  das 
Ding  an  sich.  Nur  die  Wirkungen  sind  die  Vermittler  der 
Erkenntnis.  Ihr  sind  daher  nur  zwei  grolie  Forschungs- 
gebiete zugänglich:  Geschichte  seit  Erschaffung  der  Welt 
und  die  geschaffenen  Dinge.  .Mies,  was  vorder  Schöpfung 
oder  jenseits  des  Irdischen  liegt  wizb  r,c  n^i2b  nc  -h]}Vih  no 
■nnvsS  HD  ist  ihr  versagt.  Innerhalb  dieser  Grenzen  aber  ist 
die  Erkenntnis  von  Geschichte  und  Natur  nicht  nur  gestattet, 
sondern  sogar  wünschenswert,  weil  dann  die  jüdische  Welt- 
anschauung in  ihrer  vollen  Harmonie  erst  reclit  klar  hervor- 
tritt, so  dal.)  „Gott"  und  „göttliches  Walten"  nicht  bloß 
geglaubt,  sondern  gewul.it  werden.  Wesen  und  Bestimmung 
der  Dinge  sind  etwas  Gegebenes,  nicht  erst  vom  Menschen 
Geschaffenes,  denn  seine  ganze  Weisheit  besteht  im  Grunde 
darin,  dali  er  den  Dingen  Namen  geben,  also  ihren  Begriff 
bilden  und  aussprechen  kann.  Wer  nun  die  Erkenntnis 
entnimmt  \on  Demjenigen,  der  den  Dingen  Wesen  und 
Bestinmiung  erteilt  hat.  der  ist  in  Wahrheit  orn,  und 
darum  ist  -^^■rr[  ncrn  die  höchste  Einsicht.  Sein  und  Wirken 
im  ganzen  Weltall  ist  nur  Gottes  Gedanke  und  Botschaft. 
Alle  Wissenschaft  sucht  nur  diese  Gottesgedanken  abzu- 
lauschen. Die  geistigen  Bestrebungen  des  Erkennens  und 
Wollens,  die  sich  auf  die  sinnliche  Welt  beziehen,  müssen 
ihren  Ausgangspunkt  und  ihr  Ziel  finden  in  dem  zu  Gott 
emporstrebenden  Geist  des  Erkennens  und  Wollens,  wie 
dies  s\ mbolisch  durch  die  miic  im  Heiligtum  zum  Ausdruck 
kam.  Der  dort  gepflegte'  Geist  der  Gotteserkenntnis  ist 
durchaus  kein  rein  abstrakter,  sondern  er  findet  seine 
volle  Betätigung  in  der  auf  die  Erkenntnis  der  Welt  ge- 
richteten Bestrebungen.  Wenn  wir  trotzdem  theoretische 
Erkenntnis  und  praktischen  Willen  unterscheiden,  so  ist  dies 
bloß  unsere  eigenste  .Abstraktion,  denn  alle  Erkenntnis  hat 
nur  Wert,  wenn  sie  auf  das  Vollbringen  des  Guten  hinzielt, 
das  wiederum  seinen  Wert  nur  aus  der  Erkenntnis  des 
Wahren  schöpft.  Gemeinsame  Wurzel  beider  ist  'n  hnt 
die  zugleich  höchste  Er  k  enntnis  und  höchste  Sittlich- 
keit bringt.  Dieser  höchste  Grad  der  sittlichen  Freiheit  ist 
Heiligkeit,  nämlich  jene  Stufe  des  sittlichen  Wollens,  auf  der 
kein  Kampf  mehr  zu  bestehen  ist,  weil  unter  .Aufhebung 
aller  Subjektivität  der  menschliche  Wille  vollständig  in  den 
ausgesprochenen  göttlichen  Willen  aufgeht,  und  das  ist 
zugleich  das  höchste  Ideal.  Der  Menschengeist  kann  auf 
Erden  als  höchstes  Ziel  nur  das  erreichen,  die  Erde  und 
alles  Irdische  vom  göttlichen  Standpunkte   aus  zu   schauen. 


,30     - 


nicht  etwa  Gott  selbst  /u  sehen.  Zu  diesem  Ideale  hin 
treibt  die  ^anze  Alenschenentwickelunji',  zu  jener  Stufe,  auf 
der  die  Heilij^^un«:  des  Qottesgesetzes  das  '^i\.nze  Leben 
durchdrinjj;t  und  der  Tod  von  der  Erde  ;j:esch\vunden  ist, 
weil  das  Ideal  seine  Verwirklicliunj(  jjefunden  hat. 

Hieraus  erjjeben  sich  dann  die  Qrundzüge  einer  jüdischen 
Ethik.    Nicht  unsere  ei^jene  Idee  darf  uns   bei    unserem  Tun 
und    Lassen    vorschweben,   sondern    nur  der  Gottes^^edanke  ' 
und  das  Gottesjjebot.    Freiheit  im  Geiiorsam  und  Gehorsam 
in  der  Freiheit  sind  die  beiden  ciiarakteristischen  Merkmale 
jüdischen  Tuns    und    diese   j^^ewähren    uns    ..Glückseliw-keit". 
Einem    solchen   pflichtj^etreuen  Leben  (gegenüber  \erliert  das 
alte    Rätsel     des    iV  2^^)  t^i  ^b  y-n  pn:i    seine    '^mr/x    Be- 
deutunj{.   denn    unserem    besciiränktem    Erkenntnisvermögen 
entzieht  sich  das  zutreffende  Urteil  über  das  Indixiduelle  des 
göttliciien  Waltens,   wir  vermögen  ja  kaum  zu  einer  \ollen  1 
Erkenntnis  des  Generellen  vorzuschreiten,    linsere  Wertung  i 
des  p-^ii"  und  j?ri  ist  sowenig  maßgebend  wie  unsere  Beurteilung  ! 
des  v^  und  zr^:.  Es  konnnt  hinzu,  dal.i  nd-''^  ic:bv  'ft'z  hkc  idb', 
daU  diese  Welt  nicht  eine  Welt  des  l^flichtenlohnes  ist.    iJer 
Gute   hat   schon    eine   hiniedige    l  histerbliclikeit    durch  sein 
Fortleben  in  seinen  .Nachkommen,  die  die  sittliciien  .Anlagen 
zum  Guten   und  den  Lohn  seiner  Tugenden  \on  ihm  erben, 
während  des  B()sen  .Xaciikommenschaft  erlisciit.  vienn  sie  in 
seinen  Wegen  fortwandelt.    [Jas  höchste,  einzige  Gute 
ist  jene  Menschenbestimmung.  die  in  den  Räumen  des  Gottes- 
iieiügtums  durch  die  Einriclitung  seines  i^'n,   Sr\-i  und  -i-^-i 
zur  anschaulichen  Darstellung  gelangte  und  die  rechte  Wür-  ' 
digung   des   wahren  Glückes   des  .Wensclien    lehrte.     Diese 
Glückseligkeit    ist    nicht    etwa    nur    uns   Juden    zugänglich, 
sondern  Jedem,   der  seine  Welt-  und  Lebensanschauung  aus  i 
der  n-iir  schöpft  und  durch  Erfüllung  ihrer  c"e£m  D*pin  sich  \ 
zur  Höhe  reinen  .Wenschentums  erhebt,  die  durch  ihre  Gottes- 
nälie  die  höchste  Glückseligkeit  gewährt.   Diese  n^-p^^N  r.2-^~, 
erstrebt   jeder   2^^1:12   durch   sein  '2--.    wie  es  dieser  Begriff 
im  strengsten  Sinne  ausdrückt,  und  dali  sie  jedem  .WenscJien 
ohne  Unterschied  erreichbar  ist,  betonen  auch  imsere  Weisen,  | 
indem  sie  sagen  ;nrr  ni-  "in  -'-pr.  ^n  -u'ij;i  "-'r:  iVr^  ^'jc  ' 
c-o  'm  nzn.s'-  rzn^v  nry  i'J'n  [iciS  nic'?.-^  Snj.    l  lud  wenn 
es  beim  3^i"V Gebote   heil.it  cz'p'^N  'n  "iE"?  üzn-cri,   so   ist 

auch  dort  der  Gedanke  ausgesprochen:  Gott  ist  ieder  unserer 
Lebensstellungen  nahe,  jede  kann  in  ihrer  .Art  zur  Voll- 
kommenheit und  Schöne  sich  \ollenden.  .Aber  die  Gottes- 
nälie  ist  nicht  deshalb  erstrebenswert,  um  in  ihr  und  durch 
sie  materiellen  und  geistigen  Segen  zu  erhalten,  sondern  um- 
gekehrt ist  dieser  Segen  selbst  nur  wünschenswert,  um  durch 
seine  Verwendung  im  Sinne  Gottes  der  Gottesnähe  d.  i.  des 
21D  an  sich  gewürdigt  zu  werden.  Gottesnähe  ist  nämlich  das 
absolut  Gute,  eine  Vorstellung,  die  auch  durch  die  in  Ver- 
bindung mit  .""^ly  und  üz't:'?^  vorgeschriebenen  cro:  zum 
-Ausdruck  kam,  Ihnen  lag  der  Gedanke  zugrinide,  dal!  unsere 
höchste  irdische  Glückseligkeit  nicht  den  Gipfel  unserer 
Bestrebungen  bildet,  sondern  dal,l  sie  nur  die  P>asis  unseres 
zur  Gottesnähe  führenden  Lebensbaues  ist. 

Diese  .Anschauung  lülirt  aber  keineswegs  zur  Gering- 
schätzung der  materiellen  Güter,  vielmehr  erscheint  der  durch 
redliche  emsige  .Arbeit  erworbene  Besitz  auch  bedeutenden 
Gelehrten  \on  so  hohem  sittlichen  .Adel,  tlaii  sie  es  nicht 
verschmähen,  als  Holzhauer,  Schneider,  Schuhmacher.  Last- 
träger, ihren  Lebensunterhalt  zu  verdienen,  indem  sie  gleich- 
zeitig dem  Grundsatze  huldigen  pv^::''i  r)-ic:iP  Sni  ^ir  -r2t'  -'C']; 
d.  h.  auch  am  Sabbath  nicht  besser  als  an  Wochentagen  zu 
leben,  um  nur  nicht  der  A\enschenliilfe  bedürftig  zu  sein. 
Das  ehrlich  erworbene  lügenlum  geht  so  vcillig  in  die  be- 
sitzenile  Person  über,  dal.)  der  Dieb,  der  sich  am  VernK'igen 
vergreift,  den  angerichteten  Schaden  unter  allen  l  niständen 
ersetzen  nnili,  im  Unvermrigensfalle  sogar  mit  seiner  .Arbeits- 
kraft, die  aber  nicht  hinter  Schloll  und  Riegel  in    einem  Ge- 


fängnisse zu  verwenden  ist,  sondern  in  einer  Familie,  wo  alle 
Bedingungen  dafür  geboten  sind,  daü  der  Verbrecher  trotz 
seiner  Erniedrigung  zum  Diener  des  Hausherrn  inmier  noch 
als  Bruder  geachtet  und  behandelt  wird.  Ja,  der  als  Sklave 
verkaufte  Dieb  tritt,  wenn  er  Familienvater  ist,  mit  Frau  und 
Kind  in  die  Familie  des  Käufers  ein,  der  auch  sie  mitzuver- 
sorgen  hat,  damit  sie  nicht  durch  die  Folgen  des  Verbrechens 
dem  Elende  preisgegeben  werde  während  der  Zeit,  wo  der 
Verbrecher,  der  Freiheit  beraubt,  für  die  Seinen  zu  sorgen 
auLier  Stande  ist.  Aber  diese  Freiheitsberaubung  trägt  nicht 
den  Charakter  der  Strafe  an  sich,  sondern  ist  nur  das  Mittel 
zur  Entschädigung  der  Bestohlenen.  Freiheitsstrafen  mit  all 
dem  Janmier  und  Elend,  das  sie  über  Weib  und  Kind  des 
Gefangenen  bringen,  kennt  das  Gottesgesetz  überliaui.>t  nicht, 
es  schreibt  nur  eine  l  'ntersuchungshaft  vor,  die  aber  nur  von 
ganz  kurzer  Dauer  sein  kann,  weil  es  keinen  Indizienbeweis 
zuläüt.  Selbst  die  Todesstrafe  trägt  nicht  eigentlich  den 
Charakter  des  Abschreckungsmittels,  denn  nur  in  vier  Fällen 
ist  die  Veröffentlichung  des  Todesurteils  vorgeschrieben.  Der 
auch  bei_  dieser  Strafe  gebrauchte  Ausdruck  rr:  nrn  rsi  nrn 
statt  pnpSi  beweist,  dal.!  hier  nicht  an  ein  Rachenehmen  gedacht 
ist,  sondern  an  eine  Restitution,  die  der  Gerechtigkeit  und  der 
V  erletzten  Menschenwürde  geleistet  wird.  Hiermit  hängt  auch 
zusannnen.  dal!  dieses  Gesetz  den  Begriff  der  Begnadigung 
gar  nicht  kennt,  denn  nicht  des  Menschen,  sondern  Gottes 
ist  das  Recht.  Wenn  einmal  das  Gottesrecht,  das  doch  für 
Menschenwillkür  keinen  Raum  lälit,  den  Tod  über  den  Ver- 
brecher verhängt  hat,  dann  ist  die  Vollziehung  dieses  l  Irteils 
nicht  eine  Härte,  die  durch  andere  Rücksichten  gemildert 
werden  könnte,  sondern  sie  ist  rücksichtsvolle  Sühne  der 
Gesamtheit,  des  Bodens,  des  Verbrechers,  wie  das  Opfer  auf 
dem  .Altar. 

Das  Opfer  kann  nicht  als  Konzession  an  den  PoK- 
theismus  aufgefal.it  werden,  denn  schon  Kain  und  Abel 
opferten  zu  einer  Zeit,  wo  es  noch  gar  kein  Götzentum  gab. 
Diese  beiden  Opferer  beweisen  zugleich,  dal.i  dem  Opfer 
kein  absoluter  Wert  zukonnnt,  dal!  ihm  vielmehr  nur  ein 
relativer  Wert  innewohnt,  der  von  dem  Sinne  abhängt,  den 
der  Opferer  damit  verbindet.  Wenn  auch  hier  beim  Opfer 
die  Gesinnung  von  entscheidender  Bedeutung  ist,  so  tritt  sie 
bei  der  allgemeinen  Wertung  unseres  Tuns  doch  zurück 
gegenüber  der  Legalität,  d.  h.  gegenüber  der  objektiven 
Uebereinstinnnung  mit  dem  Gesetz,  also  mit  dem  göttlichen 
Willen,  denn  dieser  ist  der  eigentliche  Malistab  für  den  sitt- 
lichen Wert  unserer  Handlungen  und  geht  daher  der  Ge- 
sinnung voraus.  Eine  schlechte  Tat.  d.  i.  eine  Gott  nicht- 
gefällige, wird  durch  die  l  Inschuld  der  Gesinnung  nicht  zu  einer 
guten,  ja  diese  l  inschuld  selbst  kann  mit  zum  Verbrechen 
werden,  weil  jeder  die  Pflicht  hat,  sich  über  die  Anforde- 
rungen zu  unterrichten,  die  Gott  an  den  sittlichen  Charakter 
unserer  Handlungen  stellt,  Kenntnis  des  Gesetzes  gehört 
daher  mit  zu  unseren  wichtigsten  Lebensaufgaben.  Es  ent- 
spräche aber  keineswegs  der  jüdischen  Weltanschauung. 
durch  Flucht  aus  dem  geschäftigen  Leben  in  die  Beschau- 
lichkeit eines  asketischen  Mönchtums  sich  den  Anforde- 
rungen des  Lebens  zu  entziehen,  um,  in  theoretische  Speku- 
lationen versunken,  aus  Furcht  vor  seinen  Reizen  oder 
Geringschätzung  seiner  vielfältigen  Aufgaben  das  Göttliche 
jenseits  und  außerhalb  des  gewöhnlichen  Lebens  zu  suchen. 
Im  ungebrochenen  Lebensmut  und  froher  Lebenslust  liegt 
vielmehr  ein  charakteristisches  Merkmal  des  messianischen 
Zeitalters,  wo  die  ganze  Natur  wieder  paradiesisch  verjüngt 
ist  und  Menschengröl.ie  nicht  in  der  Unterjochung  der 
Menschen  durch  einen  mächtigen  Herrscher  erblickt  wird, 
sondern  wo  überall  die  Wiederkehr  des  Paradieses  auf  Erden 
sich  kundgibt  im  unendlich  gesteigerten  Segen  der  Natur  und 
im  ungestörten  Frieden  unter  ikn  Völkern,  die  der  Pflege  von 
Kunst    iHul    Wissenschaft    eine   Stätte    bereiten,  während    in 


ihrer  Mitte  ir^^~:  ^:n  ein  Leben  jjestaltet.  das  auf  den  Gottes- 
dii<taten  der  Sittenlieiligiing;.  der  Walirlieit,  des  Rechts  und 
der  Liebe  sicli  aufbaut  und  in  jeder  Fuge  die  alleinige  Gottes- 
lierrschaft  auf  Erden  zur  Anschauung  bringt,  sodaü  das 
Cliarakteristikuni  des  Judentums  voll  in  die  Erscheinung  tritt. 
Der  .\\onotlieisnius  alleine  erschöpft  es  nicht,  sondern  erst 
dessen  weiteste  Konsequenz:  die  Einlieit  Gottes  mit  der 
Einlieit  des  Lebens  durcli  Gottes  Gesetz. 

I 

Samson  Raphael  Hirsch  und  das  jüdische 

Rußland. 

Die  .Abschätzung  des  Einflusses  groLier  Männer  auf  ihre 
Zeit  war  immer  etwas  Schweres,  aber  niemals  war  sie  so 
schwierig  wie  heutzutage,  wo  sich  so  viel  l\omplizierte 
Einflüsse  auf  das  Gesamt-  und  Einzelleben  geltend  machen. 
Diese  Schwierigkeit  erreicht  ihren  Höliepunkt.  wenn  es  sicli 
um  .Wänner  handelt,  die  ihre  Tätigkeit  nicht  nur  einzelnen 
Richtungen,  sondern  dem  gesamten  Leben  in  allen  seinen 
Teilen  zugewendet  haben.  Dazu  konmit  noch,  daß  dieser 
Einfluß  sich  ja  niciit  auf  eine  gewisse  Zeit  und  einen 
bestinnnten  Ort  beschränkt,  sondern  wie  der  fns  Wasser 
geworfene  Stein  immer  weitere  Kreise  zieht,  deren  Aus- 
dehnung sicli  zuletzt  unserer  Betrachtung  gänzlich  entzieht. 

Auch  ein  Hinweis  auf  liirschs  Einfluß  im  jüdischen 
Rußland  muß  sich  daher  auf  dasjenige  beschränken,  was  sich 
als  von  ihm  beeinflußt  unzweifelhaft  nachweisen  läßt,  ohne 
Rücksicht  auf  die  Ausstrahlungen  und  Fernwirkungen  dieses 
Einflusses,  die  von  menschlicher  Beobachtung  kaum  geahnt, 
geschweige  denn  dargestellt  werden  können.  Man  denkt 
bei  diesem  Einfluß  zunächst  an  denjenigen  seiner  Schriften, 
die  in  Rußland  in  die  heilige  Sprache  übersetzt  und  so 
großen  Kreisen  mit  ihren  aufklärenden  Gedanken  und 
Empfindungen  zugänglich  geworden  sind.  Wenige  aber 
ahnen,  daß  und  wie  es  Hirsch  vergönnt  war,  auch  auf  die 
materielle,  soziale  und  politische  Stellung  der  russischen 
Judenheit  einen  Einfluß  auszuüben,  wie  er  nur  selten  einem 
Menschen  in  diesem  Umfange  beschieden  ist. 

Es  war  .Anfang  der  achtziger  Jahre  im  vorigen  Jahr- 
hundert, als  unter  dem  Regime  des  damals  allmächtigen 
Ministers  Ignatiew,  die  staatsseitigen  Bedrückungen.  Maß- 
regelungen und  Verfolgungen  der  jüdischen  Bexölkerung 
Rußlands  sich  derart  zur  Linerträgliclikeit  gesteigert  hatten, 
daß  die  Maßnahmen  geradezu  einer  Austreibung  der  Juden 
aus  Rußland  gleichkamen.  Ungezählte  Tausende.  Männer. 
Frauen  und  Kinder  ergriffen  den  Wanderstab,  um  die  russische 
Heimat  zu  verlassen  ohne  Aussicht  auf  ein  Plätzchen,  an 
dem  die  l  ing'ücklichen  Ruhe  finden  konnten.  Dieses 
namenlose  wandernde  Elend  hatte  die  ganze  gesittete  Welt 
Europas  und  Amerikas  auf  die  brutalen  Gewaltakte  auf- 
merksam gemacht,  mit  welchen  das  offizielle  Rußland  hilf- 
lose Menschen  von  sich  stieß,  lediglich  deshalb,  weil  sie 
ein  anderes  religiöses  Bekenntnis  als  das  herrschende  hatten. 
Ein  Schrei  der  Entrüstung  ging  damals  durch  alle  Staaten 
und  Länder  dieseits  und  jenseits  des  Ozeans.  Christen  und 
Juden  wetteiierten  in  Protestversannnlungen,  in  Spenden  und 
Sammlungen  xonGeld  und  Naturalien  zur  Unterstützung  der 
von  Haus  und  Hof  Verjagten  und  die  allenthalben  entflanunte 
■Wenschenliebe  war  mit  Aufgebot  aller  Kräfte  bemüht,  die 
Wunden  zn  heilen,  die  der  Religions-  und  Menschenhaß 
geschlagen  und  noch  immer  weiter  schlug.  In  allen 
jüdischen  Gemeinden  wurden  stänaige  Komitees,  und  in  der 
Nähe  der  russischen  rirenze  Kontroll-Komitees  gegründet. 
Die  erste  Anregung  dazu  war  vom  Rabbiner  Hirsch   ausge- 


gangen,  durch   folgenden    unterm   23.  Januar  1882    an    den 
Redakteur  des  ..Israelit"  gerichteten  Brief: 

Frankfurt  a.  M.,  23.  Januar. 
Sehr  geehrter  Herr! 
Gestatten  Sie  mir,  eine  Idee  zu  äußern,  die  mir  sehr  am 
Herzen  liegt  und  die  ich  itirer  einsichtsvollen  Erwägung  nahe  legen 
möchte.  Die  russischen  Vorgänge  und  Zustände  Sind  leider  zu 
entsetzlich,  als  daß  sie  einer  näheren  Schilderung  bedürften.  So 
gewiß  in  Wahrheit  hier  nur  n"3n  helfen  kann,  so  sind  Sie  doch 
gewiß  damit  einverstanden,  daß  ausnahmslos  von  allen  □'nri''  etwas 
geschehen  müsse.  Sollten  Sie,  geehrter  Herr,  nicht  Ihr  weitver- 
breitetes Blatt  dazu  benützen  wollen,  daß  überall  in  allen  Gemeinden 
einige  Leute  als  Komitee  zusammen  treten,  um  Spenden  für 
unsere  unglücklichen  Brüder  zu  veranlassen  und  entgegenzunehmen? 
In  einigen  der  russischen  Grenze  näher  liegenden  Gemeinden 
müßten  Central-Komitees  zusammentreten,  an  welche  die  von  den 
Gemeinden  überall  eingehenden  Spenden  von  den  Lokal-Komitees 
entweder  direkt  oder  durch  Ihre  Vermittelung  gesandt  würden  und 
welche  dieselben  je  nach  Bedarf  für  die  Auswanderer  oder  die  in 
der  Heimat  vom  Unglück  Heimgesuchten  zu  verwenden  hätten. 
Leider  ist  bei  der  fast  allgemeinen  Deroute  der  Geschälte  jetzt  keine 
nciD"  nj?T'  allein,  die  russischen  Zustände  sind  doch  noch 
schrecklicher,  und  da,  wie  ich  mir  denke,  die  Komitees  und 
Sammlungen  so  lange  V'n  die  -ITJ  und  ihre  Folgen  dauern, 
permanent  bleiben  müßten,  so  wird  doch  mit  Gottes  Hilfe  durch 
das  allgemeine  und  anhaltende  Zusammengreifen  etwas  firkleck- 
liches  erzielt  werden.  Wenn  Sie  die  Idee  für  ausführbar  halten,  so 
könnten  Sie  unmaßgeblich  die  russische  Sache  zu  einem  stehenden 
Artikel  machen  und  in  jedem  Blatte  das  Interesse  für  die  Samm- 
lungen aufs  Neue  wecken  und  wachhalten. 

Jedenfalls  bin  ich  Ihrer  gütigen  Nachsicht  dafür  den  Gedanken 
geäußert  zu  haben,  sicher  und  bitte,  die  Versicherung  vor- 
züglicher Hochachtung  zu  genehmigen  mit  der  zu  verharren  die 
Ehre  hat 

Ew.  Ehrwürden 

ergebenster 
Hirsch. 

Dabei  ließ  es  aber  Hirsch  nicht  bewenden.  Rabbi  Izchak 
Elchanan  Spektor  b'"ü^.  der  berühmte  Rabbiner  xon  Kowno, 
war  mit  Hirsch  in  brieflichen  Verkehr  getreten,  der  detaillierte 
Mitteilungen  über  einzelne  besonders  harte,  an  den  russischen 
Juden  \  erübte  Grausamkeiten  enthielt,  um  daran  die  Bitte  zu 
knüpfen.  Hirsch  möge  in  London  und  Paris  geeignete  Schritte 
versuchen,  welche  die  dortigen  Regierungen  bestimmen 
sollten  auf  die  russische  Regierung  eine  Pression  zu  Gunsten 
der  russischen  Juden  auszuüben. 

Die  \ersucliten  Schritte  in  diesen  beiden  Städten  blieben 
ohne  Erfolg.  Aber  Hirsch's  rastloses  Streben  zu  helfen  ließ 
ihn  ein  deutsches  Fürstenhaus  ausfindig  machen,  das  be- 
sonders gute  Beziehungen  zum  russischen  Hof  unterhält  und 
den  Juden  zu  aller  Zeit  gut  gesinnt  war.  Hirsch  setzte  sich 
mit  dem  Rabbiner  der  betreffenden  Residenzstadt  in  Ver- 
bindung und  \eranlaßte  diesen,  eine  .Audienz  bei  seinem 
Landesfürsten  nachzusuchen,  die  ihm  auch  bewilligt  wurde. 
Der  Fürst  nahm  die  Mitteilungen  mit  unverkennbarer  Teil- 
nahme und  aufrichtigem  Mitgefühl  entgegen,  erklärte  sich 
jedoch  außer  Stande,  seinen  Einfluß  beim  Kaiser  geltend 
machen  zu  können,  \erwies  den  Rabbiner  aber  an  einen 
Prinzen  des  Hauses,  der  mit  der  russischen  Kaiserfamilie  be- 
sondere Verbindungen  unterhielt  und  der  mit  seinem  Einfluß 
sicher  gern  der  guten  Sache  dienen  w  erde.  Dieser  Prinz  hat 
mit  seinem  guten  Herzen,  seiner  herablassenden  Leutseligkeit 
und  seiner  unermüdlichen  Hilfsbereitschaft  in  der  Tat  alle  auf 
ihn  gesetzten  Hoffnungen  in  reichem  Maße  entsprochen. 

Der  Prinz  verlangte  nun  zunächst  \()lle  Offenheit  über 
die  Gewährsmänner  der  Rabbiner,  unter  der  Zusicherung  voll- 
ständiger Diskretion.  Ein  persönlicher  Einblick  in  die  \on 
dem  Kownoer  Rabbiner  an  Hirsch  gerichteten  Briefe,  welche 
das  Ignatiex  direkt  belastende  Material  enthielten,  war  für 
den  Prinzen  unmöglich.  Sie  waren  in  hebräischer  Sprache 
geschrieben,  aber  sie  waren  selbst  für  einen  Kenner  dieser 
Sprache   unverständlich,   wenn   er   nicht   in  die  Verhältnisse 


32 


eingeweiht  war.  Bei  dem  russisclien  Spioniersysteni  läuft 
aucli  lieute  jeder  Briet  Gefahr  geöffnet  zu  werden.  Das 
dafür  bestellende  .schwarze  Kabinett"  verfügt  über  Kenner 
aller  Spraclien,  die  jeden  Brief  zu  entziffern  vermögen.  Trotz- 
alledem  hätte  diese  Briefe  Niemand  verstanden,  denn  sie 
waren  äuOerlich  in  Form  einer  wissenschaftliclien  Konterverse 
über  religions-gesetzliche  Angelegenheiten  riDirm  n'^xr  — 
gehalten  und  hatten  für  die  in  Betracht  kommenden  I^ersön- 
lichkeiten  verabredete,  fingierte  Bezeichnungen.  Diese 
Fassung  stellte  für  die  Ermittelung  des  rechten  Verständnisses 
selbst  an  den  Scharfsinn  des  Empfängers  grolie  Ansprüche. 
In  vielen  Fällen,  in  welche  eine  deutliche  Darstellung  des 
Sachverhalts  unerlälJüch  war,  wurden  die  Briefe  durch  einen 
besonderen  Boten  von  Kowno  über  die  deutsche  Grenze  ge- 
bracht und  bei  einer  preuüischen  Poststelle  aufgegeben. 

Diese  Briefe  wurden  dann  Non  Hirsch  dem  Rabbiner  der 
Residenzstadt  übergeben,  der  ihren  Inhalt  dem  Fürsten  und 
dem  Prinzen  mitteilte.  Die  Briefe  zeichnen  sich  durch  eine 
wunderbar  genaue  Kenntnis  der  darin  geschilderten  Vorgänge 
und  ihrer  geheimen  Triebfedern  aus.  Der  Prinz  lieli  durch 
seine  Freunde  in  Ruliland  die  angegebenen  Tatsachen  auf 
ihre  Richtigkeit  prüfen:  sie  hatten  sich  jeder  Zeit  als  überaus 
wahrheitsgetreu  und  zuxerlässig  erwiesen.  Der  Prinz  liefi 
den  Rabbiner  sehr  oft  zu  sich  bescheiden  und  besprach  sich 
stundenlang  mit  ihm  über  die  zu  unternehmenden  Schritte. 
Eines  Tages  als  er  wieder  .Xachrichten  aus  St.  Petersburg 
erhalten  hatte,  sagte  er  dem  Rabbiner: 

-Wollen  Sie  unseren  gemeinsamen  Freund  -  so  nannte 
er  Hirsch,  obwohl  er  ihn  nicht  persönlich  und  nur  durch 
diese  Vermittlung  kannte  xeranlassen.  über  das  Wesen 
des  Talmuds  eine  kleine  Schrift  zu  \erfassen,  um  die 
Gegner  des  Talmuds  damit  zum  Schweigen  zu  bringen.  Man 
sagt  dem  Kaiser  stets,  so  lange  die  .luden  noch  Talmud 
studieren  und  dessen  Grundgesetze  hochhalten,  seien  sie 
Feinde  des  Staates  und  der  Regierung." 

In  der  Tat  sollten  deshalb  die  c-nn  und  m^T'  ver- 
niclitet  werden,  zumteil  ist  es  ja  tatsächlich  damals  geschehen. 

Auf  diese  .Anregung  des  Prinzen  hin  schrieb  damals 
Hirsch  im  Jahre  18<S4  seine  Broschüre:  .lieber  die  Be- 
ziehung des  Talmud  zum  Judentum  und  zu  der 
sozialen  Stellung  seiner  Bekenner." 

So  wenig  auch  diese  Veranlassung  zur  Hirsch'schen 
Schrift  allgemein  bekannt  ist.  die  Folgen,  die  sie  mit 
Gottes  Hilfe  hatte,  dürften  es  noch  weniger  sein. 
Die  Schrift  hatte  den  Beifall  des  l'rinzen.  .Aber  in  seinem 
Gerechtigkeitssinn  lieli  er,  um  allen  Einwänden  im  Voraus 
zu  begegnen,  die  Arbeit  erst  durch  einen  christlichen  Leip- 
ziger Gelehrten  auf  ihre  Wahrheit  prüfen,  dessen  l  rteil  über- 
aus anerkennend  ausfiel.  Die  Schrift  kam  dann  in  die  Hände 
des  Kaisers,  der  sich  bei  dem  Prinzen  dafür  bedankte. 

Obwohl  mir  diese  Vorgänge,  trotz  der  25  Jahre,  die 
seitdem  \erflossen  sind,  in  voller  Frische  gegenwärtig  sind, 
habe  ich  mich  \or  Niederschrift  dieser  Zeilen  doch  noch 
einmal  an  den  betr.  Rabbiner  um  eine  Bestätigung  dieser 
Vorgänge  gewandt.  Dieselbe  liegt  mir  in  einen  eingehenden, 
ausführlichen  Schreiben  vor,  aus  dem  ich  hier  nur  die  Stelle 
folgen  lasse: 

.Mir  ist  es  kein  Zweifel,  da  Li  Ignatiew 
.durch  den  EinfluLI  des  Prinzen  gefallen  ist; 
.der  Prinz  war  tief  bewegt,  als  er  mir  die 
.Mitteilung  machte.  Die  Schrift  hat  sicher 
.bedeutend  mitgewirkt." 


Ein  Wort  über  S.  R.  Hirschs  wissen= 
schaftliche  Methode. 

Von  Dr  Samuel  A.  Hirsch  in  London. 

Was  uns  bei  der  Betrachtung  der  Methoden,  nach  welchen 
Samson     Raphael     Hirsch    die     Erkenntnis    der   Thora    rnd    des 
Judentums     pflegt,     am    meisten    frappiert,     ist    der    durch    und 
durcii     moderne    Charakter    dieser    Methoden.     Er    hat   sich    als 
Forscher  bewährt,  der  die  Werkzeuge,  weiche  seit  zwei  l:)is  drei 
Jahrhunderten  in  den  Werkstätten  der  Wissenschaft  als  die  allein 
brauchbaren  erkannt  worden  waren,  sich  zu  eigen  gemacht,  und 
sie    während    seiner   langjährigen    Tätigkeit   mit    Konsequenz   ge- 
handhabt   hat.     Bei    aller    lebendigen    Einbildungskraft,    bei    aller 
feurigen   Inbrunst,   welche  sein  ganzes  Leben  bewegten   und  be- 
seelten, fehlte  ihm  doch  nie  das   Bewußtsein,  daß  nur  nach  den 
nüchternen    induktiven    Methoden,    welche   die   wissenschaftlichen 
Errungenschaften  und  die  Erfindungen  der  Neuzeit  ermöglichten, 
auch     auf    dem    Gebiete    der    Forschung   nach   dem    Wesen    des 
Judentums    ein    Resultat,    der    Wahrheit   möglichst    nahe,    zu    er- 
zielen sei.  Er  erkannte,  daß  das  Verfahren,  das  die  meisten  mittel- 
alterlichen  r^hilosophen   angewendet  hatten,  an  dem   Mangel  litt, 
daß  sie  Systeme,  welche  außerhalb  des  Judentums  lagen,  jeden- 
falls  nicht   auf  jüdischem   Grund   und    Boden   gewachsen   waren, 
mit  dem,   was   dem   Judentum   wesentlich   eigen   ist,   mit  Gewalt 
zu     verschmelzen    suchten.    Griechische    Philosophie,    Plato    und 
Aristoteles,     wie     sie    den    Juden    aus    getrübten    Quellen    durch 
arabische    Schriftsteller    zugänglich     waren,     hat    man     mit    den 
Grundlagen    und    den    Zielen   der   schriftlichen   und   mündlichen 
Thora    vereinbaren    wollen.     Jüdische    Frömmigkeit   konnte   den 
Gedanken  nicht  ertragen,  daß  zwischen  dem  Judentum,  zwischen 
den      Pflichten     die    zu     befolgen     es     erheischt,    zwischen     den 
jüdischen    Anschauungen    und    Lehren   über  Gott  und   Welt   und 
dem,  was  zu  einer  gegebenen  Zeit  Philosophie  hieß,  nicht  vfillige 
Uebcieinstimmung   herrschen    sollte.    Man   dachte   nur   daran,   die 
vermeintliche   Kluft  zwischen   Philosophie  und  jüdischer  Religion 
zu   überbrücken.    Man   hielt  eben   die   Resultate  der   Philosophie 
für    unumstößlich    wahr,    und    die    jüdische    Thora    und    jüdische 
Tradition   für    nicht    weniger    wahr.    Clroße   Männer,   von   edlem 
Wollen    begeistert,    bestrebten    sich,    die   fremden    Elemente    mit 
den     jüdischen     in     Einklang    zu    bringen.     An    der    Möglichkeit, 
diesen    Ausgleich    zu   bewerkstelligen,   zweifelte   man   nicht.   Man 
brauchte    nur   eine   Theorie   aufzustellen,   welche   genügende    Be- 
rührungspunkte   der    beiden     einander    gegenüberstehenden    Ge- 
biete   enthielt.     Religi(")se    Innigkeit    und    geistiger    reicher   Scharf- 
sinn  taten   dann   das   Weitere,   und   eine   befriedigende   Ausgleich- 
ung   war    hergestellt    —    befriedigend,    das    heißt,    für   jeden    der 
die    aufgestellte    Theorie    und    die    Folgerungen    anzunehmen    be- 
reit  war.    Es   war   dieses   die   Methode,   die   zu   jener   Zeit  nicht 
nur    auf    dem    Gebiete    der    Religionsphilosophie,    nicht    nur    von 
jüdischen,  s:)nderii  auch  \on  christlisLhen  und  muhammcdanischen 
1  liilosophen    angewandt    wurde;    —    sie    herrschte    auch    in    den 
Ocbietei.      der      Realwissenschaften.      Man     war    l.inge     bemüht, 
Naturgesetze   und   Naturerscheinungen   aus   Voraussetzungen   und 
willkürlich    gesetzten    Theorien    zu    erklären. 

Das  Wesentliche  der  modernen  Wissenschaft  besteht 
darin,  daß  letztere  nicht  a  priori  zu  konstruiren  sucht  was  der 
Beobachtung  durch  die  Sinne  unterzogen  werden  kann.  Moderne 
Wissenschaft  macht  nicht  den  Versuch,  aus  willkürlich  aufge- 
stellten Begriffen  Wahrheiten  über  Erscheinungen,  welche  der 
Wahrnehmung  unterliegen,  oder  unterliegen  sollten,  herauszu- 
tinden.  Anstatt  von  einem  allgemeinen  (irundsatz  auszugehen, 
duich  welchen  alles  ohne  weiteres  erklärt  werden  soll,  hat  es 
sich  die  moderire  Wissenschaft  zum  Gesetz  gemacht,  alle  Er- 
scheinungen, welche  sichtbar,  fühlbar,  wahrnehmbar  sind,  vor 
allen!  einer  genauen  Beobachtung  zu  unterwerfen,  und  für  den 
Fall,  daß  die  Erscheinungen  nicht  so  unmittelbar  den  Sinnen 
zugänglich  sind,  die  Möglichkeit  der  Beobachtung  durch  Experi- 
mente zu  schaffen,  tind  auch  damit  ist  der  Forscher  nicht  zu 
fritden,  so  lange  er  die  Verallgemeinerungen,  zu  welchen  seine 
Beobachtungen  ihn  führten,  nicht  einer  strengen  Verifikation 
untcrworleii  hat.  Der  Forscher  muß  es  \erstehen,  die  induktive 
und  deduktive  Methode  so  anzuwenden,  daß  sie  sich  gegenseitig 
stützen,  und,  vereinigt,  ihn  in  den  Stand  setzen  wissenschaft- 
liche Wahrheiten  zu  ermitteln;  —  Wahrheiten,  welche  nur  so 
lange  Wahrheiten  sind,  solange  neue  Beobachtungen  von  früher 
übergangenen  Erscheinungen  die  früher  gewonnenen  Resultate 
nicht    umstoßen. 

Samson  Ra|;hael  Hirsch  war  unter  den  neuen  Religions- 
philosophen der  erste,  wenn  nicht  der  einzige,  der  sich  die 
Aufgabe   gestellt    hat,    all    das    was    unter   dem    Namen   Judentum 


:h 


begriffen  ist,  mit  der  größten  wissenschaftlichen  Strenge  nach 
diesen  Re^ehi  induktiv  zu  erforschen.  Es  war  nicht  ein  dunkiei 
Trieb,  welcher,  von  hoher  geistiger  Begabung  getragen,  ihn  un- 
bewußt in  diese  Bahn  lenkte.  Mit  klarem  Bewußtsein,  die  Trag- 
weite seines  Verfahrens  völlig  erkennend,  verwarf  er  die  her- 
gebrachte Art  und  Weise,  das  Judentum  aus  vorgefaßten  Theorien 
erklären  zu  wollen.  Gleich  am  Anfang  erklärte  er,  wie  er  die 
Thora  lesen  wolle.  „Wir  wollen  ja  das  Judentum  erkennen, 
müssen  uns  drum  in's  Judentum  versetzen  und  uns  fragen:  was 
werden  Menschen  sein,  die  den  Inhalt  dieses  Buches,  als  ihnen 
von  üott  geoffenbarten  Lebensboden  und  Regel  erkennen."  — 
„Nur  erst  wann  Sie  also  das  Judentum  aus  sich  erkannt,  es  er- 
kannt haben  wie  es  sich  selber  gibt,  und  es  dann  in  sich  un- 
haltbar und  verwerflich  gefunden,  dann  mögen  Sie,  wenn  Sie 
wollen,   den   Stein    darauf   werfen." 

Als  Hirsch  zuerst  aultrat,  hatte  die  Wissenschaft  schon  lange 
die  a  priori  -  Konstruktion  der  Naturerscheinungen  aufgegeben. 
Daß  dasselbe  auch  in  der  jüdischen  Religionsphilosophie  ge- 
schehen müsse,  wurde  zuerst  von  Hirsch  gefordert.  Als  er 
lS3(i  seine  „Neunzehn  Briefe  über  Judentum"  herausgab,  sprach 
er  sich  alsbald  über  die  Methode,  die  er  zu  befolgen  sich  ent- 
schlossen hatte  in  unzweideutiger  Weise  aus:  —  „Zwei  Offen- 
barungen liegen  vor  dir  —  Natur  und  Thora.  Für  beide  gibts 
nur  eine  Methode  der  Forschung.  Wie  in  der  Natur  die  Er- 
scheinungen dir  als  Fakta  dastehen,  und  du  nur  rückwärts  Ge- 
setz jeaes  einzelnen  und  Zusammenhang  aller  zu  erspähen  strebst; 
Beweis  der  Wahrheit  oder  vielmehr  der  Wahrscheinlichkeit  deiner 
Annahmen  nur  wieder  die  Natur  selber  ist,  an  deren  Erschei- 
nungen du  deine  Annahmen  auf  Probe  zu  nehmen  hast,  und 
dir  der  höchste  von  dir  zu  erzielende  Grad  von  Gewißheit 
bleibt,  sagen  zu  können :  es  verhält  sich  alles  so,  als  ob  deine 
Annahme  wahr  wäre:  d.  h.  alle  beobachteten  Erscheinungen 
lassen  sich  nach  deiner  Annahme  erklären ;  wie  darum  auch  nur 
eine  widerstrebende  Erscheinung  deine  Annahme  auch  unhalt- 
bar macht,  und  du  deshalb  zuvor  a'.le  dir  nur  mögliche  Erfahrung 
über  die  deiner  Forschung  vorliegende  Erscheinung  zu  machen 
hast,  damit  sie  dir,  womöglich,  in  ihrer  Totalität  vorliege;  wie 
endlich,  auch  wo  und  so  lange  du  noch  nicht  Gesetz  und  Zu- 
sammenhang irgend  einer  als  Faktum  vorliegenden  Erscheinung 
erspähen  konntest  die  Erscheinung  selbst  doch  als  Faktum 
bleibt.  —  .<n'nz  so  die  Forschung  der  Thora.  Faktum  ist  sie 
uns  wie  Fiimmel  und  Erde;  als  Faklum  liegen  ihre  Bestimmrngen 
vor    uns'     usw. 

Es  ergibt  sich,  wie  „modern"  Hirsch  war  in  der  Methode, 
die  er  in  Anwendung  brachte  und  w'ährend  seiner  langen  segens- 
reichen Tätigkeit  mit  eiserner  Konsequenz  durchführte.  Als  er 
die  Ueberzeugung  erlangt  hatte,  daß  die  Symbolik  eine  Wissen- 
schaft sei,  welche  ihm  „richtig  begriffen,  die  Bedingung  zur 
Lösung  der  höchsten  Probleme  jüdischer  Erkenntnis  in  sich  zu 
fassen  erschien",  befürchtete  er,  daß  sie  „wie  sie  gemeinhin 
verstandeil  und  geübt  wurde,  die  bedenklichsten  Gefahren  für 
die  jüdische  Wissenschaft  bergen,  und  zugleich  oft  zu  sehr  zu 
einem  bloßen  Spiel  des  Witzes  und  des  ,,(jeistreichseins" 
herabsinken  m(')chte."  Ehe  er  daher  seine  Ideen  über  die  den 
einzelnen  Erscheinungen  des  Judentums  zu  (irundc  liegenden 
Symbole  anwandte,  versuchte  er  erst  „den  Begriff  und  die  Auf- 
gabe enier  jüdischen  Symbolik  festzustellen  und  die  richtige 
Methode  für  die  Lösung  dieser  Aufgabe  zu  zeigen."  Er  stellte 
seine  „(irundlinien  einer  jüdischen  Symbolik"  auf.  Es  ist  dieses 
eine  kurzgefaßte  aber  meisterhaft:.'  Darstellung  derselben  Methode, 
welche  in  modernen  Zeiten  von  allen  wissenschaftlichen  For- 
schern als  die  allein  richtige  anerkannt  und  angenommen  ist. 
Demzufolge  erkennt  er  auch  hier  die  Grenzen,  welche  selbst  die 
genaueste  Beobachtung  und  die  scharfsinnigste  Logik  bei  der 
Darstellung  einer  Wahrheit  in  solchen  Fragen  nicht  überschreiten 
können.  „Hier  (in  der  symbolischen  Deutung)  wie  dort  (in  der 
Hermeneutik  eines  Schrittstückes)  wird  sich  kein  Resultat  mit 
mathematischer  Gewißheit  finden  lassen.  Allein  wir  werden 
mit  entschiedenster  Gewißheit  Falsches  abweisen  und  für  eine 
positive  Annahme  uns  mit  dem  Motive  zu  entscheiden  haben: 
nach  sorgfältiger  Erwägung  verhalte  sich  alles  in  Betracht  zu 
ziehende   so,   daß   diese   Annahme   ,,die   richtige   sein    könne." 

Als  „hervorglänzend"  unter  den  mittelalterlichen  jüdischen 
Religionsphilfjsophen,  welche  nicht  alle  „mit  ihren  Geistes- 
ffjrschungen  rein  im  Judentum  standen  und  es  geistig  ms  sich 
selber  aufbauten"  hebt  Hirsch  den  Verfasser  des  Kusri,  Jehuda 
Halevi,  und  Nachmanides  hervor.  Man  hört  manchmal  den 
Ausspruch,  daß  der  Kusri  kein  philosophisches  Werk  im  strengen 
Sinne  des  Wortes  genannt  werden  dür'e;  daß  er  kein  philosophi- 
sches System  enthalte.  Wie  wenig  v\ahr  dies  ist,  und  wie 
das    Verfahren     des    R.    Jehuda    Halevi    sich    aus    dem    Vorherge- 


sagten  erklärt,  ist  deutlich.  Was  Nachmanides  betrifft,  so  ist  es 
merkwürdig,  daß  er  sich  dessen  bewußt  war,  daß  besonders  in 
Bezug  auf  halachische  Forschungen,  mathematische  Ge- 
wißhtit  nicht  erreichbar  sei;  und  in  der  Darstellung  der  Grenzen 
die  der  Forscher  unmöglich  überschreiten  könne,  drückt  er  sich 
beinahe   ganz   so   wie   Hirsch   aus.') 

Hirsch  machte  es  sich  zu  seiner  Lebensaufgabe,  das  Juden- 
tum nach  dieser  Methode  zu  erforschen.  „Einen  Weg,  sagt  er, 
gibt's  zum  Heile;  —  wo  gesündigt  ward,  da  muß  die  Sühne 
beginnen;  —  und  dieser  Eine  ist  —  vergessen  die  herabgeerbten 
Ansichten  und  Nichtansiehten  über  Judentum;  nehmen  die 
Quellen  des  JudentumsY'JH.  d"«'/ tt^-n^/sie  für's  Leben  gelesen, 
studiert,  begriffen;  daraus  Judentums  Ansicht  geschöpft  über 
Gott,  Welt,  Menschheit,  Israel  nach  Geschick  und  Lehre,  und 
das  Juaentum  aus  sich  erkannt,  aus  sich  begriffen,  aus  sich  zu 
einer  Wissenschaft  der  Lebensweisheit  erhoben." 

An  dieser  modernen  Me:hodolog;e  im  Dienste  der  religions- 
philosophischtn  Erforschung  des  Judentums,  h:t  Hirsch  während 
seiner  ganzen  Wirksamkeit  festgehalten.  Und  wahrlich,  dieser 
Modernismus  verträgt  sich  vorzüglich  mit  unserem  alten  Juden- 
tum. Denn  dieses  Judentum,  uralt  wie  es  ist,  bleibt  ja  ewig 
jung,   modern   auf  ewig. 

Zur  Würdigung  der  schriftstellerischen 
Eigenart  Samson  Raphael  Hirschs. 

Von  Dr.  Herrn.  Deutsch  in  Fürth. 

Die  Bedeutung  Samson  Raphael  Hirschs  V'vc',  dessen  Sä- 
cularfeier  man  in  diesen  Tagen  allenthalben  dankbar  begeht,  wird 
jetzt  auch  von  denjenigen  erfaßt  und  gewürdigt,  die  in  ihrer 
Lebensgestaltung  sich  nicht  zu  ihm  bekennen.  Auf  allen  Seiten 
sieht  man  der  großen  Bewunderung  für  den  unerschrockenen 
(jeisteskämpfer,  den  gr^ißen  Charakter,  tiefen  Gelehrten  und 
glänzenden  Schriftsteller  Ausdruck  geben.  Zu  dieser  Bewunde- 
rung tritt  die  Dankbarkeit  und  Treue  derjenigen  Kreise,  die  mit 
ihm  auf  einem  und  demselben  Boden  der  Ueberzeugung  stehen, 
die  er  zu  neuem  Leben  erweckt  und  zu  Erben  seines  Geistes 
und  seiner  Gesinnung  gemacht  hat.  Trotz  des  Universalismus, 
mit  welchem  Hirsch  nach  Art  großer  Genies  in  alle  Adern  und 
Zweige  des  jüdischen  und  modernen  Wissens  eingedrungen  war, 
versagte  er  es  sich,  die  reiche  Entfaltung  seiner  Gaben  und  Fä- 
higkeiten auf  irgend  einem  andern  Gebiete  als  dem  seiner  Re- 
ligionswissenschaft zu  zeigen,  ihr  galt  all  sein  Denken,  sein 
Streben  und  Wirken.  Ihr  sind  auch  alle  seine  Werke  gewidmet. 
Nicht  als  Gelehrter,  nicht  als  Historiker  lebt  darum  sein  Bild 
im  Gedächtnis  der  Nachwelt  tort,  sondern  als  Denker  und 
Forscher,  der  es  sich  zur  Aufgabe  gesetzt,  die  Vorschriften  der 
jüdischen  Lehre  in  ihrem  lebendigen  Zusammenhange,  in  ihren 
I  rinzipien  und  Endzwecken  darzustellen  und  ihren  beseligenden 
Eintluß  auf  die  gottgewollte  Lebensgestaltung  nachzuweisen.  Wo 
er  in  seinen  zahlreichen  Werken  an  diese  Aufgabe  herantritt, 
da  lösen  sich  in  seiner  Darstellung  die  herrlichsten  Gedanken- 
rtiliei!  aus  und  fließen  Anregungen,  welche  die  AAühe  tiefen 
Eindringens  lohnen.  Im  Gleichmaß  der  Ideen  und  in  der  klaren 
Luicharbeitung  der  Begriffe  liegt  die  Tiefe  gereifter  Ueber- 
zcugungen.  Der  innere  Zusammenhang  der  Empfindungen  des 
Verfassers  mit  dem  Inhalte  seiner  Darlegungen  leuchtet  dabei 
aus  jeder  Zeile  hindurch.  Man  merkt  es  diesen  Ausführungen 
an,  daß  sie  nicht  aus  kalter  Ueberlegung,  sondern  aus  einer 
alle  Seiten  der  Persönlichkeit  gleichmäßig  und  dauernd  erfüllen- 
den Empfindung  hervorgegangen  sind.  Die  Höhe  der  Auffassung 
wird  überall  von  der  Gabe  künstlerischen  Gestaltens  und  kraft- 
voller Ausdrueksfähigkeit  der  Sprache,  die  trotz  aller  Erhaben- 
heit die  Regeln  der  Gesetzmäßigkeit  nie  verläßt,  unterstützt. 
Man  kann  Hirsch  trotzdem  auf  sprachlichem  und  wissenschaft- 
lichem    Gebiete    nicht    einen     Bahnbrecher   nennen,    weil    bisher 


'131  cr-2  nm-^  -n\s  ninn?^i  niT-^;  ni^rrn  ^rj'z  f?^J  b"' 


niiiD:  ni\sT  rz'ico  nprncz  iwz'  i:-i':'^n  nci?  '■d  y-v  p  -)z~~  "w 
'jri'n  1133  niiD  nois  pnt-  "cdpz  ya-:;  .-^^to^'n  niicip  znz  x'-i 
ID  nnx  -''m-z  nprnc  '^z-^  irm  i:-Na  "ZwV  >~yjr\~  ■':vc;i  miztrn" 
]by2b  -i's;^-  [nn'  c'tf:i  ruiJictrri  -^^v  r^nin  nir''^-  niiZDz  niyT-i 


n-^'-Dn  HNTi  p:3;r 


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.N-'c;-  ncrnz  c'~~x  n^'i  crn  ^d  r;vri  i^i^z"! 

Nachmanides  Vorrede  zu  'n  r\V2~'":- 


34 


leider  nur  wenige  seinen  Wegen  und  wissenschaftlichen  Methoden 
gefolgt  sind;  aber  als  ein  Eigener  muß  er  auf  allen  Gebieten 
der    religiösen    und   sprachwissenschaftlichen    Forschung  erkannt 
und   gewürdigt   werden.    Seine   Schritten   bedeuten   eine   radikale 
Aenderung,     sowohl     in     den     angewandten    wissenschaftlichen 
Methoden,      als     auch     in     dem     künstlerischen     Geschmack     der 
Darstellung.     In     allem     zeigt   sich   System,    keine    l^hantastik. 
Jede   semer   Abhandlungen    steht  unter  dem   Gesichtspunkte   be- 
herrschender Ideen,  über  welche  einen  klaren  Ueberblick  zu  ge- 
winnen    man     erst    dann    vermag,    wenn    man    sich    in    sämtliche 
Schrifter    des   Meisters   vertieft   hat.    Schon   in   seinem   „Choreb" 
zeigen    sich    in   Sprache,    Aufbau    und   Gedankenentwickelung   alle 
Kernpunkte    seiner   Orginalität.     In    diesem    wird    der    Lehr-   und 
Gedankeninhalt    des    Judentums    zur    wissenschaftlichen    Bearbei- 
tung und  Erkenntnis  gebracht.    Anstatt  die  reHgiöseii  Vorschriften 
der  jeweiligen  Geistesrichtung  anzupassen,  hat  er  dort  die  wech- 
selnden   Denkweisen    und    Anschauungen    an    dem    Maßstab    des 
Judentums    gemessen    und    das    Berechtigte    und     Bleibende    in 
ihnen    nachgewiesen.     I^er    Lehrinhalt   des    Judentums    wird    von 
ihm     religionsphilosophisch     dargestellt,    jeder    seiner   Glaubens- 
sätze unter  eine  systematische  Ordnung  gebracht,  deren  Zwecke 
und    Absichten    mit   tiefem    Verständnis    enirtert.    Er  folgt   hierin 
Maimonides,     nur    daß     er    dem     Judentum     seine     intellektuelle 
Eigenart    und    Ursprünglichkeit    wahrte,    während    jener    bekannt- 
lich   —    in    der    Theorie    —    sich    allzusehr   von    aristotelischen 
Lehrmeinungen  beeintlussen  ließ.    Da  es  für  Hirsch  in  Glaubens- 
sachen nur  einen   Ursprung  und  ein   Bestehen,  aber  kein  Werden 
und   Entwickeln  gibt,  so  ist  seine  Darstellung  von  geschichtlichen 
Ausblicken     frei,     woraus     \iele     verständnislos    gefolgert    haben, 
dal)     er    des    historischen     Bewußtseins    ermangelt    habe.    Grätz, 
sein   ehemaliger  Schüler,   der  ihn   besser  gekannt,   nennt  ihn   da- 
gegen   (ünostizismus)     neben    ,,dem     unvergeßlichen    Lehrer   und 
väterlichen     Freund",    auch    ,,den    geistvollen    Vertreter   für   das 
geschichtliche    Judentum."    —    Nach    (Choreb   ist   sein    F^en- 
tateuchkommentar      seine      bedeutendste      Leistung,     die     große 
Wirkungen  hervorgebracht  hat  und  noch  viel  größere  veranlassen 
würde,    wenn    eine    Bearbeitung,    die    dem    Bedürfnisse    der    All- 
gemeinheit    entspräche,     möglich     wäre.     Hier    zeigen    sich    seine 
schöpferische    Intelligenz   und   gestaltende    Kraft   auf   ihrer  ganzen 
Höhe.     Frei    von   jedem     Eklektizismus    entwickelt    er   in    diesem 
epochalen    Werke    die    tiefsten    Ansichten   und   Gedankenreihen, 
nur    gestützt    von    dem     eigenen    Reichtum    der    Ideen    und    der 
eigenen  Kraft  der  Erfindung.    Die  eingestreuten  halachischeii   Er- 
örterungen    halten     sich     frei     \on    überflüssiger    Dialektik,    peine 
Symbolik  vermeidet  das  Gebiet  verwirrender  M\stik.   Seine  Lexio- 
graphie   ist   individuell    und   national   zugleich,   weil  sie  auf  Frem- 
des,  wenn   auch   noch   so   Naheliegendes  verzichtet  und   nur  aus 
Eigenem    schöp't.    So   selbstverständlich   es  darum   auch   ist,   tlaß 
er    die    älteren    und    späteren    Bibelkommentare    studiert    !iat,    so 
nennt    er    solche    dennoch    nur    selten,    auch    da    nicht,    wo    seine 
Ausführungen    mit    ihnen    übereinstimmen,    weil    er   in    sich   selbst 
dasjenige  lebendig  gefunden  und  aus  sich  selbst  zur  eigenartigen 
Darstellung  gebracht  hat,  worin  diese  ihm  zuvcjrgekommen.  Sonst 
registriert     er     mit    gewissenhaftester    Treue    auch    die    kleinsten 
Anregungen,     die     er     aus     den     Schriften     älterer     und    späterer 
Autoren  wie  Silforno,  Wessely  und  selbst  aus      r-.ypn^^      rr'crin 
gewonnen    hat.     Die    sprachlichen    und    halachischeii    Einzelheiten 
leiten    immer   die   großen    Gedanken    des   Thoraworts    ein,   die   er 
meisterhaft    auseinandersetzt.    Sie    bilden    für   den    Kundigen    bl;)s 
den    reizvollen    Wechsel    in    den    alle   Teile   beherrschenden    geist- 
vollen Abhandlungen.    Man  schwelgt  im  Genus-,e  eines  Gedanken- 
reichtums,   wie    ihn    vor   ihm    noch    keiner   bei   dieser  Gelegenheit 
entfaltet    hat.     Hierin    geht    das    Urteil    aller    einig.     Weniger     ist 
dies    der     Fall     in     Beziehung    auf    das    von    Hirsch    angewandte 
System     etymologischer     Untersuchungen     und    Ableitungen.      Bei 
vielen   dieser   will   es   scheinen,   als   ob  sie   nur  vermittels   scharfer 
Dialektik     und     Hirsch'scher    Sprachgewandtheit     mogliih    seien. 
Da    aber   die   Sprache    Begriffe   darstellt,    die   .auf   dem    Wege   d^^r 
Vorstellung    gewonnen     wurden,    so    genügt    für    eine     Worter- 
klärung    in     der    Tat     kein     trockener     Nachweis     der    Analogie, 
sonüerii  alles  weist  auf  den  von   Hirsch  betretenen  Weg  der  Ab- 
leitung   eines    jeden    Wortes    aus    sich    entwickelnden    Gedanken- 
reihen    mit     zwingender    Notwendigkeit     hin.     Auf    der   (jeltend- 
machung     dieses     Standpunktes     beruht     die     ganze     Hirsch'sche 
Etymologie.     Man    mag    den    Ausführungen    hierin    im    einzelnen 
Billigung   schenken   oder   nicht,   ihre  grundsätzliche    Richtig- 
keit    muß     jeder    einräumen.     Es    ist   geradezu    unglaublich,    wie 
sehr  man   sich  gewohnt   hat  zur   Erklärung  irgend   eines  dunkeln 
Ausdrucks    der    Bibel    sofort    in    anderen    Sprachen    Umschau    zu 
halten,    anstatt    im    nächsten    Umkreise    nachzusehen    und    ^ich    in 
den     Geist     der    eigenen    zu    vertiefen.     Wer    demgegenüber    den 


von  Hirsch  gezeigten  Weg  verfolgt,  dem  werden  sich  noch  eine 
Fülle  bedeutender  Entdeckungen  darbieten,  die  die  Möglichkeit 
der  Fortbildung  und  Begründung  seiner  Etymologien  erweisen. 
Wir  wollen  dies  -I3pn  mnnn  p'i^i  \n£tJ'  Vü''  'il^^b  durch  ein 
Beispiel  aus  dem  laufenden  Thorahabschnitt  näher  erläutern. 
Den  Satz  s-'t';)  orS  n\m  or-txtü  x'i:' itfK -iy  TV.  B.  M.  11,2;)  über- 
setzt Hirsch  eigenartig  und  trefflich:  „Bis  es  euch  aus  ilem 
Halse  wachsen  und  euch  zum  Erbrechen  werden  wird."  In 
der  Begründung  führt  er  an,  daß  t~«t"iT  verwandt  mit  ."-.■'f. 
ein  Wegwerfen,  also  ein  Erbrechen  bedeutet.  Eine  ähnliche 
Auffassung  des  Wortes  v-r  fiirJec  s'c!!  in  dem  Werke  ■''Ci  "''-i^C 
des  R  Abraham  Saba,  nur  kommt  er  hiezu  auf  anderem  Wege, 
indem  er  das  ><  als  Auflösung  einer  Verdoppelung  eines 
yV  Stammes  nimmt,  wie  in  "sjr-^  für  '"■'  Jes.  18,2;  10^»;'  für 
iDPt:"  Ps  58,8  (s.  das.  im  Comm.  von  Hirsch)  und  es  gleich- 
falls als  ,, Erbrechen"  erklärt  -^'nn  i-nr"i1  it?r  NirS*).  —  Solcher 
Stellen,  in  denen  die  Hirsch'sche  Auffassung  und  Ableitung  sich 
auch  noch  von  anderer  Seite  begründen  läßt,  kennen  wir  viele. 
Möge  die  hundertste  Wiederkehr  des  Geburtstages  des  großen 
Lehrers  uns  mahnen,  uns  immer  mehr  in  seine  Gedankengänge 
zu  vertiefen  und  seine  Gesinnungen  und  Lebensgrundsätze  in  der 
eigenen,  seiner  würdigen  Lebensgestaltung  wirksam  sein  zu  lassen. 

I 

Aus  dem  Briefwechsel  zwischen  S.  R.  Hirsch 

und  Qerson  Josaphat.**) 

I. 

Hirsch  an  Josaphat. 

■]'3pn  n^3H:  '□  'i  cv  :-n3:niN  n"3 

Mein  lieber  guter  Josaphat ! 

Es  hat  mich  innigst  gefreut,  vor  längerer  Zeit  schriftlich  von  Ihnen 
selbst  Mitteilung  über  Ihre  gegenwärtigen  Bestrebungen  zu  erhalten 
und  wenn  Ihr  I.  Schieiben  bis  jetzt  unbeantwortet  blieb,  so  glauben 
Sie  mir  gevviti,  dalJ  nicht  Mangel  an  freundschaitlicher  Teilnahme 
daran  Schuld  gewesen.  Nun  sind  Sie  doch,  was  Sie  lange  erstrebt,  auf  einer 
Universität  und  iet^t  bereits  Veteran,  und  begierig  bin  ich  zu  wissen,  was  Ihnen 
das  Universitätsleben  geworden,  was  und  worin  Sie  sich  vorzüglich  bewegt 
haben  und  ob  das  \xissenschaftliche  Bestreben  llirerseits  (unkennt- 
lich)  mütiige  vor  der  Zeit  aufgedrungene  Zugabe  Ihnen  seworden,  eine  Zugabe, 
die  so  betrachtet,  nur  Bürde  und  beschwerlich  ist.  Oder  ist  sie  Ihnen  das  ge- 
worden, was  Sie  Ihnen  werden  sollte,  Erhellung  des  Oeistes,  auf  dem  sich 
Ihre  eii'ne  Wissenschaft  mit  der  Wissenschaft  die  ^pyi  nS"lp  niflO  ist,  ver- 
einigt. Daher  kommt  es  viel  darauf  an,  welche  Gebiete  der  wissenschaft- 
lichen Kreise  und  mit  welcher  Ansicht  und  zu  welchem  Ziele  man  sich 
ihnen  weiht.   Und  daher  auch  hier  wie  überall  ni"i2D~  no"'  □"'CiDJ  riDiri  usw. 

Oldenburg,  18.  Adar  5506. 
II. 
Hirsch  an  Josaphat. 

Mein  lieber  Josaphat! 

Innig  hat  mich  die  Nachricht  Ihrer  Anstellung  erfreut  und  wünsche  ich 
von  ga- zem  Herzen  Qlück  dazu.  Möge  Ihnen  der  Himmel  ein  ungeirübtes 
Glück  bereiten  und  Sie  mit  Kraft  rüsten,  in  Ihrem  neuen  Wirkungskreise  recht 
segensvoll  zu  wirken.  Nicht  minder  muß  mich  der  Anteil  freuen,  den  Sie 
meinem  literarischen  Versuche  schenken.  Wollte  Gott,  ich  konnte  die  Hälfte 
der  guten  Meinung  rechtfertigen,  die  Sie  von  dem  Verfasser  der  Briefe  hegen. 
Aber  ich  bin  mir  meiner  Beschränktheit  zu  gut  bewußt,  um  nicht  zu  wissen, 
daß  der  Beifall,  den  diese  Briefe  hie  und  da  erhielten,  mehr  dadurch  erw  orben 
wird,  dati  der  Verfasser  den  Mut  hatte,  für  eine  Sache  öffentlich  zu  sprechen, 
für  uie  man  bis  jetzt  größtenteils  geschwiegen,  als  daß  ihnen  irgend  eine 
innere  Vorireiflickeit  innenwohne.    Darum,  mein  lieber  Josaphat,  mul.i  ich  mit 


37, 


")   Anm.  d.  Red.:  Als  weitere   Bestätigung  dieser  Bcdctitting  vgl.  Sirach 


i-i- 


■*)  l{al)bi  (ier.-ioii  .iosii|>liat  K.-ililiin.its  .Vspip.^^sor  zu  lliilberstalt,  wsir  ^:ct)Oivii 
mi'is  (ISOS.  zu  (^ii.ssel,  wci  sein  Vater,  linljl'i  Saiiiiiel  l>ev,v  .losajiliat  (alliieinein 
unter  ilein  Namen  Ualilii  Samuel  VVitzeiilia'isen  litkannt)  Oher-LaiKiesralibincr  war. 
Im  IS.  .laliri'  liez.ii;  er  ilie  damals  in  lüiile  stelienile  .lesliiwah  zu  .Mannheim, 
welcher  der  sellist  noch  Jiiirendlic'ie.  bereits  li  eh  criilinite  Stift  sr.-ililiiiier  l.'alibi 
j  Jacob  KttJiniier,  '^''^l  spilter  Oberralibiner  in  Altona  Norstand.  Von  da  her  rührte 
I  seine  Freiindseliaft  mit  seinem  dam;ilitren  .Stndieni;enossen  Habbi  K.  S.  Ilirscli ':"ST 
Itiirch  den  Tod  seines  Vaters  wnnle  Itibbi  (ierson  veranlaßt,  in  die  Heimat  zii- 
rüekznkeliren:  da  nals  im  Alte'r  von  21  .laln'tMi  wo  er  an  Sielte  si'ines  Vaters 
l"i'  .lalire  lanjr  das  l,.nid-i;abbinat  in  Cassid  verwaltete.  Da  aber  damals  schon 
aiiLier  li'alib.  Wisse  i.  auch  weltliche  Kenntnisse  von  den  Heliönlen  verlaiiiit 
wiir  len,  so  entsrhiolj  sich  der  Jnnfre  Rabbiner  die  Iniversitjlt  lionn  zu  liesmdien, 
\on  wo  er  nach  zwei  jäliriirem  llören  der  Kollegien,  zur  ferneren  Veivollkorninnunj; 
-ich  n.ich  der  Knrliessischeii  l.andes-rniver-itat  Xlarburp  lieijab.  (Hierauf  be- 
zieht sieh  liriefansziiir  II.  Im  Alter  von  ■_".)  .laliren  wurde  Habbi  (ierson  als 
l{abbiner  an  die  BereMd-I.ehman'sehe  Siiftiui',' .'ils  liabbinats-.Vssessor  nach  llalber- 
stadt  berufen,  welche  Stelhin«::  er  47  .lalire  lau«;  bis  zu  seinem  ISS3  (am  l'>,  Nissan' 
erfolf^ten  Tilde  b,.k|.idete.  Willirend  dieser  Zeil  \  erlebte  Kabbi  (ierson  1'l  .lahr 
in  l'rankfnrt  a.  .\l  ,  wohin  er  bei  .Vtisbnich  der  Cholera  IS."(i  von  llalberstadt 
ans  sicli  beigeben  hatte  (liriefe  III   u    IV  l. 


.?5 


dem  Verfolg  meiner  Arbeiten  sogar  behutsam  sein.  Nicht,  das  können  Sie 
mir  glauben,  wird  mich  irgend  unbegründeter  Tadel,  Sctimähungen.  ja  selbst 
Einschüchterungen,  die  mir  geworden  und  noch  vielleicht  werden  können, 
einen  Augenblick  anstehen  lassen,  das  zu  thun  und  zu  sagen,  was  mir  als 
Pflicht  und  Recht  erscheint,  denn  das  wissen  Sie  Lieber,  ich  war  selbst  bei 
Herausgabe  der  Briefe  mehr  auf  Tadel,  Widerspruch  und  Hohn  vorbereitet,  als 
auf  Beifall  von  irgend  einer  Seite.  Nur  eins  könnte  mich  von  der  Herausgabe 
meiner  übrigen  Arbeiten  abhalten,  wenn  ich  mich  überztusen  sollte,  daß  ich 
der  heiligen  Sache,  der  sie  gewidmet  sind,  mehr  j^chaden  als  nützen  würde. 
und  die  Meinung,  die  einige  meiner  Freunde  ge-en  mich  behaupten,  bedarf 
doch  meinerseits  der  sorgiältigsten  gewissenhaftesten  Prüfung.  Lnd  die  Prü- 
fung durch  mich  selbst  ist  ungeheuer  schwer.  Wenn  ich  mir  die  Einreden 
meiner  Freunde  nach  bester  Ueberzeugung  widerlegt  habe,  dann  entsteht  und 
muti  immer  in  mir  der  Zweifel  entstehen,  ob  nicht  vielleicht  an  dieser  meiner 
Ueberzeugung  der  Schmerz  mit  teil  hat,  der  unnennbare  Schmerz,  zur  Zer- 
rüttung der  heiligsten  Sache  vielleicht  schweigen  zu  müssen.  Wer  löst  mir 
den  Zweifel,  ob  ich  dann  auch  unpaiteiisch  genug  über  meine  eigne  Arbeit 
zu  urteilen  vermag.  Ich  arbeite  indessen  fort  an  ihrer  Vollendung.  Ich  werde 
prüfen  und  wieder  prüfen,  vor  Qott  prüfen  und  danach  handeln.  Hätte  ich 
nur  einen  der  Sache  und  der  Zeit  kundigen  Freund  hier,  der  redlich  und  warm 
für  die  Sache  fühlt  und  aller  Persönlichkeit  vergil.it,  mit  dem  ich  mich  be- 
sprechen könnte.  Aber  ich  bin  in  einer  Wüste.  Könnten  Sie  doch  Ihren  Plan 
recht  bald  ausführen,  mich  zu  besuchen,  wie  wollten  wir  alles  besprechen! 
Ich  darf  Ihnen  ia  wohl  i;esiehen,  lieber  Josaphat,  dieser  Zweck  hatte  nicht 
geringen  Anteif  an  meiner  Einladung  diesen  Sommer;  ich  weiti,  Sie  werden 
mir  über  dieses  Geständnis  nicht  zürnen.  Adieu,  mein  lieber  .losaphat,  möge 
mir  bald   die    Freude   werden,    Ihnen    mündlich    die   Achtung   versichern    zu 

können,  die  für  Sie  hegt 

Ihr  Freund 

III. 


Josaphat  an  Hirsch. 

['ran  kf  u  r  t  a.  M.  S"'"r 


•irEt-v:  i^s'7  •;  er 


Mein  lieber  Reb  Schamschon  I 

Mofrentlich  wird  dieses  Sie  und  Ihre  liebe  Familie  gesund  und  wohl 
antreffen,  was  ich  Ihnen  n":;  unserseits  auch  versichern  kann.  Um  Ihnen  zu 
antworten,  weshalb  ich  von"hier  aus  schreibe,  und  besonders,  da  ich  weil.!, 
dali  Sic  ein  warmes  Inttresst-  an  all  meinen  Verhältnissen  nehmen,  fange  ich 
mit  meiner  Wenigkeit  an.  Wie  Sie  wissen,  war  in  Halberstadt  meine  Haupt- 
beschäftigung D-rzv  '■y  ~-i'r-  "i?  'n^-!;  ^rx  ncn  mn^  oj;  ncb^i  -no^b 

n^  Z'r,  doch  den  Kreis  derselben  zu  vergröflern  war  deshalb  nicht  gut  mög- 
lich, weil  die  r^vp  dort  zu  klein  und  zu  unbemittelt  ist.  Durch  niD""".  die 
gewiß  D-^i^n  "C  ^ind.  wohne  ich  seit  mehreren  Monaten  mit  Familie  hier 
und  denke  auch'ri"^«  hier  wolinen  zu  bleiben.  Auch  hier  habe  ich  mehrere 
iunge  Leute,  denen  ich  n'iJ'np-  irmiHD  Unterricht  erteile  und  habe  die 
Hoffnung,  dal'i  icn  immer  -"]}2  mehr  Zuwachs  bekommen  werde  und  n";~n 
möge  meinen  Wunsch,  eine  tüchtige  -"'"£'''  zu  gründen  ^ni^^d  rmn  vonnb 
r;-n;~bl  in  Eriüllung  bringen  j^x-  Nun  zur  Hauptsache.  Sie  werden  gehört 
haben,  daß  sich  hier  in  der  iüdischen  Gemeinde  eine  neue,  aber  dennoch  alte 
fromme  Gemeinde  gei'iUet'  hat;  die  achtbarsten  und  reichsten  Leute,  die 
Familie;  Rothschild  an  der  Spitze,  gehören  dazu.  Auch  werden  Sie  wissen, 
daß  Herr  Dr.  Sachs  in  Berlin,  zum  2'^  gewählt  worden  ist.  Wie  nun  all- 
gemein das  Gerücht  verbreitet  ist,  so  wird  derselbe  ni:ht  lierkommen,  indem 
die  Berliner  ihn  nicht  gehen  lassen  werden.  Dieses  Gerücht,  wie  ich  ver- 
nommen, findet  Bestätigung.  Die  Stellung  als  hiesiger  Rabbiner  ist  eine 
glä.-zende,  namentlich  findet  der  echt  fromme  m  einen  sehr  ergiebii^en  Boden, 
indem  diese  Leute  alle  das  Cime  wollen  und  ihr  Streben  und  Sinnen  geht 
nur  dahin  -".i'i^b  "Ti^Vm  "i^inn^  ^  Ich  habe  seit  mehreren  Monaten  die 
beste  üelegeiiheit  gehabt,  die  meisten  von  ihnen  kennen   zu   lernen,   es   sind 

Z'OD  C"^  sehr  brave  Leute  p'^N  'Vlü  ""J  cm::":  miC  ^Z'lü  'C'l:~B'1  CW^i 
~  Da  aber  noch  sehr  vieles  ins  Leben  gerufen  werden  muß  und  zu  ordnen 
is',  so  bedürfen  sie  eines  in  jeder  Beziehung  tüchtigen  Mannes, -»p-ij;.-!, dessen 
nZD  1D\~I  ist,  eines  frommen  Mannes,  der  m3ri''-nn  für  rT,:'np~  i:,"Tl\~i  'lat 
und  dessen  Charakter  makellos  dasteht.  La  nmi.  mein  Hirsch!,  Sie  der  Mann 
sind,  indem  alle  diese  schönen  higcnschaften  im  höchsten  Grade  sich  \'ereinigt 
linden,  so  glaubs  ich  und  gewiß  selir  viele  mit  mir,  daß  es  für  hier  ein  großes 
GIücIn  wäre,  wenn  Sie  sicli  verstehen  würden,  die  hiesige  Ste.le  anzunehmen. 
Sic  haben  allerdings  eine  der  größten  ni::;^.-Stellen  inne,  stehen  dort  v^nD 
C~'jf  ~'^,  indessen  als  Deutscher,  und  wie  ich  Sie  kenne,  würde  hiesige 
Stelle  Ihnen  mehr  zusagen  und  ist  der  dortigen  vorzuziehen.  Die  Leute  sind 
wirklich  sehr  brav  und  friedliebend.  Ich  versichere  Sie,  Sie  werden  auf 
Händen  getragen,  und  was  die  Hauptsache  ist,  Sie  können  sehr  viel  hier 
\<i:ken,  ia  Großes  thun.  Die  iWatcrialien  und  Mittel  sind  zu  allem  im  vollem 
Maße  vor. landen,  es  muß  nur  ein  Mann  da  sein,  der  es  \ersteht,  sie  zu- 
sammen zu  tragen.  Und  das  sind  Sie,  mein  lieber  Reb  Schamschon!  Nun 
muß  ich  Sie  bitten,  nur  nicht  über  meine  Dreistigkeit  und  Offenheit  zu  zürnen, 
ich  bin  immer  no.h  der  alte  Gerschon  Josaphat,  der  er  war,  als  wir  so  ver- 
gnügt und  innig  in  Mannheim  wissenschaftlich  zusammen  lebten,  eine  Zeit, 
woran  Sie  wie  ich  mit  Vergnügen  immer  zurückdenken  werden.  Verwirk- 
lichen Sie  meinen  Wunsch  und  kommen  her,  es  bedarf  nur  Ihres  Fnlschlusses, 
so  sind  wir  nach  S)  langem  Getrenntsein  -"■{<  wi  der  zusammen.  Auch 
bitte  ich  Sie,  mein  lieber  Freund!  mir  hierüber  gefälligst  Ihre  Meinung  bald 
miizuteilen.  Ich  werde  nicht  mehr  von  Ihrer  lieben  Antwort  Gebrauch 
machen,  als  Sie  es  mir  erlauben.  Indem  ich  Sie  und  die  lieben  Ihrigen  herz- 
lich grüße,  verbleibe  ich  Ihr  Sie  liebender 


-"Hl  -a"z'Zf 


IV. 


Hirsch  an  Josaphat. 

N  i  k  0 1  s  b  u  r  g ,  '"tb  s""r  [c;  r"h  'n  c". 

Liebjr  "'';  "tfiJ  'i 

Das  Band,    das   Sie    so    freundlich    befürwortet,    ist   also 
geknüpft,  und  hoffe  ich  zu  Gott,    daß    es    zu    allseitigem    Heile    gereichen 


möge.  Auf  eine  unerwartete  Weise  führt  uns  nun  die  Vorsehung  einmal 
wieder  in  einen  Kreis  zusammen  und  läßt  uns  die  Einnerung  der  ersten  Zeit 
unseres  Jugendstrebens  erneuern.  Sei  sein  Name  n"~  in  allem  und  für  alles 
gepriesen. 

Jüdische  Jugendvereine. 

Ein  Brief  S.  R.  Hirsch's. 

Frankfurt  a.  M.,  12.  Oktober  1860. 

An  den 

löbl.  Vorstand  des  Isr.  Jugend-Vereins  in  B  .  .  . 

Sie  haben  mir,  sehr  geehrte  Herren,  durch  gefl  Mitteilung  Ihrer  Kon- 
stituirung  und  Ihrer  Statuten  eine  wahrhafte  Freude  bereitet.  Möge  der  Geist, 
der  sich  in  Ihrem  Vorhaben  ausspricht,  in  immer  weiteren  Kreisel  unsere 
Jugend  erfassen,  und  dieses  Vorhaben  selbst  unter  göttlichem  Beistande  zu 
dauernder,  segensreicher  Ausführung  gelangen. 

Ihren  Statuten  habe  ich  Ihrem  Wunsche  gemäß  die  gebührendste  Auf- 
merksamkeit geschenkt  und  finde  weniges  zu  bemerken. 

In  der  Einleitung  sprechen  Sie  als  nächsten  und  ersten  Zweck  des 
Vereines  die  Förderung  der  eigenen  religiösen  Bildung  aus  und  zu  diesem 
Ende  die  Bestimmung:  wöchentlich  mehrere  Stunden  Bibelunter- 
richt im  Geiste  des  orthodoxen  Judentums  zu  nehmen;  in 
zweiter  Linie  steht  dann  die  Unterstützung  von  ciiriD-  In  den  Statuten 
stehen  diese  Zwecke  in  umgekehrter  Ordnung,  die  nnin^  Unterstützung 
steht  voran,  das  eigene  Lernen  folgt  und  zwar  in  weit  allgemeiner  gehaltenen 
Fassung:  die  Mitglieder  durch  religionswissenschaftliche  Vorträge  zu  erbauen 
und  zu  belehren.  Nach  meiner  unmaßgeblichen  Ansicht  sollten  Sie  die  Be- 
stimmung, wöchentlich  mehrere  Stunden  Unterricht  in  ■]";n  zu  nehmen, 
wörtlich  in  die  Statuten  autnehmen.  Vielleicht  verbinden  Sie  damit  auch 
das  Lernen  populär-rabbinischer  Schriften  wie  c"IN  ^^n,  ^\><^^  mliD  mit 
Auswahl  etc.  .ledenfalls  würde  ein  solches  Lernen  wirkliches  Lernen  ,,an 
der  Quelle"  sein,  wie  Sie  es  selbst  in  der  Einleitung  beieichnen,  während 
ein  Vortrag  leicht  nur  erbauende  und  belehrende  Anregung  im  allgemeinen 
bietet,  jedenfalls  aber  nicht  den  Nutzen  eines  gehörigen  Lernens  unserer 
heiligen  Schriften  gewährt.  Ebenso  vermisse  ich  in  den  Statuten  die  aus- 
drückliche Verpflichtung  der  Mitglieder  zum  regelmässigen  Besuche  der  Lehr- 
stunden. Eine  solche  ausdrückliche  Verpflichtung  scheint  mir  nicht  über- 
flüssig, ja,  ich  gebe  anheim,  ob  dieselbe  nicht  durch  kleine  in  die  Vereins- 
kasse zu  zahlende  Ordnungsstrafen  für  ohne  dringenden  Anlaß  geschehene 
Versäumnisse  unterstützt  werden  dürfte.  Da  die  Uebernahme  solcher  Ver- 
pflichtungen ja  eine  durchaus  freiwillige  ist,  so  fällt  das  Gehässige  eines 
Zwanges  weg,  mit  Eintritt  in  den  Verein  legt  jedes  Mitglied  sich  eine  solche 
Verpflichtung  nur  selber  auf;  mir  scheint  aber  der  stete  regelmäßige  Besuch 
der  Lehrstunden,  der  Kardinalpunkt  Ihres  ganzen  Vereines  zu  sein,  dem  durch 
die  Bestimmungen  Ihrer  Statuten  eine  möglichst  feste  Aufrechterhaltung  ge- 
sichert werden  müßte. 

Ferner  scheint  mir  in  dem  Titel  V  die  Befugnis  der  Vereinsrepräseitanz 
zu  ausgedehnt  gefaßt  zu  sein,  indem  derselben  die  gänzliche  Besorgung 
aller  Angelegenheiten  üoerlassen  ist.  Ich  rate,  das  ,,gänz  iche"  ,, aller"  zu 
streichen  und  in  einem  besonderen  Paragraphen  zu  statuieren,  daß  in  allen 
nicht  bereits  durch  die  Statuten  der  Repräsentanz  übertragenen  Angelegen- 
heiten die  Ermächtigung  von  der  Generahersammlung  einzuholen  sei,  daß 
ferner  in  allen  der  Repräsentanz  zweifelhaften  Fragen  die  Entscheidung  durch 
eine  Generalversammlung  herbeizufü.irea  sei,  daß  in  allen  Fragen  religiöser 
und  wissenschaftlicher  Beziehung  der  Herr  Rabbiner  um  Rat  ersucht  werden 
solle,  diß  aber  in  letzter  Instanz  bindende  Bestimmungen  nur  du-ch  Beschluß 
einer  Generalversammlung  festgestellt  werden  können.  Hierdurch  sichern 
Sie  die  Autonomie  des  Vereines  nach  allen  Seiten. 
j  Mit  aller  Hochachtung 

gez.  Hirsch. 

UCT 

Wie  Israel  seine  Grossen  ehrt. 

Ein  (Jutachten  S.  R.  Hirsch's  aus  dem  Jahre  1860. 

An  den  'l^ourj-Monument-Verein  in  New-Orleans. 
Sehr  geehrte  Herren  ! 

Sie  wollen  freundlichst  die  Verzögerung  meiner  Antwort  auf  Ihre  ge- 
schätzte Zuschrift  vom  6.  Juni  entschuldigen ;  ich  bin  durch  die  Anhäufung 
von  Amtsgeschäften  bis  ieizt  verhindert  worden,  dieselbe  zu  erledigen  — 
und  auch  noch  heute  bin  ich  genötigt,  meine  Antwort  auf  die  wesentlichen 
von  Ihnen  gestellten  Fragen  zu  beschränken,  um  dieselbe  nicht  noch  weiter 
zu  verzögern. 

Sie  beabsichtigen,  das  Andenken  eines  verblichenen  Edlen  durch  die 
Errichtung  einer  Statue  oder  eines  Monuments  zu  ehren,  vorausgesetzt,  daß 
solches  nicht  im  Widerspruch  mit  den  religiösen  Gesetzen  und  Gebräuchen 
der  Juden  stehe,  und  Sie  beehren  mich  mit  dem  Gesuche,  mein  Gutachten 
darüber  abzugeben: 

Ob  es  in  Uebereinstimmung  mit  dem  iüdischen  Gesetze  erlaubt  ist,  zu 
Ehren  eines  verstorbenen  Glaubensgenossen  eine  Statue  von  Bronze  oder 
.Xlarmor  auf  einem  öffentlichen  Platze  einer  Stad:  zu  errichten? 


36 


Ob  es  in  Uebereinstimmung  mit  dem  jüdischen  Gesetze  erlaubt  ist,  auf 
dieselbe  Weise  und  zu  demselben  Zwecke  ein  Monument  (Säule  u.  dergl.) 
zu  errichten? 

Hierauf  beehre  ich  mich  zu  erwidern : 

Die  Errichtung  einer  Statue,  d.i.  einer  menschlichen  Gestalt  aus  Bronze, 
Stein  oder  anderem  Stoffe  ist  nach  dem  jüdischen  Gesetze  auf  jeder  Stelle 
und  zu  jedem  Zwecke  verboten. 

Ebenso  verbietet  das  jüdische  Gesetz  ausdrücklich  die  Errichtung  eines 
Monuments,  das  gänzlich  frei  von  jeder  Gestalt  ist,  einer  Säule,  eines  Denk- 
steins usw.  zum  Zwecke  göttlicher  Verehrung  und  sei  es  selbst,  sich  um 
dieselben  zu  versammeln  zur  Anbetung  des  Alleinigen  Gottes.  (Siehe  Mai- 
monides    Accum  6.) 

Nicht  ganz  so  klar  ist  die  Bestimmung  in  Betreff  der  Errichtung  eines 
solchen  Monuments  nicht  zu  Zwecken  göttlicher  Verehrung.  Nach  ^"^i  ;i"qd 
2"f2  n"2'  scheint  es  beinahe,  daß  die  Errichtung  einer  Säule  u.  dergl-,  selbst 
nicht  zum  Zwecke  der  Verehrung,  verboten  gewesen,  und  daß  demgemäß 
die  oben  angeführte  Stelle  des  Maim.  so  aufzufassen  sei,  daß  die  Errichtung 
einer  Mazeba  überhaupt,  und  sei  es  selbst  zur  Verehrung  des  Alleinigen 
Gottes,  nicht  Bestattet  gewesen.  Aber  dieJosua  24,  26,  27,  Samual  I.,  12  er- 
mähnten Begebenheiten  erweisen,  daß  selbst  nach  der  n:osaischen  Gesetz- 
gebung die  Errichtung  von  Steinen  als  Denkmäler  zu  profanen  Zwecken 
nicht  durch  das  Gesetz  verboten  gewesen.  Aber  Sie  haben  in  Ihrer  ge- 
ehrten Zuschrift  selbst  angegeben,  dali  Sie  in  dieser  Frage  nicht  nur  die  aus- 
drücklichen Gesetzesvorschriften  zu  beobachten  wünschen,  sondern  auch  den 
überkommenen  Brauch  in  Israel,  und  daß  das  Projekt  nur  dann  ausgeführt 
zu  werden  beabsichtigt  ist,  v\enn  es  sich  nicht  im  Widerspruche  mit  ,,den  Ge- 
setzen und  Gebräuchen  Israels"  befindet. 

Wenn  man  diese  Frage  in  diesem  iJchte  betrachtet,  so  würde  es  in 
der  Tat  scheinen,  daß  der  durch  die  ganze  jüdische  Vergangenheit  herrschende 
historische  Brauch  sich  gegen  die  Errichtung  eines  Monumentes  zu  Ehren 
eines  Mannes  erklärte.  So  weit  unsere  Kenntnis  in  der  vor-  oder  nach- 
mosaischen Zeit  reicht,  werden  wohl  Monumente  zur  Erinnerung  an  Ereig- 
nisse oder  in  Beziehung  zu  denkwürdigen  Orten  gefunden,  aber  Monumente 
als  ehrende  Qedenkzeichen  an  Menschen  sind  nicht  anzutreffen.  Nur 
einem  heispide  begegnet  man,  daß  ein  Monument  zum  Andenken  eines 
Menschen  errichtet  worden,  und  dieser  ein  eitler  Mann  —  Absalom  — 
hatte  es  sich  selbst  während  seines  Lebens  errichtet.  So  groß  auch  die  Zahl 
großer  Männer  unseres  Volkes  ist  (und  gewiß  gibt  es  keine  Nation,  die  dank- 
barer das  Gedächtnis  ihrer  Heroen  an  Geist  und  Tugend  verehrt)  ihr  Ge- 
dächtnis hat  es  durch  verschiedenaatige  Dinge  geehrt,  nur  nicht  durch  Mo- 
numente von  Metall  oder  Stein.  Und  obgleich  von  der  NichtWahrnehmung 
eines  bestimmten  Faktums  ein  Gewisses  nicht  zu  folgern  ist  —  lyxi  N^ 
il^NI  lyN  so  mag  doch  isowie  des  Ausführlichen  im  •JCU'^  vyn  ~"!i'  '^7  er- 
hellt) hinsichtlich  eines  Brauches  und  ganz  besonders  da,  wo  ein  Zeitraum 
von  mehreren  tausend  Jahren  mit  tausendfachen  Anlässen  vorliegt  das  Nicht-  ' 
Vorhandensein  sicherlich  als  ein  Beweis  dienen,  daß  der  Brauch  es  als  nicht 
zulässig  erachtete. 

Es  ist  nicht  einzuwenden,  daß  die  Zeiten  der  Zerstreung  unter  Druck 
und  Verfolgung  der  Errichtung  solcher  Monumente  nicht  günstig  gewesen. 
Die  spanische  Zeit  gewährte  volle  Freiheit;  obgleich  sie  sich  nicht  wenig 
großer  Männer  rühmen  konnte,  die  bei  ihrem  Leben  als  Wohltäter  ihres 
Volkes  geehrt  wurden,  einige  sogar  mit  fürstlicher  Ehre,  so  dachte  doch 
Niemand  daran,  ihr  Andenken  durch  en  Monument  zu  feiern,  .la  noch  mehr. 
Selbst  zur  Zeit  des  zweiten  Tempels,  wo,  namentlich  unter  den  Königen  des 
hasmonäischen  und  herodianischen  Hauses  persönliche  Ehrenbezeugungen  in 
ungeziemend  auffallender  Weise  erwiesen  wurden  und  die  Liebe  zum  Pomp, 
und  die  Nachahmung  griechischer  und  römischer  Gebräuche,  besonders  zur 
Errichtung  solcher  Monumente  e  nlud,  finden  vsir  wohl,  daß  Türme,  Burgen, 
Städte  usw.  zur  Erinnerung  an  Menschen  erbaut  wurden,  die  Errichtung  von 
Säulen  und  ähnlichen  Monumenten  aber  wurde  insofern  ich  mich  auf  mein 
Gedächtnis  verlasse  —  nicht  gewagt.  Betrachten  wir  alles  dieses,  so  er- 
scheint die  Annahme  wohl  begründet,  daß  der  iüdische  Brauch  der  Errichtung 
von  Säulen  und  ähnlichen  Monumenten  dem  Andenken  der  Menschen  ent- 
schieden entgegen  ist. 

Sie  haben  nun  in  Ihrer  verehrlichen  Zuschritt  ausgesprochen,  daß  in 
der  Ausfuhrung  diese  Frage  nicht  allein  die  Gesetze,  sondern  auch  die 
Gebräuche  Israels  in  B  tracht  genommen  werdtn  sollen.  Es  ist  aber 
ferner  ein  religiöses  Gesetz  Israels,  die  Gebräuche  Israels  gewissenhaft  zu 
beobachten;  demgemäß  würde  die  Uebertretung  eines  solchen  jüdischen  Ge- 
brauches eine  direkte  Verletzung  des  jüdischen  k'eligionsgesetzes  sein. 

So  sind  Sie  allerdings,  geehrte  Herren,  von  diesem  Ges  chtspunkte  aus 
an  der  Ausführung  Ihres  Planes  —  der  so  löblich  an  sich  selbst  —  das  An- 
denken eines  edlen  Mannes  in  solcher  Weise  zu  ehren,  gehindert;  doch  - 
abgesehen  hiervon  —  wollen  wir  uns  freuen,  daß  der  jüdische  Brauch  sich 
selbst  die  Crr  chtung  von  Säulen  u.  dgl.  als  ehrende  persönliche  Erinnerungs- 
zeichen ebenso  untersagt,  «ie  die  Erricl^tung  solcher  Denkmäler,  die  das  Ge- 
setz verbietet. 

Beobachten  wir  diesen  jüdischen   Brauch,    welcher,   indem   er   den   un- 
betitelien    Namen    als    die    größte    Auszeichnung    betrachtet,    lo^T    p"lD  ^n: 
eben  durch  die  Versagung  des  gewöhnlichen  Grabsteins  am   besten   das   An-  i 
denken  ausgezeichneter    Toten   zu    ehren    glaubt    c^^l^'^    m^C3   pB'li?   pN  ■ 
weil,  wie  die  Begründung  sich  ausdrückt,  :::nD:  on  □~''~i31    sie  sich  selbst 
durch  ihre  Worte  und    Taten  das  unvergünglich^te  Denkmal  gesetzt  haben. 

Bewahren  wir  namentlich  den  jüdischen  Brauch,  welcher  bis  jetzt  das 
Gedächtnis  verstorbener  ausgezeichneter  Menschen  lediglich  durch  gute. 
nützliche  und  heilsame  Werke  zu  ehren  gewußt  und  so  in  Wahrheit  pii^j  -\3; 
~Di::'i  das  Andenken  der  Gerechten  zu  enier  Quelle  des  Segens  für  die 
Lebenden  gestaltet. 

Vergessen  wir  nicht,  daß  die  jüdische  Gesinnung  in  der  Errichtung 
zweckloser  und  unnützer,  wenn  auch  glänzender  Bauwerke  ein  preiswürdiges 
Werk  nicht  erkennt,  c^'l'pr  ^•2^':;}~\^-  f"-in  Rabbi,  der,  als  er  an  einer  pracht- 
vollen Synagoge  vorbeiging,  ausriet:  [XO  '.TIN  ''Vp'J^  i^'-O  "^^  -^'^  ^'^' 
Geld  haben  meine  Vorfahren  hier  begraben",  erhielt  zur  Antv\  ort  r\WC-  '^2- 
]HD  ~'r\ZH  'i'pr.  -wie  viel  Seelen  haben  deine  Vorfahren  hier  begraben!' 
Nnm«'  pym  O'^IZ  vir;  n'^  gab  es  hier  keine  Bedürftigen  zu  unter- 
stützen, ihnen  das  Studium  des  (jcsetzes  zu  eririöglichen  ? 


Und  so  glaube  ich  denn  —  geehrte  Herren  —  vielleicht  teilen  Sie 
meine  Ueberzeugung  —  wenn  Sie  den  Namen  des  Verstorberen  zu  ehren 
d'e  Zinsen  des  Kapitals  welches  die  Errichtung  eines  Monuments  erheischen 
würde,  zu  einer  jährlichen  Bewilligung  zum  physischen,  geistigen  oder  sitt- 
lichen Wohle  eitles  einzigen  Menschen  bestimmen,  Sie  sein  Andenken,  je 
mehr  er  eine  solche  Würdigung  wirklich  verdient  hat,  auf  eine  mehr  jüdische, 
das  heißt  wahrere  und  würdigere  Weise  ehren  würden,  als  duich  das  pracht- 
vollste Monument,  das  Sie  in  Bronze  oder  Marmor  ausführen  können. 

Genehmigen  fcie  die  Versicherung  meiner  vollkommensten  Hochachtung, 
mit  der  ich  verharre,  geehrte  Herren, 

Ihr  ergebener 

Hirsch. 


Samson  Raphael  Hirsch's  Ideen  zur  inneren 
Politik  der  deutsclien  Judenheit. 

Von  Dr.  Ed.  Biberfeld  in  Berlin. 

Was  Homer  von  Odysseus  rüliint,  dali  er  viele  Städte 
sali  und  ihren  Geist  erkannte,  das  trifft  auch  auf  Samson 
Raphael  Hirsch  zu.  Geboren  und  bis  zum  .lüno;lino;salter  in 
einer  kleinen  Republik,  Hamburg,  aufgewachsen,  führten  seine 
Lehrjahre  ihn  nach  Baden  und  dem  preul.iischen  Rheinlande; 
Oldenburo^.  Linden  und  Nikolsburi^  sahen  seinen  Aufstiejj; 
die  freie  Reichsstadt,  die  später  preuLiisch  gewordene 
i^atrizierstadt  ist  der  Wirkungskreis  seiner  gereiften  Mannes- 
kraft, die  gesegnete  und  segen\erbreitende  Stätte  seiner  bis 
ins  höchste  Greisenalter  unverbrauchten  Schaffenskraft.  Cr 
ist  darum  kein  -oA'j;po-/oc  geworden :  der  häufige  Wechsel  des 
Vaterlandes  hat  ihn  nicht  zum  Kosmopoliten  gemacht;  zu 
wurzelliaft  war  die  .Anlage  seines  Wesens,  um  der  Ver- 
schiedenartigkeit des  Milieus  zu  erliegen;  zu  ausgesprochen 
die  Charakteristik  seiner  Art.  um  sich  selbst  in  der  Viel- 
seitigkeit der  Verhältnisse  zu  \erlieren.  Aber  eines  hat 
diese  die  Grenzen  der  Länder  überbrückende  Lebensge- 
staltung in  S.  R.  Hirsch  geübt  und  gewirkt:  er  hat  den  Geist 
der  religiösen  Gemeinschaften,  in  welciien  und  mit  denen  er 
lebte,  deren  Führer  und  Lehrer  er  war,  aufs  Trefflichste 
erkannt;  hat  aus  der  Verschiedenartigkeit  der  Lebensbeding- 
ungen, die  hier  und  dort  ihm  begegnete  und  dennoch  Gleich- 
artigkeit der  Lebensbetätigung  nicht  unterband,  entnommen, 
das  Wesentliche  vom  Unwesentlichen,  das  Wesenbildende 
\()m  .Aeulierlichen  und  Zufälligen,  den  ewigunveränderlichen 
Inhalt  xon  der  wechselnden  Lorm  zu  unterscheiden  und  zu 
trennen.  .Als  er  später  seine  ganze  Kraft  für  das  Gesetz  vom 
2().  Juli  l(S7o.  das  den  Parochialzwang  in  der  preuliischen 
Judengesetzgebung  durchbrechen  sollte,  einsetzte,  da  haben 
seine  Gegner,  um  seine  Sachkunde  zu  verdächtigen  und  zu 
verkleinern,  hämisch  darauf  hingewiesen,  tlali  er,  als  ge- 
bürtiger Hamburger,  die  Segnungen  des  Gemeindezwanges 
in  der  Jugend  nicht  empfunden  und  darum  auch  fürder  nie 
verstanden  habe.  Sie  wollten  ihn  damit  schmähen  und  lästern, 
und  haben  ihm  doch  nur  ein  hellleuchtendes  [ihrenzeugnis 
erteilt.  Er  hat  nie  das  ist  wahr  und  zutreffend  es  ein- 
zusehen vermociit,  dal.i  dem  Staat  der  Beruf  zukommt,  Juden- 
gemeinden zu  schaffen,  zu  organisieren  und  in  ihrem  Be- 
stände zu  schützen;  er  hat  die  gemeindebildende  Kraft  ander- 
wärts gesucht  und  gefunden;  gefunden  das  beweist  der 
Segen,  der  auf  seinem  Andenken  nach  mehr  als  einem  halben 
Jahrhundert  auch  heute  noch  in  jenen  Gemeinden  ruht,  die 
nur  karg  bemessener  Zeitspannen  sich  seines  Besitzes  er- 
freuten, das  beweist  das  Lmporblühen  der  (lemeinde,  die  er 
gescliafien  und  /u  einer  ..A'\iitter  in  Israel"  erhoben;  beweist 
der  Lrfolg,  den  das  preuLiische  Austrittsgesetz,  direkt  und 
indirekt,  für  die  Lrhaltung  der  nir'  n:i^N  in  Deutschland  und 
darüber  hinaus  gezeitigt  hat  und  täglich  zeitigt. 

Samson  Raphael  Hirsch  war  auf  die  Gefahr  hin,  dal,! 
sein    Ruhm   darunter    litte!  keine    „komplizierte    Natur". 

Schlichi    uikI    gerade    wie   seine   Grr)l.le.   so  war   auch    sein 


37 


Gedankens\  stein  I  Vollends  trifft  diese  Charakteristik  zu  für 
seine  Ideen  zur  inneren  Politik  der  deutschen  Juden - 
lieit.  L'nnöticj  zu  betonen.  daH  niachiavellistische  Staats- 
kunst dieser  verkörperten  Offenheit  und  Ehrlichkeit  fremd 
blieb!  Aber  —  wieder  auf  die  Gefahr,  seines  Ruhmes  Ver- 
kleinerer zu  scheinen !  —  es  herrscht  überhaupt  nichts  von 
allgemeinphilosopliischen  Spekulationen,  nichts  von  staats- 
wissenschaftlichen und  \ölkerrechtlichen  Doktrinen,  nichts 
endlich  \on  .MassenpsNcholoji^ie  und  anderen  lialbmystischen 
Vorstelluncjen  in  der  Linienführunji;  des  Qedankenbaus,  den 
S.  R.  Hirsch  als  Modell  des  Dyo  ;rrD,  einer  Judengemeinde 
nach  seiner  Auffassuno;  und  Wertung,  gezeichnet  und  zu 
errichten  gestrebt  hat.  Man  müLite  denn  Kenntnis  und  de- 
nnitSNolle  Verehrung  des  Qottesgesetzes  vom  Berge  Sinai 
für  nustischen  l leberschwang  halten,  Wissen  von  seinem 
Volke  und  Leben  in  seinem  Volke  geschiclitsphilosophische 
Exkurse  nennen.  Gerechtigkeitsliebe  und  Glauben  an  die 
sieghafteKraft  desRechts  und  der  Billigkeit  zur  aethetisierenden 
Gourmandise  herabwürdigen  und  Sichselbsttreue  als  starren 
Prinzipienreiterei  \ erlästern!  Denn  diese  Eigenschaften  sind 
es  ausschlielilich.  aus  denen  S.  R.  Hirsclis  System  zum  Auf- 
bau und  Ausbau  modernen,  jüdischen  Gemeindelebens  sich 
lierleitet.  Er  kannte  die  Thorah  und  darum  verspürte  er 
der  G'pSx  nn-ip  in  sich  einen  Hauch ;  darum  war  er.  der 
starke  Mann,  so  demutsvoll  gegenüber  jedem  nv  V  v.iip. 
dal.l  er  eher  sich  und  die  ganze  Welt  umgestalten  wollte^ 
als  des  offenbarten  Gotteswortes,  der  Lehre  unserer  Weisen, 
eines  bx-'U''  3n;2  Wandelbarkeit  und  ..Fortentwickelung"  zu 
unterstellen:  er  lebte  mit  seinem  Volke  und  war  mit  seiner 
Geschichte  \ertraut.  und  darum  war  er  von  mimosenhafter 
Empfindlichkeit  und  Reizbarkeit  gegenüber  fremdartigen, 
wesensungleichen  Berührungen  und  Einflüssen;  sein  Gott 
war  ihm  ein  Gott  der  Gerechtigkeit  und  untrügbaren  Ihi- 
besteclilichkeit.  und  darum  zweifelte  er  nie.  dal,!  das  Recht 
früher  oder  später  triumphieren  müsse;  und  aus  allem  diesen 
durfte  er.  konnte  er  sich  selbst  nicht  untreu  werden,  wollte 
er  um  zeitlichen  Gewinn  nicht  die  ewige  Waiirheit  verraten, 
die  Stimme  des  Gewissens  nicht  im  Siegeslärm  des  Tages- 
erfolges ersticken! 

.Die  Gemeinschaft  religiöser  Ueberzeugun- 
gen  ist  das  wesentlichste  Kriterium  einer  Reli- 
gio n  s  g  e  m  e  i  n  d  e .  u  n  d  w  0  d  i  e  s  e  i  n  n  e  r  e  E  i  n  h  e  i  t  f  e  li  1 1 . 
wo  die  U e b e r  z e u  g u n g e n  in  schroffen  Gegensätzen 
auseinander  klaffen,  da  kann  kein  staatliches 
Diktat  und  kein  fiskalisches  Einschreiten  eine 
Religions-Gemeinde,  ein  wahres  Religions -Ge- 
meindeleben schaffen."  Diesen  Standard-Satz  mag 
man  getrost  als  die  Grundlage  der  Ideen  S.  R.  Hirschs  zur 
inneren  Politik  der  deutschen  Judenheit  ansprechen.  („Das 
Prinzip  der  Gewissensfreiheit"  S.  13)  Wäre  es  möglich, 
seine  zwingende  Richtigkeit  anzuzweifeln?  Alle  Vergleiche 
hinken,  und  es  ist  ein  undankbares  Beginnen,  zusannnen- 
gesetzte  Massenerscheinungen  in  eine  knappe  Formel  zu 
pressen.  Und  so  soll  der  Streit  hier  nicht  aufs  Neue  be- 
ginnen, ob  der  Gegensatz,  der  Neologie  und  Orthodoxie 
von  einander  scheidet,  in  der  konfessionellen  Verschiedenheit 
von  Katholizisnuis  und  Protestantismus  sein  Aequivalent  hat. 
Auch  die  theoretischen  Betrachtungen  mögen  schweigen: 
hat  die  Geschichte  der  letzten  Dezennien  nicht  auf  jedem 
Blatte  die  Richtigkeit  jenes  Satzes  erhärtet,  den  Nachweis 
erbracht,  daii  wahres  Gemeindeleben  nur  in  homogenen 
Genieindebildungen  zu  finden  und  überall  da  zu  vernnssen 
ist,  wo  äuDerer  Zwang  disparate  Bestrebungen  und  Gesinnungen 
in  ge\Naltsame  Einheit  schlägt?  Sind  nicht  gerade  aus  ..li- 
beralen" Kreisen  der  grciliten  Judengemeinde  PreulJens  in 
diesen  Tagen  Vorschläge  herxorgegangen.  Ansichten  ge- 
äuüert  worden,  die  dem  Gedanken  Rechnung  tragen,  daß 
die  völlige   Treimuiig  der  Culte  und  was  damit  zusammen- 


hängt, zwischen  den  religiös  ohnedies  Getrennten  im  Interesse 
der  Einheit  in  den  sonstigen  Gemeindeaufgaben  liegt? !  .Der 
einzige,  wirkliche,  echte,  wahrhaftige,  gemeindebildende 
Faktor  jüdisch-religiöser  Gemeinschaften  ist:  das  religiöse 
Pflichtbewußtsein"  (ebda.  S.  12).  Man  mag  eine  allge- 
meine israelitische  Gemeindeverwaltung  sich  konstruieren 
können,  deren  Kräftefeld  nur  allzu  eng  und  beschränkt  wäre: 
religiöses  Gemeinschaftsleben  ist  nicht  denkbar  zwischen 
Männern,  die  ihre  wissenschaftliche  l  leberzeugung  zum  reli- 
giösen Nihilismus,  Kreise,  welche  ihre  gesamte  Lebensführung 
aus  dem  Religionsgesetze  hinausgeführt  hat,  und,  auf  der 
anderen  Seite.  Männer,  deren  Lebensodem  Tliora.  Aboda  und 
Gemillus  Chasodim  ist.  die  für  und  für  das  unabänderliche, 
ewige  Gottesgesetz  als  Richtschnur  ihrer  Lebensgestaltung, 
den  Schulchan-Aruch  als  [■Regulativ  ihres  Handelns  nicht  nur, 
sondern  auch  ihres  Fühlens  und  Denkens  betrachten.  Es 
hat  eine  Zeit  gegeben,  wo  S.  R.  Hirsch  .das  Begräbniswesen, 
Hospital  und  alle  gemeinsamen  Wohltätigkeitsanstalten"  von 
dem  eigentlichen  religiösen  Gemeindeleben  ausschied  und 
ein  Zusammenwirken  auf  diesen  Gebieten  im  Rahmen  einer 
..allgemeinen  israelitischen  Gemeindeverwaltung  bestehen" 
lassen  wollte.  (Gehorsame  Vorstellung  v.  J.  1858  S.  39.)  Er 
hat  unter  den  Erfahrungen  des  Tages  diese'  Meinung  später 
geändert:  und  mit  gutem  Grund.  .Ist  ein  Waisenhaus  kein 
mildes  Institut?",  so  heißt  es  in  der  Schrift  gegen  Makower, 
.und  doch  werden  die  Waisen  notwendig  nur  nach  Einer 
der  vorhandenen,  konfessionell  sich  scheidenden  Richtungen 
erzogen  werden  können.  Das  Gewissen  des  orthodoxen 
Juden  wird,  wenn  die  Waisen  nach  reform-iüdischen  Grund- 
sätzen erzogen  werden  sollen,  sicherlich  Bedenken  trageu. 
zu  einer  Erziehung  jüdischer  Kinder  nach  einem  System  bei- 
zutragen, das  er  für  seine  eigenen  Kinder  gewissenlos  und 
verwerflich  erachtet  .  .  .  Ganz  ähnliche  Fragen  werden  sich 
bei  einem  Hospital  hinsichtlich  der  religionsgesetzlichen  oder 
religionswidrigen  Speisung  erheben  usw.  und  so  fast  bei 
allen  andern  milden  Instituten  die  Beachtung  oder  Nichtbe- 
achtung der  religiösen  Gesetzes\orschriften  in  Frage  stehen" . . . 
(S.  19.)  .Nicht  Rabbiner,  nicht  Liturgie,  nicht  Kanzel,  nicht 
Schule,  keine  einzige  der  dem  gesetzestrenen  Juden  zur  Er- 
füllung seiner  religiösen  Gewissenspfichten  unumgänglichen 
Institutionen  können  sie  gemeinsam  haben  uud  man  wollte 
diese  so  konträren  konfessionellen  Gegensätze  doch  nur  als 
parochiale  Gliederung  eines  und  desselben  konfessionellen 
Systems  behandeln"  (Denkschrift  über  den  Austritt.  1873.  S.  6.) 
Und  in  \ollster  Schärfe  in  der  oben  zitierten  Schrift  gegen 
.Makower  S.  14:  .Es  ist  geradezu  die  Wahrheit  verleugnende 
Täuschung,  wenn  man  von  gewisser  Seite  diesen  Gegensatz 
als  nur  die  Liturgie  des  öffentlichen  Gottesdienstes  berührend 
darstellen  möchte.  .Anerkennung  oder  Verleugnung  des 
religiösen  Gesetzes  in  Lehre  und  Leben  bildet  die  Scheidung. 
Lehre  und  Leben  des  orthodoxen  Juden  ist  dem  Juden  der 
Reform  Aberglaube  und  Torheit.  Lehre  und  Leben  der  Reform 
dem  orthodoxen  Juden  Blasphemie  und  Verbrechen:  und  eine 
Organisation,  die  solche  Gegensätze.  Bekenner  und  Leugner 
der  Göttlichkeit  und  Unverbrüchlichkeit  des  biblischen  und 
traditionellen  Gesetzes  durch  gewaltsamen  Zwang  zusammen- 
gehalten, hat  sicherlich  nicht  der  Entfaltung  und  Pflege  eines 
wahren  Gemeindelebens  Vorschub  geleistet"  .  .  .  Qoldne 
Worte,  die  in  den  Tagen  der  Goldschmidt'schen  .Einheit 
des  Judentums"  nicht  laut  und  oft  genug  betont  werden 
kcinnen! 

Sehen  wir  auf  der  einen  Seite,  wie  wenig  gemeinde- 
bildender Kraft  der  Zwangsorganisation  innewohnt,  so  lehrt 
andererseits  die  Geschichte,  wie  gerade  bexor  und  bis  dieser 
Zwang  einsetzte,  am  Baume  der  freien  Opferwilligkeit  die 
schönsten  Blüten  jüdischen  Gemeindelebens  erwuchsen.  .So 
lange  die  Judenheit  existiert,  in  der  Diaspora  und  früher, 
bildeten    die   an    einem    Orte    zusannnenwohnenden    Juden 


Gemeinden,  hatten  ihren  Vorstand,  ihren  Ausscluiü,  ilire 
Statuten,  ilire  Vereine,  üire  Stiftunt^en,  ilire  Gotteshäuser, 
Sclnilen  und  Lelirhäuser,  bewiesen  eine  Konsistenz  und  eine 
Leistun^sfähi5i;l\eit,  die  sie  in  den  hefti^^sten  Stürmen  wider- 
stelien  und  den  exorbitantesten  Anforderun.ü;en  jjenügen 
ließen,  waren  sie  die  bet;:eisterten  und  opferfreudi^'en  Ptle^er 
^eisti^er  und  sittlich  \  eredelnder  Crixenntnis,  die  (^eisti^e  und 
sitthche  Bildung  in  die  letzte  Hütte  ihrer  Gemeinschaften 
trug,  und  entfalteten  oiine  staatlichen  Zwang,  ohne 
staatliclie  Fcirderung;  ja  unter  der  Ungunst  aller 
politischen  Verhältnisse  ein  wahres  Gemeinde- 
leb-en.  —  _Uem  alten  Juden  stand,  und  den  treuen  Söhnen 
dieses  alten  Glaubens  steht  noch  heute  die  Genieindepflicht 
d.  h.  die  Pflicht  der  örtlichen  Gameinschaft  seines  religiösen 
Bekenntnisses  mit  Geld  und  Wort  und  Tat  anzugehciren. 
oder  wie  der  jüdische  Ausdruck  ist.  ..die  Gemeindelasten 
mitzutragen  und  mit  den  Gemeindeangelegenheiten  sich  zu 
beschäfttgen",  obenan  in  dem  religiösen  Pflichtkode.x  eines 
jüdischen  .Wannes.  l  ind  wie  es  nicht  des  staatlichen  Diktates 
bedarf,  iim  zur  Scliüellnng  seines  Geschäftes,  zur  Einstellung 
seines  Gewerbes  am  wöchentlichen  Sabbath  zu  treiben.  \x  ie 
er  ohne  staatlichen  Zwang  sich  all  den  Opfern  und  V.ni- 
sagungen  freudig  und  freiwillig  unterzieht,  den  seine  reli- 
giöse Gesetzestreue  \on  ihm  fordert,  wie  sein  religi()ses  Ge- 
wissen Noilkommen  für  die  religiöse  Gestaltung  seines 
indi\iduellen  und  Familienlebens  ausreicht,  so  reicht  es  auch 
\()llkonnnen  für  die  pfliclugetreue  L()sung  seines  Gemeinde- 
lebens aus  und  nur  xon  diesL'm  religiösen  Pflicht- 
gefühl getragen  hat  sich  und  w  ird  sich  jederzeit 
ein  wahres  Gemeindeleben  erzeugen"  (Prinzip  der 
Gewissensfreiheit  S.  llff.).  l  nd  in  der  Denkschrift  (S. '^i: 
-Fben  es.  eben  dieses  alte,  jüdische  Judeiuum,  das  man  das 
orthodoxe  nennt,  es  zittert  am  wenigsten,  ihm  bangte  nicht. 
wenn  der  Staat  ihm  seine  schützende  liand  auch  ganz  ent- 
z()ge  und  es  in  sollster  Freiheit  sich  selbst  wieder  ainer- 
traute.  Dem  Bekenner  des  al  t  eii  .1  u  d  en  tums  sind 
die  religi(")sen  Institutionen  kein  Fciertagszube- 
Iiör  für  die  Feierm(»mente  des  Lebens,  er  kann 
ihrer  für  keine  Stunde  des  Lebens  en  traten,  sie 
sind  ihm  die  Begleiter  und  Leiter  des  täglichen 
Lebens  in  allen  seinen  Gestaltungen,  und  da  ihre 
gedeihliche  Pflege  weseiulich  ilem  Scholle  einer  Genossen- 
schaft anvertraut  ist.  so  steht  Gemeindepflicht,  so 
steht  die  Hörigkeitspflicht  zu  einer  Ortsgemeinde,  sobald 
sie  die  Seine  ist.  gleich  ihm  der  Gesetzestreue 
pflegt,  in  demselben  r  e  I  i  g  i  (")  s  e  n  P  f  I  i  c  h  t  k  o  d  e  x . 
aus  welchem  er  alle  seine  übrigen  Pflichten  sclicipft.  So 
lange  es  orthodoxe  Juden  gibt,  so  lange  wird  es  jüdisciie 
Gemeinden  geben!" 

.Aber  der  Zwang  zur  Gemeinsamkeit  ist  nicht  nur  aul.ier 
Stande  wahres  Gemeindeleben  zu  erzeugen:  er  ist.  aus  eben 
denselben  Gründen  und  Folgen,  die  seine  gemeindebildende 
Kraft  zersK'iren.  auch  schon  Gewissenszwang.  A\an  hat 
es  so  darzustellen  beliebt,  als  stünde  in  S.  R.  Hirsch's  Ge- 
dankenwelt, in  seiner  Forderung  nach  .Aufhebung  der  staat- 
lichen Gemeindeorganisaiion  die  Rücksicht  aut  die  Pieitrags- 
pilicht  der  Disseinierenden  obenan.  Von  jenem  b()sartigen 
S\koplianteinum  zu  schweigen,  ilas  wider  besseres  Wissen, 
um  bei  Parlament  und  P)eli(")rden  und  in  der  Oeffentlichkeit 
die  Lauterkeit  seiner  .\\oti\e  zu  entwürdigen.  ..Geldrück- 
sichten" als  Antrieb  der  .Austrittsbewegung  denunzierte!  .Aber 
auch  objektiver  Denkende,  ia  selbst  Freunde  und  Vertreter 
der  Gemeinschaftsfreiheit  haben  sich  tlurch  das  Schlagwort 
von  der  .Steuerersparnis"  insoweit  irreführen  lassen,  dal.i  sie 
vermeiiUen  Sainson  Raiihael  Hirsch  habe  das  Schwergewicht 
seiner  Gründe  auf  die  Sleuerpflicht  begründet,  habe  die  .Aus- 
trittspflicht vor  Allen  tiaraus  hergeleitet,  dall  man  einen 
Orgelkult    und    andere    Reformwerke    nicht    mit  Geld  uiUer- 


stützen  dürfe.  Es  steht  um  diese  Behauptung  nicht  viel 
besser  als  um  jene  ähnlich  klingende  Beschuldigung,  mit 
der  man  den  politischen  Liberalisnuis  der  Konfliktsperiode 
verdächtigte:  ..Diesem  Ministerium  keine  Groschen",  sei  seiner 
Weisheit  letzter  Sclihiü.  Fs  ist  wahr  und  soll  ganz  und  gar 
nicht  bestritten  werden,  dalj  S,  R.  Hirsch  die  Beitragspflicht 
zu  dem  Budget  einer  Gemeinde,  die  auf  neologem  Boden 
steht,  für  einen  Gewissenszwang  erkannt  und  gewettet  hat. 
..In  der  Tat  ist  ja  auch  der  Pflichtbeitrag  zu  einer  religiösen 
Institution  kein  blolies  Geldeinzahlen,  ist  vielmehr  selbst  ein 
Svnibolum.  eine  Bekenntnistat.  die  den  Ausdruck  der  Aner- 
kennung und  Hörigkeit  zu  dem  Prinzip  und  den  Zwecken 
dieser  Institution  involviert."  (Prinzip  der  Gewissensfreiheit 
S.  8.)    Und    in    der    ..Gehorsamsten  Vorstellung"   von    1858: 

weil  wir  die  jenseitigen  .Anstalten  nicht  benützen  dürfen, 

weil  die  jenseitigen  .Anstalten  auf  der  Basis  der  Verleugnung 
uns  heiligster  Religionsgrundsätze  stehen,  und  die  Bekämpfung 
und  Vernichtung  unseres  eigenen  uns  unverbrüchlich  heiligen, 
alten,  orthodoxen  Judentums  als  Ziel  ihrer  Wirksamkeit  ver- 
folgen,   somit    wir    in    Mitunterhaltung     derselben     uns    an 
Werken  zu  beteiligen  gezwungen  werden,  die  vor  unserem 
Gewissen    die    schwersten    Versündigungen  sind         darum 
fordern    wir   die    Befreiung   dieser    Beitragspflicht."    (S.  24.) 
.Aber,   so   grol.les  Gewicht   dieser  Gesichtspunkt   mit  vollem 
Recht   beansprucht   und    eiimimmt:    er  ist  nicht  der  einzige, 
nicht  der  ausschlaggebende  in  seinem  Svstem.     Schiede  die 
Steuerfrage    aus    der    Debatte    auch  völlig   aus.   machte  die 
Reform  der  Orthodoxie  in  Geldfragen  auch  die  weitgehendsten 
Konzessionen        auch  dann  müüte.  was  innerlich  längst  ge- 
schieden, sich  auch  äußerlich  scheiden,  wäre  eine  Zusammen- 
fesselung der  religiös  Getremnen  in  eine    konfessioneile  Ge- 
meinschaft schlinnnster  verhängnisvollster  Gewissenszwang, 
weil    sie    beide    Teile    zur   Gewisseiisknechtung  anhält,   die 
einen  zur  Duldung  von  Sacrilegien  verpflichtet,  den  .Anderen 
Heuchelei  und  unangebrachte  Rücksichtnahme  zunuitet.    Zu 
dem    Pathos   eines   alten  Sehers  erheben  sich  S.  R.  Hirsch's 
Worte,   wenn   er   auf  die,   nach  beiden  Seiten  hin,  un- 
heilsvollen  Folgen  hinweist,  welche  der  Gewissenszwang  der 
staatlichen  Gemeindeverfassung  gewirkt  und  geschaffen  hat. 
..Wie   anders   stände   es   um   das  Judeiuum  in  der  heutigen 
Judenheit.  hätten  die  Staaten  das  jüdisch-religiöse  Gemeinde- 
leben, wie  von  je.   so   auch  da    noch  sich  selbst  überlassen, 
als    der    Jude    mit    .Anfang    des   Jahrhunderts   in    den  Kreis 
des  europäischen  Kulturlebens  einzutreten  begann  und  damit 
die  gegensätzlichen  Richtungen  iinierhalb  des  Judentums  sich 
zu  emfalten  begannen!    Sich  selbst  überlassen  und  nicht   zu 
aussichtsloser  feindlicher  Dmarnnmg  gezwungen,  hatten  sich 
die  Gegensätze  gar  bald  geklärt,  hätten  in  der  Freiheit  'sich 
nebeneinander  einfaltet,  hätten  mir  einen  geistigen,  sittlichen 
Wettkampf    siegreicher    Betätigung    des    einem  jeden  inne- 
wohnenden Kernes  der  1  ieberzeugungen  bestanden  und  hätten 
in    eben    solcher    |-)etätiguiig    um    tue  Palme    der  Wahrheit 
gerungen.    Fs  hätte  dieses  alte  Judentum,  wie  es  von  je  ein 
treuer  Hüter  und  Pfleger  der  geistigen  Schätze  seiner  natio- 
nalen Wissenschaft  und  Litteratur  und  gleichzeitig  keineswegs 
den   geistigen    Strömungen    seiner   l  'mgebung   versclilt)ssen 
war,  es  hätte  dieses  alte  Judentum  gar  rasch  sich   mit  allem 
Wahren    und    Fdlen    der   europäischen    Bildung    befreunilet 
und.  indem  es  fortgefahren  hätte,  seine  Inslituiionen   der  Fr- 
kenntnis    und    des    Lebens,    die    unter    dem    Drucke    seine 
geistigen    Hebel    und    sitttlichen  Frhalter  waren,    nun  in  der 
.Atmosphäre  tler  Freiheit  noch  blülenreicher  zu  entfalten,   so 
wäre    gar    bald    dem  l-iewuLitsein  der  Staaten  die  Erkenntnis 
aufgegangen,     welche    Schätze    der    Erleuchtung    und    Ge- 
sittung  denn    doch    elieses  alte  Judentum  bei  seinem  Eintritt 
in  das  europäische  Kulturleben    als  .Angebinde    den  Völkern 
mitzubringen  habe,     lind  neben  iliesem    lebensfrischen.    uii- 
verkümmerten.    heiterernsten,    alten    Judentum   hätte    dessen 


^<> 


jüngste    Toc!iter.     die   Reform,    offnen      Boden    zur     Ent- 
faltunir    jjehabt.     wäre,     auf     sich    selbst    ojewiesen,     ^e- 
z\\un*ien   «gewesen   statt  in   blolkn  Nejjationen   in   positiven 
Schöpfungen  sich  zu  üben,  und   statt   ihre  Gebilde    den   hi- 
stitutionen    des    alten    Judentums    gewaltsam     einzuimpfen 
und  diese    zu    verkümmern,  ohne    selbst   zu    eigener    Blüte 
zu    kommen,    wäre    sie    genötigt    gewesen    in    Schöpfung 
eigner  histitutionen  ihre  Lebenskraft  und  Lebensfähigkeit  zu 
erproben  ,  .  .    .Alles   dieses    iiat    der    vielgepriesene  Zwang 
vereitelt.     Indem    er    die    beiden    wie    Satz    und  Gegensatz 
unversöhnlichen    Elemente    zusanunenhielt.    brachte    er    die 
gebildeten  Söhne  der  Reform  zu  fanatischer  Feindschaft  und 
Zerstörung  der  alten  religiösen  Heiligtümer   und    die   treuen 
Hüter    dieser    Heiligtümer    zu    scheuer    Elucht    xor    einer 
Bildung,  die  ihr   nur   in   religiösem  VVidersatz   entgegentrat. 
also,   dai.i    lange,    lange    bei    den    Gebildeten    das    religiöse 
Leben    und    bei    den   Religiösen    die    Bildung    verkünnnern 
muOte  und  \erkünunerte.    Und    dieser  Zwang,  der   die   dis- 
paratesten   Gegensätze     in    den     heiligsten    Anliegen    der 
Menschen  gewaltsam  zusannnenhielt,  hat  permanenten  Zwie- 
spalt   und    Hader    in    Gemeinden,    Familien    und     Häusern 
genährt,  hat  die  Wahrheit  des  religiösen  Lebens  aus  Gottes- 
häusern   und    Schulen    gescheucht,    hat    an    die    Stelle    der 
Klarheit   der    Erkenntnis    und    der    Entschiedenheit   der  Ge- 
sinnung   einen    Geist    der    Konnivenz    und    der    Rechnung 
tragenden  Klugheit    erzeugt,  der    nur    die    Mäimer    als    die 
rechten  .\\änner  der  Zeit   begrüßte,  von    denen    er  vertraute. 
sie  würden  im  ..rechten  Verständnis"   der  Zeit   und    im    ver- 
meintlichen Interesse  des    Friedens   das   Religiöse   zu   einer 
Reihe  hohler  Phrasen    zu    umwandeln    verstehen,  dal.)  darin 
alle    Gegensätze,    das    bekennende    Ja    und    das  leugnende 
Nein    religiöser    Deberzeugungen,    ein    friedliches    Neben- 
einander finden     Es   ging  ja   nicht   anders.    Es   muLlte    die 
Aequilibristik   pastoraler  Klugheit,   eine   sonst   inr   Judentum 
unbekannte  Kunst,  an  die  Stelle  der  Aufrichtigkeit  in  Lehre 
und  Leben  treten,  und    die  Wahrheit,   das   einzige   Element 
eines   jeden    echten    religiösen    Lebens,  als  Störenfried    aus 
dem    Kreise   der   Lebendigen  \erscheuclit  werden.    Indem 
der  Staat  konfessionelle  Gegensätze  \'on  solcher 
Kontrarität,    wie    die    jüdische    Reform    und    die 
jüdische  Orthodoxie,  zu  einer  Religionsgemein- 
schaft  gewaltsam    zusammen  zwängte,    sprach  — 
ohne  es  zu  wollen        er  es  aus,  d a ü  im  religiösen 
Gebiete  .Alles    einerlei,    somit    Nichts    etwas    sei. 
ward  er  ganz  ei  gentlich    der  Vater    und    Erzeuger 
jenes  Nihilismus,    den    er    gewiLi    nicht    als    lieil- 
vollen  Factor  für  die  Völker-  und  Staatenbildung 
begrül.it.    So   sieht   der  Gewissenszwang   aus.  dem    S.  R. 
Hirsch  durch  die  Austrittsfreiheit  der   dissentirenden  Glieder 
begegnen  willl     L'nsere   Zeit,  die  nur  die   reellen    Faktoren 
im  Staats-  und  Gesellschaftsleben  zu  begreifen,  zu  würdigen 
weill.    mag    diese    Auffassung    weltfremde     Verstiegenheit, 
theoretisierende  Speculation   bedünken!    Ihre    überzeugende 
Kraft  kann  darunter  nicht  leiden;  schon    hat   die  Gescliichte 
ilir  Recht  gegeben,  und    die  Zukunft    wird    dies    Urteil    nur 
bestätigen. 

..Austrittsfreiheil"  hierüber    noch    ein    Wort!   S.  R. 

Hirsch  hat  diesen  Ausdruck  gelten  lassen,  weil  er  die 
faktische  [Rechtslage  knapp  und  präzise  umschreibt;  dem 
Sinne  nach  hat  er  ihn  nie  gebilligt.  Denn  ihm  bedeutete 
die  gesetzlich  erzwungene,  formelle  Austritts-Erklärung 
nicht,  dal.)  der  Dissentierende  vom  Alten  sich  schied,  „in 
uns  lebt  die  .Wuttergemeinde  fort,  von  welcher  die  Gegner 
ausgetreten.  Nicht  die  Ausscheidenden  die  Zurückge- 
bliebenen sind  wir,  der  letzte  Rest  der  bei  den  väterlichen 
Heiligtümern  des  \on  jeher  bestehenden  Judentums  treu 
Gebliebenen!"  AAochten  die  Gebäude,  die  Stiftungskapitalien, 
die   alten    Einrichtungen,   selbst   die  Grabstätten    der  Ahnen 


im  Besitze  der  Neologie  verbleiben  Jüdische  Gemein- 
schaft, eine  jüdische  Gemeinde  ist  ihm  nur  die  zu  nennen 
und  zu  schätzen,  wo  die  Fahnen  des  alten,  wahren,  ortho- 
do.xen  Judentums  wehen,  wo  „Tliora.  Aboda  und  Qemillus 
Chassodim  theoretische  Kenntnis  der  Thora.  praktische 
Verwirklichung  ihrer  Anforderungen  und  Liebung  selbst- 
tätiger .'Menschenliebe"  als  des  Judentums  Merkmal  gelten. 
S.  R.  Hirsch  hat  \ieler  Menschen  Städte  gesehen  und 
ihren  Sinn  erkannt,  lind  mag,  wie  er  ihn  erkannt,  noch 
so  x'ielen  in  unserer  Zeit  unverständlich,  irrig  erscheinen; 
mögen  sie  ihn  als  Stcirenfried  \  erschreien  oder  als  A'\ystiker 
zu  verspotten  wagen;  in  seinen  Ideen  zur  inneren  Politik 
des  Judentums  ist  mehr  Wahrheit  und  Klarheit,  mehr  sitt- 
licher Ernst  und  weitschauendes  EwigkeitsbewuLitsein  als  in 
all  den  l^anaceen  zur  Heilung  unserer  Gemeindenöte,  die 
gerade  unsere  Zeit  in  beängstigendem  Uebermaüe  zu 
produciren  sich  berufen  dünkt. 

Samson  Raphael  Hirsch  als  Erzieher. 

Von  Dr.  J.  Wohls:emuth  in  Berlin. 

„Rembrandt  als  Erzieher",  wie  ein  Blitz  fuhr  dies  Buch  vor 
etwü  zwei  Jahrzehnteil  in  die  deutsche  Welt,  erweckte  stürmische 
Begeisterung  und  entflammte  junge  und  alte  Herzen.  Deutsche 
Art  und  deutsches  Wesen  waren  noch  nie  mit  so  jugendlichem 
Feuer  gepriesen,  mit  so  überlegenem  Wissen  geschildert,  mit 
soviel  Kunstverständnis  und  ästhetischem  Feingefühl  gezeichnet 
worden. 

Wer  gibt  uns  das  Buch:  „S.  R.  Hirsch  als  Erzieher",  wer 
gibt  ('S  uns  Juden  so,  wie  es  der  große  Unbekannte,  der 
anonyme  Verfasser  in  jenem  Werke  den  Deutschen  gegeben? 
Das  würde  ein  Buch  in  dem  all  die  Hoffnungen  Israels  zu 
frischem,  fröhlichen  Leben  erwachten,  die  uralten  Wahrheiten 
in  lichter  Klarheit  sich  wieder  offenbarten,  das  heilige  Gesetz 
seine  beglückende  und  beseligende  Macht  entfaltete,  und  die 
ganze  neu  sich  erschließende  Gedankenwelt  wäre  aus  dem 
Geiste  Hirschs  geboren,  wir  hörten  nicht  nur  die  Worte  des 
großen  Mannes,  seine  Seele  sti;.>ge  hernieder,  und  die  wun- 
dersaine  Melodie,  mit  der  sie  die  Mitwelt  in  ihren  Bann  zau- 
berte, da  sie  noch  auf  Erden  weilte,  erklänge  wieder  in  einer 
neuen  Harmonie.  In  einer  Harmonie  voll  Kraft  und  Anmut, 
vol!  Lieblichkeit  und  berauschender  Fülle,  die  unser  führerloses 
Volk,  unsere  geistesarmen  und  willensschwachen  Scharen  mit 
ungeahntei  Erkenntnis,  mit  flammender  Begeisterung  erfüllte, 
daß  die  alte,  sturmerprobte  Fahne  des  gesetzestreuen  Judentums 
uns   zu   neuen   Siegen   führte,   wie   in   der  Vorzeit. 

Wir  haben  dies  Buch  nicht,  und  wir  erhalten  es  wohl 
nicht  ip  Bälde.  Wir  stehen  dem  Großen  noch  zeitlich  zu  nahe, 
als  daß  es  Einem  unter  uns  gelingen  könnte,  alle  Strahlen 
dieses  Geistes  zu  sammeln  und  sie  in  neuen  Lichtern  zu  ver- 
körpern. Vielleicht  ist  es  aber  gestattet,  in  dieser  Festesnummer, 
die  dem  Andenken  Hirschs  geweiht  ist,  ein  paar  lose  Gedanken, 
einige  anspruchslose  Sätze  vorzutragen,  winzige  Bruchstücke 
jenes  Buches,  das  dereinst  in  seiner  Vollendung  uns  von  dem 
Berufener,   gespendet   wird. 

Einer  ganzen  Anzahl  theoretischer  Erörterungen  wohnt  nicht 
soviel  Beweiskraft  inne,  wie  einer  einzigen  lebendigen  Er- 
fahrung. Darum  will  ich  erzählen,  wie  Hirsch  ni  i  r  zum  Er- 
ziehe'- wurde.  Einundzwanzig  Jahre  alt  war  ich  geworden,  in 
einer  Gemeinde,  wie  Hamburg,  aufgewachsen,  und  keine  Zeile 
von  Hirsch  war  bisher  in  meine  Hand  gelangt.  Vielleicht  war 
es  so  gut  und  noch  besser,  daß  ich,  als  ich  nun  die  Universität 
bezog,    zuerst   über   die    Jahrgänge   des   „Jeschurun"   geriet. 

Nirgends  ist  Hirsch  so  ganz  Hirsch,  nirgends  tritt  das 
Geniale  seiner  [Persönlichkeit  so  unverhüllt  hervor,  wie  in  den 
ersten  Jahrgängen  des  ,, Jeschurun."  Er  steht  in  der  Vollkraft 
seines  Schaffens,  eine  blühende  Gemeinde  zaubert  er  aus  dürrem 
Boden,  er  bildet  Menschen  nach  seinem  Ebenbilde,  seine  Welt- 
anschauung, vor  Jahrzehnten  schon  in  großen  Zügen  von  ihm 
erfaßt,  ist  ausgereift,  sein  sicherer  Besitz  geworden,  die  Werke 
der  Zukunft  liegen  vor  seinem  geistigen  Auge,  und  jetzt  auf  dem 
Höhepunkt  seines  Lebens,  im  Glücksgefühl  des  Errungenen,  im 
Bewußtsein  seiner  providentiellen  Aufgabe  hält  er  seine  Reden 
an  die  jüdische  Nation.    Es  sind  Reden  auch  für  den   Leser, 


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aber  Reden  wie  der  I^ropheten  Rede,  nicht  für  den  Tag  geboren, 
sondern  füi  alle  Zeiten.  Und  auch  mich  ergriffen  sie  mit  elemen- 
tarer CJewalt.  Solche  löne  hatte  ich  nocii  nie  vernommen.  Icn 
war  in  dem  Alter,  in  dem  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  die 
Fluten  der  aus  allen  profanen  Wissenszweigen  herandrängenden 
Probleme  geschwächt  ist,  da  all  die  stickigen  Dünste  das  Hirn 
umnebeln,  da  brauste  der  Sturm  der  religiösen  Begeisterung 
aus  diesen  Reden  lierxor  und  verscheuchte  die  Nebel.  Die 
eiserne  Konsequenz,  das  ,,Und  dennoch!"  das  aus  jeder  F^ede 
spricht,  sie  wurden  Stab  und  Stütze  dem  im  Dunkel  Wandelnden. 
Es  war  kein  Zufall,  da(5  ich  gerade  mit  dem  „Jeschurun"  im 
Arm  dem  (betriebe  der  Großstadt  entfloh  und  die  Wälder  der 
Mark  durchstreifte.  Ein  Urwüchsiges,  ein  völlig  Ursprüngliches, 
ein  Stück  Natur  war  für  mich  in  die  Erscheinung  getreten. 
Und  nui  in  Gottes  freier  Natur,  wo  die  Brust  sich  weitet,  der 
Blick  unbehindert  in  die  Ferne  schweift  und  mit  den  Sinnen 
auch  der  Geist  sich  zu  Großem  erhebt,  nur  dort  schien  mir 
der  rechte  Rahmen  gegeben  für  das  grandiose  Bild,  das  Hirsch 
mit   Meisterhand    entwirft. 

Auch  die  kargen  Reize  der  Mark  entschleiern  dem,  der  sie 
mit  offenem  Auge  sucht,  die  Züge  der  Schönheit  und  Erhaben- 
heit in  der  Natur.  Auch  hier  Wald  und  Feld  und  Berg  und 
Tal,  unü  Blumenduft  und  Vogelsang,  ins  scheinbar  Unendliche 
sich  dehnende  Binnenseen,  das  blaue  Himmelsgewölbe  und  tlas 
Spiel  der  Sonnenstrahlen  in  allen  Farbenwundern,  das  wechsel- 
volle Lied  der  Windsbraut  und  das  Jagen  und  Treiben  der 
phantastischen  Wolkengebilde.  Ich  wandere  durch  eine  roman- 
tische Schlucht.  Immer  schauriger  gestaltet  sich  die  Umgebung, 
immer  steilei  schlängelt  sich  der  I^fad,  die  Bäume  dicht  anein- 
andergereiht, wuchernder  Pllanzenwuchs,  kein  Sonnenstrahl  fällt 
hinein.  Dunkel  umfängt  mich,  Totenstille  ringsumher.  Tief 
unter  mir  in  gespensterhaft  düsterem  Scheine  ein  Gewässer.  Da 
schimmert  es  hell  durchs  Gebüsch,  ein  Schritt  und  tief  aufatmend 
begrüß  ich  das  Sonnenlicht.  Und  ich  greife  zum  „Jeschurun" 
und  lese  die  Thischribetrachtung:  „Des  Juden  Katechismus  ist 
sein  Kalender"  und  mich  erfaßt  ein  unendliches  Sehnen,  den 
werbenaen,  mahnenden,  lockenden  Worten  durchs  Leben  zu 
folgen,  durch  Nacht  zum  Licht  mich  durchzuringen,  „von  Morgen 
zu  Morgen,  von  Frühling  zu  Frühling  zu  zählen,"  daß  auch 
mein  Tag  sei  „ein  Tag,  der  mit  dem  Morgen  anbricht  und  zum 
Mittag  steigt  und  mitten  durch  die  Schatten  der  Nacht  doch 
sicher  wieder  zum  Morgen  geleitet."  Ich  k.-nne  kein  Produkt  der 
nachbiblischen  jüdischen  Literatur,  das  in  einer  einzigen  Be- 
trachtung eine  solche  Fülle  von  Gedanken,  einen  s»)  uner- 
schöpflichen Stimniungsgehalt  gegeben,  wie  diese  Thischribe- 
trachtung. Ists  ein  Wunder,  daß  sie  mir  an  diesem  Orte  in 
dieser  Zeit  gelesen  unvergeßlich  geblieben,  in  ihren  Wirkungen 
für   mein    Seelenleben    nicht   zu    berechnen    ist? 

Ein  anderes  Mal:  Ich  habe  die  höchste  Erhebung  eines 
Walürückens  erstiegen.  Auf  den  Sammetboden  von  schwellen- 
dem Moos  hingelagert,  blicke  ich  nach«  oben  in  das  azurne 
Blau  des  Himmelsgewcilbes  und  durch  eine  Lichtung  schweift 
das  Auge  über  den  See  bis  dahin,  wo  Himmel  und  Erde  sich 
küssen,  wo  die  verschwimmende  Linie  des  Horizont  die  .\hnung 
eines  Unendlichen  weckt.  Nicht  in  der  Studierstube  über  den 
scholastischen  Beweisführungen  der  Alten  brütend  oder  liber 
den  Hirn  und  Mark  aussaugenden  Systemen  der  neueren  Philo- 
sophie gebückt,  hier  im  Angesicht  des  Himmels  und  der  Erde 
wird  die  Unendlichkeit  des  Raumes,  die  Ewigkeit  djr  Zeit  zur 
lebendigen  Vorstellung.  Und  ich  lese  im  ,, Jeschurun"  den  Weck- 
ruf: „Der  Jude  und  seir.e  Zeit"  und  zum  unverlierbaren  Besitz 
wird  mir  die  Wahrheit:  das  Judentum  ist  nicht  zeitgem.'iß,  und 
sem  höchster  Ruhm  ist  es,  daß  es  nie  zeitgemäß  gewesen.  Wie 
lächerlich  klein  erscheint  die  Zeit  gemessen  an  der  Ewigkeit, 
wie  bedeutungslos  die  herrschenden  Ideen  einer  Zeit  gegenüber 
dem  von  (iott  übermittelten  (jcsetz  an  Sein  v'olk,  dem  es 
selbst  und  die  Menschheit  heranreiten  soll  im  ewigen  Wandel 
der   Geschlechter. 

ich  raste  im  Laubwald.  Um  mich  ein  reges  Leben  und 
Weben,  eine  reiche  Flora  und  Fauna.  Kaum  fassen  die  in  der 
Großstadtluft  verkümmerten  Organe  all  die  Welt  von  Luft  und 
Duft,  von  Klang  und  Sang,  vcyii  wimmelnder  Regsamkeit,  die 
hier  sieh  entfaltet.  Man  sieht  förmlich  die  Säfte  emporsteigen, 
hier  welkende  Blüten,  dort  schwellende  Früchte.  Aus  der  Ferne 
der  Ruf  des  Kukuk,  hoch  über  uns  pfeift  der  i'irol,  aber 
schmetternd  übertont  sie  der  Sang  der  Drossel.  Ein  Lächeln 
tritt  auf  unsere  Lippen.  Der  Specht  ist  wieder  einmal  um  den 
Baum  gerannt,  und  recht  einfältig  schaut  er  aus,  er  sieht  sich 
wiedei  genarrt.  Es  raschelt  in  den  Zweigen,  hoch  oben  im 
Wipfel  wiegt  sieh  das  Eichh()rnchen  und  blinzelt  mit  seinen 
klugen     Aeuglein     herab     auf    den     Eindringling.     Aber    erst    am 


Boden,  was  für  ein  geschäftiges  Treiben!  Insekten  aller  Arten 
schwirren  heran,  saugen  an  den  Blüten  im  Unterholz  und  ent- 
eilen geschwind.  Die  mannigfachsten  Käfer  versuchen  ihre  be- 
scheidenen Kletterkünste  an  den  am  Boden  liegenden  Zweigen, 
aber  ernste!  und  schwerer  Arbeit  sehe  ich  die  beiden  \meisen 
hingegeben,  die  mit  ihrer  Last  sich  nun  gemeinsam  so  lange 
schon  mühen  und  sie  doch  erst  eine  kleine  Strecke  fortbewegt. 
-  Und  hier,  \öllig  hingegeben  der  Betrachtung  der  Natur,  sinne 
ich  der  Gedankenwelt  Hirschs  nach,  hier  erwachsen  in  mir  seine 
Ideen  über  das  (iottesgesetz  zu  neuem  und  mir  für  alle  Zeit 
urLigeiiPü  Leben.  Baum  und  Strauch,  Halm  und  Blume,  die 
Tiere,  groß  und  klein,  hinab  bis  zum  Unscheinbarsten,  sie  alle 
folgen  dem  göttlichen  Gesetz,  und  nur  weil  sie  es  befolgen, 
treu  und  verläßlich,  nicht  um  Haaresbreite  weichend  von  dem 
ihnen  gewordenen  Gebot,  darum  zeigt  sich  uns  die  Natur  in 
der  Pracht  der  Vollendung,  darum  die  von  keinem  Mißklang 
gestörte  Harmonie.  Und  der  Mensch?  Und  die  Menschheit? 
Sie  sollte  die  Krone  der  Schöpfung  sein,  in  ihrem  Wirken  und 
Streben  eine  zweite  Natur,  eine  noch  herrlichere  erstehen  lassen, 
sie  sollte  deir  ihr  gewordenen  üottesgesetze  in  Freiheit  sich 
beugend  aus  eigener  Kraft  eine  Harmonie  schaffen,  in  der 
Himmel  una  Erde  sich  vermählte,  Seele  und  Körper,  Geist  und 
Natur  zu  einem  wunderbaren  Gebilde  sich  zusammenschlösse. 
Aber  noch  gilt  das  Dichterwort:  „Die  Welt  ist  vollkommen 
überall,  wo  der  Mensch  nicht  hinkommt  mit  seiner  Qual." 
Denn  wir  sind  von  der  Natur  abgefallen,  von  unserer  Natur, 
von  d  e  ii  Gesetzen,  die  allein  unser  Wesen  so  gestalten  können, 
wie  es  in  Gottes  Plan  lag,  da  er  den  Menschen  in  Seinem 
Ebenbilde  schuf,  daß  er  Sein  Stellvertreter  sei  auf  Erden,  daß 
„das  remt  Gottes  Willen  vollbringende  Wirken  des  Menschen 
die  Gottheit  enthebe  des  Niedersteigens  zur  Erde,  sie  enthebe 
des  unmittelbaren  Vollbringens  ihres  Willens  im  irdischen 
Kreise."  Und  nicht  eher  wird  die  Schöpfung  in  ihrer  Vollen- 
dung erstrahlen,  als  bis  wir  an  der  Hand  der  göttlichen  Lehre 
ein  anderes  Dichterwort  beherzigen:  ,, Suchst  du  das  Größte, 
das  Höchste?  Die  Pflanze  kann  es  dich  lehren!  Was  sie  wil- 
lenlos   ist,    sei    du    es    wollend!     Das    ist's!" 

Die  Ufer  der  Havel  im  Schimmer  der  Abendröte.  Ringsum 
ein  Kranz  vor.  Waldeshöhen  in  allen  Farbennüancen  des  Grün. 
Unten  die  leicht  gekräuselten  Wellen  im  funkelnden  Rot.  Und 
am  Fuße  der  Hügel  die  Häuser  der  Reichen,  Marmorbilder 
lugen  hier  und  dort  aus  dem  Grün  des  Waldes  hervor,  und  auf 
einzelnen  Höhen  in  stolzer  Pracht,  in  antikem  Gewände  die 
Schlösser  des  preußischen  Kc'migshauses.  Schimheitstrunken  um- 
faßt der  Blick  diesen  Erdenwinkel,  den  Kunst  und  Natur  mit 
soviel  Anmut  geschmückt.  Dies  Bild  wird  mir  zum  Symbol.  Ich 
sehe  Hellas  vor  mir  mit  seinen  Tempeln  und  Statuen,  seinen 
Festen  und  (lesängen,  der  Musik  seiner  Sprache  und  dem 
zwingenden  Zauber  seiner  Dichtung.  Warum  ward  nicht  uns  die 
Lebensfreude  und  der  dem  Glücke  des  Diesseits  zugewandte 
Sinn  des  Hellenen?  Und  der  ,, Jeschurun"  gibt  die  .Antwort. 
1-ie  Kislewbetrachtung  ,,Der  Hellenismus  und  das  Judentum" 
ist  IS,  die  den  Widerstreit  löst  in  des  Jünglings  Brust,  den 
inneren  Kampf  beendet,  der  sich  so  oft,  wenn  auch  unbewußt, 
im  Innern  unserer  jüdischen  akademischen  Jugend  abspielt.  Die 
besten  Jahre  hat  sie  dem  Humanitätsideal  der  Antike  geopfert, 
in  glühenden  Farben  wurde  ihr  die  Welt  des  Schönen  ge- 
schildert, wie  sie  bei  den  Hellenen  in  nie  wieder  erreichter 
Vollendung  sich  entfaltet  hat.  Und  demgegenüber  der  strenge 
Ernst  des  jüdischen  F^flichtenlebens,  die  klare  aber  darum  oft 
Harte  und  poetischer  Form  entkleidete  Arbeit  talmudischer  For- 
sehungsinethode.     Aber    Hirsch    läßt    sich    also    \ernehnien: 

„Nicht  umsonst  hat  (iott  seine  Welt  mit  dem  Ocwand  des  Schönen 
umkleidet,  in  Formen  und  Töne  das  Ciesetz  der  Harmonie  gesenkt  und 
dem  Menschen  Aug'  und  Ohr  geöffnet,  diese  Harnionieen  zu  erfassen 
und  sich  ihrer  im  Geiste  und  Ciemüte  zu  erfreuen.  iWit  jeder  l::mpfin- 
dung  des  Erhabenen,  die  dem  Menschen  der  bestirnte  Hinuiicl  mui  das 
Strahicndiadem  der  kommenden  und  scheidenden  Sonne  bringt,  mit 
jeder  Freude  die  er  an  der  .Anmut  und  der  Schönheit  einer  BhiiTic 
empfindet,  wird  er  iiber  den  engen  Kreis  beschränkter  Nützlichkeit  ge- 
hoben und  ein  Ton  in  seinem  Inneren  angeschlagen,  der  in  inniger 
Verwandtschaft  zu  der  noch  höheren  Empfindimg  für  das  sittlich  Schöne 
steht  imd  ihn  der  limpfänglichkeit  für  dieses  um  einen  bedeutenden 
Schritt    näher    bringt. 

l'nd  weil  der  allgütige  Schöpfer  die  Freude  am  Schönen,  eben  als 
Vorstufe  für  seine  höhere  Vollendung,  tief  in  die  Brust  des  Menschen 
gelegt  und  in  diesem  durch  das  Schönheitsgefühl  veredelte  Dasein,  der 
Mensch  erst  wahrhaft  seiner  selbst  froh  wird  und  zum  heiteren  (leniili 
des  irdischen  Daseins  ersteht,  dartini  eben  verwirklicht  sich  der  Seher- 
spruch an  dem  Triumph  des  japhetischen  (ieistes  über  alle  <iemüter, 
darum  öffnen  sich  rasch  und  gern  die  l'forten  des  (iemütes  der  hel- 
lenischen Kultur;  tind  der  Kalokagathia,  der  durch  das  (lefühl  des 
Schönen  vermittelten  Tugend  griechischer  Bildung,  ist  der  verheißene  Sieg 
gcwili." 


41 


Wk  nun  Hirsch  des  Weiteren  zeigt,  daß  das  Schönheits- 
ideal des  Hellenismus  dennoch  nur  eine  Vorstufe  des  Judais- 
mus ist,  daß  der  semitische  Geist  erst  die  Erfüllung  und  die 
wahre  Vollendung  der  Menschheitsziele  gewährleistet,  das  ist  in 
wenigen  Worten  nicht  wiederzugeben.  Unzählige  Male  habe  ich 
diese  Abhandlung  gelesen,  Unzähligen  sie  zur  Lektüre  empfoh- 
len, immer  neue  Anregungen  für  pragmatische  Geschichtsbe- 
trachtungen  aus   ihr  empfangen. 

Soll  ich  die  Schilderung  meiner  Wanderungen  fortsetzen? 
die  Beispiele  werden  genügen.  Bald  zwei  Jahrzehnte  sind  seit- 
dem dahmgegangen,  die  einzelnen  Züge  haben  sich  in  der  Er- 
innerung vielleicht  verwischt.  Aber  im  Großen  und  Ganzen  gab 
ich  ein  treues  Bild,  wie  Hirschs  „Jeschurun"  auf  mich  wirkte 
draußen  in  Gottes  freier  Natur,  wie  Naturbetrachtung  und 
Hirschs  Gedankenwelt  sich  mir  zu  einer  Einheit  gestalteten,  und 
gtmemsam  mich  bildeten  und  erzogen.  Diese  Einheit  war  keine 
subjektive  Zutat  von  mir.  Sie  ist  in  der  Sache  gegeben.  Wie 
jeder  echte  und  rechte  Erzieher  ist  Hirsch  von  der  Natur  aus- 
gtgangeii.  Das  ließe  sich  durch  Zergliederung  seiner  .■\ufsatze 
und  Abhandlungen  erweisen.  Doch  solche  philologische  Klein- 
arbeit kann  hier  nicht  unsere  Aufgabe  sein.  Sie  erscheint  auch 
überflüssig,  denn  die  Bewunderung  für  die  Natur,  das  liebe- 
volle sich  Versenken  in  die  unendlich  mannigfaltigen  Reize,  in 
die  unvergängliche  Schönheit,  die  sie  dem  aufmerksamen,  sinnigen 
empfänglichen  Betrachter  bietet,  das  alles  ist  zu  sehr  mit  den 
Kerngedanken  von  Hirschs  Weltanschauung  verknüpft,  als  daß 
sich  ein  Zweifel  regen  könnte.  Die  Lebensbejahung,  das  (jlück 
des  Diesseits  wird  ja  in  allen  möglichen  Wendungen  von  ihm 
verkündet  Und  er  sollte  die  edelste  Quelle  des  irdischen  Glücks, 
den  ureigensten  Lohn  des  gottergebenen,  gottgetreuen  Dieners, 
die   Freude   an   der  gotterschaffenen   Welt  vernachlässigt  haben? 

Ein  in  seiner  Schlichtheit  rührendes  Wort  von  Hirsch  ist 
mir  berichtel  worden.  Er  konnte  und  wollte  nicht  die  heutzu- 
tage beliebten  jährlichen  Sommerreisen  unternehmen,  konnte 
und  wollte  in  seinem  Amte,  in  seiner  rastlosen  Arbeit  nicht  eine 
längere  Unterbrechung  eintreten  lassen.  Einmal  entführte  sein 
Schwiegersohn  ihn  nach  de."  Schweiz,  Und  a's  e:  heimgekehrt  war, 
da  meinte  er:  Ich  fürchtete  mich  immer,  wenn  ich  einst  vor 
Gentes  Richterstuhl  erscheinen  würde,  vor  der  Frage:  „Ich  habe 
eine  so  schöne  Welt  geschaffen,  was  hast  du  von  dieser  Welt 
gesehen?''  Nun  kann  ich  doch  Rede  stehen.  Das  schönste  und 
gewaltigste  Stück  seiner  Erde  habe  ich  geschaut! 

Und  wieviel  Eindrücke  hat  er  aus  einer  schlichten  Rhein- 
fahrt gewonnen.  „Aus  der  Mappe  eines  wandernden  Juden"  sind 
die  Betrachtungen  betitelt,  die  im  Besonderen  freilich  an  die 
Gesprächt  anknüpfen,  in  denen  er  mit  Reisegenossen  über  die 
trübe  Gegenwart  des  Judentums,  über  seine  Autgaben  und 
Ziele  sich  auseinandersetzte.  Aber  wie  bricht  da  immer  die  innige, 
unausrottbare    Liebe   zur   Natur   hervor.     Eine   Stelle   von   vielen: 

„Was  waren  unsere  alten  Rabbiner  für  andere  Männer!  Wie  Ilaben 
sie  in  (iotti-b  herrlicher  Natur  geatmet  und  gefühlt,  gedacht  und  gek- 
lebt! Wie  haben  sie  unseren  Sinn  für  alles  lirhabene  und  Schöne  in 
der  Schöpfung  wecken  wollen!  Wie  wollten  sie  aus  Morgcnstrahl  und 
.Abendröte,  aus  Tageslicht  und  Schattennatht,  aus  Sternenschiinnier  und 
Blütenschmelz,  ans  Meeresrauschen  und  IJoniierrollen  und  Blit:a'snug 
uns  den  Kranz  der  Verherrlichung  unserem  (iotte  wieder  lehren;  wie 
wfjihen  sie  in  jedem  Geschöpfe  einen  l^rediger  seiner  .Macht,  einen 
.Wahner  an  unsere  Pflicht  uns  zuführen.  Zu  welcher  (jottesoffenbai-ung 
haben    sie   das    Buch    der    Natur    uns   gemacht!" 

Das  Genie  ist  ein  Stück  Natur,  ursprünglich  wie  die  Natur 
und  schöpfend  aus  der  Natur.  Aber  Hirschs  Wirksamkeit,  seine 
Wiiksamktit  als  Menschenbildner  allein  aus  seinem  Verhältnis 
zur  Natui  erklären  zu  wollen,  wäre  natürlich  durchaus  ver- 
fehlt. Ist  es  doch  der  Geist  des  Judentums,  der  Geist  des 
göttlichen  Gesetzes,  den  er  in  den  Mittelpunkt  all  seiner  Be- 
tiuchttingen  stellt.  Ist  doch  die  Naturbetraehtung  für  ihn  nur 
eines  dei  Hilfsmittel,  um  das  Gottesgesetz  in  seinem  Sinn  zu 
deuten  Und  haben  doch  die  ,, Stubenhocker,  die  die  Gottes- 
herriichkeiten  auf  Erden  nie  geschaut"  nicht  minder  im  Bann 
der    Persönlichkeit   und   der   (jedankenw  elt   Hirschs   gestanden! 

Er  hat  Seelen  geschaffen.  Darum  mußte  er  seclenkundig  sein. 
U'iid  in  der  Tat,  jeder  große  Menschenbildner,  jeder  große  Er- 
zieher ist  ein  großer  [Psychologe.  Nicht  in  dem  Sinne,  daß  er 
die  Systeme  der  Psychologie  beherrscht,  nicht  einmal  in  dem 
Sinne,  daß  in  ihm  eine  genaue  Kenntnis  aller  Schwächen  unel 
Leidenschaften,  aller  guten  Keime  und  Triebe  des  Menschen- 
herzen^  lebt  und  er  nun  s\stematisch  und  bewußt,  die  guten 
Keime  pflegt  und  die  Schwächen  nutzt.  Der  große  Menschen- 
bildner spielt  das  Seeleninstrument  der  ihm  Ainertrauten  w  ie  ein 
großer  Künstler.  Er  schafft  die  Harmonieen  nach  Gesetzen,  elie 
wir  nachträglich  -  xielleieht  ableiten  und  feststellen  k(innen, 
vfji'   denen   er  seihst  aber  nur  Weniges  weiß. 


Ich  habe  in  einem  anderen  Zusammenhang  ausführlich  ge- 
zeigt, wie  von  den  Propheten  bis  herab  auf  die  neueste  Zeit 
alle  Führer  in  Israel,  die  einen  entscheidenden  Einfluß  auf  ihr 
Volk  geübt,  die  nicht  nur  theoretisch  sein  Wissen  gemehrt,  son- 
dern es  durch  ihr  Wort  auch  fortgerissen  zur  opferfreudigen  Hin- 
gabe an  Gott  und  sein  Gesetz,  daß  diese  alle,  was  sie  an  Ge- 
danken gaben,  durch  das  Medium  des  Gefühls  fruchtbar  machten 
für  den  Willen.  Ich  will  zum  leichteren  Verständnis  des  folgenden 
hier  in  aller  Kürze  noch  einmal  sagen,  weshalb  diese  Tatsache 
in  psychologischen  Gesetzen  begründet  ist. 

Es  hat  in  einer  früheren  Zeit  an  einer  klaren  Einsicht  in 
das  Verhältnis  der  Seelenkräfte  gefehlt.  Man  war  der  Meinung: 
die  Erkenntnis,  daß  etwas  unrecht  sei,  das  völlige  Verständnis 
für  das  Wesen  der  Sünde  würde  dem  Mensch .m  das  Unrecht  der 
Sünde  unmöglich  machen.  Man  glaubte  eben,  der  Verstand  wirke 
unmittelbar  auf  den  Willen  und  übersah  die  Mittelglieder,  die, 
häufig  allerdings  unter  der  Schwelle  des  Bewußtseins,  zwischen 
dem    Denken   und   Wollen   die   Kette   schließen. 

Diese  unentbehrlichen  Mittelglieder  nun  sind  in  dem  Ge- 
fühlsleben des  Menschen  gegeben.  Die  Welt  der  Gefühle  ist 
psychologisch  freilich  noch  wenig  erforscht,  darüber  aber  herrscht 
ziemliche  Uebereinstimmung,  daß  das  Gefühl  im  Seelenleben  die 
entscheidende  und  wirksamste  Rolle  spie't.  Was  j.'dem  einzelnen 
geistigen  Zustande  seinen  eigentümlichen  Charakter  verleiht  ist 
verzüglich  die  Stimmung,  die  während  desselben  herrscht,  ihn 
bestimmt  und  durch  ihn  bestimmt  wird.  Ebenso  wie  bei  den 
unmittelbaren  Empfindungen  spielen  auch  bei  dem  Verlaufe  der 
Vorstellungen  das  Interesse  und  die  durch  das  Interesse  be- 
stimmte Aufmerksamkeit  eine  wesentliche  Rolle.  Ebenso  beruht 
die  Stärke  der  .Vorstellung  auf  ihrem  Verhältnis  zum  Gefühl. 
Aber  auch  bei  aller  Unabhängigkeit  von  den  praktischen  Be- 
dürfnissen und  den  Forderungen  des  Augenblicks  ist  das  Denken 
dennoch  stets  mit  einer  gewissen  Stimmung  verbunden.  Es  sind 
Gefühlselemente  vorhanden,  die  nur  so  leicht  übersehen  wer- 
den, wenn  sie  sich  nicht  in  den  Vordergrund  drängen,  sondern 
sich  dem  Spiel  der  Gedanken  unterordnen.  Ein  durchaus  gefühl- 
loses Denken  (wie  spekulative  Philosophen  es  so  oft  gefordert 
haben)  existiert  nicht.  Nur  vermöge  der  mit  allen  Vorstellungen 
und  Gedanken  verbundenen  (iefühlselemente  wird  die  Er- 
kenntnis eine  Macht  in  der  Seele.  Es  ist,  psychologisch  falsch, 
wenn  man  so  oft  von  dem  Streit  der  Vernunft  mit  den  Leiden- 
schaften spricht.  Direkt  kann  ein  solcher  Streit  gar  nicht  statt- 
finden Ein  Gedanke  kann  ein  Gefühl  nur  dadurch  verdrängen, 
daß  es  ein  anderes  Gefühl  erregt,  das  im  Stande  ist,  jenes  zu 
beseitigen.  Wenn  man  vom  Kampfe  der  Vernunft  mit  der 
Leidenschaft  redet,  so  wird  eigentlich  ein  Kampf  gemeint  zwischen 
den  mit  vernünftigen  Rücksichten  verknüpften  Gefühlen  und  den 
heftigeren  mit  weniger  (iedankenelementen  verbundenen  Ge- 
fühlen, die  man  mit  dem  Ausdruck  Leidenschaft  bezeichnet.  Ein 
Gefühl  kann  sehr  stark  und  innig  sein,  ohne  heftig  zu  sein, 
wirel  aber  dann  häufig  übersehen.  Die  mit  ideellen  Zwecken 
und  Verhältnissen  verknüpften  Gefühle  sind  weit  weniger  als 
di';  primtiven,  mit  den  physischen  Lebens'unktionen  verbundenen, 
(Jefühle  im  Stande,  augenblicklichen  Effekt  und  plötzliche  ,^uf- 
wallung  zu  bewirken.  Die  ideellen  Gefühle  sind  mehr  über 
größere  Zeiträume  verteilt  und  wirken  mehr  im  Verborgenen. 
Und  dennoch  sind  sie  im  Stande,  sich  Sehritt  für  Schritt  des 
Mittelpunktes  der  Seele  zu  bemächtigen,  und  die  angesammelte, 
ursprünglich  von  jenen  Trieben  beherrschte  Energie  in  ihren 
Liensten  zu  benutzen.  —  Das  innige  Verhältnis  zwischen  Gefühl 
und  Wille  aber  ist  mit  der  Tats:iche  gegeben,  daß  nur  ein  starkes 
lebhaftes  Gefühl  Motiv  des  Willens  ist.  Erkenntniseleniente  an 
und  für  sich  führen  nicht  zur  Wil'ensbewegung. 

Also  (iedanken  vermögen  den  Willen  nur  zu  bestimmen, 
wenn  sie  den  Umweg  nehmen  über  das  Gefühl.  Freilich  eine 
stete  Inanspruchnahme  des  Gefühls  schädigt  seine  Frische  und 
Lebendigkeit.  Das  gilt  aber  mehr  von  den  elementaren  Ge- 
fühlen, von  denen  die  durch  einfache  und  sinnliche  Reize  er- 
zeugt ouei  von  denen,  die  stets  mit  den  gleichen  .Wittein  und 
in  gleicher  Form  angeregt  werden.  Die  ideellen  Gefühle  aber, 
d.  li.  diejenigen  die  mit  einem  größeren  oder  kleineren  Kreise 
\()ii  Vorstellungen  verknüpft  sind  und  diejenigen,  die  durch 
neue  Gesichtspunkte  oder  anders  gestaltete  Formen  wieder  er- 
weckt werden,  können  nicht  nur  ihre  Stärke  (wenn  auch  nicht 
ihre  Heftigkeit)  behalten,  sondern  durch  Wiederholung  nur  ge- 
winnen. Die  nämliche  Summe  von  Energie,  die  im  .Woment  der 
Erregung  ausgelöst  ist,  läßt  sich  auch  später  auslösen,  nur  ge- 
wissermaßen in  mehrere  Ströme  verteilt  l^as  Genih"  gewinnt  a'so 
an  Mannigfaltigkeit  und  Innigkeit,  was  es  an  Frische  verliert. 
So  wird  gerade  für  die  Welt  der  höheren  Gefühle  die  Erkenntnis 
und  die  Bereicherung  der  Vorstellungen  von  der  größten  Bedeu- 


42 


hing.  Durch  die  Verbindung,  die  die  Vorstellungen  miteinander 
eingehen,  werden  auch  die  Gefühle  anders  gruppiert.  Durch 
die  Beziehung  der  Gedanken  zu  neuen  Gedanken  gehen  die 
Gefühle  in  neue  Gefühle  über. 

Wer  also  durch  das  Gefühl  auf  den  Willen  dauernd  wirken 
will,  muß  so  häufig  wie  möglich  neue  Gedankenreihen  vorführen, 
um '  die  Vorstellungswelt  des  ihm  Anvertrauten  zu  bereichern 
und  durch  die  neuen  Vorstellungen  einen  neuen  Weg  zu  seinem  : 
Herzen  zu  finden,  er  muß  verschiedenartige  Formen  wählen, 
um  das  Gefühl  von  Zeit  zu  Zeit  an  einem  anderen  hnde  zu 
ergreifen  [ 

Was  ich  hier  ausgeführt,  ist  von  der  Wissenschaft  lestge-  1 
stellt  und  in  den  svstematischen  Werken  der  Psychologie  zu  lesen, 
und  es  klingt  doch  so,  als  hätte  ich  das  alles  aus  einer  Analyse  [ 
der  litterari?chen  Produkte  Hirschs  gewonnen,  als  hätte  ich  diese 
Gesetze  aus  der  genaueren  Beobachtung  seines  Wirkens  abge- 
leitet. So  sehr  war  seine  Arbeit  eine  Erfüllung  der  psychologisch 
gegebenen  Aufgabe.  Ja  wenn  es  das  Ziel  des  Menschenbildners 
ist,  dem  Willen  die  Richtung  zu  geben  und  diesem  Ziele  mit 
allen  Mitteln,  auf  allen  Wegen  zuzustreben,  und  wenn  der_  er- 
folgreichste Weg,  wie  wir  gesehen,  eben  der  ist,  eine  Fülle 
von  Gedanken  durch  das  Medium  des  Gefühls  dem  Willen  zu- 
zuführen, dann   war  Hirsch  das   Ideal  des  Menschenbildners. 

ich    setze   bei   dem    Leser   die    Kenntnis   der  Werke   Hirschs 
voraus  und  begnüge  mich  daher  mit  Andeutungen.    Den  Willen 
zu  bestimmen  und  natürlich  religiös  und  im  Sinne  des  gesetzes- 
treueu   Judentums  zu  bestimmen,  das  stellt  Hirsch  sich    ils  Auf- 
gabe.    Es    ist    kühn,    bei    dem    weitschichtigen    Material,    das    als 
Ergebnis  einer  so  gesegneten  nahezu  sechzigjährigen  litterarischen 
Wirksamkeit   vorliegt,    eine    allgemeine    Behauptung   aufzustellen. 
Ich  glaube   sie   wagen  zu  dürfen.    Es  gibt  wohl  keinen   .\ufsatz, 
keine    wissenschaftliche    Auseinandersetzung,    kL'ine   größere   zu- 
sammenhängende Stelle  in  seinen  Komnu-ntaren,  keine  Besprech- 
ung eines  noch  so  entlegenen  Themas,  dii-  nicht  in  irgend  einer 
Form     auf    das    Ziel    zusteuern,    den    Willen    des    Lesers    ni    be- 
stimmen,  d.    h.   für   Hirsch:   ihn   zum   Gehorsam   gegen   Gott  und 
Sein    heiliges    Gesetz   zu   führen.     Die   „Gesammelten    Schriften", 
die    ein    sehi    gutes    Bild   der   Vielseitigkeit   und   Mannigfaltigkeit 
von  Hirschs  litterarischen  Arbeiten  geben,  eignen  sich  am  besten 
dazu,     diese     Behauptung    nachzuprüfen.     „Die    jüdische    Heiter- 
keit",   „Die    Kunst    sch()n    zu    sein    und    lang.'    zu    leben",    „Der 
jüdische  Gemeinsinn",  „Einige  Andeutungen  über  den  hehr  iischen 
Unterricht  als  gemeinsames  Bildungselement",  das  sind  Aufsitze, 
die  mehr  kulturhistorischen  Charakter  tragen,  und  doch  wie  sind 
auch    sie    letzten    Endes   darauf   angelegt,   die    Leser   zu   Juden    zu 
erziehen,    zu    willensstarken    Juden,    die    in    dem    Bewußtsein    v^)n 
der  allet   überragenden   Bedeutung  ihrjr  Religion,  ihrer  Sprache, 
ihrer    Kultur,     ihrer    nationalen     Eigenschafien    den    Vorschriften 
folgen.,    den    gcittlichen    (ieboten,    die    ihr    ureigenes,    besonderes 
Wesen    geprägt    haben. 

Soll  ich  hier  den  Nachweis  führen,  wie  Hirsch  den  Willen 
der  Leser  sich,  oder  besser  seinen  Zielen  dienstbar  macht  durch 
die  Erregung  des  Gefühls,  wie  er  mit  unerreichter  Meisterschaft 
alle  Saiten  unseres  Gefühllebens  erklingen  läßt,  uns  bald  zur 
seligen  Lust  emporhebt,  bald  in  düsteren  Schmerz  versenkt;-' 
Der  haf  nie  seines  (ieistes  einen  Hauch  verspürt,  der  ,iicht  m 
allen  Fibern  erzitterte,  dem  nicht  ein  Rieseln  über  den  Rücken 
rann,  wenn  er  dij  Pjrleii  unter  Hirschs  Kalenderbetrachtiingen 
las.  (jesänge  sinds,  aber  Gesänge  von  einer  seltenen  Mannig- 
faltigkeit.    Da    erklingt    eine    liebliche    Weis.':') 

Is     Ifiichtut     dtr    Mond,     .\tikl    strahlt    sein    silbernes    Licht.     Linos 
SiuulinL's     Auge     erträgt    seinen     Strahl,     und    spielend    greift    eines    Säug- 
lings   Hand    nach    dem    freundlichen    Licht.    .Wild    diimniernd    halt    er    Wacht 
über    die    schlafende     trde    und    gesellt    sich     als    freundlicher     h  uhrer    /u 
dem    Wanderer    in    der   Nacht.    Bescheiden    entzieht    sich   dem    Lorscherblick 
sein    stilles   Wirken    in   dem    Trieb   der    Kriifte,    in    der    schwellenden   Woge, 
in    den    Schwingungen    der    Nerven,    und    nicht    immer    und    nicht    in    stets 
ßlcichcr     Fülle     grüßt    uns     sein     Licht.     In    stetem    Wechsel    steigt    uiul 
fällt   seine   lichtige   (irölie,   wiichst   aus   völligem    Dunkel   zur  ganzen    Licht- 
fülle    empor    lind     ringt    sich    durch    die    Phase    gänzlichen    Verschcidens 
immer   wieder   zu    neuem   Wachsen   hinan.    Sein    Reich   ist   die    Nacht,   doch 
weicht   er  auch   nicht  vor  dem   Tagesstrahl   der  Sonne.    Vom   ■sonnenglanze 
vordunkelt,     vollbringt     er     gleichwohl    mitten    unter    Tagesherrschatt    der 
Sonne     still    und    bescheiden    die    eigene    Hahn.    Ist    bald    em    stiller    he- 
felciler    der    Sonne,    und    steigt    bald    herauf,    wenn    die    Sonne    gesunken. 
Und    diese    liebliche    Weise    schwillt    an    zu    immer    volleren 
Akkorden,    und    Sonne    und    Mond,    „die   verschiedenen    Größen", 
werden     zum     Svmbol    der    Vöilkergenien    von    Esau    und    Jakob. 
Wehmut  und  Lust,  Wonne  und  Schmer/  ertint  in  den  ergreifendjn 
Klängen    jener    Jjarbetrachtung    zum   C^cmn   üN; 

Line  dunkel-hchte  Zeit,  mit  ihren  Schrecken  und  ihrem  Erhabenen, 
mit  ihier  Verzweiflung  und  ihrer  Seligkeit,  mit  ihrem  todumtlorten  Le- 
ben   und   ihren    lebendurchdrungenen    Toten  steigt   alljährlich   mit   diesen 

')   Adarbetrachlung-    „Die   verschiedenen    drölien."    (ies.    Sehr.    1[.  s.  .)4. 
-)  Oes.    Sehr.    III     S.    152. 


Worten  aus  dem  Grabe  der  Vergangenheit  in  die  frisch-pulsierende  Cie- 
gen*art.  —  Was  wollen  die  Toten  unter  den  Lebendigen?  Sie  wollen  sie 
zu    ihrem    Tode    und    ihrem    Leben    begeistern. 

Aber  Wehmut  und  Lust  lösen  sich,  sie  verschmelzen  zu  dem 
spornenden  Gefühl,  zu  dem  willenskräftigen  Trieb,  den  Ahnen 
gleich  zu  werden,  die  Hirsch  nun  schildert  im  Gegensatz  zu 
den  lauen  Bekennern  des  Judentums  seiner  Zeit:  „Sie  hatten 
einen  Eigner  und  kannten  seinen  Willen,  sie  kannten  ihren  Hort 
und   wußten   sein   Verlangen." 

Wir  können  hier  auf  beschränktem  Räume  nur  wenige  Bei- 
spiele vorführen.  Jedem  Kenner  der  Schriften  Hirschs  werden 
sich  viele  andere  bieten.  Ich  erinnere  in  diesem  Zusammenhang 
besonders  an  die  Nissanbetrachtung) :  „Werden  sie  wieder  auf- 
leben, die  dürren  Gebeine?"  Auch  hier  aus  niederdrückenden 
und  emporführenden  Gefühlsmomenten  jene  unnachahmliche 
Mischung,  welche  den  Menschen  erhebt,  wenn  sie  den  Wenschen 
zermalmt. 

Aber  die  mächtigste  Wirkung  üben  seine  Reden,  wenn  es 
wie  Donner  aus  ihnen  grollt,  wenn  er  seinem  Volk  kündet  sein 
Vergehen,  dem  Hause  Jakobs  seine  Sünde.  Mit  elementarer 
Gewalt  brausen  die  Sturmworte  heran,  das  rüttelt  und  zerrt  an 
uns,  das  reißt  uns  empor,  jeder  Widerstand  ist  vergeblich.  Da 
ruft  er  uns  auf  zu  heißem  Kampf,  hinauf,  hinan,  zu  mutigem 
Ringen  um  den  Siegespreis.  Da  prasseln  die  Blitze  des  Spottes 
und  der  Ironie  gegen  all  die  Ueberhebung  und  das  törichte 
Selbstbewußtsein  entarteter  Zeitgenossen.  Auch  hier  müßten  wir 
die  Betrachtungen  ganz  wiedergeben,  wollten  wir  Beispiele  an- 
führeti.  Ich  erwähne  nur  unter  den  vielen  die  Nissanbetrach- 
tung. „Denn  siehe  der  Winter  ist  vorüber",  „Der  Jude  und 
seine  Zeit",  „L'er  Religionsunterricht",  „Das  jüdische  Ccremonial- 
gesetz",  „Die  Trauer  des  neunten  Aw",  alle  Thischribetrach- 
tungeii   usw. 

Ich  fürchte  den  Vorwurf,  den  der  Talmud  David  entgegen- 
hielt auf  seine  Worte  yp-.  -s  ■•,-;  p'-^rT  „Gesänge  sind  mir 
deine  (iesetze."  Ist  die  Betonung  des  Gefühlsmäßigen  nicht 
eine  Entwertung  dessen,  was  mit  dem  Anspruch  unverbrüchlicher 
Gültigkeit  und  Wahrheit  auftritt?  An  andrer  Stelle  habe  ich 
gezeigt  unc  es  mit  Stellen  belegt,  daß  im  Talmud  zwei  Rich- 
tungen herrschen,  die  eine,  die  die  ästhetische  Wertung  der 
Thorawerke  verwirft,  und  die  andere,  die  sie  würdigt  und  aner- 
kennt Und  so  mögen  auch  für  die  Schriften  Hirschs  die  beiden 
Anschauungen  ihr  Recht  sich  wahren  und  ich  meine,  es  ist  das 
beste  Kriterium  für  die  wahre  und  unvergängliche  Größe  Hirschs, 
daß  Menschen  von  den  verschiedensten  Anlagen,  die  einen 
mit  zarterem  Empfinde  n  und  die  anderen,  die  kühlen  D  e  n  k  e  r 
und  Kampfesnaturen,  den  Namen  des  Meisters  mit  gleicher 
Verehrung   nennen. 

Freilich  würde  Hirsch  nicht  selbst  gegen  diese  Hervor- 
hebung des  Gefühlsmäßigen  in  seinen  Schriften  entschieden 
protestieren  ?  War  er  doch  der  geschworene  Feind  aller  in  Ge- 
fühlen schwelgenden  religiösen  Betätigung.  Die  Aesthetisiening 
der  Religion,  die  Meinung,  der  Dienst  Gottes  erschöpfe  s'ch 
in  einer  ästhetischen  Gestaltung  des  Gottesdienstes,  in  (Tior- 
gesang  und  Orgelklang,  prunkvoll  erbauten  Synagogen,  diese 
Meinung  freilich  'war  ihm  in  der  Seele  verhaßt.  Aber  bei 
Hirsch  setzt  sich  ja  jede  Gefühlserregung,  wie  wir  gesehen, 
um  ii;  einen  Appell  an  den  Willen,  all  die  Tiefe  der  Empfindung, 
alles  Weiche  und  Zarte,  alles  Herbe  und  Harte,  das  er  in  seine 
Worte  legt,  dient  überall  und  immer  einer  praktischen  Nutzan- 
wendung, führt  uns  auf  allen  Wegen  zu  dem  einen  Ziele,  zu 
der    Forderung   des    Gehorsams   gegen    das   göttliche   (iebot. 

Entscheidend  ist  das  Letzte.  Hätten  wir  es  in  Hirschs 
Schriften  wirklieh  nur  mit  Aeußerungen  eines  Gefühlslebens  zu 
tun,  und  wären  die  Aeußerungen  noch  so  mannigfaltig,  und 
wäre  das  Gefühl  noch  so  stark  und  ursprünglich,  ihre  Wirksam- 
keit wäre  eine  vorübergehende,  nicht  von  Dauer  für  den  Ein- 
zelnen und  nicht  hinüberreichend  in  kommende  Zeiten.  Die 
Schriften  aber  haben  Menschen  gebildet  in  ihrer  Zeit  und  wer- 
den, das  ist  ohne  Prophetengabe  schon  jetzt  vorauszusagen, 
auch  künftigen  Geschlechtern  die  Wege  weisen.  Und  der  Grund 
hierfür,  und  das  ist  eben  das  Entscheidende,  ist  in  ihrem  Ge- 
dankenreichtum gegeben.  Die  Gefühle  sind  nicht  leer, 
sondern  getragen  und  erfüllt  von  einer  schier  überwältigenden 
Masse  an  Ideen  und  Vorstellungen.  Predigten,  und  mögen  sie 
noch  s(;  'bedeutend  sein,  sind  für  ihre  Zeit,  bald  lagert  auf 
ihnen  Staub,  sie  veralten  und  verlieren  immer  mehr  an  ihrer 
ursprünglichen,  werbenden  Kraft.  Das  gilt  auch  von  den  Dcra- 
schahs  da  Mittelalters  und  der  Neuzeit.  Mehr  als  sechs  Jahr- 
zehnte sind  verflossen,  seitdem  die  Betrachtungen  in  den  Jahr- 
gängen des  „Jescluirun"  erschienen.  In  unserem  Leben,  in 
unseien    Anschauungen,    in    unserem    wissenschaftlichen    Denken, 

:')  Oes.    Sehr     IL    S.    72. 


43 


haben  sich  außerordentliche  Umwälzungen  voll/ogen,  a  b  e  r 
die  Betrachtungen  wirken,  als  wären  s  ie  h  e  u  t  j  ge- 
schrieben. Denn  es  sind  eben  keine  Predigten,  und  wollte 
man  sie  als  solche  bezeichnen,  so  sind  es  Predigten  von  einer 
einzigen  Art.  Und  dies,  weil  die  beiden  anderen  Momente: 
die  Bestimmung  des  Willens  und  die  Erregung  des  Gefühls 
wohl  eine  hervorragende  Rolle  in  ihnen  spielen,  aber  dennoch 
in  ihrer  Bedeutung  zurücktreten  vor  der  Fülle  d  j  r  neuen  Ge- 
sichtspunkte, dem  Reichtum  nie  geahnter  Be- 
ziehungen, die  der  Verfasser  aus  der  Gedankenwelt  des 
Judentums  vor  unseren  Augen  entwickelt.  Wir  haben  oben 
ausgeführt,  und  es  ist  das  ja  eine  tägliche  Erfahrung,  daß  die 
Gelühlserregungen  sich  abschwächen,  je  häufiger  sie  wieder- 
holt werden,  daß  sie  wirkungslos  verpuffen  und  ohne  alle 
Früchte  fürs  Leben  bleiben,  wenn  man  ihnen  nicht  neue  Kraft 
einhaucht  durch  Verknüpfung  und  Verflechtung  mit  neuen  Vor- 
stellungen Daß  das  überall  und  ununterbrochen  in  Hirsciis 
Schriften  geschieht,  ist  bekannt  und  es  erscheint  in  dieser  Fest- 
nummer, die  bei  dem  Leser  eine  gewisse  Vertrautheit  mit  ihnen 
voraussetzt,  recht  überflüssig,  dies  durch  Beispiele  zu  illustrieren. 
Es  hieße  ja  auch,  eine  ganze  Weltanschauung  entwickeln,  eine 
Weltanschauung,  die  zugleich  dc-s  scheinbar  (ieringste  und  Wert- 
loseste in  der  Welt  berücksichtigt,  wollten  wir  ein  rechtes  Bild 
von  dem  Gedankenreichtum  geben,  der  sich  in  diesen  Schriften 
entfaltet. 

Zweifellos  ist  es  vor  allem  das  Verdienst  des  gewaltigen  Gegen- 
standes, der  in  den  Betrachtungen  und  in  den  Kommentaren  be- 
handelt wird,  daß  wir  diese  F^ülle  von  Anregungen  empfangen. 
Ist's  doch  das  Judentum  mit  dem  von  der  Gottheit  empfangenen 
Gesetzbuch,  seiner  allumfassenden  biblischen  und  nachbiblischen 
Literatur,  seiner  xieltausendjährigen  Geschichte.  Und  haben  doch 
alle  Zeiten  und  Geschlechter  auf  diesem  unerschöpflichen  Boden 
Schätze  über  Schätze  gehoben.  Es  ist  darum  ein  seltsamer  F-infall, 
wenn  manche  Verehrer,  übers  Ziel  hinausschießend,  und  im  völ- 
ligem Widerspruch  zu  der  wahren  Eigenart  des  Meisters,  der 
sich  überall  mit  bescheidener  Zurückhaltung  äußert,  wenn  sie 
den  Pentateuchkommentar  -  den  Kommentar  nennen  und  damit 
die  zweitausendjährige  Geschichte  der  jüdischen  Pentateuchexe- 
gese  aus  ihrem  Gedächtnis  streichen  wollen.  Und  doch  ist  seine 
Schriftbetrachtung,  seine  Symbolik,  seine  Art,  aus  Gesetz  und 
Sitte,  aus  Litteratur  und  Geschichte  das  wahre  Wesen  des  Ju- 
dentums geschichtlich  zu  entwickeln,  genial,  genial  in  der 
ursprünglichen  Bedeutung  des  Wortes.  Wie  die 
Natur  überall  den  kürzesten  Weg  nimmt,  wie  sie  mit  den  ein- 
fachsten Mitteln  arbeitet,  so  das  Genie.  Die  schlichteste  Beobach- 
tung, ein  Vorgang,  den  Unzählige  gesehen,  wird  ihm  zum  Aus- 
gangspunkt einer  epochalen  Entdeckung  oder  Erfindung.  So  Hirsch 
in  seinen  Schriften.  Immer  wieder  müssen  wir  es  bedauern,  daß 
wir  im  Rahmen  dieses  Aufsatzes  nur  wenige  Beispiele  bringen 
können.  Das  Schew  uothfest,  so  wird  in  einer  Siwanbetrachtung') 
ausgeführt,  das  Fest  der  Gesetzgebung,  das  grundlegende  und 
wichtigste,  ist  auf  nur  einen  Tag  beschränkt,  und  die  Feier  ist 
nicht  mit  einem  Gebot  verknüpft,  die  Thora  hat  kein  Sym- 
bol. Aus  dieser  Idee,  diesem  Samenkorn  eines  Gedankens  ent- 
faltet sich  vor  unsern  Augen  Wurzel  und  Stamm  und  Gezweig 
unseres  Lebensbaumes,  das  ganze  Wesen  der  jüdischen  Re- 
ligion, der  fundamentale  Unterschied  zwischen  der  Thora  und  den 
heiligen  Urkunden  der  Völker,  zwischen  dem  Begriff  Gesetz  und 
dem  der  „Religion."  Und  eine  andere  Siwanbetrachtung.-)  „Es 
sprach  —  Gott  -  alle  diese  Worte  —  zur  Mitteilung."  Es  ist  viel- 
leicht der  schlichteste  Satz  aus  den  Kapiteln  über  die  Offenba- 
rung am  Sinai  zum  Ausgangspunkt  gewählt,  und  wie  reich  be- 
schenkt kehren  wir  von  dieser  Betrachtung  heim !  Zugleich  ist 
diese  Art  ein  gutes  Stück  grandiosen  Anschauungsunterrichts.  Daß 
„das  Maß  der  Thora  weiter  ist  als  die  Erde  und  breiter  denn  das 
Meer,"  das  kann  nicht  deutlicher  und  dauernder  dem  Bewußtsein 
eingeprägt  werden  als  durch  eine  Betrachtungsart,  der  das  un- 
scheinbarste Moment,  die  schlichteste  Bibelstelle  Gelegenheit  gibt, 
uns  zu  zeigen,  wi:-  ö\2  Quelle  des  Thoragesetzes,  des  Thorawortes 
in  überschäumender  Fülle  auch  an  unbesuchten  und  ungekannten 
Orten    sprudelt. 

Samson  Raphael  Hirsch  als  Erzieher!  Wie  er  es  mir  durch 
seine  Schriften  gewesen  und  warum  er  es  mir  gewesen,  habe 
ich  zu  zeigen  versucht,  und  daß  diese  seine  Wirksamkeit  auf 
psychologischen  Gesetzen  beruht  und  darum  an  jedem  jungen 
Juden  sich  bew  ähren  muß,  der  sich  in  den  Bereich  seiner 
Erziehertätigkeit  begibt,  an  dem  er  seine  erzieherische  Kraft  ent- 
falten    kann,     der    zu    seinen    Schriften    sich    wendet    und    immer 

')  Oes.  Sehr.  I   S.  80  fi. 
-1  Ges.  Sclir.  III  S.   163  li 


wieder  zi.   jener   Weisheit  zurückkehrt,   die   einst  der   .Vlund   des 
Lehrers   verkündet   hat. 

Samson  Raphael  Hirsch  als  Erzieher!  Das  wäre  ein  dank- 
bares, fruchtbares,  vielgestaltig  zu  behandelndes  Thema.  Ich 
habe  nur  seine  Schriften  berührt,  aber  er  hat  ja  auch  eine 
gottgesegnete  praktische  Wirksamkeit  entfaltet,  er  hat  ja  Men- 
schen gebildet  Generationen  hindurch,  die  Verlorenen  zurück- 
gebracht, die  Verstoßenen  gesammelt,  eine  blühende  Gemeinde 
schier  aus  dem  Nichts  geschaffen,  die  Jugend  gelehrt,  die 
Männer  gestählt.  Und  vor  allem,  er  war  Gründer  und  Leiter  einer 
höheren  Schule,  Pädagoge  im  engeren  Sinne,  und  daß  er  hier 
der  rechte  Mann  auf  dem  rechten  Platze  war,  lehrt  der  Erfolg. 
Anregend  und  inhaltreich  sind  auch  seine  pädagogischen  Auf- 
sätze, die  er  zum  Teil  im  „Jeschurun",  zum  Teil  in  .Schul- 
programmen veröffentlicht  hat.  Letzten  Grundes  ist  die  Technik 
der  Pädagogik  nur  eine,  es  können  daher  nur  immer  die  gleichen 
Wahrheiter  ausgesprochen  werden.  Auch  will  Hirsch  eigentlich 
nur  den  Nachweis  führen,  daß  in  Bibel  und  Talmud  die  gleichen 
Sätze  ausgesprochen  werden,  die  heute  Allgemeingut  der  Pä-  ^ 
dagogeii  sind.  /■Demnach  begegnen  wir  bei  Hirsch  Gedanken-  ^Jit^ 
gangen,  die  der  ganz  modernen  pädagogischen  Bewegung  ent- 
sprechen. Eines  der  bekanntesten  Bücher  dieser  Bewegung  ist 
Försters  „Jugendlehre."  Wer  dies  Werk  liest,  und  mit  den 
Erörterungen  Hirsehs  vergleicht,  wird  überrascht  sein,  wie  ähn- 
lich hier  und  dort  die  Grundideen  sind.  Wenn  es  bei  Förster 
heißt,  der  Grundfehler  unsrer  Erziehung  beruhe  darauf,  daß  wir 
die  Moral  als  eine  dem  Kinde  feindliche  Macht  hinstellen,  die 
immer  zu  verbieten  hat  und  dem  Kinde  seine  liebsten  Wünsche 
stört,  während  wir  uns  doch  mit  den  natürlichen  Trieben  des 
Kindes  der  Tapferkeit,  dem  Mut,  dem  Selbstbewußtsein  ver- 
bünden, ihm  zeigen  müßten,  daß  die  Selbstüberwindung,  die  in 
der  Erfüllung  der  Sittengebote  gegeben,  der  Ausfluß  höchster 
Tapferkeit  ist,  so  vergleiche  man  damit  Hirsch  (Programm  1873): 
„Des  Kindes  Stolz  ist  es  „groß"  zu  sein  und  „groß  sein"  be- 
deutet dem  jüdischen  Kinde  dem  Gottesgesetze  vollen  Gehorsam 
zu  leisten."  Oder  man  vergleiche  mit  dem  ausgezeichneten  Ab- 
schnitt „Erziehung  zur  Selbstständigkeit"  in  Försters  „Jugend- 
lehre" in  der  er  in  trefflicher  Weise  zeigt,  daß  es  unsere 
Hauptaufgabe  sein  muß,  das  Kind  dahin  zu  führen,  daß  es  seine 
eigenen  Wege  geht,  unbekümmert  um  die  Anfeindungen,  die  es 
dadurch  von  seiner  Umgebung  erfährt,  man  vergleiche  damit 
was  Hirsch  (in  demselben  Programm)  über  den  Wert  des 
Minoritätsbewußtseins   für   die   Charakterbildung  sagt. 

Aus  vielen  Stellen  seiner  Schriften  geht  es  hervor,  daß  er, 
der  ein  Lehrer  der  Großen  war,  auch  in  die  Seele  der  Kleinen 
sich  vertiefen  konnte.  Goldene  Worte  spricht  er  über  die  in- 
di\iduelle  Behandlung  des  Kindes,  und  unwiderleglich,  wenn 
auch  noch  nicht  allgemein  anerkannt,  sind  seine  Ausführungen 
über  das  völlig  widersinnige,  unpädagogische  und  Geist  und 
Gemüt  des  Kindes  verwirrende  Erziehungsmittel  der  Märchen- 
erzählungen. Hier  möchte  ich  einen  kleinen  Zug  einfügen,  der, 
mehr  als  alle  theoretischen  Erörterungen  es  könnten.  Ihn  als 
den  echten  Kinderlehrer  zeigt,  aus  dem  die  Liebe  zu  den  Kin- 
dern iu  herzerquickender  Frische  hervorbricht.  Er  ist  mir  von 
einem  Augenzeugen  berichtet  worden.  In  der  Synagoge  zu 
Frankfurt  stellten  sich  die  Kinder  während  der  Predigt  in  den 
großen  freien  Raum  vor  die  Kanzel.  Hirsch  war  mitten  in  seiner 
Predigt,  als  mehrere  Kinder  zu  weit  vordrängten,  und  der  Vor- 
steher herantrat,  um  sie  zurückzuführen.  Da  unterbrach  Hirsch 
seine  Predigt:  Herr....  lassen  Sie  die  Kinder,  ich  spreche 
zu  den  Kindern,  für  die  Kinder,  und  nun  folgte  eine  seiner 
wirkungsvollsten  Predigten,  in  der  er,  halb  zu  den  Kindern, 
halb  zu  den  Erwachsenen  gewandt,  den  Wert  und  die  Bedeutung 
des   Kindes   für  die   Zukunft   des   Judentums  schilderte. 

Aber  was  er  seinen  Zeitgenossen  gewesen  und  dem  engeren 
Kreis  seiner  Gemeinde,  das  gehört  nicht  der  Vergangenheit  an  — 
es  wirkt  noch  hinein  in  die  Gegenwart  und  noch  hinüber  in 
eine  nahe  Zukunft,  aber  nur  mittelbar.  Er  war  der  Lehrer  der 
Kinder,  das  Vorbild  der  Jünglinge,  der  Vorkämpfer  der  Männer, 
Trost  und  Bürge  für  die  Greise,  doch  das  ist  er  gewesen. 
Aber  für  alle  Zeiten  bleibt  er,  und  das  durch  seine  Schriften, 
der  Erzieher  unseres  Volkes.  Wir  nannten  diese 
Schriften:  „Reden  an  die  jüdische  Nation."  Wir  dachten  an 
Fichte,  aber  hier  ist  mehr  als  Fichte.  Wie  kalt  und  schal  er- 
scheinen uns  heute  diese  Reden  an  die  deutsche  Nation  und 
wie  warm  und  lebendig  und  jugendfrisch  die  Reden  an  die 
jüdische.  Freilich  dort  das  Thema  des  Patriotismus,  wenn  auch 
für  uns  nicht  w  ie  für  Lessing  eine  heroische  Schwachheit,  so  doch 
immerhin  ein  menschliches  Ideal,  und  hier  das  Gesetz  des 
lebendigen  Gottes,  des  Menschen  Heil  und  seine  Seligkeit,  ge- 
deutet von  einem  gottbegnadeten  Sänger  und  Weisen.  Und  der 
Erfolg?     Wäre    es     nicht     nun     bald    zwei    Jahrtausende    Israels 


44 


Schicksal  von  Prüfung  zu  Prüfung  zu  schreiten,  wäre  nicht  an 
der  Wiege  unseres  Volkstums  uns  mitgegeben  das  „Und  den- 
noch", das  uns  die  schwersten,  trübsten  Zeiten  überdauern  ließ, 
wir  müßten  verzagen.  Wir  können  die  Ereignisse  an  sich  frei- 
lich nicht  zum  Vergleich  stellen,  dort  die  Erhebung  gegen  den 
fremden  Eroberer,  der  Befreiungskrieg  und  seine  Folgen,  hier 
die  Renaissance  des  gesetzestreuen  Judentums.  Aber  sind  die 
Ausstrahlungen  einer  Lichtquelle,  wie  sie  in  Hirschs  Schriften 
gegeben  ist,  in  unsere  Kreise  nicht  gar  zu  winzig,  sind  die 
Wirkungen  einer  solchen  Persönlichkeit,  wie  sie  bis  jetzt  in 
die  Erscheinung  getreten  sind,  nicht  gar  zu  spärlich,  fand  der 
große  Moment  nicht  ein  kleines  Geschlecht?  Wir  können's  nicht 
leugnen.  Der  Traum,  den  Hirsch  geträumt,  das  Judentum,  das 
unser  ist,  in  altem  Glänze  wieder  zu  erblicken,  daß  in  den 
Stätten  alter  Talmudherrlichkeit  die  Heldenjünger  um  die  alte 
Fahne  sich  zusammenscharten,  daß  überall  sich  wieder 
blühende  Gemeinden  zu  frommen  Wirken  nach  der  Väter 
Art  erhöben,  er  blieb  bisher  im  Traum!  Und  wollten  wir, 
und   wenn    wir   wollten,   es   bliebe   nicht  ein   Traum ! 

O  daß  in  diesen  Tagen,  die  dem  Gedenken  unseres  Führers 
geweiht  sind,  der  Funke  zündete  in  tausenden  von  Herzen,  der 
Funke,  der  auch  jetzt  noch  glüht  in  seinen  Worten,  der  Funke, 
der  entstammt  dem  Feuer  unseres  göttlichen  Gesetzes !  Daß  der 
Entschluß  in  ihnen  reifte:  Wir  wollen  lernen,  Gott  zu  fürch- 
ten, wir  wollen  Tag  für  Tag,  und  wäre  es  auch  nur  kurze 
Zeit,  den  Worten  jenes  Mannes  lauschen,  der  uns  mit  Mut  und 
Kraft  erfüllt,  das  Höchste  zu  vollbringen  im  Dienste  unseres 
Gottes.  Gewiß,  wenn  ihr  nur  zu  ihm  kommt,  er  läßt  euch 
nicht,  er  hätt'  euch  denn  gesegnet! 


Samson  Raphael  Hirsch  in  Ungarn. 

Von  Rabbiner  Ph.  Fischer  in  Devavänya,  Ungarn. 

Deutschland  ist  die  Stätte,  von  der  aus  der  Name  Hirsch  seinen  Er- 
oberungszug nach  allen  den  Ländern  hin  angetreten  hat,  wo  der  Begriff  Jude  und 
Judentum  noch  kein  leerer  Schall,  kein  biolies  >X'ortgepränge  geworden,  die 
Stätte,  woher  der  Genius  Hirschs  seinen  Siegeseinzug  in  das  Pantheon  der 
das  ganze  Erdenrund  umspannenden  jüdischen  Volksgeschichte  begonnen. 
Dort  strahlte  die  leuchtende  Sonne  seines  großen  Geistes  nur  auf,  um  die 
belebenden  Strahlen  der  wahren  Gotteserkenntnis  und  wahrer  Menschen- 
beglückuog  allüberallhin  fluten  zu  lassen,  wo  man  sich  nach  wahr- 
heitsgemäßer Darstellung  der  jüdischen  Lebensaufgabe  gesehnt  hat  und 
sehnt. 

Im  weiten  Zarenreiche  schaffte  emsig  und  unermüdlich  bis  an  sein 
Lebensende  der  ausgezeichnete  Hebraist  Moses  Aronsohn,  um  die  klassischen 
Werke  Hirschs  auch  dem  hebräisch  lesenden  Publikum  zugänglich  zu 
machen.  Er  hat  bereits  eine  hebräische  Uebersetzung  der  19  Briefe,  des 
Chaurev  und  des  Kommentars  des  ersten  Buches  Mosis  herausgegeben.  Wir 
halten  es  für  eine  Ehrenschuld  des  jüdischen  Vcilkes,  dafür  zu  sorgen,  daß 
sämtliche  Schriften  Hirschs,  vor  allem  aber  seine  Meisterwerke  ins  He- 
bräische übertragen  werden.  Wohl  wohnt  dem  Vorwurf,  den  Dr.  Nacht  in 
Ha'olam  (I.  Sp.  S.  181)  erhebt,  dati  Hirsch  seine  Werke  nicht  in  hebräischer 
Sprache  geschrieben,  und  der  Schadenfreude,  mit  welcher  derselbe  ein  in 
diesem  Sinne  gehaltenes  Epigramm  S.  D.  Luzzattos  zitiert,  nicht  eine  Spur 
von  Berechtigung  inne.  Wohl  mul'.  es  im  Gegenteil,  angesichts  der  modernen 
Zeitlage  und  der  in  der  neueren  Zeit  hervortretenden  Bestrebungen  im  Schotie 
des  jüdischen  Volkes,  als  eine  historische  Notwendigkeit  angesehen  werden, 
daß  Hirsch  in  deutscher  Sprache  schrieb,  denn  was  hätte  man  mit  dem 
klassischen  hebräischem  Style  gegen  die  auf  die  Betörung  der  Massen  speku- 
lierenden Bestrebungen  der  Geiger  und  Konsorten  ausrichten  können  ?  Aber 
dennoch  ist  es  nun  eine  Ehrenpflicht  des  jüdischen  Volkes,  dafür  zu  sorgen, 
dati  die  aus  den  tiefsten  Tiefen  des  jüdischen  Geistes  und  Ge- 
mütes hervorquellenden  geistigen  Schöpfungen  Hirschs  dem 
hebräischen  Bücherschatze  eingefügt  werden. 

Es  ist  bekannt,  dali  dem  Englisch  lesenden  jüdischen  Publikum  bereits 
die  „19  Briefe  über  das  Judentum",  welche  bekanntlich  den  skizzenartigen 
Grundrill  der  Hirsch'schen  Ideenwelt  enthalten,  durch  eine  englische  Ueber- 
setzung des  Rev.  Dr.  Drachmann  in  New-Nork  zugänglich  gemacht  sind. 
Auch  ins  Holländische  sind  sie  bereits  übersetzt  worden. 

Gegenwärtig  arbeitet  Schreiber  dieser  Zeilen  an  einer  ungarischen 
Uebersetzung  der  19  Briefe,  die  er  mit  Gottes  Hilfe  noch  in  diesem  Jubeljahre 
Hirschs  herausgeben  will.  Wir  glauben  damit  dem  Verlangen  weiterer  Kreise 
entgegenzukommen.  Denn  auch  in  Ingarn  hat  Hirsch  eine  grolie  Schaar 
von  Verehrern. 


Zur  Zeit,  da  Hirsch  als  Landesoberrabbiner  von  Mähren  nach  Nikolsburg 
kam,  berief  die  jüdische  Gemdinde  von  Nikolsburg  den  Prediger  Mannheimer 
von  Wien,  einen  Anhänger  der  Reform,  um.  einen  —  S.  R.  Hirsch !  zu  be- 
grüßen. Mannheimer  sagte  auch  mit  Freuden  zu  und  begrüßte  Hirsch  in  der 
Hauptsynagoge  mit  den  Worten:  i::  cpbn  mi  ^B'N  B'"'«  (L  B.  M.  41,38.). 
indem  er  des  weiteren  ausführte,  wie  der  neugewätlte  Landesoberrabbiner 
von  Mähren  der  Mann  sei,  der  in  die  alten  Gesetze  des  Judentums  einen 
neuen  Geist  der  Belebung  zu  bringen  bestrebt  sein  werde.  Er  erklärte,  daß 
Hirsch  der  Mann  sei,  den  die  Vorsehung  berufen,  um  die  Judenheit  Mährens 
einer  geistigen  Renaissance  entgegenzufuhren. 

Charakteristisch  genug  für  die  damalige  Begriffsverwirrung  und  Unklar- 
heit der  Vorstellungen,  daß  man  einen  Mannheimer  zur  Begrüßung  eines 
Hirsch  berief. 

Doch  blieb  der  tiefe  geistige  Gegensatz  zwischen  dem  Begrüßungs- 
redner und  dem  Gefeierten  nicht  lange  ein  Geheimnis.  Und  gar  bald  wandten 
sich  die  orthodoxen  Rabbiner  in  Ungarn  an-  das  geistige  Oberha:upt  des 
mährischen  Judentums  um  Rat.  Während  eines  Aufenthaltes  Hirschs  in  Wien 
suchten  ihn  mehrere  der  größten  Rabbiner  Ungarns  auf.  Auch  der  damalige  Ober- 
rabbiner von  Preßburg,  der  hochberühmte  Verfasser  der  Responsensammlung 
^D^D  303  ^ar  unter  denselben.  —  Am  Sabbath  darauf,  nachdem  R.  S.  Wolf 
Sofer  s.  A.  von  dem  Besuche  bei  Hirsch  zurückgekehrt  war,  so  erzählte  mir 
ein  äußerst  glaubwürdiger  Schüler  desselben,  der  auch  Ohrenzeuge  des  weiter 
Berichteten  war,  gingen  besonders  viele  Talmudjünger  gelegentlich  des  'iffb'V 
rmyo-Mahles  zum  Rabbi  hinauf.  Sie  waren  gar  gespannt  auf  den  Eindruck, 
den  der  neue  eigengeartete  Rosch-Medinah  von  Mähren  auf  ihren  Rabbi  ge- 
macht hatte.  Besonders  waren  sie  darauf  neugierig,  wie  sich  ihr  als  großer 
Talmudgelehrter  gefeierter  Rabbi  über  die  talmudische  Gelehrsamkeit  Hirschs 
äußern  werde,  da  es  ihnen  für  eine  Sache  der  Unmöglictikeit  galt,  daß  ein 
modern  gebildeter  „aschkenasischer"  Raw  auch  ein  großer  I^amden  sein 
könne.  Auch  wußten  sie,  daß  ihr  Rabbi,  wie  der  größte  Teil  seiner  gleich- 
zeitigen, strengorthodoxen  Amtsgenossen  mit  zur  damaligen  Zeit  ziemlich 
berechtigtem  Mißtrauen  auf  die  Verbreitung  von  weltlichem  Wissen  schaute, 
und  infolge  trauriger  Erfahrungen  in  jeglicher  Verbreitung  profanen  Wissens 
im  Kreise  des  jüdischen  Volkes  eine  Gefahr  für  die  jüdische  Gesefzestreue 
erblickte.  Aber  wie  überraschte  sie  die  Aeußerung  ihres  großen  Lehrers: 
„Wir  haben  mit  dem  neuen  -D'^ID  IfN")  sehr  viele  mTl  ■'^3^  gesprochen. 
Aber  worüber  immer  wir  mit  ihm  sprachen,  überall  in  D"tt'  und  D'pDiD  war 
er  zuhause.  Ein  ^]o  haben  wir  ungarische  n''3m-  Er  hält  uns  nämlicli  für 
größere  DiiiDt"  als  er  einer  ist.  Wüßte  er  aber,  was  für  ein  po^  er 
selber  ist,  dann  hätten  wir  keine  nmiD  (Ruht)  vor  ihm."  — 
Letzterer  Satz  bezog  sich  auf  das  Bestreben  Hirschs,  auch  weltliche  Bildung 
unter  seinen  Gesinnungsgenossen  zu  verbreiten. 

Ein  achtzigjähriger  Lamdon  in  Preßburg  erzählte  mir,  daß  er  einst  einem 
Schiur,  einem  Talmudvortrage  Hirsch's,  den  derselbe  vor  seiner  Jeschibah  in 
Nikolsburg  hielt,  beigewohnt  hatte.  Während  desselben  gelangte  H.  zu  einer 
der  schwersten  Stellen  in  Tossafoth,  da  sagte  er  nun  bescheiden  zu  seinen 
Jüngern :  „Ich  selber  verstehe  diese  Stelle  noch  nicht,  so  kommet  und  lasset 
uns  gemeinschaftlich  deren  Verständnis  zu  ermitte'n  suchen." 

Diese  Bescheidenheit  rührte  den  Hörer  derart,  daß  immer,  wenn  er  an 
eine  schwerverständliche  Stelle  in  Tossafoth  gelangte,  er  sich  unwillkürlich 
des  großen  Mannes  erinnern  mußte,  zu  dessen  Größe  sich  solche  Bescheiden- 
heit gesellte. 

In  damaliger  Zeit,  da  Nikolsburg  noch  '?^^^:y"l^  c^<^  n^J?  „Mutterstadt 
in  Israel"  war,  voll  der  Weisen  und  Schriftkundigen,  und  in  Mähren  noch 
viele  talmudisch  gelehrte  Rabbiner  und  Talmudhochschulen  existierten,  bestand 
ein  reger  Verkehr  zwischen  der  Talmudgelehrten- Republik  Ungarns 
und  Mähren.  Talmudjünger  aus  Ungarn  besuchten  Talmudschulen 
Mährens,  namentlich  waren  viele  ungarische  Talmudjünger  an  der  Jeschü  ah 
Hirschs  eingetroffen.  Ueberhaupt  stammte  in  früherer  Zeit  ein  großer  Teil 
der  ungarischen  Rabbiner  aus  Mähren  und  Böhmen.  (Wir  verweisen  blos 
auf  einige  bekannte  Namen :  R.  Wolf  Boskowitz,  Verfasser  des  nitt'on  1~\D 
R.  Feiwel  Plaut,  Verfasser  des  Qi^n  p  ^3^  ^^ip^.  R-  Saloriio  Klein,  Ver- 
fasser des  HD'^tt'  ''t;ipS  R-  Josef  Honig,  Rabbiner  in  Neutra,  Josef  Weise, 
der  bekannte  Biurist,  Rabbiner  in  Waag  Neustadtl  und  viele  Andere).  So  ist 
es  kein  Wunder,  daß  bald  die  ganze  ungarische  Rabbinerwelt  von  dem  neuen 
Rosch-Medinah  in  Mähren  wußte,  der  Wunder  wie  „gebildet"  und  dabei  „doch" 
streng  orthodox  sein  sollte.  Fast  ungläubig  vernahmen  sie  die  Kunde  davon, 
schienen  doch  den  frommen  Rabbinern  in  Ungarn  die  „ersten  Schwalben"  im 
Magyarenlande,  ein  Leopold  Low,  ein  Zipser,  ein  Fassel  und  Clenossen  eben 
das  Unmögliche  einer  harmonischen  Vereinbarkeit  altjüdischer  Frömmigkeit 
mit  moderner  Kultur  zu  beweisen.  Das  Auftreten  derartiger  Rabbiner  in 
Ungarn  war  nur  dazu  geeignet,  Mißtrauen  zu  säen  gegenüber  der  modernen 
Bildung  und  Kultur  überhaupt.  Das  Wort  Hirsch's:  „Jede  solche  falsche 
Wissenschaft  untergräbt  -  nicht  das  Judentum,  das  Judentum  wird  uns  alle 
überleben  —  untergräbt  aber  jedes  Aufblühen  wahrer  Wissenschaft  im  Juden- 
tume,  indem  es  allen  mit  der  Wissenschaft  nicht  vertrauten  aufrichtigen  Juden, 
erfahrungsmäßig,  wissenschafiliches  Streben  als  das  Judentum  gefährdend  er- 
scheinen lassen  muß"  (Jeschurun  VII,  S  ,^57),  —  bewahrheitete  sich  auch  hier. 

So  ist  es  kein  Wunder,  wenn  so  mancher  altelirwiirdige  Raw  in  Ungarn, 
dem  die  von  walirer,  unerschütterlich  fester  Ueberzeugungstreue  und  glühender 


45 


Anhänglichkeit  an  das  heilige  Vätererbe  Israels  zeugenden  Schriften  Hirschs 
nie  vor  Augen  gekommen  waren,  etwas  ungläubig  das  graue  Haupt  schüttelte, 
so  man  ihm  die  Ort.odo.xie  Hirschs  laut  pries.  Und  wie  erst  als  nwji«  härte, 
daß  der  neue  Rosch-.Medinah  der  in  den  Sxnagogen  eingerissenen  großen 
Unordnung  steuern  wollend,  sämtliche  Rabbinate  und  Vorstände  des 
Landes  aufforderte,  die  Ordnung  während  des  Gottesdienstes  in  den  Synagogen 
wieder  herzusellen  und  dauernd  aufrecht  zu  halten,  da  witterte  gar  mancher, 
der  Hirsch  blos  von  Hörensagen,  nicht  aber  aus  dessen  Schriften  kannte, 
einen  verkappten  Neologen  in  dem  neuen  Herrn. 

Und  doch  zeigte  eben  auch  dieses  Vorgehen  Hirschs  seine  weitschauende 
Weisheit.  Er  sah,  wie  die  Reformer  mit  Hilfe  von  Schlagwörtern  von  Anstand 
in  der  Svnagoge  und  dergleichen  all  diejenigen  an  sich  lockten,  die  es  nicht 
länger  leiden  mochten,  daß  die  „Judenschul"  auch  weiterhin  zum  Spotte  im 
Munde  des  Volkes  sei,  er  sah,  wie  solche  und  ähnliche  Schlagwörter  blos 
Köder  waren,  um  die  gesitteten  Elemente  an  die  Reform  zu  fesseln.  Dem 
gegenüber  berief  sich  nun  Hirsch  auf  den  klipp  und  klar  ausgesprochenen  „Din" 
im  Schulchan-Aruch.  forderte  eben  im  Namen  des  von  den  Reformern  be- 
geiferten Schulchan-Aruch  Anstand  und  Andacht  in  der  Synagoge  und  entwand 
so  den  Feinden  ihre  geiährliche  Waffe. 

Einer  der  hervorragendsten  Schüler  des  großen  Baal  Chatham  Sofer 
s.  A.,  sein  Schwiegersohn  Rabbi  Salomon  Spitzer  s.  A.  hat  dem  Andenken 
Hirschs  Worte  gewidmet,  die  deutlich  Zeugnis  ablegen,  wie  sehr  er  letzten 
Endes  auch  von  den  „Alten"  gewürdigt  wurde.  Da  heißt  es :  „Qott  war 
geweiht  das  ganze, Lebefl  R.  Hirschs.  Qett  und  dem  göttlichen  Gesetze 
waren  geweiliet  die  Gedanken  seines  Geistes  und  die  Gefühle  seines  Herzens. 
Und  derjenige,  der  seine  Werke  zu  lesen  pflegt,  empfindet  es  bei  deren 
Lektüre,  wie  ein  Ouell  der   Lebensheiligung  in  seinem  Inneren  aufsteiget."  — 

-  —  „Seine  19  Briefe  pflanzen  einem  die  Kraft  des  Glaubens  ins  Gemüte, 
sein  Chaurew  wieder  durchdringet  einen  mit  Erkenntnis  des  Geistes,  der  in  den 
Geboten  Gottes  weht.'  —  —  ~  „Er  war  der  Mann  der  bereits  vor  50  Jahren 
den  Verteidigungskampf  gegen  die  Stürme  auf  das  Ueberlieferte  eröffnete.  Er 
gab  seine  19  Briefe  he-aus  und  erregte  Bewunderung  mit  denselben.  In  diesen 
19  Briefen  enthüllte  er  die  ganze  Unwahrhaitigkeit  der  Reformer.  Er  zeigte 
auf  glänzende  Art  und  Weise  die  Erhabenheit  des  Vätererbes.  Wer  diese 
19  Briefe  liest,  der  wird  einsehen  müssen,  daß  er  das  Judentum  früher 

—  bevor  e  r  diese  19  Bri  ef  e  gel  es  en  —  nichtso  erkannt  hat 
wie  jetzt.  Er  fühlt  sich  nach  der  Lektüre  dieses  Werkes 
als  ein  ganz  neues  Wesen.  Nachher  gab  R.  Hirsch  seinen  Chaurew 
heraus,    der    eine    Begründung    der    61,^  Ge-   und    Verbote  der    Thora    ent- 


hält.    Das    i  st     ein    siiii     a'^s:,     ^^\^2n 


ein      wunderbares     und 


furchtbares  (für  die  Gegner)  Werk;  welches  den  Ruhm  des  Verfassers 
in  alle  Welt  hinaustrug  etc.  etc."  (Siehe  nD^tr  i'p\"l  nSD  von  Rabbiner 
Salomon  Spitzer  'p"i  in  Wien,  Pol.  110  und  111,  Hesped  auf  Hirsch).  Es  ist 
gewiß,  daß  auch  in  Ungarn  der  Ruhm  Hir? ch  s  in  stetem  Wachsen  begriffe  i  ist.  Das 
Studium  seiner  Werke  und  die  Anerkennung  seiner  Lehren  und  Ideen  ver- 
breitet sich  immer  mehr  und  mehr  und  iaiit  immer  tiefere  Wurzel  im  Kreise 
der  ungarichen  Judenheit.  Dieser  wachsende  Einfluß  Hirsch'schen  Geistes  und 
Hirsch'scher  Ideen  ist  von  entscheidender  Bedeutung  für  die  Zukunft  des  un- 
gari-chen  Judentums,  denn  nur  deren  Anerkennung  und  Sieg  kann  die  in  einer 
Uebergangsperiode  sich  befindende  Orthodoxie  Ungarns  davor  bewahren,  daß 
sie  Beute  einer  der  beiden  Extreme  im  ungarischen  Israel  wird :  des  jeglicher 
modernen  Bildung  abholden  Chassidismus  oder  der  Neologie,  deren  ganzes 
Judentum  sich  auf  einen  Tempelbesuch  am  Jomkipur  und  auf  das  Kaddisch- 
und  Maskirgebet  für  die  hingeschiedenen  Eltern  beschränkt. 

Diesem  Gedanken  hat  auch  schon  ein  anderer  begeisteter  Anhänger 
und  Verehrer  Hirschs  in  einer  bereits  vor  Jahren  veröffentlichten  ungarischen 
Schritt  Ausdruck  \ erliehen.  Wir  meinen  die  unter  dem  Titel:  „A  zsidö 
vaUäs  in  modern  korban"  (die  jüdische  Religion  in  der  modernen  Zeit) 
im  Jahre  1899  erschienene  Schrift  des  H  Elias  Friedmann.  In  der  Vorrede 
schre'bt  der  Verfasser:  „Auch  wollte  ich  die  Wahrheit  dessen  vergegen- 
wärtigen, daß  der  religiöse  Glaube  wohl  zu  vereinbaren  ist  mit  der  weltlichen 
Bildung.  Dieses  wähnte  ich  dadurch  zu  erreichen,  datl  ich  den  beiden  eben 
charakteri-ierten  Extremen  in  der  ungarischen  Judenheil  die  wahrhaft  großartige 
Gestalt  Hirschs,  der  doch  auch  unserer  modernen  Zeit  angehörte,  als  eines 
solchen  vorzustellen  mich  bemühte,  der  Thoragelehrsamkeit  mit  moderner 
Bildung  harmonisch  vereinigend,  zugleich  Großmeister  aut  dem  Gebiete  welt- 
licher Wissenszweige  und  Vertreter  des  wahren  Judentums  war." 

Auch  sonst  befreunden  sich  selbst  altere  Rabbiner  immer  mehr  und 
mehr  mit  Hirsch'sclien  Ideen  und  Schrillen,  wie  dieses  schon  aus  dem  Um- 
stände hervorgeht,  daß  man  in  neuerer  Zeit  häufig  genug  auf  Zitate  aus  Hirschs 
Werken  und  Iknützung  und  Anwendung  der  dortselbst  gegebenen  Id.en 
trifft,  so  z  B.  in  dem  immense  Gelehrsamkeit  verratenden  Werke  nc'Tir 'wipS 
meines  sei.  Großonkels  9.  Silomo  Klein  gewesener  Oberrabbiner  in  Zenta, 
S.  104,  b.  vgl.  Hirsch,  Peniateuch,  IV.  B.  M.  17,3  und  Psalmen  42,1;  zu 
Seite  111,  b;  vgl.  Hirsch,  Psalmen  .34,1.  Vg .  ferner  desselben  Verfassers 
-zz  r;  l^aks,  ,56:8,  S.  17,  b.  *) 

Auch  in  dem  Werke  r;-  rr^z  des  R.  Jose!  Fisch  finden  wir  S.  27,  b, 
die  tiefsinnige,  seitner  fast  zum  geflügelten  Worte  gewordene  Exegese  Hirschs 
zu  II.  B.  M   2.S.8  aijgadisch  verwertet  und  sie  dann  von  R.  Feiwel  Plaut,  dem 


In  dem  im  Jahre  5664  erschienenen  Werke  r;  -;  rr.i-  -cc  von  dem 
emer.  Rabbiner  in  Groß- Tapolcsäny  H.  Feiwel  Schlesinger  ist  sehr  oft  der 
Einfluß  verständnisvoller  Lektüre»Hirseh'scher.'Schriften  zu  bemerken. 

In  dem  zu  Waitzen  in  Ungarn  erscheinenden  rabbinischen  Fachblatte 
T]','shr\  br  10.  Jahrgang  S.  45  ist  eine  gegenwärtig  in  meinem  Besitze  sich  be- 
findliche nziBT  von  S.  R.  Hirsch  verö  fentlicht  worden.  Das  Antwortschreiben 
ist  an  meinen  Vater,  Herrn  Rabbiner  A.  Fischer  gerichtet,  ist  aus  Frankfurt  a.  M. 
5639,  1.  Kislew  datiert  und  beantwortet  mehrere  an  H.  gerichtete  Fragen  in 
-hz  ahz  ]Z-,p  z-',pn  [';»2.  Dieses  Schreiben  allein  beweist  schon  zur  Genüge, 
daß  Hirsch  nicht  blos  auf  dem  Gebiete  der  jüdischen  Religionsphilosophie  den 
Größen  unserer  Vergangenheit  ebenbürtig  war,  sondern  daß  er  auch  die  tra- 
ditionelle Methode  der  Talmudforschung  als  Meister  beherrschte.  Das  Schreiben 
erschien  mit  den  Randglossen  des  Einsender-,  des  Herrn  Rabbiners  Fischer 
und  mit  denen  des  (Jberleiters  des  erwähnten  Fachblattes,  des  Herrn  Rabbiner 
J.  Silberstein  versehen  und  erregte  solches  Aufsehen,  daß  sich  eine  große 
pubtizistische  Kontroverse  mehrerer  Rabbiner  und  Talmudgelehrten  ihrem  Er- 
scheinen anscliloß,  die  in  den  folgenden  Njmmern  des  ~''tbri  hr)  ausge- 
tragen wurde. 

Es  ist  bemerkenswert,  daß  selbst  hervorragende  Persönlichkeiten  der 
Neologie  in  dem  von  der  eigentlichen  Stätte  der  Wirksamkeit  Hirschs  so 
weit  ab  liegenden  Ungarn,  sich  des  imponierenden  Eindruckes  der  hehren  Ge- 
stalt Hirschs  nicht  erwehren  können. 

So  ist  es  charakteristisch,  daß  der  Sohn  und  Amtsnachfolger  des  Re- 
formrabbiners Leopold  Low  in  Szegedin,  Immanuel  Low,  nach  dem  Tode 
Hirschs  demselben  einen  warmen  Nachruf  gewidmet  hat.  (Low  Immanuel 
Beszedei,  S.  401  und  402.)  Er  führt  darin  aus,  welch  tiefen  Eindruck  der  noch 
junge  Hirsch  auf  Geiger  machte,  \xie  dessen  große  rednerische  Begabung, 
scharfer  Verstand  und  rasche  Auffassungsgabe  die  Bewunderung  des  letz- 
teren erregten. 

„52  Jahre  sind  es,  daß  das  erste  Werk  Hirschs  erschienen  ist.  Binnen 
kurzer  Zeit,  im  Verlauf  einiger  Jahre  ist  Hirsch  die  erste  Autorität  der 
deutschen  „romantischen"  *)  Orthodoxie  geworden,  deren  Anschauungen  er  in 
einem  großangelegten  \\  erke,  im  Chaurew  entwickelte,  und  zwar  wenn  auch 
in  maniriertem  (?)  Stile  und  auf  „irrtümlicher"  *")  wissenschaftlicher  Basis, 
dennoch  aber  mit  wohltuender  Wärme,  mit  geistvollen  Wendungen  und 
kühnen  Forderungen,  großen  Eindruck  machend  und  viele  Anhänger  sich 
erwerbend  etc.  etc." 

Noch  bemerken  wir,  daß  L.  Low  auch  die  Einleitung  eines  Aufsatzes 
von  Hirsch  zu  den  Elul-  und  Selichothtagen  und  die  eines  Aufsatzes  zu  den 
Teschuwahtagen  ins  Ungarische  übertragen  und  sie  als  Betrachtungen  dem 
von  ihm  verfaßten  ungarischen  Andachtsbuche  einverleibte.  S.  Smädsäpok 
zsidok  szämära.    Gyüjiötte:  Immamel.     1S03.    S.  114  und  137.) 

Es  soll  ferner  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  einer  der  her\  orragendsten 
Jünger  des  echneologen  Rabbinerseminars  in  [Budapest,  der  in  neologen 
Kreisen  großes  Ansehen  genießende  Rabbiner  Dr.  J.  Steinherz  in  Stuhlweißen- 
burg in  der  Vorrede  seines  i.  J.  1895  erschienenen  Buches:  „A  zsidö 
vallas  erkölcstana"  (Morallehre  der  jüdischen  Religion)  schreibt,  daß  er 
unter  den  seiner  Arbeit  zugrunde  liegenden  Werken  in  erster  Reihe  den 
Chaurew,  den  flammengeistigen  (hangelmejü)  Vertreter  des  strengsten  Kon- 
servatismus nennen  müsse;  er  fährt  dann  fort:  „Es  kann  jedoch  hierorts 
nicht  meine  Aufgabe  sein,  die  Richtung  dieser  meteorgleichen  Erscheinung 
zu  charakterisieren.  Nur  das  eine  will  ich  erwähnen,  daß  derselbe  sich 
keinesfalls  mit  der  bloßen  Anführung  irgend  einer  Stelle  aus  der  Heiligen 
Schrift  zur  Begründung  und  Befestigung  einer  gewissen  Morallehre  zufrieden- 
stellt, sondern  sich  vielmehr  in  die  betreifende  Lehre  versenkt  uud  jenen 
beispiellos  erhabenen  Geist  sich  offenbaren  läßt,  der  unsere  I'hora  durchdringt 
und  den  bloß  die  Propheten  vollkommen  erfaßten,  die  mit  ihrem  Herzen 
dachten.-     (S.  4  und  5.) 

Selbst  der,  wie  wir  bereits  im  vorigen  Jahrgange  des  Israelit 
(Nr.  29)  nachgewiesen,  radikalste,  bibelkritischen  Hypethesen  huldigende 
langjährige  Religionslehrer  an  der  neolo;;en  Lehrerpräparandie  in  Budapest, 
z.  Zt.  Dozen"  am  neologen  Rabbinerseminar  in  Wien,  Dr.  S.  Krauß,  scheint 
in  seiner  „Systematischen  jüdischen  Religions-  und  Morallehre",  die  wir  an 
eben  erwnhnter  Stelle  gehörig  betrachtet  haben,  dort,  wo  ihn  die  Reform- 
weisheit seiner  Meister  im  Stich  läßt,  nicht  ohne  Hirschs  tiefsinnige  Erklärungen 

auskommen  zu  können.    So  z.  B.  bei  den  Speisegesetzen  Seite  109. 

*  ■  * 

Wir  glauben,  daß  auch  obige  Zeilen  dazu  beitragen  werden,  in  manchem 
der  vielen  Tausende,  denen  Hirsch  inmitten  des  Ringkampfes  zwischen 
Religion  und  Kultur,  Glauben  und  Wissen,  Altetn  und  Neuem  ein  treuer 
Wegweiser  auf  ihrem  Lebenspfade  ist,  die  Ueberzeugung  zu  festigen,  daß  er 
keinem  Phantom  nachgeht,  so  er  sich  der  Führung  des  Mannes  anvertraut, 
den  die  jüdische  Gesamtheit  auf  dem  Erdenrunde  mit  jedem  Jahr- 
zehnt mehr  als  „Leuchte  des  Exil  es"   erkennen  und   verehren   wird. 

*i  Die.si'  Hi'Zfichnuni;  der  deutscluii  (.)ithodü.\if  wurde  Ixkaiiiitlich  vom  X'ater  des 
Autor.-*  Leojiold  Lüw  eri'unden     F. 

*»)  l'ud  wie  sollte  denn  .auch  für  Low  die  Von-iussetzuuR  der  Göttlichkeit  der 
mündlichen  Tradition  eine  .indcrc  als  „irrtümliche"  Kasis  atisrebeu  können?     F. 


gewesenen 
ausgebaut. 


Rabbiner  zu  Groß  Suran\,    in  dem  Werke  c" 


'Weiter 


-     46 


Samson  Raphael  Hirsch  in  Holland. 

Von  Justus  Tal  in  Amsterdam. 

Es  ist  noch  nicht  lange  her,  seit  man  Rabbiner  Hirsch  in  Holland  kennt. 
Zwar  hatte  schon  1837  in  den  ,lsraelietische  daarboeken"  eine  lange  und 
ziemlich  günstige  Rezension  der  XIX  Briefe  gestanden:  auf  den  berühmten 
Amsterdamer  Bücher-Auktionen  kamen  öfters  Choreb  und  XIX  Briefe  vor,  und 
1857  wurde  da  ein  Choreb  für  M.  5.-  gekaufi;  außerdem  soll  1864  ein- 
mal einen  Augenblick  die  Rede  davon  gewesen  sein,  Rabbiner  Hirsch  als 
Oberrabbiner  nach  Amsterdam  zu  berufen.  Weiterstanden  im  Bücherschranke 
des  Rabttnerseminars  einige  Jahrgänge  des  Jeschurun,  einige  nur,  die  übrigen 
fehlten,  keiner  las  etwas  darin,  höchstens  holte  dieser  oder  jeder  ein  einzelnes 

Mal   einige    Ideen   heraus,   wenn   er   sie    verwenden   wollte und   das 

war  alles. 

Erst  in  den  80er  Jahren  änderte  sich  das  Bild.  Es  waren  einige  Schüler 
der  Hirsch'schen  Realschulenach  Amsterdam  gekommen,  die  in  ihrem  kleinen 
Bekanntenkreis  einiges  über  l^abbiner  Hirsch's  Arbeiten  sprachen  und  hie  und 
dort  auch  einiges  erreicliten.  .Wan  fing  an  sich  die  Arbeiten  anzusehen.  Aber 
an  der  Pflanzstätte  des  Holländischen  Judentums,  dem  Seminar,  wurden 
Hirscli's  Arbeiten  damals  nrch  mit  dem  .verdäcntigendeii  Zauberwort'  — 
wie  Dr.  Mendel  Hirsch  -"üt  es  nannte  —  , unwissenschaftlich",  gekennzeichnet 
Es  ist  charakteristisch,  dalJ  ein  damals  noch  relativ  junger  Mann,  derdieses  ange- 
flogene Urteil  sich  mit  Ueber/eugung  zu  eigen  machte,  heute  fast  alles,  was 
Hirsch  geschrieben,  treu  durchstudiert  hat,  und  dalJ  es  auKenblicklicli  keinen 
Verehrer  Hirsch's  in  Holland  gitit,  der  mit  mehr  Begeisterung  von  ihm  und 
seinen  Arbeiten  spricht  als  gerade  er.  Ja,  tempora  mutantur  et  nos  mutamur 
in  Ulis. 

Denn  die  Zeiten  haben  sich  geändert.  Als  im  Jahre  18<'2  der  Ober- 
rabbiner Tal  -"i';  seinen  Vortrag  über  Rabbiner  Hirsch  im  Verein  cvp  -|<p^; 
hielt,  da  war  die  Wirkung,  die  er  hervorbiaclite,  schon  ziemlich  bedeutvnd, 
wenn  sich  dies  auch  erst  allmählich  dem  Auge  dessen  zeigte,  der  regelrnälliu 
die  geistige  Phy-iognomie  der  An.sterdamer  jüdischen  Eamilien  beobachten 
kann.  Der  hrfolg  war,  dati  der  Nari.e  und  die  Schriften  Hirsch's  nach  und 
nach  in  die  Gemüter  und  Häuser  eindrangen  und  mancl-.er  auch  \on  dtn 
kalten  Holländern  seine  Zuflucht  zu  Hirsch's  Arbeiten  nahm,  wenn  er  junge 
Gemüter  -  und  auch  wohl  einmal  alte  -  das  Jutentum  kern  tn  lehren  wollte. 
Im  Jahre  1895  erschien  eine  Holländische  Uel  ersetzung  der  XIX  Briefe. 
Es  war  die  .Anregung  aus  die-em  Vortrag  gekommen:  denn  als  der  Redner 
von  den  XIX  Brieten  sprach,  hatte  er  betont,  wie  bedauerlich  es  sei,  dal.i  sie 
noch  nicht  ins  Holländische  übersetzt  seien:  \ie!c  Holländer  lesen  kein 
Deutsch,  und  gewiti  nicht  das  der  XIX  Briefe.  Sie  wurden  übersetzt  vi  m 
jetzigen  Rechtsanwalt  Dr.  IsiJore  Hen.  Neun  Jahre  später  gründeten  einige 
jungen  Herren  und  Damen  einen  kleinen  .Kreis,  worin  sie  sich  vornahmen, 
zusammen  k'abbiner  Hirsch-Schriften  zu  studierui.  Sie  rannten  sich  .Rabbiner- 
Hirsch-Kreis.  )  Kein  Verein,  denn  einen  Vf)rstanJ  hatte  der  Kreis  nicht  und 
alle  zu  besprechende  Sachen  wurden  ganz  freundschaftlich  zusammen  abge- 
macht. Man  hat  dort  zweimal  die  XIX  Briefe  im  Holländischen  gelesen,  dann 
.Aus  der  Mappe  eines  wandernden  Juden'  in  den  ües.  Sehr.  I,  dazu  die 
Holländische  Bearbeitung  der  Kalenderbetrachtungen,  in  den  Qes.  Sehr.  I:  und 
zum  X  .\1;il  die  XIX  Briefe,  aber  in  deutscher  Sprache.  Der  Kreis  hat  diese 
Kalenderbetrachtungen,  für  das  Holländische  Publikum  durch  einige  Mitglieder 
desselben  bearbeitet,  herausgegeben,  und  sie  natürlich  auch  seihst  gelesen. 
Besonders  die  jüdischen  Lehrer  haben  das  Buch  viel  gebraucht,  und  das  ist 
doch  wenigstens  ein  Ai, fang,  um  die  Jugend  mit  Hirschs  (]e;st  zu  durchdringen. 
Dtr  jüdische  i.iteratur-Verein  in  Rotterdam  hat  elenialls  die  XIX  Briefe 
gelesen  und  ihnen  drei  Wintersemester  gev\idrnet.  Danach  hat  man  dort 
sogar  einige  Kapitel  aus  Hirscli's  Pentateuchkommentar  behandelt. 

Auch  indem  Vorstädtchen  Apeldoorn  hat  sich  vor  kurzem  ein  Rabbiner- 
Hirsch-Kreis  gebildet,  der  auch  mit  den  XIX  Briefen  anfängt,  dessen  Geschichte 
aber  erst  beginnt,  und  dem  wir  ein  herzliches  f^^n  "112  zu  seinem  Eintntt 
ins  Leben  zurufen. 

Vor  einigen  Jahren  hat  in  Deventer  der  Lehrer  bei  seinen  Sabbat- Vorträgen 
regelmäßig  Hirsch's  Kommentar  zu  Gründe  gelegt.  Doch  endeten  diese 
Vorträge  mit  dem  Weggange  des  betreffenden  Lehrers. 

Viele  von  den  Lehrern  im  Lande  haben  aus  der  l.ektüre  Hirsch's  reichen 
geistigen  Gewinn  gezogen  und  jetzt  kommt  auch  auf  dem  Rabbiner-  und  Lehrer- 
Seminar  Hirsch  nach  und  nach  zur  grolieren   Geltung.    Viele  von  den  jungen 
Schülern  gehen  bei  ihm  in  die  Schule  und   lernen  schon,  auf  dem    Wege  zu    ; 
C"'iS  ^^nd  C'',TC'C.  ^'Ji  'hm  sich  einen  Begriif  ihres  Judentums  bilden.  i 

Möge  Hirsch  immer  heimischer  unter  den  holländischen  Juden  werden 
und.  um  mit  seinen  eigenen  U Orten  zu  sprechen")  .er  ihnen  das  Juden 
.tum  im  l.ichtgewande  der  Bildung  und  Wissenschaft  zeigen,  auf  dal.i  sie  der 
, Geist  durchdringe  des  ewigen  Judentums  im  Bereiche  des  „Denkens  und 
Lebens." 

*>  Ki(.'<>ntlich  .Wiilil.incr  llirM'li  <;c.zflsclui|.-.  Dms  «(.•iit.-ijii!  ..Go^i-ilx'liiiff  {;ilit 
iitiiT   i'ini'n    (r.'iMz    aiuliTi'H    Gi''l;inkeii. 

■ ')  .\us  .-i'inc'in  iil"T  .\iii.-tiTilniii  L"sclirii'lM'ni'ii.  in  i|iT  llolliindix'lH'ii  Zi'it- 
»ichrift  ..('lioP'r  (Ixxxi  iilM'r.-''tzti'ii  .'^tiick  .,.\iis  di-r  M:>\i\>i-  eines  uanilcmilon 
.Juden'  III.  (ie.  Si^h.  I  Seiti'  .U:s  fl'.'.,  .Ie-clinrnii  .liilir;.'.  I  Vr.hi:  \s:,:,.  s,'\t<-  l'7(1; 
vielleicht  wanl  nie  .-in,,  lirss-ere  l'.etraclitnnK  iiSer  die  .•\iii>tenl:niier  ~^~p  ire- 
H('hriet)en. 


Aphorismen 

zur  Grundlegung  der  jüdischen  Ethik 
im  Geiste  Samson  Raphael  Hirsch's. 

Von  Jacob  Rosenheim  in  Frankfurt  a.  M. 

.Ein  Geist!  in  Allem!  von  dem  Bau  der 
Sprache  bis  zum  Thatenbau  des  Lebens.— 
Ein  Geist,  —  angeweht  vom  Geiste  des 
Alleinen  !■ 

(Neunzehn  Briefe.) 

Wer  einen  Blick  auf  die  Geistesarbeit  Samson  Raphael  Hirschs  wirft, 
die  sich  über  nahezu  sechs  Dezennien  eines  rastlos  bewegten  inneren  Lebens 
erstreckt,  und  die  in  einer  kaum  zu  erschöpfenden  Mannigfaltigkeit  der  schrift- 
stellerischen Formen  sich  bethätigt  hat,  der  steht  vor  einer  Tatsache  vor 
allem  in  staunender  Ehrfurcht  stille:  vor  der  einheitlichen  Geschlossen- 
heit dieses  geistigen  Lebenswerkes.  Es  ist,  als  üb  in  einer  gesegneten 
frühen  Jugendstunde  sich  diesem  Genius  der  Geist  des  Judentums  wie  mit 
einem  Zauberschlage  offenbart  habe,  und  als  ob  nun  ein  ganzes  Leben  lang 
es  nur  noch  galt,  die  tausendfältige  Fülle  dieser  Offenbarung  in  Begrtff  und 
Worte  umzusetzen,  ihren  Widerhall  aber  herauszuhorchen  aus  Sprache  und 
Schrift,  aus  Geschichte  und  Leben  des  Judentums.  Fieser  merkwürdigen  l'at- 
sache  allein  ist  es  zu  verdanken,  dali  es  S.  R.  Hirsch,  trotzdem  er  kein 
-System  des  Judentums',  keine  jüdische  Dogmatik  und  keine  jüdische 
Methaph\sik,  keine  jüdische  Ethik  und  keine  jüdische  Pädagogik  geschaffen, 
d-nnoch  gelang,  durch  ein  langes  Leben  hindurch  als  Commenlator  wie  als 
Zeitungsschreiber,  in  Broschüren  und  Schulprogrammen,  Predigten  und  wissen- 
schaftlichen Abhandlungen  einem  großen  Organismus  lebendigen 
Geistes  das  Dasein  zu  geben,  der  durch  das  Ineinandergreifen  seiner  Teile, 
durch  die  gewaltige  Pragmatik  seines  ganzen  Aufbaus  für  seine  eigene  innere 
Wahrheit  überwältigendes  Zeugnis  ablegt. 

Mir  will  es  scheinen,  als  ob  die  Art,  in  der  S.  R.  Hirsch  schon  in  früher 
Jugend  der  hebräischen  Sprache  gegenübertrat,  den  Schlüssel  bilde  zum 
Verständnis  dieser  einzig  dastehenden,  durch  ein  ganzes  Leben  reichenden  Ein- 
heit geistigen  Schaffens.  Die  heilige  Sprache  bildete  das  geistige  Fluidum, 
das  auf  des  grollen  Denkers  empfängliches  Gemüt  wie  der  „Geist  Gottes  über 
den  Wassern'  wirkte;  aus  der  Berührung  mit  der  Sprache  strömten  ihm 
die  Begriffe  jüdischer  Gotteswahrheit  zu,  und  an  dieser  Sprache,  die  ja 
im  täglichen  Gebet,  beim  Lernen  und  Lehren  zum  Ohr  des 
.lünglings  wie  des  Mannes  in  denselben  Lauten  und  Akzenten 
redete,  an  dieser  Sprache  entwickelten  sich  ihm  tausend  lebenskräftige 
Gedankenkeime,  die  vor  dem  ernsten  Blick  des  W  ahrheitssuchers  dann  in 
organischem  \\  achstum  auf  jedem  Blatte  des  T'nach,  auf  jedem  Blatte  der 
inündlichen  Lehre  zu  prangender  Herrlichkeit  sich  entfalteten. 

An  dieser  Fruchtbarkeit  der  Sprach-Anschauung  bei  S.  R.  Hirsch  hat 
viel  weniger  die  e  t  \mo  I  ogisc  he  Betrachtung  der  äußeren  Form  der 
Sprachwurzeln  Anteil,  als  die  tiefeindringende  vergleichende  Untersuchung  des 
W  or  t  begri  f  f  s,  und  es  fällt  dabei  in  den  meisten  Fällen  den  herangezogenen 
lautlich  verwandten  Wortwurzeln  viel  mehr  die  Rolle  eines  Gedanken  an- 
regenden Agens  als  die  einer  maligebenden  Erkenntnisquelle  zu.  Erkennt- 
nisquelle ist  der  Begriff  des  Wortes,  der,  aus  seiner  Anwendung  im 
Gotieswort  ermittelt,  durch  scharfe  Definition  in  seinem  Kerne  herausgeschält 
wird  und  infolgedessen  mit  allen  seinen  Nüancierungen  vveiterverfolgt  werden 
kann. 

Unzählig  sind  die  Stellen  im  -"ip.  in  denen  diese  tiefe  Erfassung  des 
Wortbegriifs  allein  den  Zusammenhang  zu  erschlielien  vermag,  unzählig  die 
(jedankenverbindungen,  in  denen  durch  diese  Spracherfassung  das  Bibelwort 
vom  Gerumpel  jahrhundertelang  bewahrter  Uebersetzungs  -  l'rivialitäten  befreit, 
und  der  sprudelnde  (,)uell  Leben  weckender  göttlicher  Wahrheit  wie  mit  dem 
Mosisstab  hervorgelockt  wird. 

Diese  Tatsache,  für  die  jedem  Kenner  Samson  Raphael  Hirschs  die 
Belege  zur  Hand  sind,  möge  es  rechtfertigen,  wenn  im  Folgenden  der 
Versuch  gemacht  wird,  an  der  Hand  zweier  von  S.  R.  Hirsch  vielfach 
durchforschter  W  or  t  b  egr  i  f  f  e  die  Grundideen  der  jüdischen  Ethik  zu  ent- 
wickeln, wenn  dann  ferner  unter  Hinzuziehung  eines  dritten  [Begriffs 
die  Behauptung  gewagt  wird,  dali  diese  drei  Begriffe  in  ihrem  Beziehungs- 
reiciitum  die  tragfähige  Ci  rundlage  einer  systematischen  iüdischen 
Ethik  bilden.  T~s  wird  sich  ergeben,  dail  diese  drei  Begriffe  in  ihrer  Zusammen- 
gehörigkeit von  der  Ue  ber  I  ieie  run  g  bereits  als  Grundlage  der  Ethik 
erkannt  worden  sind,  und  dali  eine  auf  ihnen  sich  erhebende  ethische  Lehre 
eine  Synthese  der  in  den  Strömungen  der  modern-wissenschaftlichen  Ethik 
herrschenden,  zumeist  einseitigen  Prinzipien  darstellen  würde. 


Die  deutschen  Worte  .heilig",  „Heiligkeit',  Heiliglum'  lösen  bei  dem- 
jenigen, der  sie  denkt  oder  hört,  im  allgemeinen  lediglich  ein  unbestimmtes 
Empfinden  aus,  ohne  daß  sich  damit  ein  umgrenzter,  verstandesmäßig 
bestimmter  Begriff  verbände.    Ob  das  in   der   abschleifenden  Wirkung   des 


47 


lebendigen  Sprachgebrauchs  oder  in  tieferliegenden  Ursachen  begründet  ist, 
kann  hier  unerörtert  bleiben.  Seihst  Lazarus  in  dem  wundervollen,  von 
zartsinnigem  Verständnis  erfüllten  ,Heiligungs--Kapitel  seiner  Ethik  bringt  es 
nicht  zu  einer  präzisen,  die  verschiedenen  Nuancen  treffenden  Definition,  ja 
er  bringt  sich  von  vornherein  um  die  Möglichkeit,  zu  einem  solchen, 
wissenschaftlich  gevilä  wünschenswerten  Ergebnis  zu  gelangen,  weil  er  — 
aus  naheliegenden  Gründen  —  eine  Scheidung  zwischen  religiös  Heiligem 
und  sittlich  Heiligem  vornimmt,  die  den  im  Kerne  durch  und  durch 
religiösen  Begriff  des  Heiligen  seiner  Klarheit  beraubt. 

Was  ist  nun  —  nicht  heilig  —  sondern  tt'np?  Während  in  den 
, Neunzehn  Briefen-,  die  ja  vorzugsweise  Qeschic  h  tsp  hilosophie  ent- 
halten, der  dem  Reiche  des  individuellen  Seelenlebens  angehörige  Begriff  der 
r'v^np  naturgemäß  nicht  erörtert  und  auch  noch  im  Choreb  auf  eine  tiefere 
Erfassung  des  Begriffs  verzichtet  wird,  gelangt  er  in  den  „Grundlinien  einer 
jüdischen  Symbolik"  (1859)  in  wenigen  lapidaren  Sätzen  zur  Entfaltung  und 
endlich  im  Pentateuch-Kommentar  zur  rnilP  'Tffipz  nw  "[IDD  ''ü)  zu  licht- 
voller, lückenloser  Klarheit.  Das  dort  von  S.  R.  Hirsch  Bemerkte  muß 
ich  hier  als  bekannt  voraussetzen.  Offenbar  ist  es  die  Tatsache,  daß  nicht 
nur  der  Mensch,  sondern  Gott  ^pp  genannt  wird,  die  als  ein  zum  Nach- 
denken zwingendes  Problem  erscheint.  Den  Menschen  läßt  sich  sagen: 
„Werdet,  seid  heilig"  d.  h.  kämpfet  Eure  Triebe  nieder  und  nähert  Euch 
dem  Zustande  des  kampflosen  Rechthandelns  Aber  von  Gott,  bei  dem  ein 
Kampf  nicht  denkbar,  also  auch  der  Begriff  der  „Kampflosigkeii"  durchaus 
sinnlos  ist?  Auch  der  Ausweg  ist  versperrt,  der  den  Begriff  als  einen  vom 
Menschen  auf  Qott  übertragenen  ansehen  wollte.  Denn  ausdrücklich  wird 
umgekehrt  die  ri'vr'np  Q  o  1 1  es  als  Quelle,  als  Ursache,  als  Gewährleistung  der 
menschlichen  Heiligkeit  statuirt:  i;{<  ^np  -'S  □"'^np  Dn^üV  Und  nur  wer 
den  wahrhaftigen  jüdischen  Gottesbegriff  in  eine  unwirkliche  „Idee"  aufzulösen 
sich  unterfängt,  könnte  sich  damit  zufrieden  geben,  in  der  „Heiligkeit"  Gottes 
ein  idealisiertes  Abbild  der  menschlichen  „Heiligkeit"  zu  erblicken. 

Die  gegensinnige  Verwandtschaft  von  2^np  mit  B^np  führt  auf  den 
Weg  zur  Erkenntnis  des  Sachverhalts:  Wie  ^-[p  die  völlige  Hingabe  an 
das  Sinnliche,  an  den  Stoff,  mit  allem  was  drin  lebt  und  webt,  bedeutet, 
so  ist 'i:»!!^  das  Gegenteil:  die  völlige  „Freiheit",  die  völlige  „Los- 
gelöstheit" vom  Sinnlichen,  vom  Stoff. 

Damit  sind  mit  einem  Schlage  alle  Schwierigkeiten  gelöst,  und  alle 
Konsequenzen  in  nuce  gegeben. 

Für  Gott,  den  Einzig-einen,  is*  der  Begriff  der  ntVMp  ei"  einheit- 
licher, positiver. 

Hier  heißt  ij^np  wörtlich:  „absolut"  (von  absolvere),  zu  deutsch: 
„losgelöst",  als  reiner  Geist  erhaben  über  die  Materie,  über  die  Bedingungen 
ihres  Werdens  und  Vergehens,  daher  frei,  ewig  und  unsterblich. 

Für  den  Menschen,  das  Doppel  wesen,  das  zwar  dem  Weltenstoff  ange- 
hört, in  dessen  Inneres  aber  der  Schöpfer  einen  Funken  s  eines  Wesens 
hauchte,  gewinnt  der  Begriff  der  nVMp  notwendigerweise  eine  negative 
und  eine  positive  Nuance. 

Negativ  gefaßt  bedeutet  nwnp  die  F  r  e  i  h  e  i  t  von  der  zwingenden  Macht 
der  Materie,  des  Leibes,  der  Sinnlichkeit  (daher  vnn  DiB'np  —  Vnn  a"'B'TlC) 
und  die  daraus  fließende  ewige  Bereitschaft  des  sittlichen  WoUens 
zur  Vollbringung  des  Qotteswillens. 

Positiv  i'rh  ^Mp)  ist's  die  vollendete  Hingabe  des  über  die 
Sinnlichkeit  triumphierenden  Gottesfunkens  im  Menscheninnern  a  n  den  ihm 
wesensverwand;en  Schöpfer,  wie  sie  hie  nie  den  in  den  Momenten  höchsten 
sittlichen  Vollbringens  (siehe  den  Gegensatz  zwischen  der  negativen  n^3;~ 
und  dem  positiven  ^Mp  bei  -^^n  ]no.  Jeschurun),  jon  d'"')V'' 
aber  in  der  vollendeten  Rückkehr  des  Gottesfunkens  sich  vollzieht. 

Der  Mensch  kann  ^'-\p  werden,  kann  sich  innerlich  erheben  über 
seine  Sinnen  weit,  weil  Gott  ^np  ist,  weil  Fr  frei  und  absolut  waltet  über 
dem  Stoffe  und  weil  es  ja  Geist  von  Seinem  Geiste  ist,  den  Er  hineinge- 
senkt in   die  Menschenbrust. 

Daher  wird  gerade  bei  r^i^  qi  n^lp  ^oU  a\ii]:;-\p'a  11X3  gepriesen 
und  auch  in  den  Psalmen  (68,25  und  77,14)  Gottes  n'Z'lip  in  Verbindung  mit 
jenem  selben  Siege  des  Gottesgeistes  über  das  Naturgesetz  am  Meere  gefeiert, 
weil  die  „Absolutheit  des  Gotteswillens"  (d.  i.  Losgelöstsein  von  den  Bedingungen 
des  Natu'gesetzes)  gerade  dort  epochemachend  hervortritt. 

Daher  auch  wird  es  andererseits  verständlich,  wenn  die  talmudische 
Lcberlieierung  auch  das  auf  Menschen  bezogene  ^np  ohne  weiteres  mit 
, unsterblich"  identificiert  und  im  Hinblick  aui  das  Ziel  der  sitt- 
lichen Entwicklung  die  Worte  ausspricht:  □^i'-iizi  nri^jm   [VüD  ^^<B'2M  "Til 

f'a  z"-^  pTi-:D)   .G-'O-'-'p  cb^v''•  an  ^x- 

„DasAbsolute  d  er  S  i  1 1 1  i  ch  k  e  i  t  und  des  Da  s  e  ins  iä  1 1 1 
zusammen,  weil  es  aus  einer  Wurzel  stammt." 

Anders  gefaßt:  In  dem  Begriffe  der  nti'iip  vereinigt  sich  die  ethische 
und  die  m  ;taphysiiche  Würde  des  Menschen  zur  höchsten  Einheit,  der 
Mensch  wird  unsterblich        frei,  weil  er  auf  dem  Wege  des    sittlichen 


Handelns  auch  die  letzte  Instanz  der  „Sinnlichkeit",  den  Tod,  schließlich 
überwindet;  Gott  aber  kann  sich  zum  höchsten  Vorbilde  der  Sittlichkeit 
setzen,  weil  aus  ihrer  innersten  Natur  heraus  die  Qott  entstammende,  im 
sittlichen  Handeln  freigewordene  Menschenseele  Ihm,  ihrem  Eigener,  dem 
absolut  Freien,  entgegenwallt. 


1113 

Die  nächstliegende  Beziehung  zwischen  Clip  und  1113  ruht  in  der 
einfachen  Tatsache,  daß  beide  Begriffe  unzählige  Male  im  jüdischen  Schrifttum 
von  Gott  ausgesagt  werden.  Für  die  vulgäre,  vermutlich  erst  mit  dem 
Erlöschen  des  lebendigen  hebräischen  Sprachgefühls  entstandene  Auffassung, 
die  "Ti-  mit  „gelobt"  oder  „gepriesen"  wiedergiebt,  erschöpft  sich  die  Be- 
ziehung der  beiden  Worte  damit.  Nicht  so  im  Geiste  S.  R.  Hirschs,  der 
schon  in  den  „XIX  Briefen"  das  Wort  konsequent  mit  „segnen"  übersetzt 
und  es  S.  23  der  2.  Aufl.  also  definiert: 

"12  heißt  segnen,  den  Verhältnissen  eines  Andern  Gedeihen 
geben  oder  anwünschen.  'n  "z  heißt  daher  Gott  segnen,  d.  h. 
die  Erfüllung  seines  Willens  „gedeihen"  lassen  oder  ihm 
Gedeihen  „anwünschen"  d.h.  seinen  Willen  erfüllen  oder  zu 
solcher  Erfüllung  Entschluß  aussprechen. 

Daß  y^-  in  der  Tat  so  wiedergegeben  werden  muß,  hat  S.  R.  Hirsch 
an  anderen  Stellen  seiner  Schriften  überzeugend  nachgewiesen,  und  es  kann 
hier  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  die  dagegen  erhobenen  Einwände  kritisch  zu 
prüfen.  Jedenfalls  bildet  der  Begriff  ";"i-  mit  Gott  als  Subjekt  und  ~"  mit 
Gott  als  Objekt  einen  entschiedenen  Gegensatz  zu  cnp.  Qott  als  der 
„Absolute",  als  das  unveränderliche  Ideal  der  Sittlichkeit  ist  keiner  irgendwie 
gearteten  Veränderung  oder  Entwicklung  unterworfen,  kann  überhaupt  nicht 
Objekt  menschlichen  Tuns  werden.  Während  daher  der  Ausdruck  'n  tripc 
oder 'n  ac  cnp  nicht  eine  objektive  Erhöhung  der  „Heiligkeit"  Gottes 
bedeutet,  sondern  lediglich  die  Anerkennung  dieser  Absolutheit  durch 
Wort  (~E'i"p  /K'iip)  oder  Tat  (Märtyrertod),  tritt  in  ~'iz  eine  ganz  neue 
Beziehung  des  Menschen  zu  Gott  oder  wenigstens  zum  Gotteswillen  (da 
Gott  selbst  unerkennbar  ist)  hervor.  Dieser  Gotteswille  will  etwas  auf 
Erden,  er  möchte  ein  großes  Werk,  das  in  der  Zeiten  Folge  sich  entwickelt, 
gedeihen  sehen,  und  eben  die  bewußte  Förderung  dieses 
Gotteswerkes  auf  Erden,  die  Mitarbeit  an  der  Realisierung 
der  Gotteszwecke  im  Kulturprozeß  heißt  „Gott  segnen".  So 
bildet  der  Begrifi  einer  geschichtlichen  Entwicklung  die  not- 
wendige Voraussetzung  des  ~'"  —  Gedankens;  nur  weil  dem  freien  Spiel 
der  freien  Menschenkräfte  im  geschichtlichen  Werden  der  Jahrtausende 
hienieden  ein  Ziel  winkt  und  ein  Zweck  vorbestimmt  ist,  weil  aus  der 
Summe  menschlicher  Handlungen  manche  diesem  Zwecke  harmonisch  dienen, 
manche  ihm  entgegenlaufen  können,  darum  vermögen  w  i  r  durch  bewußtes 
sittliches  Vollbringen  Gottes  Willen,  Gottes  Werk  „Gedeihen  zu 
spenden",  ihn  zu  segnen.  Es  ist  darum  kein  Zufall,  daß  in  den  „Neun- 
zehn Briefen"  mit  ihrer  scharfen  Frontstellung  gegen  die  Gefühlsethik 
und  deren  individuelle  „Glückseligkeits-  und  Vollkommenheits"-Ideale  der 
fundamentale  t;'""p-Begriff  vollkommen  fehlt  und  dafür  umso  kräftiger  und 
häufiger  der  ~i"--aedanke  entwickelt  wird.  Die  ganze  Tendenz  dieser 
Briefe  ist  ja  darauf  gerichtet,  geschichMich  zu  orientieren,  und  nichts 
ist  dafür  charakteristischer  als  die  Tatsache,  daß  sogar  die  Wendung  cn*:  r" 
szn  n'::i'';  p'^n  nicht  auf  die  individuelle  Seligkeit  der  zu  Qott  heimkehrenden 
Seele,  sondern  auf  jenes  SiH  zbrj  bezogen  wird,  das  als  Endziel  der 
geschichtlichen  Entwicklung  auf  dem  Schauplatz  der  Menschen- 
tat hienieden  winkt,  und  das  seine  äußerste  Vollendung  in  CTcn  rrr.n, 
nicht  in  rsrn  riSET!  findet.  Der  """i-Gedanke  mit  seinem  durch  und  durch 
irdischen  Charakter  durchdringt  unser  ganzes  jüdisches  Leben;  selbst  im 
Gottesdienst  der  Synagoge  tritt  er  als  notwendiges  Korrelat  zu  dem  Be- 
wußtsein von  Gottes  nri-p  und  des  Menschen  "2'"~p-Fänigkeit  regelmäßig 
hinzu  und  geht  mit  jenem  die  mannigfaltigsten,  fruchtbarsten  Gedankenver- 
bindungen ein.  „So  heilig,  heilig,  heilig  r'sis  'n  auch  ist,  so  bleibt  doch  die 
Fülle  der  ganzen  Erde  die  eigentliche  Offenbarung  seiner  Herrlichkeit", 
Und  von  dieser  hieniedigen  Stätte  seiner  Herrlichkeit  ist  —  Engel  rufen's, 
einer  dem  andern,  zu  —  des  Segens,  des  endlichen  Gedeihens  sicher  diese 
Herrlichkeit  des  "••;■""  ~:nc,  des  Qoties  der  Geschichte  ('""pc:  '"  ""rr  ~''Z). 
Es  zeu::it  von  dem  feinen  Empfinden  unserer  Paitanim,  daß  in  ihren  grandiosen 
Dichtungen,  in  denen  Engelscharen  und  Menschenchöre  im  Wettgesange  die 
Offenbarungen  des  Göttlichen  verkünden,  regcmiäßig  jene,  die  „Geliebten, 
Lauteren,  Starken"  um  den  üottesthron,  r"~p  und  wiederum  V'~p  ertönen 
lassen,  diese  aber,  die  „Wackeren,  Pflichttreuen,  Geraden"  auf  Erden  mit 
dem  """--Rufe  das  Gelöbnis  ihrer  Lebenstat  zum  Gottesthron  emportragen. 
Und  wenn  mit  seinem  Worte  mancher  Pflichttreue  auf  Erden  schon  Qott 
gesegnet  d.  h.  Seinen  Willen  im  Kreise  der  Menschen  tatsächlich 
gefördert  oder  die  Sicherheit  dieser  Förderung  ausgesprochen  hat  Ci-i: 
~"r,r\  C'p^'ii},  so  läßt  der  Gedanke  an  die  überweltliche  Hoheit  des  V~.p- 
IdeaU  das  Wort  auf  der  Zunge  ersterben,  und  nur  tief  im  1  n  n  e  r  n  der  CT'tp, 
tief  in  der  Seele  derer,  in  denen  sich  zu  kamp:loser  Freiheit  der  Gottesfunke 
durchgerungen,  erstrahlt  in  wolkenloser  Schöne  Gottes  ^cnp:  :"ip2i 
B'-:pr  r  c-mp. 


48 


111. 

Das  Grundproblem  der  Ethik  ist  die  Frage,  unter  welchen  Bedingungen 
menschliches  Handeln  als  sittliches  Handeln  angesehen  werden  könne, 
oder  mit  anderen  Worten:  die  Frage  nach  dem  Maßstab  des  sittlichen 
Handelns.  Die  Ethik  ist  ihrer  Natur  nach  eine  normative  Wissenschaft, 
d.  h.  sie  begnügt  sich  nicht  mit  dem  Erkennen  und  Beschreiben  von 
Erscheinungen,  sondern  sie  will  aus  diesem  Erkennen  N  ormen,Vo  rschriften 
für  Tan  und  Lassen,  Wollen  und  Nichtwollen  schöpfen,  und  sie  ist  darum 
notwendig  auf  einen  Malistab  angewiesen,  der  ihr  gestattet,  in  jedem  einzelnen 
Falle  zu  sagen,  was  g  u  t  und  was  böse  sei.  Zur  Auffindung  dieses  Maß- 
stabes sind  zwei  Methoden  denkbar.  Entweder  es  wird  der  Beweis 
unternommen,  daß  im  menschlichen  Gemüte  (wenn  wir  die  Gesamtheit 
der  psychischen  Kräfte  des  Menschen  so  nennen)  als  ein  angeborenes  oder 
geschichtlich  gewordenes  Stück  Menschennatur  ein  solcher  , Maßstab" 
geborgen  liege,  der  dann  als  sittlicher  Geschmack,  sittliches  Gefühl, 
praktische  Vernunft,  Gewissen  den  kategorischen  Imperativ  der 
sittlichen  Pflicht  erzeugt  (Kant,  Herbart),  oder  aber  die  Norm  kommt 
nicht  kausal  als  Motiv  aus  dem  Menscheninnern,  sondern  wird  durch 
den  Intellekt  abgeleitet  ans  den  Zwecken  und  Zielen  des  Weltgeschehens, 
denen  die  Einzelhandlung  sich  nur  anzupassen  hat,  um  sittlich  zu  sein. 
(Schopenhauer,  Hartmann,  Spencer,  Wundt.) 

Beide  Methoden  haben  offenbar  ihre  Vorzüge    wie  ihre  Schattenseiten. 

Die  erstere  wirkt  in  der  gewaltigen  Ausprägung,  die  ihr  Kant  gegeben 
hat,  vor  allem  deshalb  so  wahrheitskräftig,  weil  sie  den  Pf  1  ichtgedanken 
in  den  Mittelpnnkt  stellt,  ihn  allein  als  Motiv  des  Handelns  ins  Bewußtsein 
rockt  und  jeden  Ausblick  nach  Zwecken  und  Zielen  als  verschleierten 
Utilitarismus  oder  Eudämonismus  mit  Energie  zurückweist.  So  dringt  kein 
Strahl  vorgestellter  jenseitiger  Glückseligkeit  oder  hieniedigen  sozialen  Glücks,  die 
als  Zwecke  des  sittlichen  Handelns  gelten  könnten,  in  den  Ablaut  der  Vor- 
stellungen und  Willensvorgänge,  und  in  voller  Majestät  lenkt  das  Sittenge- 
setz, allein  Inder  Form  des  Gesetz  es.  Wollen  und  Handeln  des  frei  ge- 
horchenden Individuums.  Allein  dem  glänzenden  Lichte  fehlen  die  tiefen  Schatten 
nicht.  Abgesehen  davon,  daß  der  kategorische  Imperativ  der  Pflicht,  in  solch 
einseitiger  Strenge  gefaßt,  eine  innere  Verarmung  des  sittlichen  Lebens 
herl>eiiiilMt,  dali^  et  tiotz  aller  „Autonomie"  des  Sittengesetzes  —  wie  Schiller 
sich  ausdrückt  —  nur  für  die  Knechte  sorgt,  nicht  für  die  Kinder  des  Hauses, 
gehört  dem  Grundprinzip  der  Kanischen  Ethik  die  Zukunft  deshalb  nicht,  weil 
ihre  Voraussetzung  immer  wieder  bestritten  wird:  eben  das  Postulat  der 
praktischen  Vernunft  *)  Wer  bürgt  für  die  Wahrhaftigkeit  jener  inneren  Stimme, 
deren  historische  Existenz  zwar  durch  die  Jahrtausende  sittlicher  Entwicklung 
bezeugt,  deren  ze  itloser  ewig  er  Wahrheitsgehalt  aber  —  und  das 
allein  gäbe  ihr  Recht  und  Würde  —  nimriiermehr  aus  sich  selbst  zu  erreichen  ist? 

So  arbeitet  denn  die  moderne  Ethik  lediglich  nach  der  zweiten 
Methode.  Sittlich  ist  ihr,  was  dem  Zwecke  des  Kulturprozesses  förderlich 
ist.  Der  sittliche  Wert  einer  Handlung  wird  nicht  ausschließlich  oder  vor- 
wiegend von  ihrem  Motiv  bestimmt,  sondern  von  ihrem  Zwecke,  ob 
auch  ihr  sittlicher  Wert  unter  Umstünden  durch  ein  Bevvußtwerden  des 
Zweckes  in  den  Motiven  wesentlich  erhöht  werden  kann.  Da  erhebt  sich 
nun  die  Frage:  was  ist  der  Zweck,  besser  das  Ziel  des  Weltprozesses  oder 
-  bescheidener  —  des  Kulturprozesses  ?  Aus  dem  Gesamtverlaufe  des 
naturgeschichtlichen  und  kulturgeschichtlichen  Geschehens  soll  erschlossen 
werden,  wohin  die  Entwicklung  zielt,  und  es  sind  Monumente  gewaltiger 
Denkarbeit,  in  denen  Männer  wie  Spencer  und  Wundt  sich  gemüht  haben, 
auf  diesem  Wege  den  Grund  zu  einem  sicheren  Gebäude  wissenschaftlicher 
Ethik  zu  legen.  Welches  das  Ergebnis  dieser  Mühen  ist,  das  zu  prüfen 
fällt  nicht  in  den  Rahmen  unserer  Untersuchung.  Uns  zeigen  die  ethischen 
Systeme  von  Schopenhauer  und  Hartmann  einerseits,  Spencer  und  Wundt 
andererseits,  so  gegensätzlich  sie  in  der  Auffassung  des  Weltprozesses  zu- 
einander stehen,  doch  den  einen  gemeinsamen  Zug,  daß  sie  das  Wesen 
des  Sittlichen  in  die  bewußte  Förderung  des  Wel  tprozesses 
setzen.  Dadurch  schlägt  ihre  Ethik  kräftige  Wurzeln  in  dem  Boden  des 
realen  Lebens,  sie  zieht  das  Individuum  in  reichverzweigte  soziale  Zusammen- 
hänge hinein  und  stellt  ihm  das  ganze  vielgestaltige  Leben  seiner  Gegenwart 
als  sittliche  Aufgabe.  Freilich  fehlt  dieser  Ethik  der  entschieden  normative, 
kategorische  Charakter  und,  was  schlimmer  ist.  es  fehlt  ihr  die  heilige 
Würde,  die  man  dem  Kantschen  Imperativ  so  wenig  absprechen  konnte  wie 
dem  Sternenhimmel  da  droben.  Denn  was  ist  dieser  Weltprozeß,  der  Leben 
aus  Leben  gebiert,  um  Leben  in  Tod  zu  verwandeln?  Warum  muß  ich  ihm 
huldigen,  warum  in  Freiheit  mein  Leben  einem  kräftigeren  Leben 
(Spencer),  meinen  Willen  einem  hvpostasierten  Gesamt  willen  (Wundt) 
opfern  ? 

IV. 

Was  ist  der  G  r  u  n  dgedanke  der  jüdischen  Ethik?  Jeder  kleine 
jüdische  Knabe,  der  aus  dem  Lehrhaus,  der  aus  der  Kinderstube  dir  entgegen- 
kommt, wird  dir  die  Frage  ohne  Schwanken  beantworten:  nii".  Gebot, 
Gesetz,  Pflicht.  Es  bedarf  kaum  einer  näheren  Ausführung,  welch 
zentrale  Stellung  der  Pflicht  begriff  innerhalb  der  jüdischen  Lebens- 
anschauung einnimmt,  kaum  des  Beweises,  daß  als  Motiv  für  das  sittliche 
Handeln  im  Geiste  der  jüdischen  Ethik  einzig  und   allein   der   Gottes- 

«,   Für   llfTl.iirt   k'ill   iiililatis  iTiulmiiliH  (l<'isi-ll>r   KiiiwiUiil   in  virslilrktcm  M:iUc 


Wille  gelten  kann.  Dieser  Gotteswille  äußert  sich  in  der  Form  des  offen- 
barten Gesetzes,  und  seine  bewußte  Erfüllung  macht  das  Wesen 
alles  sittlichen  Tuns  aus. 

Nun  aber  erinnern  wir  uns,  daß  eben  diesem  Gotteswillen,  der  im 
G  e  s  e  t  z  e  M  o  t  i  V  unseres  Handelns  wird,  innerhalb  der  individuellen 
sowohl,  als  auch  der  geschichtlichen  Entwicklung  Zwecke  vor- 
schweben, Zwecke,  deren  konzentriertester  begrifflicher  Ausdruck  uns  in  den 
Worten  trnp   und  "i"'-  zu  liegen  schien. 

Diese  Gotteszwecke  zu  den  unsrigen  zu  machen,  jede  Tat  unsres 
Lebens  zwar  aus  dem  Motive  heraus  zu  vollbringen,  daß  Gott  sie  geboten, 
aber  zugleich  in  dem  Bewußtsein,  damit  dem  individuellen  Ziele 
der  inneren  Läuterung  (  rn  )  und  dem  sozialen  Ziele  der  Förderung 
des  Gotteswillens  in  der  irdischen  Geschichtsentwick- 
lung (1^2)  zu  dienen  —  das  bedeutet  die  Vollendung  des  sittlichen 
Handelns  auf  dem  Boden  der  jüdischen  Wahrheit. 

Ein  System  der  jüdischen  Ethik  würde  unseres  Erachtens  aus  der 
Orientierung  an  diesen  drei  Maßstäben  reiche,  fruchtbare  Antriebe  schöpfen 
und  seine  volle  jüdische  Eigenart  daran  entfalten  können. 

Daß  aber  in  der  Tat  die  Zusammenfassung  der  drei  von  uns  ins  Auge 
gefaßten  ethischen  Momente; 

Motiv:   der  Wille  Gottes, 

Zweck:   einerseits  Heiligung  des  Menschengemütes  bis  zur 
völligen    '"nv'^- , 

andererseits     Förderung    der    Gotteszwecke     auf 
Erden, 
kein  Traum  ist,  sondern  daß   in    der    Tat  die   Zusammenfassung  dieser 
drei  Momente  zu  einheitlicher  Menschentat  den  Inbegriff  der  jüdischen  Sittlich- 
keit  bildet,  das   zeigt  ein  Blick  aur  die  Institution  der  niscn  n:^z. 

Aeußeres  mechanisches  Vollbringen  in  das  Bereich  des  sittlichen  Handelns 
zu  erheben,  das  ist  recht  eigentlich  die  Absicht  dieser  ni3"Q.  Und  siehe  da, 
sie  bringen  uns  in  der  Tat  in  krapper  Kürze  die  Grundlage  des  Systems  der 
jüdischen  Ethik. 

liii'i  i;r-!p  -nr,  so  lauten  die  drei  verbalen  Gedankenträger  in 
jeder  dieser  r'sir,  und  es  ist  für  denjenigen,  dem  die  Lehre  von  der  jüdischen 
Gotteswahrheit  keine  Floskel  ist,  wahrlich  kein  Zufall,  daß  aus  diesen  lapidaren 
Sätzen,  mit  denen  die  Väter  unsres  Volkes  das  jüdische  Pflichtleben  geweiht, 
die  Synthese  alles  Wahrhaftigen  und  Le  be  nsfähigen  in 
den  ethischen  Systemen  der  forschenden  Menschheit  uns 
entgegenleuchtet. 

Selbst  die  Reihenfolge,  die  Gruppierung  der  drei  ethischen  Grund- 
begriffe des  Judentums  in  den  r"ri2  ist  bedeutungsvoll.  Unmittelbar  vor 
der  Handlung  ist  die  Beracha  zu  sprechen,  ihr  Gedanken-  und  Gefühlsinhalt 
soll  ja  in  der  gesammelten  Kraft  der  T  a  t  zur  Verwirklichung  kommen.  Da 
bilden  naturgemäß  die  beiden  Ziele  des  sittlichen  Handelns,  B'i^p  und  "la 
die  entfernteren  Momente,  und  aus  dem  unmittelbar  wirkenden  Motive 
des  i;:3:i  heraus  hebt  sich  die  Hand,  um  den  Willen  Gottes  zu  vollbringen, 
nachdem  Intellekt  und  Gefühl  in  ~^z  und  mp  geweiht  worden. 

Die  jüdische  Ethik  hat  solchergestalt  das  Problem  gelöst,  aus  der 
Motivation  des  sittlichen  Willens  alles  auszuschalten,  was  dem  Pflicht- 
begriffe fremd  ist,  dabei  aber  nichtsdestoweniger  die  Würde  jeder 
einzelnen  sittlichen  Handlung  in  den  vorgestellten,  frei  zu 
fördernden  Entwicklungszielen  des  Individuums  wie  der 
Gesamtheit  fest  zu  verankern. 

Wenn  unsere  alten  ":"^-Bücher  s:n  dS'S  im  engeren  Sinne,  also  die 
Rückkehr  der  Seele  zu  Gott,  und  daneben  cmn  iT"nn  das  Wieder- 
auf blüh  e  n  eines  vo  m  Gottesgeist  erfül  I  ten  Menschenlebens 
auf  Erden  als  Zweck  und  Ziel  der  Pflichterfüllung  kennzeichneten,  so  haben 
auch  sie  damit  nur  die  beiden  äußersten  Pole  des  mp-Gedankens  und  des 
"■IS-Gedankens  als  Hochziele  aufgestellt.  Denn  die  edelste  Frucht  der  nti-np 
ist  ja  das  Freiwerden  des  siegenden  Gottesfunkens,  und  die  Vollendung  der 
durch  T"i=  gewährleisteten  geschichtlichen  Entwicklung  liegt  nicht  im  Grabe, 
sondern  im  gesteigerten  Leben ,  das  immer  wieder  vom  Gottesgeist  ge- 
weckt wird,  ob  auch  Welten  vergehen  und  entstehen. 


Möchten  die  Leser  dieser  Blätter  es  verzeihen,  daß  ein  Laie  in  den 
Hallen  der  Wissenschaft  es  wagt,  zu  den  höchsten  Problemen  des  jüdischen 
Denkens  das  Wort  zu  ergreifen.  Was  ich  hier  aphoristisch  angedeutet,  soll 
ein  Huldigungsgruß  sein  für  den  großen  Meister,  ein  tastendes  Vorarbeiten 
vielleicht  für  den  Berufenen,  der  die  reichen  Schätze  der  Gedankenwelt 
Samson  Raphael  Hirschs  endlich  mit  dem  Rüstzeug  wissenschaftlich-philo- 
sophischen Denkens  ergreifen  und  die  Gedankenkeime,  die  sein  Genius  in 
verschwenderischer  Fülle  ausgestreut,  zu  dem  Aufbau  einer  systematischen 
Philosophie  des  Judentums    verwerten   möge. 


40 


Des  Abends  Dämmer  zieh'n  mit  leisem  Rauschen 
Diirdi's  Gotteshaus  zu  der  Ncilohzeit, 
Rings  tiefes  Sdnveigen        atemloses  Lauschen 
Dem  Meister  rückt  die  Kunze/  man  bereit, 
letzt  steht  er  oben  -  seine  Augen  schauen 
In  milder  Klarheit,  wie  in  fernes  Land, 
Den  Sternen  gleich,  die  an  dem  Himmel  blauen, 
Der  ew'gen  Heimat,  die  uns  untekannt. 
Es  rührt  sein  üeist  ihr  Tor  —  Minuten  schwinden  — 
Jetzt  wird  besiegelt  dort  a'.uh  sein  Geschick, 
Durch  Engelreihen  geht  ein  froh   Verkünden: 
„Nach   achtzig  Jahren  kehrt  er  uns  zurück".  — 

Er  ahnt  es  nicht        in  seinin  Augen  sprühet 
Der  ew'gen  Jugend  ungebroch'ne  Kraft, 
In  seinem  Herzen  heilig  Eeuer  glühet 
In  seiner  Rede  ed'le  Leidenschaft; 
Die  Arme  streckt  er  aus  und  ruft  es  nieder 
„-   -    dann  sprechet  ]':x,  meine  Brüder, 
'>  Das  letzte  ]o,s  spreeht's  durch's  ganze  Jahr. 

O  sprecht  es  aus,  so  wie  es  Jetzt  erklungen. 
So  dankerfüllt  und  freudevoll  verschönt, 
Spreeht's  immer  aus,  wenn  Ihr  Euch  seLst  bezwungen 
Und  Eures  Herzens  Widerstreit  versöhnt; 

l\  Spreeht's  aus,  Ihr  Brüder,  wenn  auch  längst  entschwunden 

^\  Die  Weihestimmung,  die  uns  heut'  erfüllt, 

Wenn  aus  Jaum  Kipurs  hehren  Feierstunden 

Auch  nicht  mehr  tiefer  Eriede  uns  entquillt; 

Spreeht's  aus  und  sehet  da,  es  wird  erstehen 

Der  heil'ge  Tag  in  hoher  Majcst'at, 

Sein  Eittich  wird  um  Eure  Schläfen  wehen. 

Wie  leise  jetzt  der  Tag  zu  Ende  geht."  — 

Dann  ward  es  still       des  Meisters  Stimme  schweiget, 

Durch's  Gotteshaus  der  nv^tt'  Schauer  zieh'n, 

Der  Klung  des  Schaufors  sieghaft  aufwärts  steiget 

Gefolgt  von  trauten  Alltags  Melodien.  — 

Und  von  dem  EuJI  der  Kanzel,  da  zum  Blicke 

Des  Meisters  er  voll  Ehrfurcht  aufgeseh'n, 

Sieht  einen  kleinen  Ktiaben  man  zurücke 

Zu  seinem  Platze  ernst  und  sinnend  gehn. 

^  Die  Jahre  wandern  und  die  Zeiten  eilen, 

Verklungen  ist  des  Meisters  letztes  Wort, 
Doch  in  des  Knaben  Herzen  wird  verweilen 
Die  wundersame  Predigt  fort  und  fort, 
Und  wenn  alljährlich  die  Neilostundc 
Aus  Himmels  Höh'n  zur  Erde  kehret  wieder, 
Glaubt  er  zu  hören  seines  Meisters  Kunde : 
r^         dann  sprechet  pN.  meine  Brüder."     V 

n  ^  /  ^'    >',j  /7  .      /y-y^      y> ,  T/  _/•  Hermann  Schwab,  i^'t^*^ 


I 


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50     - 


^  BIBLIOGRAPHIE  ^ 


der 


Werke,  Schriften  und  Aufsätze  Samson  Raphael  Hirsoh's  V'üt. 

Von  Heinrich  Eisemann  in  Frankfurt  a.  M. 


Es  gil)t  wohl  wenit^e,  denen  es  gleich  Samson  Rapiuiel  Hirscli  S'ST  vorgönnt  war,  ununterbrochen,  fast  (JO  Jahre  hindurch  die 
Feder  zu  füliren.  Eine  reicli  gesegnete  sciiriftstellerische  Tätigkeit,  eine  Massenproduktion,  doch  nicht  in  dem  Sinne,  dass  durch  die 
Menge  die  Güte  des  einzelnen  zu  leiden  gehal)t  hätte,  ^^'ohl  selten  kann  man  von  einem  Schriftsteller  sagen,  dass  er,  auf  der  Höhe 
seines  Schaffens  ^t(■h(■nd.  oder  gar  an  seinem  Lehensabend,  noch  das  gutheisson  würde,  was  er  am  Anfang  seiner  journalistischen  Tätig- 
keit geschrieben  hat.  iiei  Hirsch  jedoch  waren  die  Grundsätze  in  der  frühesten  Jugend  schon  so  fest,  die  (iedauken  schon  so  geklärt, 
dass  der  achtzigjährige  Greis  an  den  zu  28  Jalircn  verfassten  19  Hriefen  kein  Wort  zu  ändern  nötig  hatte.  Eiserne  ('Onse(iuenz  beherrscht 
seine  Gedankeiuirbeit  von  den   1!)    Briefen  Itis    zur   Cebersetzung  der  Tc^fillA. 

N'orliegende  Arbeit  Itezweckt  nun  eine  chronologische  Zusanunenstellnng  aller  aus  der  Feder  S.  E.  Hirsch's  stanunendc^n  Werke 
Schriften  und  Aufsätze  zu  geben,  anderen  ]laud  es  dem  Interessenten  möglich  ist,  sich  ein  getreues  Bild  von  der  erstaunlichen  Arbeits- 
leistung S.  li.  Hirscirs  zu  niachfu.  Dieses  Hild  vollständig  zu  zeichnen,  ist  schon  deshalb  nicht  möglich,  weil  Hirsch  V'ST  meistens 
ohne  Namenzfichnung  geschrieben  hat.  .\ndererseits  habe  ich  nur  solche  Werke  etc.  aufgcuouuneu,  bei  denen  authentisch  die  Autor- 
schaft Hirscirs  feststellt.  Möge  man  deswegen  keinen  allzustreugen  Massstab  au  diesen  Versuch  anlegen.  Für  etwaige  Kichtig- 
stellungen  uiul   Ergänzungen  wäre  ich  den  Plinsendem    zu    grossem   Danki!  verptlichtiit. 

Ich  halie  mich  in  der  Einteilung  der  Hibliographie  nach  bewährtem  Muster  gerichtet,  das  eine  gute  Uebersicht  ermöglicht,  und 
zwar  halie  ich  das  \'erzeichuis  in   vier  Gruppen  geteilt: 

a)  Selbständige   Werke  und  Schriften. 

b)  Heiträge  zu  \\'erkeu  anderer. 

c)  Ikuträge  zu  Zeitschriften. 

d)  ( iedruckte  Gutachten. 


A.     Selbständige  Werke. 


V  ci  r  li  e  m  e  r  k  u  n  (,' :     [  ]  licileiitel  :  Von  mir  ;inKegel.ene  Titel.       Hil.  I,  II.  III.  IV  bedeutet:  Gedruckt   in  dem  l>eti-.  Band  der  liesaninielton  Selirilten. 


?icx  nr ;s.  Neunzehn  Briefe  ü  b  e  r 
Judentum.  Als  Voranfrage  wegen  Her- 
ausgabe von  „Versuchen"  desselben  Ver- 
fassers ,über  Israel  und  seine  PHichten" 
herausgegeben  von  J5en  Fsiel,  Altona  18:i(i. 
I.  F.   Haminerichsclie    Verlags-Buchhdlg. 

Dasselbe,  zweite  Auflage,  I.  Kauffmanii, 
Frankfurt  1889. 

Dasselbe,  dritte  Auflage,  I.  Kaiittniann, 
Frankfurt   1901.  8'^  120  8. 

smr.  ,(Jioreb'',  V' er  suche  über  Jiss- 
roels  Pfl  ic  h  ten  in  der  Z  erst  reuung" 
zunächst  für  Jissroeis  denktiude  Jünglinge 
und  .fungfrauen.  .Altona  18.S7,  Johann 
Friedrich   Hammerich. 

Dasselbe,  zweite  Autlage,  Frankfurt  a.  M. 
18S9,  1.   Kauffmann. 

Dasselbe,  dritte  Autlage,  Frankfurt  a.  M. 
1899,   I.   Kautfmann.  S"  521    S. 

'Snc;  "Stc:.  Erste  Mitteilungen  aus 
Naphtalis  Brie  fw  (;  ch  sei ,  heraus- 
gegeben v'on  Heu  Fsiel,  Altona  18,S8,  Ver- 
lag v.  .fohann   Friedi-.  Ilammerich.  8"  808. 

Worte,  am  27.  NovtMuber  dem  Gedächtniss- 
tage  des  hochseligen  Herzogs  l'eter  in 
der  Synagog(^  zu  Oldenburg,  gesiirochtui. 
Auf  Verlangen  dem  Druck  überlassen. 
Oldenburg  18;i9. 

Postscri|)ta  zu  den  unter  dem  Titi'l  :-r 
]••>:  erscliieneuen  Briefen  eines  jüdischen 
Gelehrten  und  Babbiiien  über  das  Werk: 
,;— .r"  von  dem  Verfasser  ibss  ;-■-,  liebst 
zwei  Heilagen.  Altona  1S4(),  .loliaim 
Friedrich   Ilammerich.     8"  32  S. 


Beilage  A.,  Einige  Hlicke  in  eine  Recension 
der  wisseiiscliaftlichen  Zeitschrift  für  jüd. 
Theologie.  8"  S.  82—41. 

Heilage  B.,  Das  Heft  Wiibu'legungen  des 
Herrn  Aul).  8"  S.  41-52. 

.Hill.  Anmerkungen  zu  den  Bemerkungen 
eines  Protestanten  über  die  Konfession 
der  22  Bremischen  Pastoren.  Von  einem 
Juden.  Oldenburg  1841,  8"  M2  8.  Druck 
u.   Verlag  von  (ieriiard  Stalling. 

Zweite  Mitteilungen  aus  einem  Brief- 
wechsel über  die  neueste  jüdische  fiiteratur. 
Ein  Fragment.  Altona, '  1844.  8"  50+2  8. 
I     F.  Hammerich. 

R  u  n  d  s  c  h  r  e  i  b  e  n  an  dit;  Isr.  Gemeinden 
Mährens.    Nikolsburg,    .luli    1847.  4"  1  Bl_ 

i;  u  n  (1  s  !■  h  r  e  i  b  e  n  an  die  Jsr.  Gemeinden 
Mährens.  Nikolsburg,  Oktober  1847.  4»  1  Bl. 

Ein  Wort  zur  Zeit  an  unsere  christ- 
lichen Brüder  im  gemeinsamen  Vaterland, 
Nikolsburg,  20.  März   1848.  4"    1    Bl. 

.\n      die       ehrsamen      isr.      (Jiemeinden     in 
der  Provinz  Mähren 
1848.   4".   )!    S. 

i;  II  II  d  s  c  li  r  e  i  i)  t;  ii 
tienieindeii  MähriMis. 
toi)er   184S.  4"    1    Bl 

1!  11  n  d  s  c  ii  r  e  i  b  e  ii 
Mährens.   ,\iko!slmr<: 
4"   1    Bl. 

R  u  n  (1  s  (•  h  r  ts  i  b  e  ii  an  die  Isr.  Gemeinden 
.Mährens  u.  .A.iifriil',  Nikolsburg,  i:J.  März 
1849    4"    1    Bl. 

I  Aufruf  Scliiilirrüiidimg  betretfend.)  Frank- 
furt a.  .M.,   im   Feiiruar  185:$  8".  ;5  8. 


isr 
.   Nikolsburg,  28.    März 

au   die    bllirsaiiK^n   Isr. 
Nikolsburg,    8.    Ok- 

111  die  Isr.  Gtuneinden 
,  2(1.   Deztmiber    1848. 


IZirkular,  Freiplätze  in  der  Schule  be- 
treffend |  Frankfurt,  Sejitember  1854  8»  I  Bl. 

Die  Religion  im  Bunde  mit  dem 
Fortschritt  v.  einem  Schwarzen. Frank- 
furt a.  M.  1854,  Reinhold  Baist  8",  34  8. 
Bd.  üf  (489—530). 

Das  Resultat  der  , Offenen  Anfrage"  l''rank- 
furt  16.  Juni  1854.  4"   1    Bl. 

Das  Rundschreiben  des  Vorstands 
zu  Stuhhveissenburg  gegen  Herrn  Dr. 
Guggenheimer,  Rabbiner  daselbst,  fvritisch 
beleuchtet.  Frankfurt  a.  M.,  Druck  von 
Reinhold  Baist  1856  8".  Separat-Abdruck 
aus  dem  .Teschuriin. 

An  Hohen  Senat  der  freien  Stadt 
Frankfurt.  Auf  den  Hochverehrlichen 
Ratschluss  vom  18  Juli  1858.  Gehor- 
samste Vorstellung  und  Bitte  von  Seiten 
des  Vorstandes  der  Israel.  Religionsge- 
sellschaft daliier.  Gesetz  das  Verhältnis 
ihrer  Mitglieder  zu  der  hiesigen  Isi'ael. 
Gemeinde,  insbesondere  ihre  paritätische 
Gleiclistellunuf  in  Kultus- Angelegenheiten 
betreffend.   Frankfurt  a.  M.    1558  8".  22  8. 

Worte  bei  der  S  ch  u  Ifeier  der  l'iiter- 
r  i  eil  t  san  sta  1 1  der  1  sraeli  ti  sehen 
Re  ligionsgesellschaft  zu  Frank- 
furt a.  M.,  den  9.  November  1859,  am 
Voraben<l  der  Schillerfeier  gesprochen. 
Nach  stenograiihischer  Aulzeichnung. 
Frankfurt  a.M.  1S59, 1.Kauffiiiann  8".   l(i  S. 

Dasselbe  2.  Autlage,  l-'raiikfurt  a.M.,  1905, 
1,    K'aiitfiiianii. 

Gedruckt  im   ^.leschunin"  1859,60  Heft  4 
(188-203). 


d     - 


Gedruckt  im  Gedenkbuch  zu  Friedrich 
von  Schillers  hundertjährigem  Geburtstag, 
auf  S    16. 

Vorläufige  Abrechnung  [gegen 
Frankeis  Darke  Hamischnah],  Frankfurt 
am  Main,  15.  März  1861.  Seperatabdruck 
aus  dem  ^Jeschurun".  8»  31   S. 

Einige  A  n  d  e  u  t  u  ng  e  n  über  die 
Benutzung  der  ersten  Lebens- 
jahre für  die  Erziehung.  Frank- 
furt a.  M.  Programm  1865  4».  25  S.  Bd. 
IV  (417—433).  *) 

Einige  Andeutungen  über  den 
h  e  b  r.  Unterricht  als  allge- 
meines Bildungselementinun- 
serer  Schule.  Programm,  Frankfurt 
a.  M.   1866  40.   24  S.  Bd.  II  (433-448). 

Von  den  Beziehungen  dei-  all- 
gemeinen Blldungselemente 
zu  der  speziell  jüd.  Bildung. 
Programm,  Frankfurt  1867  4».  28  S.  Bd. 
II  (449  -  466). 

Der  Pentateuch,  übersetzt  u  erläutert. 
Erster  Teil :  Die  Genesis  Frankfurt  a.  M. 
1867,  I.  Kauffmann  633  S.  8^ 

Dasselbe,  zweite  Auti.  Frankfurt  a.  M.  1883, 
I.  Kauffmann. 

Dasselbe,  dritte  Auti.  Frankfurt  a.M.  1893, 
I    Kauffmann. 

Dasselbe,  vierte  Aufl.  Frankfurt  a.  M.  1903) 
I.  Kauffmann. 

Auch  mit  hebräischem  Titel  mm  *rain  nu'on 
-K"!:!:i   c;-:nc   <i"U'si:   -^bc   's   pSn 


p'zb  r'c-n  jisacvp 


|"0T     BIICpjN-B 


Von  der  Pflege  des  sittlichen 
M  0  m  e  n  t  s  i  n  de  r  S  c  h.  u  1  e..  Programm, 
Frankfurt  1868  40.  14  S.  Bd.  I  (281—295). 

Pädagogisches  u.  Didaktisches 

aus  jüd.   Sprach-    und    Sj)ruch-Gedanken. 

Programm,  Frankfurt  1869  40.   10  S. 
Der     Pentateuch  übersetzt  u.  erklärt. 

Zweiter  Teil:     Exodus.     Frankfurt  a.  M. 

1869,  I.  Kauffmann  614  S.  8». 
Dasselbe,  zweite  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1893, 

I.  Kauffmann. 
Dasselbe,  dritte  .\ufl.,  Frankfurt  a.  M.  1899. 

I.  Kauffmann. 
Dasselbe,  vierte  Auti.  Frankfurt  a.  M.  1903, 

I.    Kauffmann. 
Auch  mit  hebräischem  Titel  mm  'rein  nran 


p  zh  t:  :-n  psac-ip 


I 


■z  phn 

21  E!iiep:s-.2 


Einen    Einblick    in  einen    altjüd.  Er- 

zi(:hungskanon  Pi'ogramm,  Frankfurt  a.  M. 

1870   4".    17  S. 
Aus     dem      r  a  b  b  i  n  i  s  c  h  e  n     Schul- 

leben.  Programm  Frankfurt  a.M.  1871  4". 

26  S. 
Denkschrift      über     die     Juden- 

frage    über    das    Gesetz  betreffend  den 

Anstritt    aus  der  Kirche,  Berlin   1873  8". 

15  S.  Bd.   IV  (239-253). 


Von    dem    pädagogischen  Werte 

des  Judentums.  Programm  Frankfurt 

1873  40.  23  S. 
Der  Pentateuch  übersetzt  u.  erläutert 

Dritter  Teil:     Leviticus   Frankfurt  a.  M. 

1873,  I.  Kauffmann.  749  S.  8». 

Dasselbe,  zweite  Aufl.,  Frankfurt  a.M.  1894, 

I.  Kauffmann. 
Dasselbe,  dritte  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1898, 

I.  Kauffmann. 
Dasselbe,  vierte  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1903, 

I.    Kauffmann. 
Auch  mit  hebräischem  Titel  mm  'U>oin  nB>on 


snp"i 


lED   'J 


pSn 


-Kiaoi  crmo 

P"bS  :"h':r\  psas'ip  "  j"ot   s-iiEpjx^E 

Instruktion  für  die  Restauration  der 
Isr.  Religionsgesellschaft  zuFrankfurt  a.M. 
Bekanntmachung,  10.  Septbr.  1874.  I  C. 
Brönners  Druckerei. 

Friedhofs-  u.  Begyäbnissord  n  ung  der 
Isr.  Religionsgesellschaft  in  Frankfun.  8  S. 

Von  dem  Zusammenwirken  des  Hau- 
ses mit  der  Schule.  Programm,  Frank- 
furt  1874  4«.   19  S.  Bd.  IV  434-452 

Statuten  der  Kehilath  Jeschurun  in  Frank- 
furt a.  M.  Buchdruckerei  Louis  Golde, 
Frankfurt  a.  M.  1875,  20  S. 

Synagogen -Ordnu  ng  für  die  Synagoge 
Beth  Tefillath  Jeschurun  der  israelitischen 
Religionsgesellschaft  in  Frankfurt  a.  M. 
Druck  von  C.Krebs-Schmitt,  5613-1874. 
8»    10    S. 

Aphorismen,  Programm  1875  4^.  19  S. 

Das  Princi])  der  Gewissensfreiheit 
und  die  Schrift  des  Herrn  Rechtsanwalts 
und  Notars  Makower  über  die  Gemeinde- 
verhältnisse der  Juden  inPreussen.  Frank- 
furt 1874.  80  41  S.  Bd.   [V.  254—294. 

IsraelitischeGlau  bensgenossen. 

[Aufruf,  Austritt  betr.|  Frankfurt,    187  6. 

40  1  Bl. 
Der  Austritt  aus  der  Gemeinde. 

Frankfurt,   1876,  I.  Kauffmann.  8».  20  S. 
Dasselbe,    zweiter    unveränderter    Abdruck. 

1904.     Bd.  IV.  (295—310).  8  "  20  S. 
Der    Pentateuch    übersetzt  u.  erklärt 
IV.   Teil:    Numeri.  Frankfurt  a.  M.  1876, 

I.  Kauftmann  8»  517  S. 

Dasselbe  zweite  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1895, 
I.  Kauffmann. 

Dasselbe,  dritte  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1899, 

I.  Kauffmann. 
Dasselbe  vierte  Aufl.,  Frankfurt  a.M.  1903, 

I.  Kauffmann. 
Auch  mit  hebräischem  Titel  ü-m  'rain  nran 

-pjsiB   —  isinoi  Dr.mo   -ziftz  -sd   'i   pSn 


s'zh  T'Snn 


pSCE'ip 


•CT    ÜIIB 


Sendschreiben  an  den  löblichen  Vor- 
stand der  isr.  Religionsgesellschaft,  Hier, 
Frankfurt  a.  M.,  den  26  Januar  1877  4" 
4  S.     Bd.  IV  (311-315) 


Offen  erBrie  f  an  Sr.  Ehrw.  Hr.  Distrikts- 
Rabbiner  S.  B.  Bamberger  in  Würzburg. 
Frankfurt  a.  M,  1877,  I.  Kauffmann  S» 
28  S.  Bd.  IV  (316—343) 

Die  offene  A  n  t  w  0  r  t  Sr.  Ehrw.  des 
Herrn  Distrikts-Rabbiner  S.  B.  Bamberger 
zu  Würzburg,  auf  seinen  an  denselben 
gerichteten  offenen  Brief.  Frankfurt  a.  M, 
1877,  L  Kauffmann  80.  61  S.  Bd.  IV  (344 
—407). 

Der  Pentateuch  übersetzt  u.  erklärt. 
Fünfter  Teil:  Deuteronomium,  Frankfurt 
a.  M    1878,  I.  Kauffmann  S«  588  S. 

Dasselbe,    zweite  Auflage,    Frankfurt  1895, 

I.  Kanttmann. 
Dasselbe,  dritte  Aufl.,  Frankfurt  a.  M  ,  1899 

I.  Kauffmann. 

Dasselbe,  vierte  Aufl.,  Frankfurt  a  M.  1903, 
I.    Kauffmann. 


Auch  mit  hebräischem  Titel  mm  'Com  rnroPt 
-si:ei  crma   c'-2in   -bd  'n  phn 

:-iEpJS-E 


p'üh  rrh-n  pxcE'ip 


Die  Psalmen,  übersetzt  u.  erläutert  in 
2  Teilen,  in  5  Büchern,  Frankfurt  a.  M. 
1882,  I.  Kauffmann. 

Dasselbe,  beide  Teile  in  einem  Bd.,  zweite 
Aufl.,  Frankfurt  a.M.  1898,  I,  Kauffmann 
811  S.  8". 

Auch  mit  hebräischem  Titel  cj^mc  c'7nn  idd 


'3  s-nne 
P'-eS  n 


2"S   -zc  |ic'N-  phn  -isiaai 


n  pxcB'ip 


■lEpjSIB 


[iBcn  gehalten  auf  seine  Frau  am  23.  April 
1882  Nach  dem  Gedächtniss  aufgezeich- 
net.    4  S.  4". 

Ueber  die  Beziehungen  des  Tal- 
muds zu  m  Judentum  und  zu  der 
sozialen  Stellung  seiner  Bekenner.  Frank- 
furt a.  M.  1 884,  I.  Kauttmann  8  0.    38  S. 

T  i  s  c  h  r  i  ,  Aus  dem  „Jeschurun".  Separat- 
Alidruck  aus  dem  „Israelitischen  Reichs- 
boten'', 1891.     Verlag  von  Moritz  Baum. 

80.  32  S. 

'rsnii"  m'?En  Tnc.  Israels  Gebete  übersetzt 
und  erläutert.  Frankfurt  a.  M.  1895,  I. 
Kauffmann  758  S.  8 ". 

Dasselbe,  zweite  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1906, 
I.  Kauttmann. 

Gesammelte  Schriften  von  Rabb. 
Samson  Rajihael  Hirsch  I  Band  Frank- 
furt a.  M.  1902,  I.  Kauffmann.  2.  Aufl., 
Frankfurt  1908.  I.  Kauffmann,  486  S.  8», 

Gesammelte  Schriften  von  Rabb. 
Samson  Raphael  Hirsch  II.  Bd.  Frankfurt 
1904.  1.  Kauffmann  477  S.  8  •>. 

G  e  s  a  m  m  (( 1 1  e  Schriften  von  Rabb. 
Samson  liaph.  Hirsch  III.  Bd.  Frankfurt 
1906,  I.  Kauffmann  561  S.  8". 

Gesammelte  Schriften  von  Rabb. 
Samson  Raph.  Hirsch  IV.  Bd  Frankfurt 
1908,  1.  Kauffmann  515  S.  8^ 


Die  in  den  Einladungsschriften  bis  zum  Jahre  1.S75  sich  belindenden  Schulniichrichten,  die    auch    von  Hirsch  sind,    sind  hier  nicht  berücksichtigt  worden. 


B.  Beiträge  zu  Werken  anderer. 

Rabhiiiisclie  Gut;iclit('n  über  die  Hesclinei  li  un^'  t;esanunelt  G  ediMik- Hucli  zu  Fi-iedricli  von  Schillers'  hundertjährigem 
und  lieiaiisgeireheii  von  Salonion  Abraham  Trier,  ÜabbiiKir  Krank-  Geliui'tstag,  begangen  in  Frankfui-t  a.  M.,  den  10.  November 
iiirt  a.M..   i  )iiiek  vnn  der  .1.  F.  iiacirschen  Buch-  und  Steindruekerei        1S59.      Kine    Festgaiie    lierausgegeben   unter    freundliciier  Mitwir- 


1^44.  8"  (eiitiiait  auf  Seite    1-4   e'in   (iutacliten   S.   i;.    Ilirselfs    '?  :). 

T-  cc-;  "  -rSa  s:  p^zh  n-n  prs-    "!S  n;:rs-n  n-zr.r:  iT,s;pn  r\-'.r] 
S  UM  i' r  üETE  :ps"  ---:  m;i:n  ]:  enthält    ein    (iutacliten  v(jii  S.  H. 


kiiiiii-  de)-  beteiligten  KöriKM'scliaften .  mit  Ki  Tafeln  den  Fest- 
ziig  dai'stolleiid,  gezeichnet  von  F.  ('.  Klimscli.  Frankfurt  a.  M. 
^■e|•lag  von    Ili^iiiricli   Keller   18(iO.    4"    (entliält  auf  Seite   16:     Die 


lirscli.    die  P.rauiiscliweigische    Kalthiiierversaniinluim-  l)etrett'eii(ii4o.        Scliiilei'ede  S.    K'.    llii'scirs). 


C.  Beiträge  zu  Zeitschriften 


No.  Monat  Jiihr 
1.  Octl).   1854. 


Titel. 
I.  Jahrgang. 


a)   J  0  s  c  li  11  r  u  n. 
Ge3.  Sclir.    No.  Monat  Jahr 
7.  April    1857 
Prospeotus 

Tiscliri  T.   i-U 

Der  Jude  und  seine  Zeit  ^    14S)-159 

Jüdisches  Uemeiudeweseii  I.  „   212-217 

Grundzüge  der  Organisation  und  Aufgabe  ^-  ^^^' 

eines  jüdisch-religiösen  Gemeinwesens    .   217-222 


261-265 


9.  Juni 


2. 

Xovbr. 

- 

li. 

Dezbr. 

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4. 

Jan.   1855 

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Mai 

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9. 
10. 

Juni 
Juli 

. 

11. 
12. 

Aug. 
Septbr 

- 

12-16     ^0.  Juli 
160-161 


1.  Okt.   1857. 

2.  Xovlir.  " 

;i.  Dezbr.    „ 

4.  Jan.    1858. 

5.  Febr. 


1.  Okt.    1855. 

2.  Novbr.  " 

3.  Dezbr.  . 

4.  Jan.    1856. 

5.  Febr. 

G.  März     , 


7.  Apiil 

8.  Mai 

9.  Juni 

10.  Juli 

11.  Aug.       . 

12.  Septlir. 

1.  Okt.       . 

2.  Xovbi.  . 

:i.   Dezbr.   . 

4.  Jan.    1857. 

5.  Febr.     . 

6.  März      . 

7.  April     , 


Jüdisches  Schulwescui 

Cheschwan 

Die  jüdischen  Ceremonialgesetze  „  160-167      "       '■ 

Jüdisches  Gemeiudewesen  11.  .  222-231    ^^-  •^"^' 

Kislew  ,      17-24      ^--  ^''Pt')r 

Aus  der  Mappe  eines  wandernden  .luden  lOc  II ..  436-443      " 

Jüdisches  Genieindewesen  III  „  231-235 

Teweth  (Der  zelnite  Teweth)  „     25-30 

Der  jüdische  Sabbatli  I  .168-170 

Der  -Sabbatli,  eiu  von  Gott  verordneter  Tag 

der  Kühe  .  170-173 

Jüdisches  (ieineindewescn   111  (Fortsetz.)    „  235-239 

Schewat  (15.   Scliwatj  „      31-41 

Der  Heligionsuntci'riclit  .  266-280 

Ans  der  Majipe  eines  wandernden  Juden  HI  .  443-445 

Adar  (Purini)  .     42-50 

Derjüd.  Sabbathll(DerSabb.dSchöpfung)    .  173-180      " 

Jüdisches  (iemeindewesen  111  (^Fortsetz.)     ,  239-260      (j    '\,l[\yz 

Nissan  (Pessacli)  ,      51-70 

Ijar  (die  ScHi-a)  .      71-79        ;     \L.\\ 

Der  jüil.Sabiialli  HI  (Der  Saldi. ind.W'iisd')   .  1S()-1.S8 

Aus  der  .Mapi»' eines  wandrniden  .luden  I\'.  .  451-457      J    m",, 

Siwan  myru*,  ::?■':)  jr^  p:  ,     80-114     g'  jm,, 

Taiuus  (17.  Tanius)  „  114-122 

Derjüd.  Sabbatli  I\' (Der  Sabb.  d.lOGebote)„  188-197    lo.  Jujj 

Aus  der  Mappe  eines  wandernden  Juden  \'. .  457-463    n     \„o- 

Die  Trauer  des  9.  Aw  .  123-139    \o'  '^,.p|' 

Sehofar  und   Seliclidt  „  139-148      ^' 

Derjüd.  Sabbath\'.(DerSabb. 11.  derTeinpelu  197-205 

Aus  der  Mappe  eines  wandernden  Juden  VI.  „  463-470 

II.  Jalirgang. 

Tiscliri  ( I'osch  haschono.  Teschubah-W'oclie. 
Join  Ki]iiiiii.  Sukk(illi)  III.      1-43 

( lescliiclite  der  Juden  V(in  Di'.  lI.OraetzK^  11 
Cheschwan  II.    16-23 

(ieschichte  der  Juden  von  Dr.  II.  Graetz  III 
Kish'w  (Die  4  Chaniikka)  III.  54-79 

Geschichte  der  Juden  von  Dr. II.(lraetzIV(  1 ) 
.\us  Jerusalems  letzten  Tagen  .     80-92 

Geschichte  d.  Juden  von  Dr.  II.(  iraetz  IV(2)eVV. 
I'lin  Wort  au  Herrn  Kirchheiiu 
Schewath  (Die  Frühlingspredigt  im\\'inter)  H.  49-59 
Der  jüdische    Sabbatli    \l    (Der    Sabbatli 
und  die  Hrziehung)  1.  205-211 

Adam.  Weadar:  1 )  Dieverscliieilenen(irössen 
2)  Die   vier    Lichtgedanken 

der  ringenden  Grösse    II.     59-71         v       n         v 
Geschichte  der  Juden  von  Dr.  H.  (!raetz  VI. 

Nissan,  die  vi(>r  jüdischen  Toaste  IV.    87-107    j     ,)k^      m59- 

Ijar(  Wochen  11.  Taged.Uebergangsperiode)     .    108-117 
Geschichteder  Juden  von  Dr.  II.'(iraetz  VII.  "        "  " 

Siwan  (ZuniFeste  unserer  (iesetzgebung)     H.    108-123 
Taniiis(    .    I'astlagd.  Finiiahine.Ieriisaleuis) .    124-1.38 
( ieschichte  dei-  .ludi'ii  von  Dr.  II.  (iraetz  \'III. 
Aw  (Zum  Trauerfest  tag  der  Teinpelzerstöruiig) 
Die  jüdische  Heiterkeit  1.471-480 

Flui  (Zu  den  Selichothtagen)  IL  153-159 


1. 

Okt.    1858. 

•} 

Novbr.   , 

3. 

Dezbr.  , 

4. 

Jan.    1859 

5. 

TT                 r 

Febr.     , 

6. 

März     , 

1 . 

TT                     TT 

April     „ 

8. 

Mai        , 

9. 

Juni 

10.  Juli 

»T  TT  r 

11.  Aug.      , 

12.  Septbr.  „ 


2.  Novbr. 

3.  Dezbr. 


4.  Jan.    1860. 


11!    Jahrgang. 

Tiscliri    (Tiscliribibler.  die  Weibl.  (  irilppe)        .         1-15 

Cliescliwan  III.     44-53 

( Ieschichte  der. Iiidi  n  von  Dr.  ll.Oraetz  I.\.  5.   l'ebr. 

Kislew  (  Der  Helleiiisniiis  iinddas.rudeutnm)  II.    24-40  .,        „ 

Teweth  (Das  .Jiidentiiiii  und   Itoiii)  II.    41-48  6.  März 

Schewiith  (S(diekoliiii)  III.  100-108  , 

( ieschichte  der  .luden  vini  Dr.  II.  ( iraetz  X.  7.  .\|iril 

.\dar,  Ilaiiians  etlinegraiiliisflie  Scliilderiini,'-  .        „ 

der  .luden  IH.  114  129  8.  Mai 

Nissan  (Die   ..Arboo  Boiiinr)  IH.  130-151.  „       , 


Titel  Ges.  Sehr. 

Ansprache  eines  nüchternen  Trunkenen  in 
einer  Vei-sammlung  trunkener  Nüchterner, 
gehalten  auf  dem  grossen  Marktplatze 
zwischen  dem  Elieine  und  der  Oder  am 
Purim  5617:  HI.  549-553 

Ijar  III.  152-162 

G  eschichte  der  Juden  von  Dr.  H.  Graetz  XI  (I) 
Siwan  m.  163-180 

Tamus  „    181-192 

Aw  III.  193-201 

(ieschichte  der  Juden  von  Di-.  II.  Graetz  XI  (2) 
Eliil  III.  202-212 

Grundlinien  einer  jüdischen  Symbolik  I.        „    213-227 

IV.  Jahrgang. 

Sehofar  IV.      1-16 

Grundlinien  einer  jüd.  Symbolik  II  (1)  III.  227-240 

Cliescliwan  IV.     17-27 

Fin  Stück  Zeitgeschichte 

Kislew  (Die  Minorität)  „      28-49 

Teweth  (Der  I^asttag)  „      50-61 

(irundliuien  einer  jüd.  Syiiilndik  H  (2)  III  240-254 

Schewath  IV.     62-74 

Synagogen-    und    Gebetordnung    für    die 

Israel.  Kultusgemeinde  der  Pfalz  IL  343-357 

Adar  IT.    75-86 

G^escliichte  der  Juden  von  Dr.  IL  ("iraetz  Xll 

Nissan 

(irundliuien  einer  jüd.  Svinbolik  IH  HI.  254-268 

Ijar 

Siwan  IV.  118=127 

Grundlinien  einer  jüd.  Symbolik  IV  (1)  III.  269-290 

Tamus  (Israels  Verfall)  IV.  128-140 

Aw  „    141-1.50 

Flui  .    151-159 

Grundlinien  einer  jüd.  Symbolik  IV.  (^2)  III.  290-301 

V.  Jahrgang 
Tiscliri  (die  beiden  Lose) 

(irundlinien  einer  jüd.  Symbolik  IV  (3)        III  301-318 

Cheschwan  (Die  Gemeinde) 

Kislew  (.M  hanissim) 

Der  zehnte  Teweth 

Grundlinien  einer  jüd.  S.ynibolik  V  (1)       „    318-333 

Schewath  (Unser  Wiutertrost) 

Adar-  und  Weadar-Gedanken 

Grundlinien  einer  jüd.  Symbolik  V  (2)       „    333-348 

Nissan 

Ijar  (Sefira-Betrachtungen) 

Siwan  (Zum  Feste  der  (iesetzgebung) 

(irundliuien  einer  jüd.  Symbolik  VI  „    348-369 

Tamus  (S(dl  ich  noch  weinen  und  fasten?) 

Grundlinien  einer  jüd.  Symbolik  Vll  (1)    „    370-379 

Aw  (Warum  ging  Juda  ins  Exil?) 

Flui 

Grundlinien  einer  jüd.  Symbolik  VII  (2)    „    379-389 

VI.  Jahrgang 

Tiscliri  (Der  Teruatag) 

Aus  einem  Briefwechsel  über  die  Psalmen 

(I  und  H)  I.  324-338 

Cheschwan  (Die  Berachotli) 

tlrundlinien  einer  jüd.  Symbolik  VIT  (3)     Hl.  389-396 

Kislew  (Chaniikka) 

Aus  einem  Briefwechsel  über  die  Psalinen(3)l.  338-350 

Teweth  (Jüdische  F'asttagsgeilauken) 

Worte,  gesprochen  bei  der  Schulfeier  der 

Unterrichtsanstalt  der  Israelitischen  Heli- 

gionsgesellschaft  zu  Frankfurt  a.  .M.,  den 

9.    November     1S59,    am     \'oraliend     der 

Schillerfcüer.   — 

Schewath  (Schekolliu) 

(iriuidliniene.jüd.  Symbolik  VH(3.  Forts.)  HL  396-412 

.Vdar  (Lud  gleichwohl) 

.Viis  einem  Briefwechsel  über  die  Psalmen  4   1.  350-363 

Nissan  (Finige  Blicke  in   Israels  .Magna  Charta) 

Beiblatt:  Das  Attoiital    in  Jlambiiri;- 

Ijar 


Das  Hanibiirger  Attentat  (Art,   1) 


IV.  4.53-454 


— *        O^j        — • 


So.  Uonat  -Ulir 
!V  Juni     ISOO 

l(t.  .luli 

11.    AUiT. 

\'2.  St^i'tl'V.  . 


Titel 


Oes.  Sehr. 


1.  Okt.      lJ<t>0. 

•3.  Novl.r.  I 
8.  IVzbr.  . 
4.  .Tan.   1M>1. 

ö.  Febr.     . 


ti. 

März 

t 

.Vl-ril 

N_ 

Mai 

9. 

Juui 

10. 

Juli 

11. 

.VUiT. 

1-J. 

Sei'tl'r, 

1.  nktl..  l^til 

•2.  N..vl.r.  . 
S.  Ivz. 

4.  Jan.    1  >«•;■_' 


F.-l.r. 


ti. 

März 

1 . 

.\l.ril 

s 

M.ii 

;t 

Juni 

In. 

Ju'li 

11. 

.\ni.'. 

MW  an 

Pas  Hamt>uri.vr  Attentat  (Art   _'  nn<l  :?^  IV.  4ÖS-4T-J 

( ; rundlinien  o.jikl.  Svn\l>olik  \" 1 1 1 S.  Forts. >  111.41  ■J-4-JO 

Taniusi  Pas  Jerusalem  der  Zukunft  un«!  «lie 

WeUsresehiehte« 

Pas  Hamlmrsrer  Attentat   t  Art. :!  Forts.»  IV.  4T-2-4S:i 

A\v  iPas  Zion  »1er  /.\ikunft  und  «lie  l\eutiire  Kefornn 

l>as  Hamlnirirer  Attentat  »Art. .{.  Forts.»    IV.  4SÖ-4!tS 

Flui  lUnst^re  .Vufg-abe» 

Pas    Kun.lsehreiben    des    Voi-stautles    zu 

StuUlweissenlmrs:  sresreu  Herrn  Pr.  iniiTiren- 

heimer.  Kalit>iner  daselbst . 

Vll.  lahrgang. 

Tisohri  t  Ein  Lied  von  dem  Kosehhaschono  der  Zukunft  > 

Pas  Hamlnirirer  Attentat  lArt.S  Forts.'    IV.  4V>S-r>0:> 

(  heschwan  (Unsere  Aufirabei 

Kislew 

Teweth   iPie    Heilesverkiindunir    während 

der  Belairerunir  Jerusalems  i 

Sehewat  i  Sohekolim  i 

.Vnmerkun^dor  Redaktion  zu  dem  .Vrtikel 

von  Gottliel'  Fischer:     Pes   (tl>errattl.iner 

und  Seminardirektors  Herrn  l>r.  Z.  Frankl 

hodOiretisehes  Werk: 

-\ilar  (Per  (lOtteskamiif  sreiren  .\maleki 

.\us  einem  Briefwechsel  über  die  Fsalmen  .">   I.  St!:^-3T  1 

Vorläutiire  Abrechnunsr 

Niss;\n  (Zur  ress;u'hwoche^ 

Ijar  (St'Uen  wir  die  Setira-(>ebtte  streichend» 

Herrn  l»r.  Frankls  Frkläninir. 

Siwan(Fin  Blick  in  ein  altes jiid.  Tairebuch»  1.  408-414 

Tanuis 

iinindlinicne.jüd.SymlMdikVllio.Forts.»  111.  4-_'o-4o(i 

PesHrn.viberrabb.  Kai«iiMirt  Piwn-  SchidauniWOt-nn'tli 

Aw 

Flui  (Pic  St-lichoth» 

.\u>  einem  Briefwechsel  über  di.-  Psalnit-n 

(i.  T  und  >  F  STl-:i>ri 

\nil.  Jahrgang. 
Tischri.  dor  alte  Tischri  nnd  die  m-xlcrne 

Eelisri'Mi 
r>er  Lewiathan. 
Wie    iTowinnen   wir   das  Lfixn  f.  unsere 

Wissenschaft  r  F  41t;-4:^L' 

(heschwan.  Pädai'-Oirischc  Plaudereien        .    "JlMi-So!) 
Pie  jüdische  Weg-zchruniT  IF  4tiT-4T2 

Kishw.  PädaiTOirischf  Plandertit-n  F  i^oö-^U 

.Tüdischf  Welt-  und  Febt-nsjuischauum:  1 . 2. 
Altjüdischi-  Frömmigkeit 
T<wt-tli.  Pädair« •irische  Plaud'r.i>-n 
Jüdisdi.-  Wflt-  )ind  Leben>anschauunir  ;F 
Was  hat  eine  iresetzestrtUf  Miui^rität  nt- 

iih-iren  Wünsclu-n  «.'i-irenübt-r  zu  tun       II. 
Bücherschau.  Kel)ec<a  i>d.-r  >lasJiid.Wtili 

in  ihrem  reliir.  Berufe,  eine  Federzeich- 

uumr  vi.n  .Mmiham  Fevi 
S.hewat.  Pädair-'trischt-  Plan  l>rei'-n  II 

p.T  nnirehor;-ame  u.  widers|>enstiire  Snhn 
Pi'Kun>t  scii.m  zu  sein  u.  lauire  zu  leben  III.  5.i4-.")r)ti 
.\dar.  Pädair"iri>che  Plaudereien 
Jüd.  Wflt-    und   Lebensan>chauiinir  4. 
Nissan.  PädaL'- 'irische  Plaudereien 
.MtjudiMli'-  Frömmii.'keit 
Ijar.  Päda<r">ri>eli.-  Plaudereien 
>iwan.  Pädai'.'iri>che  Plauderei.-n 
.Iüdi>che  Welt-  und  Leben>an>i-hainni>r  •') 
.\ltjiidi>clie  F'römmiL'keit 
Thamu-.    Pädair>iri>elie   l'laiid'-r-i.-n 
•Tiid.  W.-lt-  und  Lebeii>an>e|iauiuiir  »i. 
.\w.  Pädairi'iriseh'-   Plaudereien 
■Tüd.  W'lt-  und   F'-bfnNan>ehaiiunir   T. 
Flliii.   l'äilair"^'i>'-h.-  Plaud'-r.-i'-n 
•Tii.i.  W>-lt-  und   F'-b<-n>anseliaiimi«r   "». 


1.  i'krl.r    . 

2.  N    . 'r.   . 

4.  Li-zi.r.  - 


a«a.  Sehr. 

II  203-220 

.  220-245 

.  24.")-2r>!t 

.  2(io-2T4 


2Sf<-2!Hi 
2!tT-.S0!t 
:t:{r.-;{42 

H0!I-H1S 
Hl!t-:{H4 


No.  MoDüt  Jahr  Titel 

4.  Jan.     ISti:?.  Tmveth.  Jesaias  nnd  seine  \\"(dt   4. 

.').    Febr.      .        Sehewat ii,  Jesaias  und   seine  Welt 

l>.  März      .        .\dar,  Jesaias  und  seine  Welt.  ti. 

T.   .Vpril     .        Nissan.  Jesaias  und  seine  Wflt.  T. 
.\ltjiid.   Fr.'vmmiirkeit 
Pädajr(^irisciie  Plaudereien 

!•.  Juni       .        Siwan 

10.  Juli        .        Thamus 

Zum  jüd.  liemeiitdeleben 

11.  Aug.       .        Aw 

12.  :-ei>t.      .        FUul 

X    Jahrgang. 


1.  Oktlir.    .        Tischri 

2.  Novbr.   .        fheschwan.  Worte,  am   IS.  Oktober  18(53 

in  der  Synagoge  der  isr.  Keligions- 
gesellschaft  zu  Frankfurt  a.  M.  ge- 
sprochen von    Samson    Raphael  Hirscii 

Kislew.  das  jüdische  Weib  IV.   Iti 

18t>4.  Teweth.  das  jüd.  Weib  ..     1T2 

Sehewat.  die  Natur  und  dieBibel  in  derlland 

der    materialistischen  Weltanschauung    I.  41.") 

Nissan.  Rabb.  Horowitz  in  Wien  IV.   ITT 

.Vw.   das  jüd.  Weib  3.  .,      180 

12.  Sei>t.     ..        Fllul.  das  jüd.  Weib  4.  ..     litt» 


3. 
4. 

Pezbr. 

Jan. 

Febr. 

6. 
11. 

März 
Autr. 

IV.   UiO-lüT 


-1T2 
-ITT 

455 
185 
11)0 
IJtti 


I.  312-323 
3.is-3T4 

3T5-38> 

554-55ti 

II.  3S!l-3!Hi 

II.   3iiT-415 

111.   44>^-4.V.l 

III.  4:>!t-4T5 

IV.  40N-41(> 


I.X.  lahrgang 

T;>e!iri.  J— ai.i>  und  >'-i!i-  W'-U    1. 
P:ida_'-..^'-i-el;.-    IMaud-r-i-ü 
I   !:.-.e!iW;ili.    J>->aia>    IHld    -—il]'-    W'-lt     2. 
Ki-l-w.    .Ie-,iia>    i,;id    ^.■in••    W'lt    3. 

A'r  ■;;.  Frömniiirkeir 


(tktbr 
Nnvbr 


3.   Pezbr 


3. 
(i. 

>_ 

11. 
12. 


Febr. 
März 
Mai 

.VUiT. 

Sei  lt. 


-Xl.  lahrgang. 

I>ti4.    lischri.  «his  jüd.  Weib  5.  IV.   19T-202 

.  ..        (heschwan.  das  jüd.  Weib  (i. 

Rückldick  auf  das  Feben  einer  jüdischen 

Hausfrau 
Kislew.  das  jüd.   Weib   T.  ..     202-208 

Pas  jüd.  Weib  in  der  Feberlieferung  des 

Talmuds 
Pas  Mainzer  Jotirnal    und  die  Ideen  der 

Nationalität    und  Humanität,  der  t'ivi- 

lisatiiin  uinl  Freiheit. 
lsii5.  Sciiewath.  Beiträge  zum  Verständnis  der 

ersten  Blätter  des  Pentaleiich.   1. 
.\dar.     Beiträire     zum     Verständnis    der 

ersten  Blätter  des  Pentateucii.  2. 
Finige  .\ndetitungen  für  die  Benutzinig  der 

ersten  Felieiisjahre  für  die  Erziehung 
.\w.  Beiträge  ztiin  Verständnis  der  ersten 

Blätter  des  Pentateucii.  3. 
I'".llul.  Pie  Scheiiicne  Esre.  1. 


41T-433 


209-218 


-XU.   lahrgang 


1.  oktbr  Isti.").  Tischri.  Pie  Schemone  Esre.  2. 

2.  N'iivbr.  ..        ('heschwan,  Pie  Schemone  Esre.  3. 

Beiträge     zum    Verständnis    der    ersten 
Blätter  des  Pentateucii  4. 

3.  Pezbr.  ..        Kislew.  Pie  Schimone  Esre.  4. 

T.  Ai>ril  I8(i().  Nissan.  Einig-e  .Xuih-titungeu  über  den 
hebräischen  Fnteiricht  als  allgemeines 
Bildungseleinent  in  unserer  Schule        II. 

10.  Juli        ..       .Jüdische  Kalenderjdiantasien  III. 

11.  Aug.      ..        (.\w  und  EUul:  ) 

12.  Sejit.     ..        (Jüd.  Kalenderidiantasieeni 


21!t- 
220- 


222 
236 


232-238 


432- 
.531- 


448 
539 


539-548 


XIII.  lahrgang. 


(I. 


II.    P.o-IT.") 

.    ]Ti;-i->T 

1>T-2m2 


!ii. 


(»ktbr 

Nnvbl 

pezbr 

Jan. 

Febr. 

März 

April 

P.z. 

Mai 


Juli 

AUiT. 


Pi- 

l>(iti. 

l-^tiT. 


ixitl. 
IXiT. 


■l 


1." 


)  altjüdi 
diri: 


.  c  h  e  n  .\  u  f  w  ä  r  t  s  1  i  e  d  e  r : 


1.     Pie  Klaire 

4.     Per  Hohn 

T.     Pie  träumenden  Säer 

'.t.     1  >as  jüdische  (Tlück 

10.  Pas  Olück  der  Andern 

1 1.  Pie  Schuld 

12.  Pes  Königs  Wunsch. 
Nachruf 

Ijar.    Von  den  Beziehungen    der  allgem. 

Bildnnir>e]emente    zu  der  speziell  jüd. 

Bildung 
Thamus  tuid  .\w:     Pie    15    altjüdischen 
.\ulwärt>Iieder:    14.    Israels  Vereinigung 

im  Lande. 


Ti 

(  heschwan : 

Ki>lew: 

Teweth: 

Sfhewath: 

Adar: 

Nissan: 

Simon  Mav. 


II.  449-466 


No.  Momat  J.hr                                          TH*I  (.,.,,  «,H,                                                               ^^^^^^^^  ,^ 

XIV   [ahrgang  y„     I.   2,    \.   f..   >..    10.    l'J.    I  J.    I  f;.    ]U.   tK .   iS.  28,  .'{f},   '•A.-'A   .'{9    42 

2.  \ov.    \^v,t.   \nt-  \j>(Ur  lUr  Ki/mj-ltn.    I.  ^:■,.    u.    J.'j.    u;.    iU.     f'irk*-  Ahorh. 

;{.  \)t-7.\)T.  ..        Ki.-.|f-w.  U  urT*-.  s.''-'(in((h>ii  i.  .1  .■>wi/iL'.,L"-  N''     !'',     ->r,iriirtri  lUs  ..Fn-it-n   \Vrfiriii.''iirii'". 

.l.-rF.'.nifl.  \U\\'j.-i  :>■-..  7M  Fr-Kik  flirr ,,.  .\f  .  V-,.    \  I    Vi.     Fm.  r^hhini-oh*:  ./udfrirurfi  un-l  (Ji*r  .ozi^lfr  fiil.lur.s.'  (^mf.hJilf. 

arti   (»onn.-r»ra<.' ~r  —  c  zwi-rh.-n  ~i-  .l-n   Artik'-I   Hir-rh-  irn   Inr>lliü-.ri'/Ma.r.f   von   I-.',:;). 

iiri.l  i—r  zum  i..-.l;i,hrr)i.  -Ir-  ,ir.i    I,^  NV.     \1  V.:.     fM-->-U,*-    ci,    i.-r.fh^lr.    .l^-n    Arrik»-!:     ..fM-.    r^hhinivh^r 

<hf->«-h»,iri  vfT-r.,rl.»-ii.n  *>t,«Tr-)ta,iri>r-  Jii«l»-r.rijrfi    un.l    ').r    ff>Tr   f/r.  fff-iV    vorn   22.  April    Ii.',:i    irn 

.^iilornori   Klt-in  ^/t  zu   '  'ilrn-ir.      .'.,irh  U\Xi-\\\'ji-M7.\,\A.\.\.). 

■>f>Tio:rrH.(ihi»i-ti>-r   .\iifz*irhnurii.'. 

4.  Jan.     M«.-*.   T.w.rh   (in.l   .>.h.w^fh:  lahrgang  1^87. 

5.  Febr.     ..        I>i<-  IJ'-il»-r  <I'T  K'inii')<ii.  ::;  N''    I-    !•  •'>.  ".   !'».   I  ;,   li  l.'>.    I-.  20.  t\ .  2t.  2^;.  2*<.  :;';.    VI.   W.  .',(;. 
IJi>-  I;i-r<-ll»:>f-  •!.-   fl*mi  K'irr-hh»irii.  '"*-    *"  H-   *!    ^i;.    ^T.     {'irk*-  Xhot.h. 

in.  '^iiarr.tl.   .V',.   7.  ■«   iiri<l   '.»:   .\i>ril.   .Vl^i   uml  Juni   !->;-:  ■^''     ■''    '     i +T.      [>i»-     .Vfiliurf/rti^hf     f|*;r     jij(li-"<-:hf:ri      i'AvjviU-i[h\iT(:T 

l'initra.-«  Klijatm                                                   IV.  .'>of;-.',I .',  ifcrr.rirfr.  »ririf;  {'frr.irion  'lf-r  ..Fr*:i':ri   Vf-sf-UHjuu'j"). 
IV.  Quartal.  .Vo.   10.   II    ii.  12:  Juli,  .\iiir.  u.  .S^rpf..  I ->;■« : 

Haa.-!iniih  uri'l  ilif  S^-i^nunir'-ri.  ,.,      n  i  ^/^^  m^  ;  r  ^    y^  ;r ,,    ,.   .i  ^       r    ,i ,     .             o    i- 

XV.  lahrßarg  V,,.  4.   ] ,;;;,      ,  Krif.sf.,^,riiin^  auf  -li^r  An^lff:  Af.^.  H^rm  Dr.  Crfrizfrna^h;. 

I.  (^arral.  .N'o.   1.  2  a.  ;i:  Ukrbr.  .Vovhr  n.h'-y.lr  !'<<;•<:  •-  2;i.       ..        VS'arditiina'  fl*^r  fVrm^rkunjr^rn  zu  fJ<^-n  Mir.t^ilanjyen  au.^ 

Von  '1»T  t'fl»->/f   ilf>   -^ir.rlirh»ri  .Vf^m'-nf-    in  .Vaphr^li-   Hnf-.fv-.rh-^M    in  .Vo.   I    df:r    f-r.  .üinalf^n. 

'ler  .Sf-hul>-  I.   j'l-j'.K,     ■■  -^        ..        ForT.v.-rziinir. 

IV.  f^iartal.   .V.,.    lo.   II    u.  12:  Juli.   \\i'j.   u.  ><-pf.    l-t;r>:  ••  -''         ..        ^f:hlu--. 

{'ä<lat'oiri:ffh*-!    unil  bi'lakri-'h<->-    au-    jr|.|,  ••  *'•'>■       ..        Kr'Aiil*-nin:.'*rn    auf   <lif;  iU:<U:ukf:h  <U-^.   Rhap-'O'li-r.en  in 

.•Sprach-  nn'l  Spnifhifr  l-ink«:n  I.  :i-f;-:;!»f;                                  No.  f,  rlf-.  fi^rihUrr^^rn 

..  *;  i.  ForT-.rzuni.'. 

^^'■'^^'2^^2  ..»;.;.       _         U  i.l.T   ff.-m.   f>r.  •  r..iz..nar-h. 

II.  «^lartal.  .Vo.  4.  .'>  u.  »;:  J.in..   F»-hr.  uu'l  SUm   I-T'i:  ..  ;»(,.       ..        \VnnUi.niu'.'    il*r  P>:lf:Uf hrunt'    -Ifr.   fff-rrn   K'ohn    in  .Vo. 

Hin  Kapir.l  il*-r  jiiili-'li'-ri  I.'K'ii-ti'ili^runi.'-.  i.  ;;►;.  .;;>,   ;2.  4".  .'>I.   '>i  'li»-,>r  Zf-iruni.' 

Tr>-nriunL'.  ..  !t2.       ..        "fhlu-.. 

III.  '/iiarTal.  .V.,.  T.  ■•  uri'l  '•>:  .\[/ri!.  .\f-ji   un«!  Juni  'f'.o: 

Hin  Kat.ir.-I  ilf-r jn'li»'-h>-n  I,>l,'-n-ti'i!i:.'uii:r.  2.  1       l-         i  .•               r         ,1-              ,  .             ,,       ,  , 

Di-  Tr'-nnun-<ra.'.-  in   K.rl-ruh.-.  .       '' '      f-_^"' ^'i^  ""— r    f  r.  r- 1  i, /.  n  z  -  BU  r  r .    fr.nkfurT,  ..   .Vf. 

l'>»\fnf\iviu-j    «l'-r    *i<l>'-    ■li>-  f-r.i*;.   \','-l\j  -  ^"-  "■    I  "•''''.     f>'!.-    r-i.hhirii-f-h*-  Jinlf-nrurn    utnl    *lifr    -öf-i^lf-   f',l\(l\n\ü. 

< i»-^.  in  K'arl-ruh»-    vi.n    'l>-:n    :/r"--!i>-rz  _'!.  Fia  -T-rf.  imil  lt:rztt:>  U'orT  zur   V»-r-'r.ii,rt'liL'uni/. 

Mln-rrat»-  friranj'>-n'-fi  .\n-j.r.ii-ti.-.  ..  ~-                 Di-  r4obini-*-h>-  Ju(l»-nrurn  unl  ij-r  ff»rr  {}r.   ff»-^-.. 
.\n    <lt-n    iöf«!.   V..r-r.in«l   'l'-r  I-r^:»i.   f.'.Ü.'.- 

IV.  «Quartal.   .Vm.    Im.    II    n.  12:  Juli.   Anj.   ■■..  ^^-f.r .   I-^T'i:  _                                 '                            •    ■    .     -•   {.... 

Hin  Kaj.it-I  .l.rjii.li-.|,.nL»l..-u-h.ili_nin:.'. :{.  •  -'    ''^"      f^''"^^'     '"■•      ^ '''raharn     •<»ii'.r-     philov^.hivh^:      und 

Kin.-n    Kinhli.-k    in    .-in-n    alrju-li-h'-n    Kr-  hi-r.,Tiwh.-  Kririk. 

zi^huriiT'karK'n. 

f'     F  r  i  -  i  ii.  KnuU-n. 

f.)    J  ••  »  <•  h  u  r  u  ii.     I  Vt-u'-   F'.L"-.'  5-'-hni,;r    I-4-i.     f'r-r.-^r  .-iri.-^  Juil'rn  /'-^''-n  ila-  VoTum  »-inf-t  •  hri«r,t-n 

Wochenschrift  zur  Förderung  jüdischen  Geis-ei  und   i:d.-,cr.er:  l.tocr.s  ;r.  tU-^\  ''""   ''"^'    Frnanziparion   'l-r   Ju<l»-n. 

Gemeinde    und  Schule-     >eue    Folge.     Ersser   lahrjanj.     Herau-.se^eb^n  Dit     ^  ofurn.     il>-r     Pror»:-r.    iin'l   ili*-   .\uf/*'irt   in    '1er 

unter  .*1itwirkunz  des  Begründers  und  be-iährter  Oeno<».en  von                                                        Ji|'l>nfra;.''-. 
Isaalc    Hirsch.    Hanrover.    I Vii 

No.  1-4!».     .■^al'iriioni-'-h>-  >[>ni«-hi*>i«h>if. 

lahrga.-g  I*S4. 


f!  >■  r  !i  fi  »•  r    .V  H.  r  i .;  n  .1. 1  z  »•  i  r  u  n  :/■ .  iU-.rVia. 


;»;  .\rT::  :-.',4.      '»rf'-r:-  .X.'ifr  .'>-  -m  'li-    [.•■iv-r  '!»-  zufol^-»-  'i--   f'ro- 

.\o.    1.  4.  ♦;.   V    IM.    12.    1.;  IT.    !■..  21.   2',.   2.;.   •'•...    .;2.     U.    ■...    i-  X!.  _^„,,„,,.,   ,.„„,   p..^,ruar  .1.  J.    in     Bn-^lau    zu   Molf- 

44.  4«  -.,<».     '«al..moni<.-ti.-  .-j.nirh-A.-i-h.-ir..  r,..,^,)..^^   -.fninar^  für   k.a.hiri-r   un-l   r>-hr*-r. 

lahrgang  inüV  I"    -^  ■■■-    '"''+•      ^-i''-  'Uib.M,,i^-rn-   Fra/.-. 

.Vo.    1.  4.  "•.    I'i.   14  !.'>.     Sal'«ni"ni-'-h>-   '«[-ri'h  *-i-h'ir 

No.  ;>.>..->;•;{.  Au ffor.i-nin:.'    zur    F.il.lun.'    -in-r    ..Fr-i.-:i    V.T>-i.';i.".n.'  ^'      1  -  r  .r,  -  :  1  r  1  .  .•  h  ►•  r    U.  -  i  r  h  -.  i,  0  r  ^: .  h.-,m. 

für  «li»-  Inr>r.-.».ii    .1—  •.rrtiv.l'.X'-n  Ju.l-nrurn--  T  1  -  •■  h  r  1 .      A  1-  'Iffi.   J—huniri. 

D    Gedruckte   Gutachten. 

f r  n  t  a  <•  h  t  *- n  an  Hrrrri  f'>.-zirk-rafphiri'T  J.    K.    i,;      -■.--r.    W  r:i.-.  V''''''""' -'•'■'''■'"    '•--   ■^■—hiriCi.    .\pn;-J'ini     I-TO    un'!    in    .Vo.    20    'l»:- 

I.y  Juni    I'.'jI.  i.'>-.lr.i'-kr   irii    [-r.fli''    1'.'".    r-T-"-  K:  ,"  r  r....-    ■  ..J-r,'.,'-j:--    >T". 

Hf-forni*ii  ''  ."•-••.'-"■•:.      '.••zrij':ii-.ri     >]-•-     Hr---l,i..,'-r    {'rt..')r,i.'.>:-rr*-minrt.r-     I-T;>. 

'i  u  t  a  <•  h  t  »^  n    an  H>-mi   }:.iKr.in>T  -«.•.;  :i.-.^    .\' :■                            --^  .■:-.•-          ..f---,  ::--  .^  ..    ;:     l-T:». 

srHlni<*kt   in  ..HahMni*'-h>- ' 'ur  n-nr^- ,  n:,--r  .!]•■  }>--,-;        .      .-        -  -  -  ~                                  ,          -'.-r  .\f-ziz.:f:    /"rrfurr^-l  -    .-in^rr  i/.^.-- 

<;  u  r  a  <•  h  r  »•  n  riU-r  -li-   Firaur.-'-rr*--;_'-r  I;. :.;-'■;  .••rv-r-.- --    '.  - -'  ■>    ••........   '••■.•-   F  ■./-   !--:',  .V...  :,i,, 

^Tf-lnir-kf   in   -*;--  r-r   l'^^'<.  .:-rr;.     f.    fr.,    fr;:.-.   .\.:.--.r  i,,:^.    h.-rr.    -li-    Vt-r- 

•  ititai'hr*-n  ►-r-trttr^-r  .in  -If-n  T'.ur-.M  .'.■i.!,-i,r-\  ■          '     "      -  .         ■    '  r. ■:,.;!.. i--.                        i'-.i^-i  L.-.r.r.-rr^'-nr     in    .Um 

l>»»;i».     tM-,lru<-kr  in   {V-njaniin-  U-rk:     ..[>r-:  '•'-■-/;   t^j                     ■-.:..'-•      i  ■:-•  ..f-r-;,«-:;!?--  I --:>. 

Hannover  I-'H2.     -•.•U.-.rv.-ri.i.'  -l—  \'-r:  •."'•:-.  "                                .            U .  .\[.   '.V  .r  ..   ff-,                [}■■,.•   f^-prl^nz^-n 

'iuta'-ht'-n  an 'i'f.  V.,r-r,i:,.l 'l-r  :-rt'-:i'i-"        ''      ./^  ..-j .'-•:•   "'  •                              .....■;.    h--T-'f-;. ;.    1  r^-.ir .  .-.■    ...   !.,.:,!   .1--  ..I.-- 

in  Kar!>rih>-.   l"«.   Mii    1-T'>.    .\  i-rrirr  *..^'                  r..;-,.  .-  i::.  iil  :•      .-•    : ->'• 


Derlag  pon  3.  Hauiimann  in  Sranhiurf  a.  JH. 


Gesammelte  Schriften. 

Herausgegeben  \  on  Justizrat  Dr.  N.  Hirsch.        0  w. 
Bd.  I.  brosch.M.4.50     Kr. 5.30  ö.  W.;  Lwbd  M.  5.50     Kr.  6.50 

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n-iirir  Versuche  über  Jissroels  Pflichten 
in  der  Zerstreuung. 

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Diese  Ausgabe  des  Qebetbuclies  enthält  eine  vollständige  Uebersetzung- 
und  einen  ausführlichen  deutschen  Kommentar.  —  Die  Ausstattung  ist  eine 
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Format  — ,  sodali  sich  dieses  Werk  nicht  nur  zum  täglichen  Gebrauche  und 
zum  Studium  der  Gebete,  sondern  auch  als  Geschenk  und  Prämie  vorzüglich 
e;gnet. 


□"»^np'  Die  Psalmen 


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Über  die  Beziehung  d.Talmud  zum  Judentum. 

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Worte  am  Vorabend  der  Schillerfeier 

gesprochen   bei   der    Schulfeier   der    Unterrichtsanstalt   der 

Israelitischen  Religionsgesellschaft 

zu  Frankfurt  a.  M.  den  9.  Nov.  1859. 

2.  Auflage.    Mk.  -.50       Kr.  -.60  ö-  W. 


Ferner  erschien  in  meinem  Verlage: 


Samson  Raphael  Hirsch  und  die  Israel. 
Religionsgesellschaft  zu  Frankfurt  a.  M. 


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Portrait  von  Samson  Raph.  Hirsch. 

Folio, Mk. 2."     Kr.2  40ü.W  :Oktav,Mk.-.60  =  Kr.-.80ö.W. 


Trankfurt  a.  IH. 


3.  Kauffmann,  Verlag. 


56    - 


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UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


BM  Samson  Eaphael  Hirsch 

755 

II4.8S3